Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 29.08.2011 geändert. Dem Kläger wird für die Durchführung des Klageverfahrens für die Zeit ab dem 25.02.2011 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin T, N, beigeordnet.
Gründe:
I.
Der Kläger bewohnt alleine eine 55,50 qm große Wohnung in der "T-Straße 00" in N. Im streitigen Zeitraum betrugen die Kaltmiete 349,03 EUR, die Heizkosten 33,23 EUR und die Nebenkosten zunächst 45,99 EUR, später 43,42 EUR pro Monat.
Mit Schreiben vom 07.05.2007 wies der Rechtsvorgänger des Beklagte (im Folgenden einheitlich: Beklagter) den Kläger darauf hin, dass die für die Wohnung anfallenden – und bis dato auch übernommenen – Kosten der Unterkunft in Höhe der Kaltmiete von 349,03 EUR nicht angemessen im Sinne des § 22 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II) seien. Auszugehen sei von einer abstrakt angemessenen Wohnungsgröße von 45 qm. Unter Berücksichtigung eines im Mietspiegel ermittelten Werts von 4,80 EUR pro Quadratmeter seien daher höchstens 216,00 EUR monatlich angemessen. Der Kläger wurde aufgefordert, sich um günstigeren Wohnraum zu kümmern. Im Oktober 2007 übersandte der Kläger der Beklagten eine Liste von neun Wohnungen, die jedoch allesamt über der von dem Beklagten als angemessen angegebenen Miete lagen. Der Beklagte teilte daraufhin mit, dies genüge nicht als Nachweis hinreichender Bemühungen. Er wies darauf hin, dass im nächsten Bewilligungszeitraum die Senkung der Kosten für Unterkunft geprüft würde.
Mit Bescheid vom 12.11.2007 senkte der Beklagte die Kosten für Unterkunft für die Zeit vom 01.03.2007 bis zum 31.05.2008 auf 286,52 EUR ab. Mit Bescheid vom 09.05.2008 bewilligte der Beklagte für die Zeit vom 01.06. bis 30.11.2008 und mit Bescheid vom 11.11.2008 für die Zeit vom 01.12.2008 bis 31.05.2009 Kosten für Unterkunft und Heizung in ebenfalls dieser Höhe. Die Bescheide wurden allesamt bestandskräftig.
Mit Bescheid vom 27.02.2009 senkte der Beklagte sodann für die Zeit vom 01.04.2009 bis 31.05.2009 die übernommenen Nebenkosten ab. Hierbei ging er statt der bisher zugrunde gelegten 45,99 EUR pro Monat lediglich noch von 43,42 EUR aus, welche er – unter Zugrundelegung einer abstrakt angemessenen Wohnungsgröße von 45 qm – auf 35,31 EUR pro Monat reduzierte. Die Bewilligung der Kosten für Unterkunft und Heizung reduzierte sich dadurch auf 284,44 EUR. Auch dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Mit Bescheid vom 08.05.2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger auch für den Zeitraum vom 01.06.2009 bis 30.11.2009 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende unter Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 284,44 EUR. Hiergegen legte der Kläger am 28.05.2009 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, preiswertere Wohnungen seien nicht zu finden. Er habe sich um Wohnungen von 45 qm bemüht, solche gebe es auf dem Markt nicht bzw. seien diese zumindest nicht preiswerter.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2009 als unbegründet zurück. Er wies darauf hin, dass die abstrakt angemessene Wohnfläche 45 qm betrage. Bei einer abstrakt angemessenen Quadratmeterpreismiete von 4,80 EUR, die sich nach dem Mietspiegel bestimme, ergebe dies den zugrundegelegten Wert von 216,00 EUR. Die Betriebskosten seien entsprechend dem Verhältnis der tatsächlichen Wohnungsgröße zur abstrakt angemessenen Wohnungsgröße zu kürzen. Bei den Betriebskosten sei daher nicht von den tatsächlich anfallenden Kosten in Höhe von 43,32 EUR, sondern lediglich in Höhe von 35,21 EUR (43,32 EUR: 55,5 qm x 45 qm) auszugehen. Die Heizkosten seien, da sie unterhalb der Obergrenze lägen, in voller Höhe von 33,32 EUR zu übernehmen. Die Ausführungen des Klägers, er habe kein andere Wohnung finden können gingen fehl. Der Kläger habe seine Suche auf solche Wohnungen beschränkt, die mindestens 45 qm groß seien. Diese Suche sei unzutreffend, da dieser Wert die Obergrenze darstelle. Eine vom Beklagten durchgeführte Auswertung von Immobilienscout 24 zeige, dass für die von dem Beklagten in Ansatz gebrachten Werte durchaus Wohnungen zur Verfügung stünden.
