Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 18.07.2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Einstellung der Leistung von Krankengeld und die damit verbundene Beendigung der Mitgliedschaft der Antragstellerin (AS) bei der Antragsgegnerin (AG) streitig.
Die 1974 geborene AS war bis 28.02.2011 versicherungspflichtig bei der Firma S GmbH beschäftigt. Ab 19.04.2010 bescheinigte der die AS behandelnde Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. med. Dipl.-Psych. H ihre Arbeitsunfähigkeit unter Angabe des Diagnoseschlüssels F 32.9 G ("nicht näher bezeichnete depressive Episode"). Nach Beendi-gung der Entgeltfortzahlung durch ihren Arbeitgeber erhielt die AS ab 01.06.2010 von der AG als deren Mitglied Krankengeld auf der Grundlage der fortlaufenden AU-Bescheinigungen von Dr. H, zuletzt vom 16.02.2011 bis 25.03.2011, und sodann wegen stationärer Behandlung des AS im Ev. Krankenhaus C in E für die Zeit vom 26.03.2011 bis 02.04.2011 (Samstag). Dr. H attestierte sodann am 06.04.2011 (Mittwoch) weitere Arbeitsunfähigkeit der AS.
Mit Bescheid vom 07.04.2011 stellte die AG die Krankengeldzahlung zum 02.04.2011 ein und stellte die Beendigung der Mitgliedschaft der AS zum gleichen Tag fest; die verspätete Vorstellung beim Arzt habe zum Wegfall des Krankengeldes geführt; auf diese Möglichkeit habe sie die AS mehrfach vorab hingewiesen. Mit ihrem Widerspruch machte die AS geltend, sie habe sich mit der Praxis von Dr. H bereits am 04.04.2011 (Montag) telefonisch in Verbindung gesetzt, aber erst am 06.04.2011 einen Termin erhalten. Dies habe sie telefonisch einer (von ihr unbenannten) Mitarbeiterin der AG mitgeteilt. Die AG hielt ihre Auffassung aufrecht und wies den Widerspruch unter dem 20.07.2011 zurück.
Die AS hat zwischenzeitlich am 20.06.2011 unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Widerspruchsbegründung und Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung beim Sozialgericht (SG) Dortmund Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit der sie von der AG die Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft und entsprechende Leistungen begehrt hat. Sie sei auf die Mitgliedschaft bei der AG angewiesen, da sie in dauernder ärztlicher Behandlung stehe und ihr nicht zugemutet werden könne, bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Ungewissen zu bleiben. Zur weiteren Begründung hat die AS ein Attest von Dr. H vom 19.05.2011 vorgelegt, mit dem dieser bescheint hat, dass er am 06.04.2011 festgestellt habe, dass bei der AS auch über den 02.04.2011 hinaus Arbeitsunfähigkeit bestanden habe.
Die AS hat schriftsätzlich beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Mitgliedschaft bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren aufrecht zu erhalten und die gesetzlichen Leistungen nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch (SGB V) zu gewähren.
Die AG hat schriftsätzlich beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie hat ergänzend vorgetragen, zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes komme auch eine Familienversicherung über den getrennt lebenden Ehegatten der AS in Betracht, sofern die Ehe noch nicht geschieden sei.
Das SG hat am 18.07.2011 den Antrag der AS abgelehnt. Der Antrag sei bereits wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, denn die AS habe – unabhängig von der gegebenenfalls vorhandenen kostenlosen Familienversicherung bei der Krankenversicherung des Ehemannes – die Möglichkeit, eine freiwillige Versicherung bei der AG zu beantragen. Zwar sei die gesetzliche Erklärungsfrist verstrichen, gegebenenfalls käme aber eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder die Anwendung der Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches in Betracht. Jedenfalls wäre die AS immer noch von der Auffangversicherung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 lit. a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) erfasst, so dass die Absicherung im Krankheitsfalle gegeben sei. Es bestehe damit ein einfacherer Weg, Versicherungsschutz zu erlangen. Darüber hinaus sei der Antrag, den das SG dahingehend ausgelegt hat, dass die AS über die Mitgliedschaft hinaus auch Krankengeld ab dem 03.04.2011 einstweilig begehrt, unbegründet. Am Tag nach der ärztlichen Feststellung durch Dr. H, d.h. am 07.04.2011, habe keine Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld mehr bestanden. Vielmehr habe die Mitgliedschaft am 02.04.2011 um 24 Uhr geendet. Die ärztliche Feststellung könne nicht ausnahmsweise rückwirkend nachgeholt werden. Nach der Rechtsprechung stehe zwar die fehlende Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit dem Anspruch auf Krankengeld dann nicht entgegen, wenn entweder
(a) der Kläger wegen Geschäftsunfähigkeit nicht mehr in der Lage sei, einen Arzt aufzusuchen, und kein Vertreter bestellt sei oder
(b) die Beklagte bzw. der Arzt eine weitere Krankschreibung verhindert hätten, soweit der Versicherte alles Zumutbare unternommen habe, um eine solche zu erhalten oder
(c) wenn eine nachträgliche Krankschreibung möglich sei. Für das Vorliegen einer solchen Ausnahme sei indes nichts ersichtlich.
