Die Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 10.06.2011 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller wendet sich mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts, der im Rahmen eines Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ergangen ist.
Durch Beschluss vom 10.06.2011 hat das Sozialgericht Dortmund den Antrag des Antragstellers, die Antragsgegnerin durch Erlass einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm an Stelle der gewährten eingeschränkten Leistungen nach § 1a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ab sofort vorläufig bis einschließlich des auf die Entscheidung des Gerichts folgenden Monats Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zu gewähren, abgelehnt.
Gegen den ihm am 17.06.2011 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 24.06.2011 Beschwerde erhoben, die der Senat durch Beschluss vom 28.09.2011 (L 20 AY 98/11 B ER) als unzulässig verworfen hat. In den Gründen hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerde gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unstatthaft sei; denn in der Hauptsache wäre die Berufung mangels Erreichens des Beschwerdewerts von mindestens 750,01 Euro unzulässig. Auf die Frage, ob die Berufung in dem Hauptsacheverfahren zuzulassen wäre, etwa weil die Rechtssache im Sinne des § 144 Abs. 2 SGG grundsätzliche Bedeutung habe, komme es im Rahmen des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG nicht an.
Am 20.09.2011 hat der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Sozialgerichts ferner Nichtzulassungsbeschwerde erhoben. Er trägt vor, diese sei zulässig, insbesondere gemäß § 66 Abs. 2 SGG fristgerecht erhoben worden. Die Nichtzulassungsbeschwerde sei auch begründet, weil der in dem Eilverfahren aufgeworfenen Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zukomme.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
II.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Antragstellers ist nicht statthaft und daher in entsprechender Anwendung des § 158 S. 1 SGG als unzulässig zu verwerfen. Für eine solche Beschwerde fehlt es an einer Rechtsgrundlage.
Der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts Dortmund, mit dem der Antrag des Antragstellers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt wurde, ist einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht zugänglich. Nach § 145 Abs. 1 S. 1 SGG findet eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung in einem Urteil oder (i.V.m. § 105 Abs. 1 S. 3 SGG) einem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts statt. Eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung, die im Beschwerdeverfahren nach § 172 Abs. 1 SGG ergangen ist, sieht das SGG hingegen nicht vor (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 16.01.2009 – L 5 B 1136/08 ER AS und L 5 B1137/08 PKH AS -; Hessisches LSG, Beschluss vom 12.01.2009 – L 7 AS 421/08 ER -). Insbesondere enthält § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG, der die (Un-)Statthaftigkeit einer Beschwerde in – wie hier – Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes regelt, eine dem § 145 SGG entsprechende Regelung nicht (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 11.03.2009 – L 11 AS 60/09 B ER – sowie vom 07.12.2009 – L 11 AS 691/09 B ER – bzw. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 07.10.2009 – L 5 AS 293/09 B ER -; LSG NRW, Beschluss vom 02.07.2008 – L 7 B 192/08 AS ER -).
Der Rechtsbehelf einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen Beschwerdeentscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist auch nicht im Wege richterlicher Rechtsfortbildung statthaft.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Plenumsbeschluss vom 30.04.2003 – 1 PBvU 1/02 – (in: BVerfGE 107, 395, 416 f.) klargestellt, dass es gegen die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit verstößt, wenn von der Rechtsprechung außerordentliche Rechtsbehelfe außerhalb des geschriebenen Rechts geschaffen werden, um tatsächliche oder vermeintliche Lücken im bisherigen Rechtsschutzsystem zu schließen (vgl. ferner den Nichtannahmebeschluss des BVerfG, vom 16.01.2007 – 1 BvR 2803/06 – in: NJW 2007, 2538; ferner BSG, Beschlüsse vom 19.01.2010 – B 11 AL 13/09 C -, 28.02.2008 – B 7 AL 109/07 B -, 06.02.2008 – B 6 KA 61/07 B -, 04.09.2007 – B 2 U 208/06 B – in: SozR 4-1500 § 160a Nr 18, 21.05.2007 – B 1 KR 4/07 S – in: SozR 4-1500 § 106a Nr 17; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.09.2009 – L 13 R 3984/09 B -, L 13 R 4253/09 WA – in: JurBüro 2010, 45; LSG Schleswig- Holstein, Beschluss vom 27.04.2009 – L 11 B 45/09 AS -; LSG Bayern, Beschluss vom 05.02.2009 – L 16 B 1068/08 AS – und vom 13.04.2010 – L 19 R 184/10 B -; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.03.2010 – L 6 AS 304/10 B ER -, vom 29.03.2010 – L 20 AS 324/10 B – und vom 14.01.2009 – L 11 B 24/08 KA -); denn der Grundsatz der Rechtsmittelklarheit gebietet es, dass Rechtsbehelfe in der geschriebenen Rechtsordnung geregelt und in ihren Voraussetzungen für die Bürger erkennbar sind (BVerfG, Beschluss vom 30.04.2003 – 1 PBvU 1/02 – und vom 16. 01.2007 – 1 BvR 2803/06 -; jeweils a.a.O.). Ausgehend hiervon ist eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen Entscheidungen, die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangen sind, spätestens seit Inkrafttreten des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG zum 1. April 2008 unzulässig; denn mit Blick auf die genannten Entscheidungen des BVerfG hätte es – sofern vom Gesetzgeber gewollt – zumindest im Zuge der Einführung dieser Vorschrift, die die Statthaftigkeit einer Beschwerde im Eilverfahren von der Zulässigkeit der (fiktiven) Berufung in der Hauptsache abhängig macht, einer ausdrücklichen Regelung des Rechtsbehelfs einer Nichtzulassungsbeschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes bedurft (ebenso LSG Hamburg, Beschluss vom 01.09.2008 – L 5 AS 70/08 NZB -).
