Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 16.02.2011 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten steht die Rückforderung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Streit.
Der 1970 geborene Kläger zu 1) und seine 1971 geborene Ehefrau, die Klägerin zu 2), sowie ihre 1999 geborene gemeinsame Tochter, die Klägerin zu 3) stehen bei dem Beklagten im Bezug von laufenden Leistungen nach dem SGB II.
Der Kläger zu 1) begann am 25.06.2007 eine zunächst bis 22.09.2007 befristete Beschäftigung bei der Firma B GmbH. Sein Arbeitsvertrag wurde am 19. September 2007 bis 21.12.2007 verlängert. Der Lohn wurde jeweils zum 15. des Folgemonats gezahlt.
Die Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagter) bewilligte den Klägern durch Bescheid vom 04.09.2007 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für den Zeitraum Oktober 2007 bis März 2008 in Höhe von 1.122,47 EUR für Oktober, 1.118,94 EUR für November und 1.069,47 EUR monatlich ab Dezember.
Nach Eingang der Verdienstbescheinigung des Klägers zu 1) für den Monat September (Nettolohn 1.144,25 EUR) am 15.10.2007 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung mit Bescheid vom selben Tag und setzte unter Berücksichtigung des Einkommenszuflusses im Oktober 2007 für diesen Monat Leistungen in Höhe von 279,18 EUR, sowie unter vorläufiger Annahme eines Einkommens von 1.300 EUR für November Leistungen in Höhe 228,94 EUR und ab Dezember Leistungen in Höhe von monatlich 179,47 EUR an. Gleichzeitig wies der Beklagte darauf hin, dass aufgrund der endgültigen Berechnung des Einkommens für den Monat September 2007 im Zuflussmonat Oktober eine Überzahlung von 843,29 EUR eingetreten sei.
Mit Schreiben vom 16. Juni 2008, jeweils an den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) gerichtet, teilte der Beklagte mit, er beabsichtige wegen des Einkommens aus der Beschäftigung bei der Firma B GmbH die zuviel gezahlten Beträge für Oktober 2007 und März 2008 zurück zu verlangen.
Nach Anhörung der Kläger durch Schreiben vom 16.05.2008 hob der Beklagte durch Bescheid vom 09.07.2008 gegenüber dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 3) den Bescheid vom 04.09.2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 15.10.2007 für den Monat Oktober 2007 in Höhe von 332,45 EUR bezüglich des Klägers zu 1) und in Höhe von 138,60 EUR bezüglich der Klägerin zu 3) auf und verlangte deren Erstattung. Ferner hob er die Bewilligung für den Monat März 2008 in Höhe von 12,34 EUR bezüglich des Klägers zu 1) und in Höhe von 9,74 EUR bezüglich der Klägerin zu 3) auf und verlangte auch deren Erstattung. Zur Begründung führte er an, der Kläger zu 1) habe Einkommen erzielt, welches im jeweiligen Zuflussmonat anzurechnen sei.
Durch weiteren Bescheid vom 09.07.2008 hob der Beklagte gegenüber der Klägerin zu 2) den Bescheid vom 04.09.2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 15.10.2007 für den Monat Oktober 2007 in Höhe von 372,24 EUR und für den Monat März 2008 in Höhe von 12,31 EUR auf und verlangte die Erstattung von insgesamt 384,55 EUR. Zur Begründung verwies der Beklagte auch hier auf das erzielte Einkommen.
Gegen diese Bescheide erhoben der Kläger und die Klägerin zu 2) Widerspruch mit der Begründung, dass sie ihren Mitwirkungspflichten stets nachgekommen seien. Eine Aufrechnung mit den laufenden Leistungen sei ohne ihr Einverständnis nicht möglich.
Der Beklagte half dem Widerspruch der Kläger teilweise mit Änderungsbescheid vom 31.03.2009 ab, indem Leistungen nur noch für Oktober 2007, nicht hingegen mehr für März 2008 zurückgefordert wurden. Im Übrigen wies er den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 06.04.2009 zurück.
Die Kläger haben gegen die Rückforderung am 29.04.2009 Klage beim Sozialgericht Münster erhoben und ihr bisheriges Vorbringen wiederholt. Es sei zudem nicht verständlich, aus welchem Grund der Beklagte die Leistungen. für Oktober 2007 erst im Jahr 2008 und nicht gemeinsam mit überzahlten Leistungen bis September 2007 zurückgefordert habe. Insoweit hätten sie darauf vertrauen können, die Leistungen behalten zu dürfen.