Eine Geschäftsunfähigkeit sei nicht erkennbar. Es sei auch keine nachträgliche Bescheinigung ab dem 02.04.2011 erfolgt. Dass die AS das ihr Zumutbare unternommen hätte, um eine Bescheinigung zu erhalten, sei ebenfalls nicht dargetan und glaubhaft gemacht worden. Selbst wenn zuträfe, dass ihr von der Praxis Dr. H bei einem Anruf am 04.04.2011 erst ein Termin zum 06.04.2011 benannt worden sei, wäre damit kein Anspruch auf Krankengeld mehr gegeben. Ihr Vortrag, sie habe gedacht, alles Erforderliche getan zu haben, sei zudem nicht glaubhaft. Die AS sei ausweislich des Auszahlungsscheins vom 04.03.2011 darauf hingewiesen worden, dass eine regelmäßige und lückenlose Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sichergestellt und spätestens am letzten Tag der bisher bescheinigten Arbeitsunfähigkeit eine Verlängerung ärztlich festgestellt werden müsse. Zudem habe Dr. H den Vortrag der AS nicht bestätigt. Nach alledem fehle es an einem Anordnungsanspruch, im Übrigen aber auch an einem Anord¬nungsgrund, da die AS weder ihre Vermögensverhältnisse noch dringenden medizinischen Behandlungsbedarf dargelegt und glaubhaft gemacht habe.
Gegen diese ihr am 25.07.2011 zugestellte Entscheidung hat die AS am 25.08.2011 Be-schwerde eingelegt. Unter Vorlage einer entsprechenden Bestätigung von Dr. H macht sie weiterhin geltend, sie habe erst am 06.04.2011 einen Arzttermin bekommen können. Sie habe aus ihrer Sicht alles Zumutbare unternommen, um im Anschluss an ihre Entlassung aus dem Krankenhaus ohne zeitliche Verzögerung eine Vorstellung bei ihrem Hausarzt und damit eine weitere Krankschreibung zu erhalten. An der Verzögerung treffe sie kein Verschulden. Die AG hätte überdies aus dem Umstand ihrer ab 10.04.2010 durchgehend attestierten AU und des Krankenhausaufenthaltes "schließen können, dass für die Folgezeit AU vorliegen" und "dies zumindest durch Nachfrage bei dem Hausarzt ermitteln" können. Zumindest hätte die AG ihr "einen rechtlichen Hinweis dahingehend erteilen können, bei ihrem Arzt nachzufragen, ob aus seiner Sicht auch unmittelbar nach dem Krankenhausaufenthalt, zumindest aber ab 04.04.2011 AU bestanden habe". Auch dieser Hinweispflicht sei die AG nicht gefolgt. Das dem SG vorgelegte Attest von Dr. H vom 19.05.2011 könne als nachträgliche Bescheinigung angesehen werden. Unter Vorlage des Bewilligungsbescheides der Bundesagentur für Arbeit (Gewährung von Arbeitslosengeld ab 01.09.2011), einer Jahresrechnung der E Energie- und Wasserversorgung GmbH sowie einer Nebenkostenabrechung der H-Wohnen eG trägt die AS schließlich vor, sie halte für ihre zwei Kinder Kindergeld und Unterhalt; Vermögen bestehe nicht.
Die AS beantragt schriftsätzlich,
den Beschluss des SG Dortmund vom 18.07.2011 abzuändern und die AG im We-ge der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihre Mitgliedschaft bis zu Entscheidung im Hauptsacheverfahren aufrecht zu erhalten und Krankengeld ab 03.04.2011 bis 31.08.2011 zu gewähren.
