Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.04.2011 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, das Resthonorar für das Quartal IV/2009 auszukehren, sofern die Antragstellerin bis zum 31.12.2011 Sicherheit in Höhe von 105.000,00 EUR durch unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft eines öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts oder einer Großbank mit Sitz in der Europäischen Union mit der Maßgabe leistet, dass die Bürgschaft von der Antragsgegnerin ganz oder zum Teil dann in Anspruch genommen werden kann, wenn die Honorarrückforderung gemäß Bescheid vom 26.11.2010 ganz oder zum Teil bestandskräftig wird. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt 1/6 und die Antragstellerin 5/6 der Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 20.454,90 EUR festgesetzt.
Gründe:
l.
Die Antragstellerin begehrt die Auszahlung vertragsärztlichen Honorars (Restzahlung) für das Quartal IV/2009 in Höhe von 102.274,52 EUR.
Sie ist als Fachärztin für Diagnostische Radiologie niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Mit dem ebenfalls als Facharzt für Diagnostische Radiologie zugelassenen Beigeladenen betrieb sie eine zwischenzeitlich beendete Berufsausübungsgemeinschaft (BAG). Nachfolgend führte sie zunächst eine Einzelpraxis. Seit dem 01.10.2010 ist sie in einer neuen BAG tätig.
Der an die ehemalige BAG adressierte Honorarbescheid vom 27.04.2010 weist für das Quartal IV/2009 ein Gesamthonorar-Saldo von 106.510,39 EUR aus. Abzüglich Verwaltungskosten, Kosten Notfallpraxis und Beitrag zur Ärzteversorgung verbleibt ein Restguthaben in Höhe von 102.274,52 EUR, das die Antragsgegnerin nicht ausgezahlt hat. Die Antragstellerin hat am 30.08.2010 zum Az. S 14 KA 418/10 beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf Klage auf Auszahlung des Restguthabens erhoben.
Die Antragsgegnerin hob mit Bescheid vom 26.11.2010 die Honorarbescheide für die Quartale II/2001 bis III/2009 im Wege der sachlich-rechnerischen Berichtigung wegen Gestaltungsmissbrauchs (verdeckte Anstellung) teilweise auf und forderte von der Antragstellerin und dem Beigeladenen Honorar in Höhe von insgesamt 1.635.622,71 EUR zurück. Hiergegen haben die Antragstellerin und der Beigeladene Widerspruch eingelegt. Den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs hat das SG mit Beschluss vom 25.02.2011 – S 14 KA 576/10 ER – abgelehnt.
Am 25.02.2011 hat die Antragstellerin um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Sie begehrt die Auszahlung des Restguthabens für das Quartal IV/2009. Dieser Anspruch ergebe sich aus dem erteilten Honorarbescheid. Sie habe die Leistungen vollständig und ausschließlich allein erbracht. Die Antragsgegnerin sei nicht berechtigt, die Auszahlung zu verweigern, denn der Honorarrückforderungsbescheid sei rechtswidrig. Die Auszahlung sei zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich. Sie befinde sich nunmehr in ernsthaften, ihre Existenz bedrohenden Zahlungsschwierigkeiten (wird ausgeführt).
Die Antragstellerin hat beantragt,
1.die Antragsgegnerin zu verpflichten, an sie das Resthonorar für das Quartal IV/2009 in Höhe von 102.274,52 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01.07.2010 zu zahlen,
hilfsweise,
2.die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihr einen Honorarbescheid für das Quartal IV/2009 über 102.274.274,52 EUR zu erteilen, der ausschließlich auf die Antragstellerin als Einzelpraxis ausgestellt ist und sodann den Betrag von 102.274,52 EUR für das Quartal IV/2009 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01.07.2010 an sie zu zahlen,
hilfsweise
3.die Antragsgegnerin zu verpflichten, an sie als Rechtsnachfolgerin der BAG auf das Konto der ehemaligen BAG Nr. 000, Sparkasse S, BLZ 000, den Betrag von 102.274,52 EUR für das Quartal IV/2009 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01.07.2010 zu zahlen,
äußerst hilfsweise,