Im Übrigen widerspräche der Rechtsbehelf einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen Beschwerdeentscheidungen im einstweiligen Rechtsschutz auch dem mit Einführung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG erkennbar gewordenen Willen des Gesetzgebers, namentlich dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift; denn nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers ist die Beschränkung der Beschwerdemöglichkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zur Entlastung der Landessozialgerichte erfolgt (BT-Drs. 16/7716, S. 22 – zu Art. 1 Nr. 29 Buchstabe b; LSG Hamburg, Beschluss vom 01.09.2008 – L 5 AS 70/08 NZB -; Hessisches LSG, Beschluss vom 12.01.2009 – L 7 AS 421/08 B ER -). Der Gesetzgeber hat insoweit deutlich gemacht, dass er die Entlastung der Landessozialgerichte auch durch die Anhebung des Schwellenwertes für die Berufung für natürliche Personen auf 750,00 Euro und – korrespondierend damit – durch den Ausschluss der Beschwerde in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erreichen wollte, wenn in der Hauptsache eine Berufung nicht zulässig wäre (a.a.O., S. 2). Es entspräche aber dem Entlastungswillen des Gesetzgebers gerade nicht, wenn man eine fiktive Prüfung möglicher Zulassungsgründe und eine hierauf gestützte Zulassung der Beschwerde durch die Landessozialgerichte oder Sozialgerichte unter Geltung des neuen Rechts anerkennen würde. Vielmehr wird der erstrebte Entlastungszweck nur dann erreicht, wenn sich die Zulässigkeit einer Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ohne weiteres aus dem Beschwerdewert oder der Art und Dauer der im Streit stehenden Leistungen, d.h. aus § 144 Abs. 1 SGG, ergibt (LSG Hamburg, Beschluss vom 01.09.2008 – L 5 AS 70/08 NZB -; vgl. ferner LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.08.2010 – L 5 B 584/08 AS ER -; a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21.10.2008 – L 6 AS 458/08 ER – und vom 24.02.2010 – L 7 AS 1446/09 B ER -).
Schließlich steht der Statthaftigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen Entscheidungen, die im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ergangen sind, auch der Umstand entgegen, dass die in § 144 Abs. 2 SGG aufgeführten Zulassungsgründe erkennbar auf das Hauptsacheverfahren zugeschnitten und auf das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht übertragbar sind. Wegen der unterschiedlichen Bedeutung der Funktion und Zielsetzung von Eil- und Hauptsacheverfahren ist es insbesondere nicht sachgerecht, die Beschwerdemöglichkeiten im Eilverfahren davon abhängig zu machen, ob – wie hier von dem Antragsteller geltend gemacht – (in einem entsprechenden Hauptsacheverfahren) eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären ist (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die einer Entscheidung in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu Grunde liegenden Erwägungen sind weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht deckungsgleich mit denen des Verfahrens der Hauptsache. Da es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in erster Linie darum geht, unter Beachtung der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 S. 1 Grundgesetz) eine vorläufige Regelung zu treffen, werden Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung hier in aller Regel gerade nicht abschließend entschieden. Vielmehr wird im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Entscheidung in der Regel auf Grund einer an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientierten, jedoch notwendig nach zeitlichem Aufwand und inhaltlicher Tiefe eingeschränkten Prüfung der Sach- und Rechtslage getroffen, während die endgültige Entscheidung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleibt, in dem das Gericht den Streitgegenstand und die entscheidungserheblichen Tatsachen feststellen und die für die Beurteilung des Sach- und Streitstandes wesentlichen Rechtsfragen abschließend beantworten muss (zu alledem LSG Hamburg, Beschluss vom 01.09.2007 – L 5 AS 70/08 NZB – sowie vom 16.01.2009 – L 5 B 1136/08 ER AS bzw. 1137/08 PKH AS -, auch zu der Kritik an der gegenteiligen Auffassung des LSG Niedersachsen-Bremen in seinen Beschlüssen vom 21.10.2008 – L 6 AS 458/08 ER – und vom 24.02.2010 – L 7 AS 1446/09 B ER -; vgl. ferner LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.08.2010 – L 5 B 584/08 AS ER -).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Gegen diese Entscheidung findet eine Beschwerde nicht statt (§ 177 SGG).
Erstellt am: 26.10.2011
Zuletzt verändert am: 26.10.2011