Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 27.04.2010 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird endgültig auf 1.000,- Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Vergütung aus einem Vermittlungsgutschein nach § 16 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Verbindung mit § 421g Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).
Am 10.03.2009 stellte die Rechtsvorgängerin des Beklagten der Beigeladenen, Frau T einen Vermittlungsgutschein mit Gültigkeitsdauer vom 10.03.2009 bis 09.06.2009 aus. Die Beigeladene reichte den Gutschein am selben Tag an die Klägerin, ein seit März 2008 gewerblich tätiges privates Arbeitsvermittlungsunternehmen mit Sitz in E, weiter und schloss mit dieser einen Vermittlungsvertrag. Die Klägerin vermittelte die Beigeladene für die Zeit ab dem 07.05.2009 an die Firma U GmbH in F. Dieses (erste) Beschäftigungsverhältnis endete wegen Auftragsmangels des Unternehmens zum 20.05.2009.
Daraufhin wandte sich die Beigeladene erneut an die Klägerin. Dieser gelang es, bei der Firma U auf den Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages hinzuwirken, der am 28.05.2009 zustande kam. Laut Bescheinigung der U GmbH vom 14.07.2009 und nach Angabe des Geschäftsführers der Klägerin steht die Beigeladene dort seit dem 02.06.2009 in einem Beschäftigungsverhältnis.
Den Auszahlungsantrag der Klägerin vom 16.07.2009 aus dem Vermittlungsgutschein lehnte die Rechtsvorgängerin des Beklagten durch Bescheid vom 23.07.2009 und Widerspruchsbescheid vom 13.08.2009 mit der Begründung ab, das Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen habe nur vom 07.05.2009 bis 20.05.2009 und damit keine sechs Wochen bestanden. Die anschließende Vermittlung der Beigeladenen in die neue Beschäftigung ab 02.06.2009 sei außerhalb der Gültigkeit des vorgelegten Vermittlungsgutscheins erfolgt. Dieser habe mit der erstmaligen Arbeitsaufnahme bei der U GmbH vom 07.05.2009 bis 20.05.2009 seine Gültigkeit verloren. Damit sei die Anspruchsvoraussetzung der fehlenden Vermittlung nach § 421g SGB III weggefallen.
Die Klägerin hat am 26.08.2009 bei dem Sozialgericht (SG) Duisburg Klage erhoben und die Zahlung von 1.000 Euro nebst Zinsen gefordert. Zur Begründung hat sie dargelegt, dass die Voraussetzungen für die Zahlung der Vermittlungsprovision aufgrund der erfolgreichen Vermittlung der Beigeladenen erfüllt seien. Der Vermittlungsgutschein sei nicht in Bezug auf die Beschäftigung ab dem 07.05.2009 vorgelegt worden, sondern in Bezug auf die Beschäftigung ab dem 02.06.2009, die länger als 6 Monate andauere. Er sei im Zeitpunkt dieser Vermittlung auch gültig und insbesondere vom Beklagten nicht einzogen gewesen.
Das SG hat der Klage mit Urteil vom 27.04.2010 in der Hauptsache stattgegeben und die Rechtsvorgängerin des Beklagten zur Auszahlung von 1.000 Euro aus dem Vermittlungsgutschein vom 10.03.2009 an die Klägerin verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen nach dem Vermittlungsgutschein seien erfüllt. Die Einwände gegen die Auszahlung griffen nicht durch. Der Vermittlungsgutschein habe ausdrücklich bis zum 09.06.2009 gegolten. Innerhalb dieses Zeitrahmens habe die Klägerin die Beigeladene vermittelt. Die übrigen Voraussetzungen seien unproblematisch erfüllt. Weder der Vermittlungsgutschein selbst noch sonstige Gründe stützten die Ansicht des Beklagten, der Gutschein sei hier hinfällig geworden. Es sei gerade Sinn der Vermittlungsgutscheine, Arbeitnehmer in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu vermitteln. Falls es hierzu mehrerer Vermittlungsansätze bedürfe, würden auch dadurch nicht die Auszahlungsvoraussetzungen entfallen. Die Klage bezüglich der Zinsforderung hat das SG als unbegründet abgewiesen. Der Zinsanspruch ergebe sich nicht aus dem Vermittlungsgutschein. Die allgemeinen Zinsregeln für Sozialleistungen seien nicht anwendbar, denn der Vergütungsanspruch sei kein Sozialleistungsanspruch. Für einen Verzugsschaden fehle es an spezifiziertem Sachvortrag zur Höhe der geltend gemachten Forderung.
