Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 16.12.2010 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die 1936 geborene Klägerin einen Anspruch auf (Geschiedenen-)Witwenrente aus der Rentenversicherung des 1928 geborenen und am 00.00.2007 verstorbenen L (im Folgenden: Versicherter) hat.
Die Klägerin ist Staatsangehörige der Republik Bosnien-Herzegowina und lebt dort. Der Versicherte, der ebenfalls Staatsangehöriger der Republik Bosnien-Herzegowina war, bezog aufgrund von rentenrechtlichen Zeiten in der knappschaftlichen Rentenversicherung von November 1964 bis März 1966 sowie weiteren rentenrechtlichen Zeiten von Juli 1967 bis April 1989 in der Rentenversicherung der Arbeiter aufgrund des Bescheids vom 24.10.1989 von der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz seit 01.05.1989 Altersrente. Am 09.11.1990 heirateten die Klägerin und der Versicherte im ehemaligen Jugoslawien. Die Ehe wurde am 22.06.2004 in der Republik Bosnien-Herzegowina geschieden. Ausweislich des Scheidungsurteils des Amtsgerichts Q vom 22.06.2004 (Aktenzeichen (Az) P 21/04) in der Fassung des Urteils des Bezirksgerichts C vom 03.11.2004 (Az 1520/04) war der Versicherte verpflichtet, der Klägerin monatlich 150 Konvertible Mark (KM) als Ehegattenunterhalt zu gewähren. Am 16.06.2005 heiratete der Versicherte erneut, die Klägerin blieb unverheiratet. Am 00.00.2007 verstarb der Versicherte. Seiner Witwe bewilligte die Beklagte (kleine) Witwenrente (Bescheid vom 10.01.2008)
Mit Schreiben vom 17.09.2007 beantragte auch die Klägerin die Zahlung einer Witwenrente. Sie sei 14 Jahre mit dem Versicherten verheiratet gewesen. Der Versicherte habe unterschrieben, lebenslang für ihren Unterhalt zu sorgen. Bisher habe sie Rente erhalten. Die neue Ehefrau des Versicherten habe ihr diesen nur wegen der Rente weggenommen. Der Versicherte sei jedoch die letzten beiden Jahre unzurechnungsfähig gewesen. Da sie 14 Jahre für den Versicherten da gewesen sei, habe sie die Rente verdient. Zur Begründung reichte sie eine Erklärung des Versicherten aus dem Jahr 1997 zu den Akten, wonach dieser ihr eine Wohnung und ein Haus vererbe.
Mit Bescheid vom 30.11.2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, nach § 243 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) erhielten nur solche geschiedenen Ehegatten Witwenrente, deren Ehe vor dem 01.07.1977 geschieden worden sei. Die Ehe der Klägerin und des Versicherten sei nach diesem Datum geschieden worden. Ihren hiergegen gerichteten Widerspruch stützte die Klägerin darauf, dass sie bis zum Tod des Versicherten einen Anspruch auf einen Teil seiner Rente in Höhe von 150 KM als Unterhaltsleistung gehabt habe. Sie sei arm und krank und benötige das Geld zum Leben. Mit weiterem Schreiben vom 25.12.2007 beantragte die Klägerin die Bewilligung von 30% der Rente des Versicherten als Unterhalt, da sie krank und alt sei und den Versicherten 15 Jahre gepflegt habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.05.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da ein Anspruch auf eine Witwenrente für geschiedene Ehegatten nach § 243 SGB VI nicht gegeben sei. Ein Anspruch auf eine prozentuale Familienrente bestehe nach deutschem Recht nicht.
Mit Schreiben vom 28.08.2008 wandte die Klägerin sich unter Schilderung des Sachverhalts erneut an die Beklagte. Zudem bat sie um Mitteilung, "ob mit der Karte noch etwas anderes zugesandt worden sei, sie habe nur die Karte erhalten." In der Verwaltungsakte findet sich eine Bescheinigung sowohl über einen Zustellversuch eines Dokuments der Beklagten vom 05.08.2008 als auch eines Dokuments der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd vom 07.07.2008. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin mit Schreiben vom 07.10.2008 und dem Hinweis, sie habe den Widerspruchsbescheid offensichtlich noch nicht erhalten, erneut zugesandt.