4.die Antragsgegnerin zu verpflichten, an die ehemalige BAG Dr. I und H auf das Konto der ehemaligen BAG Nr. 000, Sparkasse S, BLZ 000, einen Betrag von 102.274,52 EUR für das Quartal IV/2009 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01.07.2010 zu zahlen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat geltend gemacht: Soweit die Antragstellerin den Zahlungsanspruch in ihrem eigenen Namen bzw. als Rechtsnachfolgerin der BAG Dr. I/H geltend mache, sei der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bereits wegen fehlender Aktivlegitimation und Prozessführungsbefugnis unzulässig. Bei der Restforderung IV/2009 handele es sich nicht um eine persönliche Forderung der Antragstellerin. Die BAG sei erst zum 31.12.2009 beendet worden. Der äußerst hilfsweise geltend gemachte Zahlungsanspruch der ehemaligen BAG bestehe ebenfalls nicht. Sie – die Antragsgegnerin – sei berechtigt gewesen, die Auszahlung des Restguthabens für das Quartal IV/2009 aufgrund der sich nunmehr im Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 26.11.2010 konkretisierten Forderungen auszusetzen. Sie halte der Forderung auf Auskehr des Restguthabens für das Quartal IV/2009 ihre rechtmäßige Honorarrückforderung im Wege der Aufrechnung entgegen. Ein Anordnungsgrund sei nicht gegeben. Der Rückforderungsbescheid könne nur begrenzt umgesetzt werden, da sie – die Antragsgegnerin – auf das laufende Honorar der Antragstellerin infolge deren neu gegründeter BAG keinen Zugriff habe.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Er verweist auf einen zwischen ihm und der Antragstellerin vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf am 11.02.2011 geschlossenen Vergleich, wonach die dortigen Ansprüche erledigt seien. Damit habe er als ehemaliger Gesellschafter der BAG auch keinen Anspruch mehr auf Teilhabe an dem Abrechnungsbetrag für das Quartal IV/2009.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat den Antrag abgelehnt (Beschluss vom 27.04.2011). Soweit die Antragsgegnerin die Aktivlegitimation und Prozessführungsbefugnis der Antragstellerin bezogen auf die Anträge zu 1) bis 3) anzweifele, werde auf die im Beschluss vom 20.05.2010 – S 14 KA 85/10 ER – dargelegte Rechtslage verwiesen. Danach sei die Antragstellerin jedenfalls für den Antrag zu 4) aktivlegitimiert und auch prozessführungsbefugt. Mit der Erklärung des Beigeladenen bestehe kein Zweifel mehr daran, dass die Antragstellerin eine Auszahlung an sich verlangen könne. Ein Auszahlungsanspruch sei indes derzeit nicht gegeben. Der Honorarbescheid vom 27.04.2010 stelle ein Restguthaben für das Quartal IV/2009 in Höhe von 102.274,52 EUR fest. Damit sei dem Grunde nach ein Zahlungsanspruch gegeben, sofern nicht die Antragsgegnerin ein Zurückbehaltungsrecht geltend mache oder der Anspruch anderweitig untergegangen sei. Letzteres sei der Fall, denn die Antragsgegnerin habe gegen die Forderung der Antragstellerin die Aufrechnung erklärt. Für die öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisse des Vertragsarztrechts seien die Vorschriften des Allgemeinen Schuldrechts des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) über die Aufrechnung (§§ 387 ff. BGB) im Wege der Lückenfüllung entsprechend anwendbar. Demgegenüber fänden die für Aufrechnungen und Verrechnungen geltenden Vorschriften der §§ 51, 52 SGB Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) auf Honorarzahlungen an Vertragsärzte schon deswegen keine Anwendung, weil solche Zahlungen keine Sozialleistungen darstellten. Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin schuldeten einander ihrem Gegenstand nach gleichartige Leistungen, nämlich jeweils auf die Zahlung eines Geldbetrages gerichtete Leistungen. Die Antragstellerin mache Honorarforderungen aus dem Bescheid vom 27.04.2010 geltend. Für die Antragsgegnerin ergebe sich der Anspruch aus dem Honorarrückforderungsbescheid vom 26.11.2010, mit welchem sie von der Antragstellerin und dem Beigeladenen als Gesamtschuldner Honorar in Höhe von ca. 1,6 Mio. EUR zurückfordere. Die mit diesem Bescheid festgestellte Rückforderungssumme sei sofort vollziehbar. Nach § 85 Abs. 4 Satz 9 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hätten Widerspruch und Klage gegen die Honorarfestsetzung sowie ihre Änderung oder Aufhebung keine aufschiebende Wirkung. Diese Norm gelte in gleicher Weise für Bescheide, mit denen Honorar aufgrund sachlich-rechnerischer Berichtigungen zurückgefordert werde. Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 26.11.2010 habe keinen Erfolg gehabt (vgl. SG Düsseldorf, Beschluss vom 25.02.2011 – S 14 KA 576/10 ER -). Die Forderung sei fällig. Für die Antragsgegnerin ergebe sich dies aus dem sofort vollziehbaren Rückforderungsbescheid vom 26.11.2010. Ob sie der Forderung der Antragstellerin wirksam ein Zurückbehaltungsrecht im Sinne eines Sicherungseinbehalts entgegen halten dürfe, sei nicht mehr relevant. Maßgebend sei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Nunmehr sei zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin zwischenzeitlich eine fällige Forderung gegen die Antragstellerin aus dem Bescheid vom 26.11.2010 besitze. Die Erklärung der Aufrechnung bewirke, dass die Forderungen, soweit sie sich deckten, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie als zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten seien (§ 389 BGB). Die Aufrechnung habe die Antragsgegnerin spätestens mit Schriftsatz vom 11.03.2011 erklärt. Angesichts der wirksamen Aufrechnung stehe der Antragstellerin derzeit kein Auszahlungsanspruch gegen die Antragsgegnerin zu. Der Bescheid vom 26.11.2010 sei nicht offensichtlich rechtswidrig (wird ausgeführt). Ein Anordnungsgrund sei ebenfalls nicht gegeben. Im Streit um die Zahlung vertragsärztlicher Honorare sei eine Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich, wenn ohne alsbaldige Erfüllung der umstrittenen Forderungen der notwendige Lebensunterhalt der Antragstellerin oder die Existenz ihrer Praxis gefährdet sei. Nur außergewöhnliche Umstände könnten eine vorläufige Zahlung begründen. Solche Umstände habe die Antragstellerin nicht dargelegt. Wesentlich sei insofern, dass sie seit dem 01.10.2010 eine neue BAG gegründet habe. Auf die laufenden Honorare habe die Antragsgegnerin kein Zugriffsrecht. Demgemäß sei nicht ersichtlich, dass die wirtschaftliche Existenz der aktuellen BAG gefährdet wäre. Auf eine wirtschaftliche Gefährdung der Einzelpraxis komme es nicht mehr an, zumal die Antragstellerin vorgetragen habe, den Praxisbetrieb durch die Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit und einem Kontokorrent der Bank gedeckt zu haben.
Diese Entscheidung greift die Antragstellerin fristgerecht mit der Beschwerde an. Sie trägt vor: Das SG habe die Hauptsache unzulässig vorweggenommen. Weder der Honorarrückforderungs- noch der Abrechnungsbescheid seien rechtskräftig. Der Anordnungsgrund sei gegeben. Ohne Auszahlung werde sie Insolvenz anmelden müssen (wird ausgeführt). Auch der Anordnungsanspruch sei zu bejahen. Die Aufrechnung sei unzulässig. Honorarrückforderungs- und Abrechnungsbescheid seien rechtswidrig. Zudem verletze die Antragsgegnerin den Gleichbehandlungsgrundsatz und greife unlauter in den Wettbewerb ein, indem sie den Beigeladenen massiv begünstige. Schließlich sei die Honorareinbehaltung unverhältnismäßig (wird jeweils ausgeführt).
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die Entscheidung des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.04.2011 abzuändern und die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Honorar für das Quartal IV/2009 ohne Sicherungseinbehalt auszuzahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Ein Anordnungsanspruch sei zu verneinen. Die Antragstellerin habe keinen Anspruch auf Auszahlung des Restguthabens. Der ursprüngliche Anspruch sei infolge Aufrechnung mit dem für sofort vollziehbaren Honorarrückforderungsbescheid erloschen. Zwar habe die Antragstellerin insoweit das SG angerufen, dieses habe indessen nach summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage im rechtskräftigen Beschluss vom 25.02.2011 – S 14 KA 576/10 ER – ausgeführt, dass der Bescheid nicht offensichtlich rechtswidrig sei. Ein Anordnungsgrund sei nicht dargetan (wird ausgeführt).
Der Beigeladene tritt der Sachverhaltsdarstellung der Antragstellerin entgegen; er stellt keinen Antrag.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Die statthafte und auch im übrigen zulässige Beschwerde ist im tenorierten Umfang begründet. Zwar sind Anordnungsgrund (nachfolgend 1.) und Anordnungsanspruch (nachfolgend 2.) nicht glaubhaft gemacht, dennoch ist einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, indem der Antragsgegnerin aufzugeben ist, das einbehaltene Honorar gegen Sicherheitsleistung auszukehren (nachfolgend 3.).
1. Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung nach Maßgabe der in Absatz 1 bzw. Absatz 2 genannten Voraussetzungen treffen. Danach ist zwischen Sicherungs- (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG) und Regelungsanordnung (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG) zu unterscheiden. Durch das am 02.01.2002 in Kraft getretene 6. SGG-ÄndG (BGBI. l S. 2144 ff.) ist der einstweilige Rechtsschutz im SGG in Anlehnung an §§ 80 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelt worden. Dies rechtfertigt es, die zu §§ 80, 80a, 123 VwGO entwickelten Grundsätze auf das sozialgerichtliche Verfahren zu übertragen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom vom 18.09.2002 – L 10 B 9/02 KA ER – und vom 23.08.2002 – L 10 B 12/02 KA ER -). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Droht dem Antragsteller bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist – erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs – einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren (vgl. BVerfG vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.09.2006 – L 10 B 2/06 KA ER -), es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegende, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen (BVerfGE 93, 1 ff). Andererseits müssen die Gerichte unter Umständen wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit Rechtsfragen nicht vertiefend behandeln und ihre Entscheidung maßgeblich auf der Grundlage einer Interessenabwägung treffen können (BVerfG NJW 1997, 479, 480; Senat, Beschluss vom 12.10.2009 – L 11 B 17/09 KA ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 15.11.2006 – L 10 B 14/06 KA ER – und 14.12.2006 – L 10 B 21/06 KA ER -). Ferner darf oder muss das Gericht ggf. auch im Sinne einer Folgenbetrachtung bedenken, zu welchen Konsequenzen für die Beteiligten die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei späterem Misserfolg des Antragstellers im Hauptsacheverfahren einerseits gegenüber der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes bei nachfolgendem Obsiegen in der Hauptsache andererseits führen würde (Senat, Beschluss vom 16.05.2011 – L 11 KA 132/10 B ER -; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.04.2007 – L 5 KR 518/07 ER-B -).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ergibt sich, dass der Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht ist.
a) Den Anordnungsgrund definiert § 86b Abs. 2 SGG für die Sicherungsanordnung einerseits und Regelungsanordnung andererseits jeweils eigenständig. Die Sicherungsanordnung setzt die Gefahr voraus, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG), hingegen verlangt die Regelungsanordnung, dass die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Hierunter fallen die praktisch häufigen Fälle eines Verpflichtungs- oder Leistungsbegehrens (vgl. Düring in Jansen, SGG, 3. Auflage, 2009, § 86b Rdn. 11). Mittels einer Sicherungsanordnung trifft das Gericht nur bestandsschützende Maßnahmen (Düring, a.a.O., Rdn. 10). Die Rechtsverwirklichung im Sinn des Absatz 2 Satz 1 wird vereitelt, wenn sich das gefährdete Recht im Hauptsacheverfahren nicht mehr durchsetzen lässt. Die Rechtsverwirklichung wird erschwert, wenn zu befürchten ist, dass eine Zustandsveränderung den Erfolg des Hauptsacheverfahrens weitgehend entwerten würde (Düring, a.a.O., Rdn. 13 m.w.N.). Die Abgrenzung der Sicherungs- von der Regelungsanordnung ist unsicher. Sie ist letztlich unerheblich, denn beide Fälle unterliegen derselben Behandlung (hierzu Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Auflage, 2007, § 940 Rdn. 1; vgl. auch Senat, Beschluss vom 28.12.2010 – L 11 KA 60/10 B ER -).
Zwar trägt die Antragstellerin vor, infolge des Honorarseinbehalts wirtschaftlich "ausgehungert" zu werden. Dass führt indes schon deswegen nicht weiter, weil – wie das SG zutreffend ausgeführt hat – die wirtschaftliche Existenz der von der Antragstellerin nunmehr als Mitgesellschafterin geführten BAG hierdurch nicht berührt wird und die vormalige BAG bzw. nachfolgende Einzelpraxis nicht mehr existiert. Im Übrigen hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin im Rückforderungsbescheid vom 26.11.2010 anheim gegeben, einen Antrag auf Ratenzahlung zu stellen. Die Antragstellerin hat nicht vorgetragen, einen solchen gestellt zu haben. Schon deswegen ist der Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
b) Ist dieser zu verneinen, kann eine einstweilige Anordnung mangels Eilbedürftigkeit nicht in Betracht kommen. Allerdings bilden Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System. Insofern stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander. Es besteht eine Wechselbeziehung der Art, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt (Senat, Beschluss vom 21.06.2010 – L 11 B 26/09 KA ER -). Daraus folgt, dass sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund vermindern, wenn eine Klage in der Hauptsache offensichtlich begründet wäre. In der Regel ist dann dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung stattzugeben, dennoch kann auch in diesem Fall nicht gänzlich auf das Bestehen eines Anordnungsgrundes verzichtet werden (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.02.2011 – L 12 B 50/09 AS ER -). Ist ein Anordnungsgrund nicht dargetan, kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG SGG auch dann nicht in Betracht, wenn der Antragsteller im Hauptsacheverfahren voraussichtlich obsiegen wird (zur abweichenden Rechtslage nach Maßgabe des § 86b Abs. 1 SGG vgl. Senat, Beschluss vom 03.02.2010 – L 11 KA 80/09 ER -). Anderenfalls würden die den Anordnungsgrund bezeichnenden Tatbestandsmerkmale des § 86b Abs. 2 ("vereitelt" bzw. "wesentlich erschwert" und "zur Abwendung wesentlicher Nachteile") gesetzwidrig hinweg interpretiert (Senat, Beschluss vom 16.05.2011 – L 11 KA 132/10 B ER -). Im Übrigen ist einstweiliger Rechtsschutz insbesondere dann zu gewähren, wenn eine Verletzung des Gebotes, effektiven Rechtsschutz gem. Art. 19 Abs. 4 GG zu gewähren, zu besorgen ist (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 30.06.2003 – L 10 B 9/03 KA ER – und 24.11.2004 – L 10 B 14/04 KA -).
