Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.06.2009 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten für eine stationäre Behandlung des Versicherten N in der Zeit vom 24.07.2002 bis 11.09.2002.
Der am 00.00.1967 geborene, bei der beklagten Krankenkasse gesetzlich Versicherte ist alkoholabhängig. Erster Kontakt mit Alkohol bestand ab dem 12. Lebensjahr, etwa ab dem 14. Lebensjahr Cannabiskonsum und ab etwa dem 25. Lebensjahr phasenweiser Konsum von Speed und Cokain. Er führte zahlreiche Entzugsbehandlungen sowie – vor dem streitigen Krankenhausaufenthalt – fünf Langzeittherapien (davon drei abgebrochen) durch. Zuletzt wurde er – nach Aktenlage – wegen akuter schwerer Alkoholintoxikation vom 27.03.2002 bis 30.05.2002 (mit einer kurzen Unterbrechung am 02.05. und 03.05.2002) in den Rheinischen Kliniken L stationär behandelt. Acht Tage nach seiner Entlassung wurde der Versicherte zum erneuten Alkoholentzug/Entgiftung in den Rheinischen Kliniken N und L vom 30.04.2002 bis 24.06.2002 behandelt. Nach Abschluss brachte ihn ein Sozialarbeiter am 24.06.2002 in die ebenfalls von dem Beklagten betriebenen Rheinischen Kliniken M, wo er mit der ICD-Diagnose F 10.2 (Abhängigkeitssyndrom vom Alkohol) mit dem "Ziel der psychosozialen Stabilisierung" auf einer sozio- und milieutherapeutischen Station für chronisch kranke und mehrfachgeschädigte Alkoholiker vollstationär aufgenommen wurde. Das psychische Verhalten des Versicherten wurde als "wach, orientiert, geordnet, psychomotorisch ruhig, ohne formale oder inhaltliche Denkstörungen und ohne Suizidalität" beschrieben. Unter dem 25.06.2002 erfolgte sodann eine eingehende psychiatrische Untersuchung, im Rahmen derer zusätzlich eine Polytoxikomanie, eine Borderline-Persönlichkeitsstörung und eine Neigung zu Impulskontrollverlust diagnostiziert wurde. Der Versicherte habe sich in seinen Schilderungen als eher raumgreifend und ausschweifend erwiesen, habe mehrfach begrenzt und strukturiert werden müssen. Die zeitliche Einordnung bestimmter Ereignisse sei zum Teil erschwert. Im Übrigen erschienen Auffassung, Konzentration und Gedächtnis grob orientierend weitgehend unbeeinträchtigt. Es bestehe ausreichend Krankeneinsicht und Therapiemotivation.
Die Klägerin befristete ihre Kostenzusage auf sieben Tage. Seinen Verlängerungsantrag vom 05.07.2002 begründete der Beklagte mit "nicht ausreichender ambulanter Behandlung". Behandlungsziele seien (körperlich) die Stabilisierung, Behandlung der Begleit- und Folgerkrankungen, (psychisch) die Förderung der kognitiven Fähigkeiten und der Abstinenzbefähigung und (sozial) die Vermittlung in eine soziotherapeutische Einrichtung. Die Entlassung sei für die erste Septemberwoche vorgesehen. Der von der Klägerin beauftragte Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeut Dr. N (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung (MDK) Nordrhein) hielt die beabsichtigte weitere stationäre Behandlung in seiner Stellungnahme vom 24.07.2002 für medizinisch nachvollziehbar bis 24.07.2002. Ab diesem Zeitpunkt sei vom Dominieren der Entwöhnung auszugehen; die Behandlung sei zwar sinnvoll, der Kostenträger müsse aber wechseln ("Reha ! SGB IX"). Die Ärztin für Psychiatrie S (MDK) teilte die Auffassung von Dr. N. Insbesondere vor dem Hintergrund von mindestens zehn stationären Vorbehandlungen des Versicherten in diesem Jahr in diversen Krankenhäusern und durchgehender stationärer Behandlung seit 08.06.2002 sei nicht ersichtlich, warum nicht ab 24.07.2002 die Weiterführung der Versorgung in einer Rehabilitationsmaßnahme zu Lasten der Rentenversicherung oder des Sozialhilfeträgers erfolgen könne. Unter Zugrundelegung dieser Stellungnahmen lehnte die Klägerin mit Schreiben vom 08.10.2002 eine Kostenübernahme über den 23.07.2002 hinaus ab.