Mit Beschluss vom 10.12.2009 hat das Sozialgericht Münster die Klagen des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2) miteinander verbunden und diese mit Urteil vom 16.02.2011 abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Die angefochtenen Bescheide vom 09.07.2008 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 31.03.2009 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 06.04.2009 seien rechtmäßig und beschwerten die Kläger nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gegenstand des Verfahrens sei nicht nur die Klage des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 2), sondern auch der Klägerin zu 3). Dies ergibt sich hier aus der Auslegung des Klageantrags und der Klagebegründung unter Berücksichtigung des Gedankens der Meistbegünstigung.
Der Beklagte habe zu Recht die Bewilligung der Leistungen nach dem SGB II für Oktober 2007 gegenüber den Klägern teilweise aufgehoben. Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung sei vorliegend § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III. Die Voraussetzungen dieser Normen, insbesondere des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X, lägen vor. Danach sei ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen erzielt worden sei, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Die seitens des Beklagten vom 04.09.2007 gegenüber den Klägern vorgenommene Leistungsbewilligung stelle den Erlass eines Dauerverwaltungsaktes im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X dar (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009, Az.: B 4 AS 301/09 R). Nach Erlass dieses Bewilligungsbescheides sei eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen der Kläger dadurch eingetreten, dass der Kläger zu 1) in Form von Erwerbseinkommen Einnahmen im Sinne des § 11 SGB II erzielt habe, die zur Minderung bzw. zum Wegfall des Anspruchs auf Gewährung von Arbeitslosengeld II geführt hätten. Im Oktober 2007 habe der Bedarf der Kläger zu 1) und 2) hinsichtlich der Regelleistung gemäß § 20 Abs. 2 SGB II monatlich jeweils 312 EUR betragen. Der Klägerin zu 2) habe zudem ein Mehrbedarf für werdende Mütter gemäß § 21 Abs. 2 SGB II in Höhe von 53 EUR zugestanden. Ferner habe für die Klägerin zu 3) ein Anspruch auf Sozialgeld gem. § 28 Abs. 1 SGB II in Höhe von 208 EUR monatlich bestanden. Hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung habe der Bedarf insgesamt 385,93 EUR betragen, wobei auf den Einzelnen jeweils 1/3 des Betrages entfallen sei. Diesem Gesamtbedarf in Höhe von 1.270,93 EUR sei das Einkommen gemäß §§ 9 Abs. 1, 11 SGB II gegenüber zu stellen. Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II seien Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, der Grundrente nach dem BVG oder nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsähen und der Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht würden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG. Bei dem Erwerbseinkommen handele es sich um keine in diesem Sinne gesetzlich ausgenommene Leistung, sondern um zu berücksichtigendes Einkommen gem. § 11 Abs. 1 SGB II. Den Klägern sei im Oktober 2007 ein Betrag von 1.144,25 EUR netto als Gehaltszahlung zugeflossen, so dass eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen im Vergleich zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes eingetreten sei. Von diesem Betrag sind die Freibeträge gemäß §§ 11 Abs. 2, 30 SGB II abzusetzen, die der Beklagte zutreffend mit 300,96 EUR errechnet habe. Folglich verbleibe noch ein anzurechnendes Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 843,29 EUR zuzüglich des Kindergeldes in Höhe von 154 EUR. Dieses Einkommen sei gem. § 13 SGB II in Verbindung mit § 2 Abs. 3 S. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg lI-V) ab dem Beginn des Monats in dem das Einkommen zufließe, hier also ab dem 1. Oktober 2007, anzurechnen. Im Oktober 2007 bleibe damit ein Leistungsanspruch in Höhe von insgesamt 273,64 EUR bestehen. Davon entfielen auf den Kläger zu 1) 107,79 EUR, auf die Klägerin zu 2) 120,78 EUR und auf die Klägerin zu 3) 45,07 EUR.
Der Beklagte sei auch nicht wegen Ablaufs der Jahresfrist gemäß § 48 Abs. 4, § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X daran gehindert, die Leistungsbewilligung aufzuheben, denn die Frist beginne ab Kenntnis der Tatsachen, die die Aufhebung der Leistungen rechtfertigten, zu laufen. Hier habe der Beklagte am 4. Oktober 2007 Kenntnis von dem verlängerten Arbeitsvertrag und erst am 15. Oktober 2007 Kenntnis von der tatsächlichen Höhe des im Oktober 2007 zugeflossenen Einkommens erlangt. Die Jahresfrist sei mit Erlass des Aufhebungsbescheides vom 09.07.2008 noch nicht abgelaufen.
