Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 22.11.2011 – S 21 AS 413/09 – wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung eines Betrages von 45,00 EUR.
Durch Bescheid vom 27.01.2009 bewilligte die Rechtsvorgängnerin des Beklagten (nachfolgend: einheitlich Beklagter) der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 636,00 EUR mtl. für die Zeit vom 01.02. bis 31.07.2009. Am 29.06.2009 floss der Klägerin eine jährliche Dividende aus Genossenschaftsanteilen in Höhe von 80,00 EUR zu. Am 29.07.2009 zahlte die Klägerin den jährlichen Beitrag zur Riesterrente in Höhe von 60,00 EUR.
Durch Bescheid vom 11.08.2009 hob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für Juli 2009 teilweise in Höhe von 50,00 EUR unter Berufung auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf und forderte einen Betrag von 50,00 EUR zurück. Von dem einmaligen Einkommen von 80,00 EUR zog er eine Versicherungspauschale von 30,00 EUR ab.
Hiergegen legte der Klägerin Widerspruch ein. Durch Änderungsbescheid vom 05.10.2009 reduzierte der Beklagte den Erstattungsbetrag auf 45,00 EUR. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 16.11.2009 als unbegründet zurück.
Am 16.12.2009 hat die Klägerin Klage erhoben.
Sie hat vorgetragen, dass die zu berücksichtigende einmalige Einnahme von 50,00 EUR nach § 2 Abs. 4 Arbeitslosengeld/Sozialgeld-Verordnung (AlgII-V) auf mehrere Monate zu verteilen sei. Dies habe der Beklagte nicht berücksichtigt. Die vom Beklagten gewählte Verfahrensweise führe zu einer nicht nachvollziehbaren Ungleichbehandlung mit Beziehern von Leistungen nach dem SGB II, die eine einmalige Einnahme bis zu einer Höhe von 50,00 EUR hätten. Ein solches Einkommen werde nicht angerechnet.
Durch Gerichtsbescheid vom 08.12.2011 hat das Sozialgericht Detmold die Klage abgewiesen. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 08.12.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 05.01.2012 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Sie ist der Auffassung, dass die Streitsache grundsätzliche Bedeutung habe. Die Regelungen in der ALGII-V, wonach sich die Bagatellgrenze auf 50,00 EUR belaufe und bei Mehreinahmen lediglich 30,00 EUR anrechnungsfrei blieben, führten zu einer Ungleichbehandlung und verstießen damit gegen das Grundgesetz.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 22.11.2011 bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Zulassung, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht übersteigt. Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung von Leistungen nach dem SGB II für Juli 2009 in Höhe von insgesamt 45,00 EUR.
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist eine Berufung zuzulassen, wenn
1. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2. das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Im vorliegenden Fall sind die Zulassungsgründe des § 144 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 SGG nicht gegeben.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsache i.S.v. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG, wenn sie eine bisher ungeklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse genügt nicht (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 144 Rn 28 f. mit Rechtsprechungsnachweisen). Die Rechtsfrage darf sich nicht unmittelbar und ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lassen oder bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden sein (vgl. BSG Beschluss vom 15.09.1997 – 9 BVg 6/97 – zum gleichlautenden § 160 SGG). Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein. Daran fehlt es hier, weil die maßgebenden Rechtsfragen durch die gesetzlichen Regelungen und die Rechtsprechung des Bundesozialgerichts hinreichend geklärt sind.
Einkünfte aus Kapitalvermögen – vorliegend eine Dividende aus Genossenschaftsanteilen – stellen Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 SGB II dar, sofern nicht die Bestimmung des § 1 AlgII-V i.d.F. vom 17.12.2007 – a. F. – (BGBl. I, 2942; aufgehoben zum 01.04.2011 durch Gesetz vom 24.03.2011, BGBl. I, 453) eingreift. Bei Einkünften aus Kapitalvermögen handelt es sich nicht um eine sonstige zweckbestimmte, nicht als Einkommen zu berücksichtigende Einnahme i.S.v. § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II i.d.F. bis zum 31.03.2011 – a. F. – (BSG Urteil vom 30.09.2008 – B 4 AS 57/07 R = juris Rn 25). Die Bestimmung des § 1 AlgII-V a. F. nimmt weitere Einnahmen von der Einkommensberücksichtigung aus, u. a. einmalige Einnahmen und Einnahmen, die in größeren als monatlichen Zeitabständen anfallen, wenn sie jährlich nicht 50,00 EUR nicht übersteigen (Nr. 1). Die Regelung des § 1 Nr. 1 AlgII-V a. F., die für die Zeit ab dem 01.04.2011 durch die Bestimmung des § 11 Abs. 5 SGB II (i. d. F. der Bekanntmachung vom 13.05.2011, BGBl. I, 850) abgelöst worden ist, ist ermächtigungskonform (BSG Urteil vom 30.09.2008 – B 4 AS 57/07 R = juris Rn 25). § 13 SGB II ermächtigt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu bestimmen, welche weiteren Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind und wie das Einkommen im Einzelnen zu berechnen ist sowie welche Pauschbeträge für die vom Einkommen abzusetzenden Beträge zu berücksichtigen sind.