Die Klägerin beglich dessen ungeachtet vollumfänglich die Rechnungen des Beklagten für die Behandlungen des Versicherten vom 31.07.2002 (für die Zeit vom 24.06.2002 bis 31.07.2002), vom 31.08.2002 (für die Zeit vom 01.08.2002 bis 31.08.2002) und vom 30.09.2002 (für die Zeit vom 01.09. bis 11.09.2002) i. H. v. 14.906,81 EUR, davon 9.245,81 EUR für die Zeit vom 24.07.2002 bis 11.09.2002.
Im Entlassungsbericht der Klinik vom 30.10.2002 wurde der Therapieverlauf während des stationären Aufenthalts vom 24.06. bis 11.09.2002 wie folgt geschildert:
"Herr N ( …) nahm hier regelmäßig an den gruppentherapeutischen Angeboten der Station sowie an den Treffen der Selbsthilfegruppen teil. Darüber hinaus beteiligte er sich aktiv am Training alltagspraktischer Fähigkeiten und übernahm zuverlässig häusliche Aufgaben und Funktionen in der Gruppe. In seiner Motivation zur Veränderung seines Suchtverhaltens schien er konstant und authentisch. Zur Unterstützung brauchte er immer wieder die Ermutigung und Bestätigung durch Gruppenmitglieder und Teammitglieder.
Herrn Ns eigener Wunsch war es, sein bisheriges Lebensumfeld und die eigene Wohnung zu verlassen und zumindest vorübergehend in eine soziotherapeutische Einrichtung für Suchtkranke zu ziehen. Auch aus sozialarbeiterischer und ärztlicher Sicht erschien dies sehr unterstützenswert. Nach vorbereitenden Gesprächen und Besuchen konnte Herr N schließlich am 11.09.2002 in das N-Haus in E entlassen werden."
Der von der Beklagten erneut beauftragte MDK (Dr. N) führte unter dem 12.03. 2003 aus, der Entlassungsbericht mache deutlich, dass es sich bei der Behandlung "eindeutig um eine Entwöhnungsbehandlung im Sinne einer Rehabilitationsbehandlung" gehandelt habe. Bereits zum Aufnahmezeitpunkt hätten keinerlei Symptome bestanden, die eine Entzugsbehandlung, wie sie durch die berichteten Maßnahmen und Zielsetzungen dokumentiert sei, erforderlich gemacht hätten. Die Krankenhausbehandlung hätte durch ambulante/stationäre Rehamaßnahmen vermieden werden können. Der Beklagte widersprach dieser Einschätzung mit Schreiben des Chefarztes der Fachklinik für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie der S Kliniken M, Dr. I, vom 11.09.2003. Dass es überhaupt gelungen sei, den Versicherten trotz seiner extrem hohen Kränkbarkeit und sehr niedrigen Frustrationstoleranz in eine für ihn geeignete soziotherapeutische Einrichtung für Suchtkranke zu vermitteln, sei bemerkenswert. Ohne die stationäre Behandlung sei der Versicherte nicht in der Lage gewesen, eine erneute Entwöhnungsbehandlung Erfolg versprechend durchzuführen. Der MDK blieb in einem Zweitgutachten bei seiner Auffassung. Darauf gestützt machte die Klägerin mit Schreiben vom 12.11.2003 gegenüber der Beklagten einen Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der für den Behandlungszeitraum vom 24.07.2002 bis 11.09.2002 übernommenen Kosten geltend und verrechnete schließlich den von ihr geltend gemachten Anspruch mit einer anderen – nicht den Versicherten betreffenden – Forderung des Beklagten.