Die AG beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie schließt sich der Entscheidung des SG an.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den In¬halt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge der AG Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist nicht begründet (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zutreffend abgelehnt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage gemäß § 153 Abs. 2 i.V.m. § 142 Abs. 2 Satz 2 SGG Bezug auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses und merkt ergänzend an:
Die AS begehrt einstweilige Weitergewährung von Krankengeld gemäß § 44 SGB V und damit verbunden die Aufrechterhaltung ihrer Mitgliedschaft gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 86b Abs. 2 SGG (Regelungsanordnung). Danach kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr be-steht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts eines AS vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG). Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung dafür ist das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs (materielles Recht, für das einstweiliger Rechtsschutz begehrt wird) und eines Anordnungsgrundes (Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, wenn ein Abwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten ist). Dabei stehen sich Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert gegenüber, vielmehr besteht zwischen ihnen eine funktionelle Wechselbeziehung dergestalt, als die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Eingriffs (Anordnungsgrund) zu verringern sind oder umgekehrt; dabei dürfen keine zu hohen Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Eilverfahren gestellt werden, die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der AS mit seinem Begehren verfolgt (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 29.07.2003 – 2 BvR 311/03 – und vom 19.03.2004 – 1 BvR 131/04 -). Ist dagegen dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist anhand einer Folgenabwägung unter umfassender Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange aller Beteiligter zu entscheiden (BVerfG, Be¬schluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 -; Senat, Beschluss vom 16.05.2011 – L 11 KA 132/10 B ER – und 23.12.2010 – L 11 KA 54/10 B ER -, Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 86b Rdn. 27 f m.w.N.).
Die danach zum Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung notwendigen Voraussetzungen liegen nicht vor. Das SG hat zutreffend Anordnungsanspruchs und -grund verneint. Die Beschwerdebegründung ist nicht geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen.
Nach der vom SG zutreffend dargestellten Rechtslage kommt es nicht darauf an, ob die AS über den 02.04.2011 hinaus arbeitsunfähig war, sondern darauf, ob sie lückenlos eine AU-Bescheinigung vorgelegt hat. Denn für die Fortsetzung des Mitgliedschaftsverhältnisses setzt § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V nicht Arbeitsunfähigkeit, sondern einen Anspruch auf Krankengeld voraus, der seinerseits nach § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V grundsätzlich nur auf Grund ärztlicher Feststellung entsteht (Bundessozialgericht, Urteil vom 08.11.2005 – B 1 KR 30/04 R – m.w.N.). Dies ist vorliegend zu verneinen, selbst wenn die AS – wie von ihr beabsichtigt – bereits am 04.04.2011 der AG eine neue Bescheinigung vorgelegt hätte. Die AS hat es nach Aktenlage versäumt, sich bereits zuvor eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen zu lassen und daher nicht alles ihr Zumutbare getan, um ihre Ansprüche zu wahren. Die ärztliche Feststellung oder die Meldung der Arbeitsunfähigkeit war auch nicht durch Umstände verhindert oder verzögert, die dem Verantwortungsbereich der AG zuzurechnen sind. Sie hat vielmehr die AS rechtzeitig, umfassend, unmissverständlich und ausreichend darauf hingewiesen, dass eine regelmäßige und lückenlose Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sichergestellt und spätestens am letzten Tag der bisher bescheinigten Arbeitsunfähigkeit eine Verlängerung ärztlich festgestellt werden müsse.
Auch ein Anordnungsgrund ist nicht gegeben. Soweit die AS nunmehr – in Bestätigung der Auslegung ihres erstinstanzlichen Antrags durch das SG – weiter konkretisierend Krankengeldzahlungen für die Zeit vom 03.04.2011 bis zur Zahlung Arbeitslosengeld ab 01.09.2011 begehrt, hat dies bezogen auf den Zeitraum vom 03.04.2011 bis zum 19.06.2011 bereits deshalb keinen Erfolg, weil der von der einstweiligen Anordnung erfasste Regelungszeitraum grundsätzlich erst vom Zeitpunkt des Eingangs des Eilantrags bei Gericht (längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache) reicht. Die tatbestandliche Herleitung des Beginns der vorläufigen Leistung folgt für die Regelungsanordnung des § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG aus dem Tatbestandsmerkmal der "Abwendung" eines wesentlichen Nachteils. Abzustellen ist dabei grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Eingangs des Eilantrags bei Gericht. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz stellen die Fälle dar, in denen ein sogenannter Nachholbedarf besteht. Nachholbedarf ist gegeben, wenn bei nicht rückwirkender Leistungsgewährung, also bei "Nichtnachholung" der in der Vergangenheit liegenden Leistungen, erhebliche Rechtsverletzungen für die Zukunft drohen (Landessozialgericht Bayern, Beschluss vom 21.09.2009 – L 8 AS 585/09 B ER – m.w.N.). Dies hat die AS indes weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Auch aus der Aktenlage ergeben sich hierfür keine Hinweise. Bezogen auf den restlichen Zeitraum vom 20.06.2011 bis 31.08.2011 hat die AS weiterhin nicht glaubhaft gemacht, dass ihr ein Abwarten bis zum Erhalt des Arbeitslosengeldes nicht zuzumuten war. Sie hat ihre Vermögensverhältnisse, die die vorgelegten drei Rechnungen nicht abzubilden vermögen, nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere hat sie keine Bankauszüge oder zumindest eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt.
Nach alledem hat die Beschwerde der AS keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 29.11.2011
Zuletzt verändert am: 29.11.2011