Mit Schreiben vom 25.11.2008, eingegangen bei Gericht am 08.12.2008, erhob die Klägerin Klage. Aufgrund des Urteils des Kreisgerichts C vom 03.11.2004 habe sie gegen den Versicherten einen Unterhaltsanspruch in Höhe von 150 KM. Die Beklagte habe den Anspruch zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt, die Ehe sei vor dem 01.07.1977 geschieden worden. Tatsächlich sei die Ehe nach dem 01.07.2004 geschieden worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 16.12.2010 wies das Sozialgericht Dortmund die Klage ab. Zur Begründung verwies es auf die Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden. Nach deutschem Recht sei eine Hinterbliebenenrente für Geschiedene, die nach dem 30.06.1977 geschieden wurden, nicht vorgesehen. Ebenso habe die Klägerin keinen Anspruch auf eine Witwenrente, da sie zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten bereits von diesem geschieden gewesen sei.
Mit Schreiben vom 11.01.2011, eingegangen am 25.01.2011, bittet die Klägerin, die Angelegenheit noch einmal zu überprüfen. Sie sei krank und habe nach dem Tod des Versicherten nicht mehr geheiratet. Bis zu seinem Tod habe der Versicherte ihr 350 KM als Unterhalt gezahlt. Sie hat unter anderem einen Beschluss des Amtsgerichts Q vom 29.04.2011 (Az 77 0 I 005084 04 I) zu den Akten gereicht, mit welchem die Vollstreckung des durch das Scheidungsurteil zugesprochenen Ehegattenunterhalts in Höhe von 150 KM wegen des Todes des Versicherten und der Tatsache, dass die Verpflichtung des Unterhaltspflichtigen eine persönliche Verpflichtung sei, eingestellt wurde.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung ist für die Klägerin niemand erschienen. Die Klägerin ist ausweislich des in den Akten befindlichen Rückscheins am 09.11.2011 zum Termin mit dem Hinweis geladen worden, dass auch im Falle ihres Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie stützt sich auf die Ausführungen in ihren Bescheiden und im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 16.12.2010.
Wegen der Darstellung weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands nimmt der Senat auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann entscheiden, obwohl im Termin zur mündlichen Verhandlung für die Klägerin niemand erschienen ist, weil die Klägerin in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung (§§ 63 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), 175 S. 1 Zivilprozessordnung) auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist, § 62 SGG.
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 30.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2008 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht gemäß § 54 Abs. 2 SGG in ihren Rechten. Diese hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung ihres geschiedenen Ehemannes, denn sie erfüllt weder die Voraussetzungen für eine Witwenrente an Ehegatten nach § 46 SGB VI noch für eine Witwenrente an geschiedene Ehegatten nach § 243 SGB VI.
Regelungsgegenstand der angefochtenen Bescheide ist der Anspruch der Klägerin auf (große/kleine) Witwenrente. Die Klägerin hatte ihr Begehren gerade nicht auf die Witwenrente an den geschiedenen Ehegatten beschränkt. Wenn die Beklagte im angefochtenen Bescheid auch – zur Begründung – auf § 243 SGB VI Bezug nimmt, so hat sie doch auf den Antrag der Klägerin allgemein und umfassend entschieden, dass kein Anspruch auf Witwenrente besteht. Dafür spricht auch der "Hinweis" im Widerspruchsbescheid, eine prozentuale Familienrente sei nach deutschem Recht nicht vorgesehen.