Auf die vor dem Sozialgericht (SG) erhobenen Klage des Beklagten (S 5 KR 130/06) wies das SG darauf hin, dass die Zahlungsforderung des Beklagten durch Zahlung beglichen worden und daher nicht aufrechenbar sei. Das Verfahren wurde durch Annahme des Anerkenntnisses der Klägerin am 15.12.2006 erledigt.
Am 22.12.2006 hat die Klägerin sodann beim SG Köln (S 5 KR 304/06), das das Verfahren zuständigkeitshalber mit Beschluss vom 20.04.2007 an das SG Düsseldorf verwiesen hat, unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen des MDK Leistungsklage gegen den Beklagten erhoben und eine Rückzahlung in Höhe von 9.245,81 EUR nebst Zinsen geltend gemacht. Eine akute medizinische Behandlung einer Krankheit sei ab 24.07.2002 nicht mehr erforderlich, vielmehr eine medizinische Rehabilitation ausreichend gewesen. Im Rahmen der CMA-Behandlung (Behandlung chronisch mehrfach erkrankter Alkoholabhängiger) werde im Wesentlichen rehabilitative Arbeit in der Art geleistet, dass bei einer bestehenden Schädigung versucht werde, mit einem multiprofessionellen Team in einer multimodalen Vorgehensweise die Beeinträchtigung der Teilhabe eines Menschen mit Behinderung zu reduzieren. Die ärztliche Tätigkeit trete dabei in den Hintergrund, ständige ärztliche Präsenz sei nicht erforderlich. Die ärztliche Tätigkeit beschränke sich auf die Lenkung, Steuerung und Koordination der Maßnahmen. Bereits bei Beginn der Behandlungen hätten sich nur vage Anzeichen für das Vorliegen einer hirnorganischen Beeinträchtigung des Versicherten ergeben. Dieser habe nicht in die Klientel einer CMA-Station gepasst. Er verfüge über hohe kognitive und soziale Kompetenzen, ein Realitätsverlust lasse sich nicht feststellen. Auch die Komorbidität mit Borderline-Störung begründe keine Zuordnung zur genannten Gruppe, da diese bei abhängigen Patienten häufig auftrete. Gegen eine vollstationäre Behandlung spreche auch, dass sich der Versicherte bereits ab dem 27.06.2002 allein habe im Gelände bewegen dürfen, ab 03.07.2002 an psychotherapeutischen Gruppengesprächen habe teilnehmen können und ab 27.07.2002 sogar erste Belastungsbeurlaubungen erhalten habe. In den Behandlungsunterlagen finde sich für den August wiederholt der Eintrag, dass sich der Versicherte nach dem Frühstück abgemeldet und am Abend wieder auf der Station zurück gemeldet habe. In der Zwischenzeit fänden sich Einträge in der Dokumentation, aus denen hervorgehe, dass der Versicherte kompetent in der Lage gewesen sei, seine soziale Situation zu regeln und an Freizeitaktivitäten teilzunehmen. Die erhebliche Bedeutung einer ärztlichen Präsenz lasse sich aus der Dokumentation nicht entnehmen. Darin fänden sich im gesamten Behandlungszeitraum vom 24.06.2002 bis 11.09.2002 allenfalls zwei Einträge über eine ärztliche Behandlung.
Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 9.245,81 Euro nebst 2 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab Klageerhebung zu zahlen.
Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es habe auch im Zeitraum vom 24.07.2002 bis zum 11.09.2002 eine stationäre Behandlungsnotwendigkeit wegen der schweren Alkoholabhängigkeit, dem Zustand nach Krampfanfällen im Entzug und einer tiefgreifenden Borderline-Persönlichkeitsstörung bestanden. Letztere habe sich vor allem dadurch ausgewirkt, dass der Versicherte neben einem tief sitzenden Misstrauen anderen Personen gegenüber eine niedrige Frustrationstoleranz und eine extrem hohe Kränkbarkeit aufgewiesen habe. Dabei habe er gleichzeitig ein starkes Mitteilungsbdürfnis und eine extreme Ungeduld gezeigt. Er sei sehr schnell unter Druck geraten, habe sich überfordert gefühlt und mit körperlichen Symptomen wie Kopfschmerzen oder Schlaflosigkeit reagiert. Diesen Störungen habe nur mittels eines psychiatrischen Krankenhauses begegnet werden können, da nur hier die erforderlichen Mittel im Rahmen des notwendigen komplexen psychotherapeutischen Behandlungskonzepts (Gruppentherapie, kognitives Training, Ergotherapie, Bewegungstherapie, Sport, Sozio- und Milieutherapie, Psychoedukation und umfangreiche Medikation) verfügbar gewesen seien. Dem Arzt sei die zentrale Rolle in der Behandlung zugekommen, "indem er für die defizitären Anteile", d. h. die Einschätzung der psychosozialen, psychiatrischen und psychoorganischen Gesamtsituation, die Koordination und Verantwortungsübernahme für die gesamten flankierenden therapeutischen Maßnahmen, zuständig gewesen sei. Eine Rehabilitationsmaßnahme sei in dem Behandlungszeitraum nicht in Betracht gekommen, da eine "unmittelbare Bedrohtheit bzw. Instabilität sowohl in psychischer als auch in somatischer Hinsicht" bestanden habe. Eine verfrühte Entlassung hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit – auch in Anbetracht früherer Rückfälle – den sehr raschen Alkoholrückfall und damit ein Fortschreiten des destruktiven Krankheitsprozesses zur Folge gehabt. CMA-Patienten wie der Versicherte zeichneten sich vor allem durch erhebliche, zumeist erworbene Funktionseinschränkungen des Gehirns aus, die sowohl die kognitiven, als auch die affektiven Fähigkeiten stark beeinträchtigten und insbesondere die Kritik- und Urteilsfähigkeit in häufig erheblicher Weise herabsetzten. Hieraus resultiere zumeist eine sehr unrealistische Selbsteinschätzung und eine oftmals unpassend wirkende Zufriedenheit mit ihrer eigenen körperlichen, psychischen und sozialen Verfassung. Die in aller Regel erheblichen sozialen Folgeschäden würden ebenso verleugnet wie die körperlichen und psychischen Schäden. CMA-Patienten seien in ihrem äußeren und inneren Realitätsbezug erheblich gestört, was zusätzlich durch problematische Beziehungsmuster, Verhaltensweisen und Einstellungen verkompliziert werde und damit einen erfolgreichen Behandlungs- und Veränderungsprozess erheblich erschwere. Aus diesem Grund benötigten CMA-Patienten ein ihren Möglichkeiten und ihrem Tempo angepasstes, vorsichtiges, kleinschrittiges, "langsameres" Therapiekonzept, das stark an alltagspraktischen Aufgaben und Anforderungen orientiert sei und den komplizierten Verflechtungen ihrer erworbenen hirnorganischen Beeinträchtigungen mit den vorhandenen psychodynamischen Konflikten Rechnung trage. Diese Patienten bedürften sehr viel aktiver Unterstützung und Hilfestellung zum Teil bei "selbstverständlichen" Alltagsverrichtungen und sehr viel wohlwollender Geduld bei der Überwindung ihrer zum Teil extremen Widerstände und Ängste hinsichtlich irgendwelcher Veränderungen. Beurlaubungen zur Belastungserprobung seien zulässige Mittel im Rahmen einer stationären Behandlung, die jedoch nicht bedeuteten, dass bei dem Patienten eine Kompetenz und Stabilität vorliege, die eine Entlassung aus dem akuten Bereich rechtfertige. Der Versicherte sei entsprechend der – von ihr vorgelegten – Richtlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) Akutbehandlung alkoholbezogener Störungen (Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie und der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenheilkunde) behandelt worden. Auch die Behandlungsdauer entspreche dieser Richtlinie. Der Beklagte hat seinen Vortrag bestätigende und weiter erläuternde Stellungnahmen ihres Chefarztes Dr. I vorgelegt. Ergänzend hat er im Rahmen des Erörterungstermins am 10.12.2007 darauf hingewiesen, dass die Klägerin im vorhergehenden Verfahren vor dem SG Köln – S 5 KR 130/06 – seinen Zahlungsanspruch anerkannt habe und diesen daher nicht wieder geltend machen können.