Hiergegen hat sich der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte, mit der am 27.11.2009 erhobenen Klage gewandt und beantragt, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin T zu bewilligen. Zur Begründung wiederholte er die Ausführungen im Widerspruchsverfahren. Mit Schreiben vom 22.03.2010 hat das Sozialgericht um Mitteilung gebeten, welche Bemühungen der Kläger um preiswerten Wohnraum im Einzelnen im Jahr 2009 unternommen habe. Nachdem zunächst eine Reaktion ausgeblieben ist, hat es unter dem 31.05.2010 zum Betreiben des Verfahrens aufgefordert. Mit Schriftsatz vom 18.06.2010 hat der Kläger sodann mitgeteilt, weitere Nachweise über Bemühungen könnten nicht gebracht werden. Im September 2009 habe er eine Arbeitstätigkeit aufgenommen. Daraufhin hat das Sozialgericht den Beklagten zur Vorlage eines "schlüssigen Konzepts" aufgefordert. Dieser hat daraufhin ein "Gemeinsames Konzept der X Arbeit Kreis S und des Kreises S als kommunaler Träger zur Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft im SGB II – Stand: 01.03.2010)" zu den Akten gereicht. Der Beklagte verwies darauf, dass sich für den Bereich N daraus ein angemessener Quadratmeterpreis von 4,89 EUR ergebe. Beigefügt war auch der Mietspiegel für N für das Jahr 2009.
Mit Beschluss vom 19.01.2011 hat das Sozialgericht Gelsenkirchen den Antrag auf Prozesskostenhilfe wegen Nichtvorliegens der wirtschaftlichen Voraussetzungen abgelehnt. Als Rechtsmittelbelehrung war die Beschwerde genannt. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte, am 02.02.2011 auch ebendieses Rechtsmittel eingelegt und weitere Unterlagen eingereicht.
Am 25.02.2011 hat vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden, in dem der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte die Beschwerde gegen den Beschluss vom 19.01.2011 zurückgenommen und im Anschluss beantragt hat,
dem Kläger unter Beiordnung von Rechtsanwältin T Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Das Sozialgericht Gelsenkirchen hat daraufhin die mündliche Verhandlung vertagt. Nach Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen hat es sodann mit Beschluss vom 29.08.2011 den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der angefochtene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides sei rechtmäßig. Zur Begründung hat es in entsprechender Anwendung des § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides Bezug genommen.
Hiergegen hat der Kläger am 05.09.2011 Beschwerde eingelegt.
Er trägt vor, er bleibe bei seinen Ausführungen und weise überdies darauf hin, dass er nicht dauerhaft SGB II Leistungen bezogen habe. Er habe zwischendurch auch immer mal wieder Arbeitszeiten nachweisen können. Das Ansinnen, der Kläger müsse sich eine neue Wohnung suchen sei vor diesem Hintergrund unzumutbar.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Dem Kläger steht nach §§ 73 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe zu, weil seine Rechtsverfolgung jedenfalls im Hinblick auf die Höhe der von dem Beklagten in Ansatz gebrachten Betriebskosten hinreichende Erfolgsaussicht aufweist.
Für den hier in Rede stehenden Bewilligungszeitraum vom 01.06.2009 bis 30.11.2009 ist für Alleinstehende unter Berücksichtigung der seinerzeit geltenden Ziffer 5.71 lit. a) der Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz (VV-WoBindG – Runderlass des Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport, Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen vom 08.03.2002, 396, 400) von einer abstrakt angemessen Wohnungsgröße von 45 qm auszugehen (vgl. Urteil des Senats v. 22.11.2010 – L 19 AS 29/09 = juris Rn. 24 f.; zur Rechtslage nach dem 01.01.2010 vgl. Urteil des Senats v. 16.05.2011 – L 19 AS 2202/10 = juris Rn. 27 f.).