Gemäß § 46 Abs. 1 und 2 SGB VI haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten unter den in der Vorschrift genannten weiteren Voraussetzungen Anspruch auf kleine bzw. große Witwen- oder Witwerrente. Die Klägerin ist jedoch nicht die Witwe des am 00.00.2007 verstorbenen Versicherten. Witwe oder Witwer ist grundsätzlich, wer mit dem versicherten Ehegatten bei dessen Tod verheiratet gewesen ist (BSG SozR Nr 2 zu § 1263 RVO). Die Klägerin war im Zeitpunkt des Todes des Versicherten jedoch nicht mehr mit diesem verheiratet; denn ihre Ehe war bereits am 22.06.2004 durch Urteil des Amtsgerichts Q vom 22.06.2004 (Az P 21/04) rechtskräftig geschieden worden. Dieses Scheidungsurteil ist nach § 107 Abs. 1 S. 2 und Abs. 9 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) für die Beklagte auch ohne eine Entscheidung der Landesjustizverwaltung nach § 107 Abs. 1 S. 1 FamFG bindend, da ein Gericht des Staates entschieden hat, dem die Klägerin und der Versicherte angehören.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente nach § 243 SGB VI. Gemäß § 243 Abs. 1 bis 4 SGB VI haben Anspruch auf kleine oder große Witwen- bzw. Witwerrente über die in den verschiedenen Absätzen der Vorschrift jeweils genannten weiteren Voraussetzungen hinaus geschiedene Ehegatten, deren Ehe vor dem 01. Juli 1977 geschieden bzw. für nichtig erklärt oder aufgehoben wurde. Die Ehe der Klägerin wurde jedoch nicht vor dem 01.07.1977, sondern erst am 22.06.2004 rechtskräftig geschieden.
§ 243 SGB VI ist auch nicht entsprechend auf Fälle anzuwenden, in denen die Ehe nach dem 30.06.1977 geschieden wurde, ohne dass ein Versorgungsausgleich stattfand. Voraussetzung für eine analoge Anwendung wäre eine planwidrige Regelungslücke, an der es vorliegend fehlt. Mit der Regelung des 243 SGB VI bzw. den insoweit inhaltsgleichen Vorgängervorschriften beabsichtigte der Gesetzgeber das Gesamtsystem der Geschiedenenwitwenrente durch das des Versorgungsausgleichs zu ersetzen (vgl. BVerfGE 72, 141 ff = SozR 2200 § 1265 Nr. 78). Der Ausschluss der Geschiedenenwitwenrente für nach dem 30.06.1977 Geschiedene, bei denen ein Versorgungsausgleich nicht durchgeführt wurde, wurde vom Gesetzgeber in Kauf genommen (siehe hierzu Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27.09.2010, Az L 3 R 150/10).
Der Senat hat keine Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Regelung. Das Bundesverfassungsgericht, dessen Ausführungen sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung der Rechtslage inhaltlich anschließt, hat festgestellt, dass der Fortfall der Geschiedenen-Witwenrente für Frauen, die nach dem 30.06.1977 geschieden worden sind, durch § 42 Abs. 1 AVG – eine Vorgängerregelung des § 243 SGB VI -, auch in solchen Fällen mit dem Grundgesetz vereinbar ist, in denen kein Versorgungsausgleich stattgefunden hat (BVerfG aaO).
Auch aus dem zwischenstaatlichen Recht, in Betracht kommt hier das im Jahre 1968 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) geschlossene Abkommen über Soziale Sicherheit (Abk Jugoslawien SozSich; BGBl II 1969, 1438 mit Zustimmungsgesetz vom 29. Juli 1969, BGBl II, 1437) ergibt sich keine Witwenrente für nach dem 30.06.1977 geschiedene Ehegatten. Es kann deshalb offenbleiben, ob dieses Sozialversicherungsabkommen im Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland und den Republiken Bosnien und Herzegowina weiterhin Anwendung findet (siehe hierzu den inzwischen wieder aufgehobenen Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichts vom 23.05.2006, Az B 13 RJ 17/05 R)
Nicht Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob die Klägerin Anspruch auf eine eigene Rente aus einer Anwartschaftsübertragung wegen Versorgungsausgleich hat. Es kann dahinstehen, ob die Klägerin einen Anspruch auf Versorgungsausgleich nach Art 17 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) hat. Danach ist auf Antrag eines Ehegatten ein Versorgungsausgleich nach deutschem Recht durchzuführen, 1. wenn der andere Ehegatte in der Ehezeit eine inländische Versorgungsanwartschaft erworben hat oder 2. wenn die allgemeinen Wirkungen der Ehe während eines Teils der Ehezeit einem Recht unterlagen, das den Versorgungsausgleich kennt, soweit seine Durchführung im Hinblick auf die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse auch während der nicht im Inland verbrachten Zeit der Billigkeit nicht widerspricht (vgl. Art. 17 EGBGB). Ein derartiges Verfahren ist von der Klägerin nie betrieben worden. Die Voraussetzungen liegen auch – soweit erkennbar – nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Erstellt am: 21.03.2012
Zuletzt verändert am: 21.03.2012