Sofern die Kläger darauf abstellten, dass sie ihrer Mitwirkungspflicht stets nachgekommen seien, so spiele dies bei einer Aufhebung gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 3 SGB X keine Rolle, da hier nur die objektive Tatsache der Einkommenserzielung relevant sei. Auch ein Ermessensfehlgebrauch komme nicht in Betracht, da gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III hier kein Ermessen auszuüben sei.
Gemäß § 50 Abs. 1 SGB X sei die überzahlte Leistung zu erstatten. Für Oktober 2007 sei es hinsichtlich des Klägers zu 1) zu einer Überzahlung in Höhe von 334,72 EUR, hinsichtlich der Klägerin zu 2) zu einer Überzahlung in Höhe von 374,70 und hinsichtlich der Klägerin zu 3) zu einer Überzahlung von 139,41 EUR gekommen. Die im Bescheid vom 09.07.2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 31.03.2009 zur Erstattung festgesetzten Beträge lägen darunter, seien daher für die Kläger günstiger und somit nicht zu beanstanden.
Gegen das Urteil haben die Kläger am 11.04.2011 Berufung eingelegt und zur Begründung ihr Vorbringen im Wesentlichen wiederholt.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 16.02.2011 zu ändern und den Bescheid vom 09.07.2008 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 31.03.2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 06.04.2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Das Gericht hat den Klägern die Rechtslage in einem Erörterungstermin am 01.09.2011 erläutert und die Beteiligten anschließend darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die zulässige Berufung ist nach einstimmiger Auffassung des Senats nicht begründet. Eine weitere mündliche Verhandlung hält der Senat nicht für erforderlich. Das Rechtsmittel wird daher ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen, nachdem die Beteiligten dazu gehört worden sind (§ 153 Abs. 4 SGG).
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide des Beklagten vom 09.07.2008 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 31.03.2009 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 06.04.2009 sind rechtmäßig. Dem Bedarf der Kläger im Oktober 2007 in Höhe von 1.276,47 EUR stand ein bereinigtes Einkommen in Höhe von insgesamt 997,29 EUR gegenüber. Die aufgrund des Bescheides vom 04.09.2007 in Höhe von 1.122,47 EUR ausgezahlten Leistungen überstiegen die tatsächlich lediglich in Höhe von 279,18 EUR zu bewilligenden Leistungen – wie diese im Bescheid vom 15.10.2007 bindend festgestellt worden sind – daher um insgesamt 843,29 EUR. Diesen Betrag hat der Beklagte formell und materiell rechtmäßig auf die einzelnen Kläger aufgeteilt gemäß §§ 50, 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SG X zurückgefordert, da es sich um Einkommen handelt, das im Oktober 2007 und damit nach Erlass des Leistungsbescheides vom 04.09.2007 zugeflossen ist. Die Tatsache, dass die Kläger ihren Mitwirkungspflichten nachgekommen sind, ist für den Tatbestand des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X ohne Belang.
Soweit die Kläger mit ihrer Berufung weiterhin die Auffassung vertreten, dass der Rückforderungsbescheid nicht habe erlassen werden dürfen, weil die Jahresfrist gem. § 48 Abs. 4 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X abgelaufen sei, ist dies – wie ihnen bereits ausführlich im Erörterungstermin am 01.09.2011 erläutert – unzutreffend. Der Rückforderungsbescheid vom 09.07.2008 ist binnen eines Jahres ergangen, nachdem dem Beklagten die Verdienstbescheinigung des Klägers zu 1) am 15.10.2007 zugegangen ist. Entgegen der Ansicht der Kläger wird das Einhalten der Jahresfrist nicht dadurch wieder beseitigt, dass der Beklagte ihrem Widerspruch gegen diesen Bescheid durch Änderungsbescheide vom 31.03.2009 teilweise stattgegeben und die ursprünglich auch für März erfolgte Rückforderung aufgehoben hat. Die Änderungsbescheide enthielten einen Verfügungssatz lediglich hinsichtlich der genannten Rückforderung für den Monat März 2008, nicht jedoch hinsichtlich der hier allein streitigen Rückforderung für Oktober 2007. Die Rückforderung für Oktober, die fristgerecht erfolgt ist, wurde durch die Änderungsbescheide entsprechend nicht berührt. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass ein Änderungsbescheid, der wie hier eine den Hilfebedürftigen lediglich begünstigende Entscheidung enthält, eine vorige Einhaltung der Jahresfrist ohnehin bereits grundsätzlich nicht beseitigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
Erstellt am: 09.01.2012
Zuletzt verändert am: 09.01.2012