§ 4 AlgII-V bestimmt, dass die Vorschrift des § 2 AlgII-V über die Berechnung des Einkommens aus nichtselbständiger Arbeit auf Einnahmen aus Kapitalvermögen entsprechend anwendbar ist. Nach § 2 Abs. 4 Satz 2 AlgII-V a. F. , der für die Zeit ab dem 01.04.2011 durch die Bestimmung des § 11 Abs. 3 SGB II (i. d. F. der Bekanntmachung vom 13.05.2011, BGBl. I, 850) abgelöst worden ist, ist eine Berücksichtigung der Einnahmen ab dem Monat, der auf den Monat des Zuflusses folgt, zulässig, wenn Leistungen für den Monat des Zuflusses bereits erbracht sind. Bei einer jährlichen Dividende aus Genossenschaftsanteilen handelt es sich um eine einmalige Einnahme (BSG Urteil vom 07.05.2009 – B 14 AS 4/08 R = juris Rn 21).
Einmalige Einnahmen sind, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 4 Satz 3 AlgII-V a. F.). Die Vorschrift des § 2 Abs. 4 Satz 3 AlgII-V a. F. findet keine Anwendung, wenn durch die Berücksichtigung einer einmaligen Einnahme die Bedürftigkeit des Hilfebedürftigen und die Leistungspflicht des Grundsicherungsträgers im Zuflussmonat bzw. dem Monat i.S.v. § 2 Abs. 4 Satz 2 AlgII-V nicht vollständig entfällt. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Anwendung der Vorgängervorschrift des § 2 Abs. 3 Satz 3 AlgII-V i.d.F. vom 22.08.2005, BGBl. I, 2499), deren Wortlaut § 2 Abs. 4 AlgII-V a. F. entspricht, besteht unter Berücksichtigung des Zwecks der Regelung – Vermeidung des Entfallens der Hilfebedürftigkeit und damit zugleich der Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung – kein Anspruch auf Verteilung einer einmaligen Einnahme auf zukünftige Zeiträume, wenn durch den Zufluss der einmaligen Einnahme der Leistungsanspruch im Zuflussmonat nicht vollständig wegfällt (vgl. Urteile vom 30.09.2008 – B 4 AS 57/07 R = juris Rn 29f insbesondere zur Entstehungsgeschichte der Norm, vom 13.05.2009 – B 4 AS 49/08 R = juris Rn 16, vom 18.01.2011 – B 4 AS 90/10 R = juris 19 m.w.N.). Diese Regelung ist ermächtigungskonform (BSG Urteil vom 07.05.2009 – B 14 AS 4/08 R = juris Rn 24). Der Gesichtspunkt, dass durch die "Streckung" der einmaligen Einnahmen auf mehrere Kalendermonate in jedem Monat des Verteilzeitraums Freibeträge vom Einkommen abgesetzt werden könnten und dadurch der Umfang der Berücksichtigung des Einnahme insgesamt wirtschaftlich verringert werden könnte, stellt kein sachlicher Grund für die Anwendung der Bestimmung des § 2 Abs. 4 Satz 2 AlgII-V dar (BSG Urteil vom 30.09.2008 – B 4 AS 57/07 R = juris Rn 30).
In § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II i.d.F. bis zum 31.03.2011 ist abschließend bestimmt, welche Absetzbeträge von einem berücksichtigungsfähigen Einkommen abzuziehen sind. Die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V a. F. über die Bagatellgrenze von 50,00 EUR regelt keinen weiteren Absetzbetrag, sondern konkretisiert nur die Bestimmung des § 11 Abs. 3 Nr. 1 SGB II i.d.F. bis 31.03.2011, wonach u. a. zweckbestimmtes privatrechtliches Einkommen privilegiertes Einkommen darstellen, wenn sie Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären (vgl. Brühl in LPK-SGB II, 3. Aufl., § 11 Rn 68,69,75). Gegen die Festsetzung eines Pauschalbetrags von 30,00 EUR in § 6 Abs. 1 Nr. 1 AlgII-V als angemessener Versicherungsbeitrag i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz1 Nr. 2 SGB II i.d.F. bis zum 31.03.2011 durch den Verordnungsgeber bestehen keine Bedenken (BSG Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 18/06 R = juris Rn 26f zur inhaltlich identischen Vorschrift des § 3 Nr. 1 AlgII-V). Mit dem festgelegten Betrag von 30,00 EUR sollen die Beiträge zu privaten Versicherungen abgedeckt werden, die bei in einfachen wirtschaftlichen Verhältnissen lebenden Bürgern in Deutschland allgemein üblich sind. Die Festlegung des Betrages von 30,00 EUR liegt nach Auffassung des BSG noch in der Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers. Ebenso sind jährlich anfallende geförderte Altersvorsorgebeiträge i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II a. F. anteilig auf den Monat umzulegen.
Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG durch die Festlegung der Bagatellgrenze auf 50,00 EUR in § 1 Nr. 1 AlgII-V a. F. und der Festsetzung einer Versicherungspauschale auf 30,00 EUR in § 6 Abs. 1 Nr. 1 AlgII-V ist nicht erkennbar. Eine Regelung ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht vereinbar, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art oder solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können. Der Gesetzgeber hat bei der Gewährung von Sozialleistungen, die an die Bedürftigkeit des Empfängers anknüpfen, grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum (vgl. BSG Urteil vom 21.12.2009, B 14 AS 42/08 R = juris Rn 26 m.w.N.). Die Bestimmungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 AlgII-V a. F. und § 6 Abs.1 Nr. 1 AlgII-V dienen unterschiedlichen Regelungszwecken – Konkretisierung der Höhe des privilegierten Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II a.F. sowie der Festsetzung eines Pauschalbetrages als Absetzbetrag i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB II a. F. – und regeln unterschiedliche Sachverhalte. § 1 Nr. 1 AlgII-V a. F. erfasst nur Einnahmen, die nicht monatlich anfallen, und jährlich nicht den Gesamtbetrag von 50,00 EUR übersteigen. Damit setzt § 1 Nr. 1 AlgII-V a. F. einen Höchstbetrag, der in einem Jahr nicht überschritten werden darf, fest. Demgegenüber regelt § 6 Abs. 1 Nr. 1 AlgII-V die Höhe eines von mehreren in § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II a. F. vorgesehenen Absetzbeträge von Einkommen, die sowohl auf einmalige als auch auf laufenden Einnahmen anzuwenden ist, und konkretisiert die Höhe von angemessenen privaten Versicherungsbeiträgen. Die Höhe der Absetzbeträge von einem berücksichtigungsfähigen Einkommen, das die Bagatellgrenze des § 1 Nr. 1 AlgII-V a. F. überschreitet, hängt im Einzelfall davon ab, ob der Hilfebedürftige neben der Versicherungspauschale von 30,00 EUR die Tatbestandsvoraussetzungen weiterer Absetzbeträge i.S.d. § 11 Abs. 2 SGB II a. F. erfüllt oder nicht.
Ebenso ist der Zulassungsgrund des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG nicht gegeben. Eine Divergenz i.S.v. § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG kommt nur dann in Betracht, wenn ein Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des Sozialgerichts nicht den Kriterien entspricht, die die obersten Gerichte aufgestellt haben, sondern erst dann, wenn es diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall begründet keine Divergenz i.S.v. § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG (vgl. BSG Beschluss vom 05.10.2010 – B 8 SO 61/10 B = juris Rn 11 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen zum gleichlautenden § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG). Vorliegend hat das Sozialgericht keinen von der Rechtsprechung der obersten Gerichte abweichenden abstrakten Rechtsgrundsatz aufgestellt.
Das Vorliegen eines Verfahrensmangels im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG hat die Klägerin nicht gerügt.
Mit der Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde wird der Gerichtsbescheid rechtskräftig, § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist unbegründet. Die von der Klägerin beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet aus den obigen Gründen keine hinreichende Erfolgsaussicht (§ 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 29.03.2012
Zuletzt verändert am: 29.03.2012