Die von dem Beklagten durchgeführte Bestimmung der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße ist damit nicht zu beanstanden.
Bedenken hinsichtlich der Höhe der für den streitigen Zeitraum zustehenden Leistungen ergeben sich aber im Hinblick auf die Art und Weise der von dem Beklagten angestellten Ermittlung der sog. "kalten Betriebskosten". Diese sind ebenfalls abstrakt zu ermitteln. Auszugehen ist für den hier streitigen Zeitraum wiederum von einer abstrakt angemessenen Größe von 45 qm (vgl. BSG Urteil vom 02.07.2009 – B 14 AS 33/08 R = juris Rn 32; vgl. dazu das Urteil des Senats v. 12.01.2012 – L 19 AS 1322/11). Zur Bestimmung der maßgeblichen Betriebskosten kann – ebenfalls abstrakt – auf Betriebskostenübersichten zurückgegriffen werden, möglichst allerdings auf örtliche Übersichten wegen der regionalen Unterschiede insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen (BSG Urteil vom 13.04.2011, B 14 AS 106/10 R = juris Rn 27). Da für die Stadt N im streitigen Zeitraum ein örtlicher Betriebskostenspiegel nicht erkennbar ist, kann auf die Werte des Betriebskostenspiegels des Deutschen Mieterbundes Nordrhein-Westfalen e.V. für Nordrhein-Westfalen zurückgegriffen werden. Die darin ermittelten Werte sind sodann mit der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße zu multiplizieren, woraus sich die abstrakt angemessenen "kalten Betriebskosten" ergeben (vgl. hierzu auch Urteil des Senats vom 12.01.2012 – L 19 AS 1322/11). Unabhängig von der Frage, ob bei der Bestimmung der Betriebskosten für das Jahr 2009 auf den Betriebskostenspiegel abzustellen ist, dem die ermittelten Daten für das Jahr 2009 zugrundeliegen, oder denjenigen, der zum Zeitpunkt der Bewilligungsentscheidung tatsächlich vorlag, ergibt sich im vorliegenden Fall, dass die tatsächlich gewährten Betriebskosten in Höhe von 35,21 EUR zu gering bemessen sind. Keiner der seit 2005 erstellten Mietspiegel für Nordrhein-Westfalen weist einen geringeren Wert als 1,65 EUR/qm aus. Selbst unter Berücksichtigung dieses Wertes wären die abstrakt angemessenen Betriebskosten mit 74,25 EUR (45 qm x 1,65 EUR/qm) zu ermitteln. Tatsächlich gezahlt hat der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum Betriebskosten in Höhe von monatlich 43,32 EUR, weswegen diese auch in voller Höhe zu übernehmen waren. Der von dem Beklagten eingeschlagene Weg, die tatsächlich für die Wohnung des Klägers anfallenden Nebenkosten in Höhe von 43,32 EUR in Relation zur angemessenen Wohnungsgröße zu reduzieren, lässt sich mit den oben dargestellten, vom Bundessozialgericht entwickelten Grundsätzen, nicht in Übereinstimmung bringen.
Der Kläger hat auch das Vorliegen der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die ratenfreie Bewilligung von Prozesskostenhilfe glaubhaft gemacht. Für die Beurteilung der Frage, ob der Kläger gemäß §73a SGG i.V.m. § 115 ZPO in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts abzustellen. Dies folgt aus § 120 Abs. 4 ZPO, wonach bei einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse der bedürftigen Partei eine Abänderung auch zu ihren Lasten möglich ist, sofern sich die wirtschaftlichen Verhältnisse verbessern (vgl. BGH Beschluss vom 10.01.2006 – VI ZB 26/05 = FamRZ 2006, 548, 550 = juris Rn. 19; OVG Hamburg Beschluss vom 06.08.2003 – 4 So 3/02 = FamRZ 2005, 44, 45 = juris Rn. 9; Beschluss des Senats vom 08.10.2007 – L 19 B 5/07 AL = juris Rn. 3, jeweils m.w.N.).
Die Kosten des PKH-Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten, § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 02.04.2012
Zuletzt verändert am: 02.04.2012