2. Der Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht.
a) Die Antragsgegnerin fordert mit dem nicht bestandskräftigen Bescheid vom 26.11.2010 von der Antragstellerin und dem Beigeladenen einen Betrag von 1.635.622,71 EUR zurück, den sie dem Anspruch der Antragstellerin auf Auskehr des Restguthabens für das Quartal IV/2009 in Höhe von 102.274,52 EUR mittels Aufrechnung entgegensetzt.
Zur Aufrechnung als Vollstreckungssurrogat hat der 10. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen im Beschluss 16.04.2003 – L 10 B 21/02 KA ER – ausgeführt:
Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Es bezieht sich ganz überwiegend allein auf die Frage, ob die Aufrechnung als Vollstreckungssurrogat ebenfalls vom Suspensiveffekt erfasst wird. Das SG hat dies bejaht und die Antragsgegnerin verpflichtet, die seit vom Antragsteller zu 1) und den Antragstellerinnen zu 2) und 3) seit dem Quartal I/2001 erworbenen Honoraransprüche auszuzahlen. Die Rechtsfrage ist umstritten. Das Bundesverwaltungsgericht und ihm folgend die Instanzgerichte entscheiden in ständiger Rechtsprechung, dass die Aufrechnung mit einer Gegenforderung keine Vollziehung eines die betreffende Forderung konkretisierenden Leistungsbescheides (Rückforderungsbescheides) darstelle (BVerwG vom 27.10.1982 – 3 C 6/82 – E 66, 218 ff. und vom 27.01.1994 – 2 C 19/92 – E 95,94; VGH Baden-Württemberg vom 09.03.1992 – 2 S 3215/91 -; OVG für das Saarland vom 24.02.1989 – 1 W 36/89 – OVG Bremen vom 16.06.1999 – 2 B 93/99 -; a.A. VGH Hessen vom 14.03.1975 – VII TH 91/74 -). Demgegenüber wird in der Rechtsprechung der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhof ganz überwiegend die Auffassung vertreten, dass die Aufrechnung eines Finanzamtes mit einem Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis sich als Vollziehung des zugrundeliegenden Bescheides darstelle (BFH vom 31.08.1995 -VII R 58/94 – E 178,306). Der BFH grenzt insoweit ausdrücklich von der Rechtsprechung des BVerwG in E 66, 218 ff. ab. In späteren Entscheidungen wird die Auffassung, dass die Aufrechnung eine Vollziehung sei, vertieft (BFH vom 24.10.1996 – V II B 122/96 -; 14.11.2000 VII R 85/99 – E 193,254; FG Düsseldorf vom 16.03.1998 – 14 V 9110/97 -; FG Hamburg vom 15.07.1999 – IV 56/99 -). In der sozialgerichtlichen Rechtsprechung hat sich dem das LSG Berlin (Urteil vom 30.03.1998 – L 7 Ka-SE 12/98 -) angeschlossen. Auch der 11. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen hat sich mit dieser Frage bereits auseinandergesetzt und ausgeführt, dass entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs die Aufrechnung mit einem Rückforderungsanspruch ausschließt (Beschluss vom 29.06.1988 – L 11 S (Ka) 10/98 -). Der erkennende Senat tritt dem bei. Die Aussetzung der Vollziehung eines Bescheides bewirkt ebenso wie der Suspensiveffekt (§ 86a Abs. 1 SGG) die aufschiebende Wirkung des gegen den Bescheid eingelegten Rechtsbehelfs (BFH vom 31.08.995 – VII R 58/94 -). Die Bedeutung der aufschiebenden Wirkung ist streitig. Teilweise wird sie als Wirksamkeitshemmung, teilweise als Vollziehbarkeitshemmung verstanden (Frehse aaO § 21 Rdn. 112 m.w.N). Das kann hier dahin stehen, denn sowohl im Falle einer Vollziehbarkeitshemmung als auch – erst Recht – im Falle einer Wirksamkeitshemmung darf der Verwaltungsakt nicht vollzogen werden (vgl. auch Meyer – Ladewig, SGG, 7. Auflage, 2003, § 86a Rdn. 4 m.w.N.). Das BVerwG hat sich auf den Standpunkt gestellt, die aufschiebende Wirkung beseitige nicht die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes, sie