Das SG hat von Amts wegen ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie – Psychotherapie/Sozialmedizin – Dr. C, Oberarzt am Knappschaftskrankenhauses S, vom 21.03.2008 eingeholt, der die Auffassung vertreten hat, aus der Krankenakte und den im Übrigen vorliegenden Informationen sei eine notwendige stationäre Krankenhausbehandlung über den 24.07.2002 hinaus nicht abzuleiten oder zu begründen; eine rehabilitative Maßnahme wäre ausreichend gewesen.
Der Beklagte hat unter Vorlage einer Stellungnahme von Dr. I vom 09.04.2008 eingewandt; aus "heutigem Blickwinkel betrachtet" gebe die Verlaufsdokumentation die Schwere und Kompliziertheit des Krankheitsbildes des schwerwiegend psychisch gestörten Versicherten nicht wieder, so dass es für einen außen stehenden Gutachter wahrscheinlich kaum nachvollziehbar sei, dass der Patient über mehrere Monate behandelt worden sei.
Das SG hat der Klage im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen Dr. C mit Urteil vom 05.06.2009 stattgegeben.
Der Beklagte hat gegen das ihm am 24.06.2009 zugestellte Urteil am 23.07.2009 Berufung eingelegt. Die Klage sei wegen des vorherigen Anerkenntnisses und daher mangelnden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Außerdem habe das SG seinen Vortrag nicht gewürdigt.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.06.2009 abzuändern und nach dem Klageantrag zu entscheiden.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie habe die Forderung des Beklagten allein mit Blick auf das Aufrechnungsverbot gemäß des Sicherstellungsvertrages anerkannt ohne damit auf Einwendungen gegen die inhaltliche Richtigkeit der streitigen Rechnung zu verzichten. Hinsichtlich der Frage der Notwendigkeit der umstrittenen Krankenhausbehandlung schließe sie sich den Ausführungen des SG an.
Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. C vom 24.03.2010 eingeholt, der unter Auseinandersetzung mit den Ausführungen von Dr. I vom 09.04.2008 an seiner Auffassung festgehalten hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Vorprozessakte des SG Köln – S 5 KR 130/06 – und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die u.a. die Krankenakte enthalten, Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Vergütung der stationären Behandlung des Versicherten in der Zeit vom 24.07.2002 bis 11.09.2002, denn es bestand während dieser Zeit keine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit mehr. Die Klägerin hat daher einen Anspruch auf Rückzahlung in Höhe von 9.245,81 EUR.
Die zulässige, insbesondere form und fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil ist im Hinblick auf den Hauptanspruch, den der Beklagte mit seiner Berufung in Abrede stellt, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Insbesondere ist die Klage als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig, denn es geht auch bei einer auf Rückzahlung von Behandlungskosten gerichteten Klage einer Krankenkasse gegen ein Krankenhaus um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 10.04.2008 – B 3 KR 20/07 R – m.w.N.). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten. Insbesondere ist entgegen der Auffassung des Beklagten auch ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin nicht zu verneinen. Soweit dieser meint, die Klägerin habe im vorhergehenden Gerichtsverfahren – S 5 KR 130/06 – die Forderung der Beklagten (betreffend des Versicherten) anerkannt, ist dies unzutreffend. Ein Anerkenntnis ist das ausdrückliche oder schlüssige Zugeständnis, dass der Klageanspruch ganz oder teilweise besteht (Eschner in Jansen, SGG, 2008, § 101 Rdn. 31 m.w.N.). Der von dem Beklagten in jenem Verfahren (S 5 KR 30/06) geltend gemachte Anspruch war auf die (ungekürzte) Zahlung einer – einen anderen Versicherten betreffenden – Forderung gerichtet, die die Klägerin im Wege der Aufrechnung gekürzt hatte. Das Anerkenntnis bezog sich entsprechend – was auch aus dem Wortlaut des diesbezüglichen Schreibens an das SG Köln eindeutig hervorgeht – nicht auf den Zahlungs- bzw. Erstattungsanspruch, dessen Grundlage die Behandlung des Versicherten N vom 24.07.2002 bis 11.09.2002 war.