Nach Zustellung des Urteils am 03.05.2010 hat der Beklagte am 14.05.2010 Berufung bei dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) eingelegt und sich zur Begründung erneut im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Vermittlungsschein vom 10.03.2009 mit der ersten erfolgreichen Vermittlung am 07.05.2009 seine Gültigkeit verloren habe. Hier sei der Tatbestand der Vermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit erfüllt worden und der Vermittlungsgutschein mit dieser Tätigkeit verbraucht. Es liege in der Natur der Sache der Arbeitsvermittlung, dass diese dann erfolgreich abgeschlossen sei, wenn eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufgenommen werde. Gescheiterte Vermittlungsversuche ließen den Vermittlungsgutschein nicht entfallen, wohl aber eine erfolgreiche Vermittlung. Als diese stelle sich die Tätigkeit der Beigeladenen ab dem 07.05.2009 dar. Seine Auffassung sieht der Beklagte durch die Geschäftsanweisungen der Bundesanstalt für Arbeit – GA VGS zu § 421g SGB III – Stand 01.08.2009 – bestätigt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 27.04.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf das Urteil des Sozialgerichts und ist der Auffassung, dass es einen "Verbrauch" des Vermittlungsgutscheines bei erfolgreicher erster Vermittlung nicht gebe, weil eine diesbezügliche gesetzliche Normierung fehle.
Die Beigeladene hat sich nicht zur Sache geäußert und auch keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogene Verwaltungsvorgänge nebst der von dem Beklagten vorgelegten Geschäftsanweisung VGS der Bundesanstalt für Arbeit, Stand 01.08.2009, Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig aber unbegründet.
Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr. 1 SGG beteiligtenfähig. Es steht insoweit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gleich. Bei dem Jobcenter (§ 6d SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl. I 1112) handelt es sich um eine gemeinsame Einrichtung (§ 44b Abs. 1 Satz 1 SGB II i.d.F. des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl. I 1112), die mit Wirkung vom 01.01.2011 kraft Gesetzes als (teil-)rechtsfähige öffentlich-rechtliche Gesellschaft sui generis entstanden ist. Die gemeinsame Einrichtung ist im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenzuweisung Trägerin von Rechten und Pflichten und nimmt die Aufgaben der Träger wahr, indem sie insbesondere Verwaltungsakte und Widerspruchsbescheide erlässt (§ 44b Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II). Gemäß § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II tritt die gemeinsame Einrichtung kraft Gesetzes als Rechtsnachfolgerin an die Stelle der zunächst beklagten Arbeitsgemeinschaft (ARGE). Im Gerichtsverfahren stellt dies eine zulässige Klageänderung i.S.v. §§ 99, 168 S. 1 SGG dar (vgl. z.B. BSG Urteil vom 18.01.2011 – B 4 AS 99/10 R Rn 11).
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat den Beklagten zu Recht verurteilt, an die Klägerin anlässlich der Vermittlung der Beigeladenen in die Tätigkeit bei der U GmbH ab 02.06.2009 1.000 Euro zu zahlen.