habe vielmehr nur zur Folge, dass der angefochtene Verwaltungsakt vorläufig nicht vollzogen werden dürfe und ist damit von einer Vollziehbarkeitshemmung ausgegangen. Vollziehbarkeitshemmung bedeutet, dass der Behörde nunmehr jegliches Gebrauchmachen von den Wirkungen des Verwaltungsaktes einstweilen untersagt ist. Dann aber ist auch die Aufrechnung als Vollziehung anzusehen. Denn eine Aufrechnung ist ohne Gebrauchmachen von dem materiellen Regelungsinhalt des Verwaltungsaktes nicht möglich, weil erst der materielle Regelungsgehalt die entsprechend § 387 BGB notwendigen Voraussetzungen für eine Aufrechnung – u.a. Fälligkeit der Forderung – schafft bzw. herbeiführt (zutreffend BFH vom 31.08.1995 – VII R 58/94 -). Daß die von der Antragsgegnerin erklärte Aufrechung keine hoheitliche Maßnahme sondern die rechtsgeschäftliche Ausübung eines Gestaltungsrechts darstellt, steht dem nicht entgegen. Insoweit verkennt die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, dass als "Vollziehung" nicht nur die zwangsweise Durchsetzung sondern jedes Gebrauchmachen vom Regelungsinhalt eines Verwaltungsaktes anzusehen ist. Ein derartiges Verständnis ist zur Überzeugung des Senats auch verfassungsrechtlich zwingend. Unter Zugrundelegung der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung würde nämlich die Bitte um vorläufigen Rechtsschutz ins Leere gehen. Denn auch wenn das Gericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs feststellen oder anordnen würde, könnte das eigentliche Ziel des Verfahrens, nämlich die Auszahlung der vertragsärztlichen Vergütung infolge der Aufrechnung nicht erreicht werden. Soweit also das Bundesverwaltungsgericht seine Auffassung damit begründet, dass die Aufrechnungserklärung die Ausübung eines schuldrechtlichen Gestaltungsrechts sei und für sich allein keinen Verwaltungsakt darstelle, mithin dem eines die betreffende Forderung konkretisierenden Leistungsbescheides vollziehe, wird der durch Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) zu gewährleistende Rechtsschutz unangemessen verkürzt. Daher ist die Aufrechnung mit einer Forderung, die in dem angefochtenen Verwaltungsakt ihren Grund hat, ausgeschlossen (so auch Meyer-Ladewig aaO § 86a Rdn. 4 m.w.N.).
Der erkennende Senat ist dem beigetreten (vgl. Beschluss vom 17.03.2010 – L 11 B 25/09 KA ER -). Indessen weicht die vorliegende Fallgestaltung in einem wesentlichen Punkt von jener ab, die dem Beschluss vom 16.04.2003 – L 10 B 21/02 KA ER – zugrunde lag. Ging es jenem Fall darum, dass das SG die aufschiebende Wirkung der gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid gerichteten Klage angeordnet hatte und die seinerzeitige Beklagte gleichwohl versuchte, die Rückforderung mittels Aufrechnung zu realisieren, liegt der vorliegende Fall anders. Die Antragstellerin hat den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid zwar mit Klage angefochten, indessen ist nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich, dass das SG die aufschiebende Wirkung der Klage hergestellt hat. Vielmehr war der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.11.2011 erfolglos (Beschluss des SG vom 25.02.2011 – S 14 KA 576/10 ER -). Damit verbleibt es dabei, dass der Widerspruch gegen den Honorarückforderungsbescheid keine aufschiebende Wirkung entfaltet (Senat, Beschluss vom 06.01.2004 – L 11 B 17/03 KA ER -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.01.2003 – L 10 B 22/02 KA ER -). Das wiederum bedeutet, dass die Antragsgegnerin insoweit nicht gehindert ist, die Aufrechnung zu erklären.