Die Leistungsklage ist auch begründet.
Rechtsgrundlage des Rückzahlungsbegehrens ist ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Dieses aus den allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts hergeleitete Rechtsinstitut setzt voraus, dass (1) im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen (2) ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
(1) Das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten – der Krankenkasse und dem Krankenhaus – ist öffentlich-rechtlicher Natur. Das ergibt sich seit der entsprechenden Änderung der Vorschrift durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22.12.1999 (BGBl I 2626) explizit aus § 69 Abs. 1 Satz 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der aktuellen Fassung von Art. 1 Buchst. 1e des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 15.12.2008 (BGBl. I 2426).
(2) Der Beklagte hat die Vergütung für die stationäre Versorgung des Versicherten in der Zeit vom 24.07.2002 bis 11.09.2002 ohne Rechtsgrund erhalten. Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs des Krankenhauses ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 2002 sowie dem aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgenden Leistungsanspruch des Versicherten. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten. Bei einem zugelassenen Krankenhaus i.S.d. § 108 SGB V ist die Krankenkasse als Korrelat zu dessen Behandlungspflicht auch bei Fehlen weiterer vertraglicher Vereinbarungen zur Bezahlung der normativ bzw. vertraglich festgelegten Entgelte verpflichtet (BSG, Urteil vom 13.12.2001 – B 3 KR 11/01 R -). Zur rechtlichen Begründung des Vergütungsanspruchs eines Krankenhauses bedarf es daher keines Rückgriffs auf den auf Landesebene nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V geschlossenen Vertrag (BSG, Urteil vom 10.04.2008 – B 3 KR 20/07 R – m.w.N. sowie LSG NRW, Urteile vom 27.03.2003 – L 5 KR 141/01 -, vom 06.05.2004 – L 5 KR 197/03 -, vom 03.02.2005 – L 5 KR 1/04 -, vom 25.08.2005 – L 5 KR 5/04 – und vom 09.08.2006 – L 11 (16) KR 338/03 -).
Lediglich ergänzend weist der Senat – in Anschluss auf sein Urteil vom 08.12.2010 – L 11 KR 18/09 – auf Folgendes hin: Eine unabhängig vom materiellen Bestand des Zahlungsanspruchs und eventuellen Gegenansprüchen bestehende Pflicht der Beklagten zur Zahlung des von dem Krankenhaus in Rechnung gestellten Betrages ergibt sich nicht bereits aus § 15 Abs. 1 Satz 1 des in Nordrhein-Westfalen ab 01.01.1997 geltenden Vertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V vom 06.12.1996 (Sicherstellungsvertrag). Das BSG hat zwar eine vergleichbare Regelung des rheinland-pfälzischen Sicherstellungsvertrags dahin ausgelegt, dass die Krankenkasse auch bei Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art die Forderung des Krankenhauses innerhalb der Zahlungsfrist zu erfüllen habe (BSG, Urteil vom 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R -), es hat aber im Urteil vom 22.07.2004 – B 3 KR 20/03 R – klargestellt, diese Entscheidung sei nicht so zu verstehen, dass Rechnungen in jedem Fall innerhalb der Zahlungsfrist zu begleichen und die Kassen gehindert seien, auch nach Übersendung einer Rechnung die erhobene Forderung inhaltlich zu überprüfen und sachliche Einwendungen zu erheben (Urteile des LSG NRW vom 27.03.2003, vom 06.05.2004, vom 03.02.2005, vom 25.08.2005 und vom 09.08.2006, alle a.a.O.). Etwas Anderes ergäbe sich im Übrigen auch nicht, wenn § 15 Abs. 1 Satz 1 Sicherstellungsvertrag dahingehend verstanden würde, dass daraus eine Zahlungsverpflichtung resultierte. Aus der Rechtsprechung des BSG folgt, dass Krankenkassen nicht zur Zahlung zu verurteilen sind, wenn sie im Verlauf eines gerichtlichen Verfahrens ihre Einwände spezifizieren und sich eine Behandlung als nicht medizinisch indiziert erweist (BSG, Urteil vom 22.07.2004, a.a.O.).
Nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. der jeweiligen Pflegesatzvereinbarung ist die Klägerin nur dann verpflichtet, die vereinbarten Entgelte zu zahlen, wenn vom 24.07.2002 bis 11.09.2002 die Versorgung des bei ihr Versicherten im Krankenhaus des Beklagten durchgeführt und i.S. von § 39 SGB V in dieser Zeit erforderlich war.
Der Senat lässt es dahin stehen, ob über den 24.07.2002 bis zum 11.09.2002 eine Versorgung im Krankenhaus durchgeführt wurde, jedenfalls war zur Überzeugung des Senats eine stationäre Behandlung des Versicherten in dieser Zeit nicht mehr erforderlich. Der Senat folgt den Ausführungen des Sachverständigen Dr. C, der in zutreffender Auswertung der Krankenakte und unter Berücksichtigung des Vortrags des Beklagten festgestellt hat, dass für diesen Zeitraum rehabilitative Maßnahmen ausreichend gewesen wären. Aus den Behandlungsunterlagen (insbesondere Aufnahme- und Entlassungsbericht, Verlaufsdokumentation) lässt sich die von Dr. I im Nachhinein – unter Zugrundlegung allgemeiner Ausführungen zu CMA-Patienten – beschriebene tiefgreifende Borderline-Persönlichkeitsstörung mit entsprechenden Instabilitäten des Versicherten nicht wiederfinden. Im Vordergrund der Behandlung stand die Alkoholerkrankung des Versicherten ohne relevante neurologische bzw. internistische Folge-/Begleiterkrankungen. Der Versicherte zeigte sich schon zum Zeitpunkt seiner Aufnahme als stabil, krankheitseinsichtig, motiviert und kontaktfähig; er hatte von vornherein klare Zielvorstellungen seiner Behandlung. Sein Verhalten blieb "konstant", "zuverlässig" und "authentisch"; er nahm regelmäßig und interaktiv an den therapeutischen Angeboten teil; tiefgreifende Konfliktsituationen wurden nicht beschrieben. Die während der stationären Behandlung verfasste Verlaufsdokumentation gibt die von dem Beklagten im Klage- und Berufungsverfahren geschilderte schwerwiegende psychische Störung des Versicherten nicht wieder. Vielmehr finden sich in der Krankenakte zahlreiche Belege für die stabile Verfassung, Zuverlässigkeit und Eigeninitiative des Versicherten; beispielsweise die Eintragungen vom
22.07.2001 "Zog heute erfreut in ein Einzelzimmer um. Bringt sich stets aktiv ein. Beschäftigt sich momentan mit seiner Zukunftsperspektive"
28.07.2002 "Sah sich im Alleingang das Trödel- und Kirmesfest in P an. Kam zum verabredeten Zeitpunkt zur Eisdiele. Sein zubereiteter Lauchkuchen zum Abendessen wurde von der Gruppe gelobt."
03.08.2002 "Gegen 8.00 Uhr hat Hr. M. die Station verlassen, um nach Hause zu fahren; Hr. M. hat sich vorgenommen, die Wohnung zu entmüllen."
Negativbeschreibungen fehlen weitgehend. Die von Dr. I im Nachgang beschriebene "extrem hohe Kränkbarkeit" und "sehr niedrige Frustrationstoleranz" des Versicherten spiegelt sich in den Krankenunterlagen nicht in der Form wieder, dass eine stationäre Intervention als notwendig betrachtet werden kann. Zwar findet sich beispielsweise unter dem 20.08.2002 der Eintrag:
"Wurde in seiner Fehlplanung bezüglich des Backdienstes korregiert. Akzeptierte auch Begründungen seitens des Teams nicht. Beharrte etwas frech und distanzlos auf seiner Meinung".