Nach § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III in der vom 01.01.2004 bis 31.12.2010 geltenden Fassung (a.F.) des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl I 2848) haben Arbeitslose, die Anspruch auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe haben und nach einer Arbeitslosigkeit von drei Monaten noch nicht vermittelt sind, Anspruch auf einen Vermittlungsgutschein. Mit diesem Vermittlungsgutschein verpflichtet sich der Leistungsträger nach Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift, den Vergütungsanspruch eines vom Arbeitnehmer eingeschalteten Vermittlers, der den Arbeitnehmer in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich vermittelt hat, nach Maßgabe der weiteren Bestimmungen der Norm zu erfüllen. Nach § 421g Abs. 2 Satz 3 SGB III a.F. wird die Vergütung in Höhe von 1000 Euro bei Beginn des Beschäftigungsverhältnisses und der Restbetrag nach einer sechsmonatigen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt. Die Zahlung erfolgt unmittelbar an den Vermittler (§ 421g Abs. 2 Satz 4 SGB III a.F.), der auch Inhaber des Zahlungsanspruchs ist (BSG Urteil vom 23.02.2011 – B 11 AL 10/10 R Rn 15 m.w.N.).
Der Zahlungsanspruch des Vermittlers hat danach regelmäßig folgende Voraussetzungen: (1) Ausstellung eines Vermittlungsgutscheins; (2) wirksamer, vor Beginn der Vermittlungstätigkeit abgeschlossener schriftlicher Vermittlungsvertrag (§ 296 Abs. 1 Satz 1 SGB III iVm § 297 SGB III) mit daraus resultierendem Zahlungsanspruch des Vermittlers gegen den Arbeitnehmer; (3) Vermittlungstätigkeit mit erfolgreicher Vermittlung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit mindestens 15 Wochenstunden (BSG a.a.O.), die gem. § 421g Abs. 2 S. 3 SGB III a.F. mindestens 6 Wochen andauert.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Beklagte hat am 10.03.2009 mit der Beigeladenen einen schriftlichen Vermittlungsvertrag geschlossen und ihr einen bis zum 09.06.2009 gültigen Vermittlungsgutschein ausgestellt. In diesem Gültigkeitszeitraum ist die Beigeladene von der Klägerin am 28.05.2009 zum 02.06.2009 in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit 15 Wochenstunden bei der U GmbH vermittelt worden. Diese Beschäftigung bestand auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat und damit über 2 Jahre nach der Vermittlung noch fort.
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Gültigkeit des Vermittlungsgutscheins nicht dadurch erloschen, dass die Klägerin die Beigeladene bereits zuvor für die Zeit vom 07.05. bis 20.05.2009 an die U GmbH vermittelt hatte.
Aus dem Vermittlungsgutschein selbst ergibt sich eine derartige Einschränkung nicht. Optisch mit Fettdruck, in Großschrift und eingerahmt hervorgehoben bestimmt der Vermittlungsgutschein dessen Gültigkeit für den Zeitraum 10.03.2009 bis 09.06.2009, dies mit der Anmerkung, dass die Vermittlung innerhalb der Gültigkeitsdauer erfolgen müsse. Maßgebend sei dabei der Tag, an dem der Arbeitsvertrag geschlossen werde bzw bei vorheriger mündlicher Einigung oder im Fall einer Einstellungszusage der Tag der Einigung oder Zusage. Eine weitergehende Einschränkung der Gültigkeit des Vermittlungsgutscheins enthält dieser nicht.
Soweit der Beklagte seine Auffassung, dass der Vermittlungsgutschein vom 10.03.2009 mit der ersten Vermittlung am 07.05.2009 seine Gültigkeit verloren habe, auf die GA VGS zu § 421g SGB III, Stand 01.08.2009, stützt, handelt es sich bei diesen Geschäftsanweisungen der Bundesanstalt für Arbeit um keine die Gerichte bindenden Rechtsnormen. Die entsprechenden Vorschriften haben lediglich verwaltungsinterne Bedeutung. Sie können allenfalls eine Selbstbindung der Verwaltung bewirken und einen Anspruch auf Gleichbehandlung begründen. Die Geschäftsanweisung ist als solche gerichtlich voll überprüfbar (vgl. BSG Urteil vom 06.12.2007 – B 14/7b AS 50/06 R Rn 19 zu ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften). Soweit sie in Rechte des Einzelnen eingreift, kann sie nur dann zur Anwendung gelangen, wenn der Eingriff sich aus dem zugrundeliegenden Gesetz rechtfertigt. Dies ist hier nicht der Fall.