b) Die Voraussetzungen für eine wirksame Aufrechnung sind grundsätzlich gegeben. Hierzu wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidung des SG verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Übrigen: aa) Soweit die Antragstellerin dem entgegenhält, es fehle an der Gegenseitigkeit, ist dem nicht zuzustimmen. Die Aufrechnung setzt nach § 387 BGB voraus, dass zwei Personen "einander Leistungen schulden". Jede von den beiden an der Aufrechnung beteiligten Personen muss daher zugleich Gläubiger und Schuldner des jeweils anderen sein (BGH, Urteil vom 06.10.2004 – XII ZR 323/01 -). Der Aufrechnende muss zugleich Gläubiger der Gegenforderung und Schuldner der Hauptforderung sein. Der Aufrechnungsgegner muss zugleich Gläubiger der Hauptforderung und Schuldner der Gegenforderung sein (Hk-BGB/Schulz, 3. Auflage, 2003, § 387 Rdn. 4). Das ist der Fall. Die aufrechnende Antragsgegnerin ist Gläubigerin der Gegenforderung (Honorarrückforderung) und Schuldnerin der Hauptforderung (Honoraranspruch). Die Antragstellerin ist Gläubigerin der Hauptforderung (Honoraranspruch) und Schuldnerin der Gegenforderung (Honorarrückforderung). Unerheblich ist dabei, dass die Rückforderung sich ausweislich des Bescheides auch auf den Beigeladenen in seiner Funktion als seinerzeitiger Partner der BAG bezieht. Eine Gemeinschaftspraxis gilt für schwebende Auseinandersetzungen um Forderungen und Verbindlichkeiten als fortbestehend (vgl. BSG, Beschluss vom 17.03.2010 – B 6 KA 23/09 B -, Urteile vom vom 23.05.2007 – B 6 KA 2/06 R – und 07.02.2007 – B 6 KA 6/06 R -). Zudem gilt nach BSG, Urteil vom 03.02.2010 – B 6 KA 37/08 R -:
Da nur noch der Kläger zu 1. das Verfahren im Revisionsverfahren weiter betreibt, stellt sich hier nicht die Frage, ob die Mitglieder der Gemeinschaftspraxis im Rubrum als Gemeinschaftspraxis zu führen sind. Die Befugnis des Klägers zu 1., sowohl die Revision als auch die zugrunde liegende Anfechtungsklage allein zu führen, ist nicht zweifelhaft. Er ist persönlich haftender Schuldner für Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis, die sich zB im Falle rechtswidrigen Behandlungs- oder Verordnungsverhaltens von Praxispartnern ergeben (vgl hierzu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 21 f; BSG SozR 4-5555 § 15 Nr 1 RdNr 15; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 17 mwN; – zum fiktiven Fortbestehen der Gemeinschaftspraxis für schwebende Auseinandersetzungen um Forderungen und Verbindlichkeiten s § 730 Abs 2 Satz 1 BGB und BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 15 RdNr 14; BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31, RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 17). Als Gesellschafter muss er für solche Forderungen gegen die Gemeinschaftspraxis auch in eigener Person einstehen (s zB Sprau in Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 714 RdNr 10 ff mwN; vgl auch zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 22). Er kann Forderungen, die gegenüber der Gemeinschaftspraxis geltend gemacht werden, wahlweise zusammen mit seinen Praxispartnern gemeinschaftlich abwehren, oder er kann sie – sowohl wenn sie nur gegenüber der Gemeinschaftspraxis als auch wenn sie auch ihm selbst gegenüber geltend gemacht werden – allein abwehren (BSGE 89, 90, 92 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 5; vgl auch BSG, MedR 2004, 172). Aus der Befugnis, eigenständig zu handeln, folgt zugleich, dass der Mitgesamtschuldner weder als sogenannter notwendiger Streitgenosse einbezogen noch notwendig beigeladen werden muss (so auch BSGE aaO mwN). Die eigenständige Anfechtungsbefugnis und Aktivlegitimation steht dem Kläger zu 1. nicht nur gegenüber denjenigen Regressforderungen zu, die die Verordnungen in den Quartalen II und III/1998 sowie I und II/1999 betreffen, sondern ohnehin auch gegenüber der Regressforderung für die Verordnungs(serie) im Quartal IV/1999, als die Gemeinschaftspraxis bereits aufgelöst war.