Konfliktsituationen, die ein ärztliches Eingreifen hätten erforderlich gemacht, finden sich in der Dokumentation hingegen in dem streitigen Zeitraum an keiner Stelle.
Soweit Dr. I im Nachgang vorträgt, dass die Dokumentation nicht ausreichend die Notwendigkeit stationärer Behandlung belege, lässt der Senat dahin stehen, ob der Beklagte die Folgen unvollständiger Dokumentation zu tragen hat. Denn auch seine Ausführungen in Klage- und Berufungsverfahren vermögen – über den Inhalt der Krankenakte hinaus – ebenfalls ein stationäres Behandlungserfordernis nicht zu begründen. Seine allgemeinen Darlegungen zur CMA-Behandlung beziehen sich weitestgehend nicht konkretisierend auf den Versicherten und sind daher nicht geeignet, den dokumentierten Verlauf und die Zustandsbeschreibungen des Versicherten zu widerlegen. Dies gilt umso mehr, weil verschiedene Mitarbeiter des Beklagten die Eintragungen gemacht bzw. die Berichte geschrieben haben, die dann alle fehlerhaft dokumentiert hätten. Dr. C weist zutreffend darauf hin, dass realistisch nicht erkenntlich ist, dass der Befundbericht geschönt wurde.
Der positive Therapie- und Behandlungsverlauf ist nachvollziehbar. Ab 27.07.2002 hat der Versicherte erste Belastungsbeurlaubungen erhalten und es finden sich in der Folgezeit wiederholt Einträge, aus denen hervorgeht, dass der Versicherte sich nach dem Frühstück abgemeldet und am Abend wieder auf Station zurück gemeldet hat (28.07., 03.08., 10.08., 16.08., 22.08., 25.08., 29.08., 31.08., 07.09.). Diese Eintragungen lassen darauf schließen, dass der Versicherte gesundheitlich in der Lage war, seine soziale Situation selbständig zu regeln und an Freizeitaktivitäten selbstbestimmt und eigenverantwortlich teilzunehmen. Dr. I ist wohl zuzustimmen, das Belastungserprobungen regelmäßig Bestandteil stationärer psychiatrischer Behandlungen sind, so dass diese allein nicht ausschlaggebend sind, eine Notwendigkeit stationärer Behandlung zu verneinen. Hier weisen aber die geschilderten Umstände in ihrer Gesamtheit darauf hin, dass der Versicherte sich (zumindest) ab 24.07.2002 nicht mehr in einer akuten Behandlungsphase befand, sondern in einer ausreichend stabilen Remissionsphase, die eine stationäre Krankenhausbehandlung nach Auffassung des Senats nicht mehr nötig gemacht hat.
Zu einem anderen Ergebnis führt schließlich auch nicht der Einwand des Beklagten, der Versicherte sei entsprechend der Richtlinie der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) Akutbehandlung alkoholbezogener Störungen behandelt worden und auch die Behandlungsdauer entspreche dieser Richtlinie. Nach 3.3.2.2. dieser Richtlinie gilt für die Behandlung von chronisch mehrfach beeinträchtigten Alkoholabhängigen, zu denen der Versicherte zählt, dass die "besten Ergebnisse nach einer individuell angepassten Behandlungsdauer von 2 – 6 Monaten erzielt werden". Vor dem Hintergrund, dass der Versicherte mit kurzen Unterbrechungen bereits seit 27.03.2002 bis 24.07.2002, mithin nahezu vier Monate, stationär behandelt wurde, bestehen – unabhängig von dem individuellen Behandlungskonzept – auch unter Berücksichtigung der Leitlinien keine Bedenken, eine Krankenhaus-Behandlungsbedürftigkeit über den 24.07.2002 hinaus nicht mehr anzuerkennen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 19.01.2012
Zuletzt verändert am: 19.01.2012