Zur Gültigkeit des Vermittlungsgutscheins sieht § 421g Abs. 1 S. 6 SGB III einen Geltungszeitraum von drei Monaten vor. Nicht hingegen ist normiert, dass ein ausgestellter Vermittlungsgutschein seine Gültigkeit innerhalb der Gültigkeitsdauer durch eine erfolgte Vermittlung verliert bzw. "mit der Aufnahme einer Tätigkeit verbraucht wird". Auch aus der diesbezüglichen Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs 15/3674, S. 10) ergeben sich keine Hinweise, nach denen eine solche Einschränkung vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen ist. Ebenfalls erfordern Sinn und Zweck der Vorschrift nicht, die Gültigkeit des Vermittlungsgutscheins grundsätzlich auf den Zeitraum bis zu einer (ersten) Vermittlung zu beschränken. Die Regelung des § 421g SGB III intendiert, den Vermittler dazu anzuhalten, einen Leistungsbezieher innerhalb einer verhältnismäßig kurzen Frist von 3 Monaten in ein Arbeitsverhältnis zu vermitteln. Ob hierfür ein oder mehrere Vermittlungsversuche notwendig sind, bzw. ob der Hilfebedürftige ein oder mehrmals zunächst nur kurzfristig vermittelt wird, kann dabei keine Rolle spielen. Einen etwaigen Missbrauch, der bei Vermittlung in mehrere aufeinanderfolgende kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse entstehen könnte, verhindert die Vorschrift des § 421g Abs. 2 S. 3 SGB III, die die Vermittlungsvergütung von der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses abhängig macht. Ein Vergütungsanspruch gegen den Leistungsträger entsteht danach erstmalig nach mindestens sechswöchiger Beschäftigung des Leistungsberechtigten. Kann der Vermittler den Leistungsberechtigten – wie hier – zunächst nur in eine kurzzeitige, d.h. weniger als 6 Wochen dauernde Beschäftigung vermitteln, so entsteht für diese (erste) Vermittlung kein Anspruch gegen den Leistungsträger auf Zahlung der Vermittlungsgebühr. Eine Notwendigkeit, mit dieser kurzfristigen Vermittlung den Vermittlungsgutschein hinfällig werden zu lassen, ist damit zur Vermeidung weiterer Zahlungsansprüche aus dem gleichen Vermittlungsgutschein nicht ersichtlich. Vielmehr ist es umgekehrt gerade sachgerecht, das Interesse des Vermittlers an einer zweiten, langfristigeren Vermittlung des Leistungsberechtigten aufrechtzuerhalten. Vom Leistungsberechtigten zu fordern, nach jeder nur kurzfristigen Vermittlung einen neuen Gutschein zu beantragen, würde überdies zu einem zusätzlichen Verwaltungsaufwand führen, ohne dass hierfür ein entsprechender Nutzen erkennbar wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m §§ 154 Abs. 2 und 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Es handelt sich um ein gerichtskostenpflichtiges Verfahren, weil die Klägerin keine Leistungsempfängerin i.S.d. § 183 SGG ist (vgl. BSG Urteil vom 23.02.2011 – B 11 AL 10/10 R Rn 27 m.w.N.)
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 2 SGG).
Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m §§ 63 Abs. 2 S. 1, 52 Abs. 1 und 47 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG) und ist gem. §§ 68, 66 Abs. 3 GKG endgültig.
Erstellt am: 05.12.2011
Zuletzt verändert am: 05.12.2011