bb) Die Gegenforderung muss durchsetzbar, also vollwirksam und fällig, erzwingbar und einredefrei (vgl. § 390 BGB) sein (vgl. Hk-BGB/Schulz, a.a.O., § 387 Rdn. 9). Die zivilrechtliche Anfechtbarkeit des einer Forderung zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts steht einer wirksamen Aufrechnung nicht entgegen. Sie wird jedoch gemäß § 142 BGB mit Rückwirkung unwirksam, wenn die Anfechtung erklärt wird (Rüßmann in jurisPK-BGB, 5. Auflage, 2010, § 387 Rdn. 43 m.w.N.). Dieser Ansatz ist auf die andersartige öffentliche-rechtliche Anfechtung eines Honorarrückforderungsbescheides schwerlich übertragbar, denn dies würde der normativen Vorgabe des § 85 Abs. 14 Satz 9 SGB V entgegenstehen, derzufolge Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung haben, mithin der Rückforderungsbescheid durchsetzbar ist.
cc) Soweit die Antragstellerin meint, der Honorarrückforderungs- und der Abrechnungsbescheid seien rechtswidrig, muss diese Prüfung angesichts des komplexen Sachverhalts und einer Vielzahl rechtlicher Fragestellungen dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
3. Obwohl der Anordnungsgrund für die Auszahlung des Restguthabens für das Quartal IV/2009 nicht glaubhaft ist, erachtet es der Senat als angemessen, die Auszahlung von der Stellung einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen. Nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939 und 945 ZPO für die Sicherungs- und Regelungsanordnung entsprechend. Das Gericht kann, auch wenn der Anspruch oder der Arrestgrund nicht glaubhaft gemacht sind, den Arrest anordnen, sofern wegen der dem Gegner drohenden Nachteile Sicherheit geleistet wird (§ 921 Satz 1 ZPO). Die Anordnung der Sicherheitsleistung soll es dem Gericht ermöglichen, sich mit einem geringeren, unterhalb der Glaubhaftmachung liegenden Grad an Wahrscheinlichkeit zu begnügen. Steht allerdings das Fehlen von Arrestanspruch oder Arrestgrund fest, scheidet eine die Arrestanordnung aus. Nur die Glaubhaftmachung des Arrestanspruchs oder des Arrestgrundes ersetzt die Sicherheitsleistung (Zöller/ Vollkommer, ZPO, 24. Auflage, 2004, § 921 Rdn. 2; Fischer in Prütting/Gehrlein, ZPO, 1. Auflage, 2010, § 921 Rdn. 3). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Soweit es den Anordnungsgrund anlangt, hat die Antragstellerin – wie dargelegt – wesentliche Nachteile nicht glaubhaft gemacht; hinsichtlich des Anordnungsanspruchs gilt, dass dieser einer eingehenden Prüfung im Hauptsacheverfahren zu unterziehen ist. Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist es ausgeschlossen, die Rechtmäßigkeit des Abrechnungsbescheides und des Honorarrückforderungsbescheides abschließend zu klären. Um vor diesem Hintergrund den widerstreitenden rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten näherungsweise gerecht zu werden und angesichts dessen, dass der Senat die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens nach Aktenlage nicht hinlänglich sicher einzuschätzen vermag, ist es geboten, die Honorarauszahlung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.
III.
Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 4, 52 Abs. 1 VwGO. Dem liegt zugrunde, dass die Antragstellerin zumindest für die Dauer des Hauptsacheverfahrens das einbehaltene Honorar ausgekehrt wissen will, um darüber verfügen zu können. Das wirtschaftliche Interesse wird mithin durch den Zeitfaktor "Länge des Verfahrens" und durch das Zinsinteresse bestimmt. Die Länge des erstinstanzlichen Verfahrens schätzt der Senat prognostisch auf zwei Jahre. Das Zinsinteresse ist darauf gerichtet, bereits ab einem früheren Zeitpunkt über die Geldforderung verfügen zu können und nicht auf eine etwaige Zwischenfinanzierung angewiesen zu sein. Angesichts eines Zinssatzes von 10 % ergibt sich ein jährliches Zinsinteresse von 10.227,45 EUR, was einem auf zwei Jahre bezogenen Zinsinteresse von 20.454,90 EUR entspricht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1, 162 Abs. 1 VwGO. Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig (§ 162 Abs. 3 VwGO), denn er hat das Verfahren weder wesentlich gefördert noch Anträge gestellt (hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage, 2007, § 162 Rdn. 23).
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 20.10.2011
Zuletzt verändert am: 20.10.2011