NZB als unzulässig verworfen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.11.2008 geändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Umstritten ist, ob die bei der deutschen Botschaft in Marokko beschäftigte Klägerin der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegt.
Die am 00.00.1948 geborene Klägerin, eine deutsche Staatsangehörige, ist seit 1978 bei der Botschaft der Beigeladenen in Rabat, Marokko, beschäftigt. Die Gehaltszahlungen erfolgen in Euro (zuvor – bis 2001 – in DM); sie unterliegt der Steuerpflicht in der Bundesrepublik Deutschland und ist aufgrund ihrer Beschäftigung in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert.
Durch Bescheid vom 30.06.2005 lehnte die Beklagte den auf die Feststellung von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Arbeitslosenversicherung gerichteten Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, dass die deutschen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit bei einer dauerhaften Beschäftigung bei einer amtlichen Vertretung des Bundes im Ausland lediglich Versicherungspflicht in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung, nicht aber in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung vorsähen. Den dagegen am 12.07.2005 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch den Widerspruchsbescheid vom 15.12.2005 zurück: Zwar erstrecke sich der sachliche Geltungsbereich des deutsch-marokkanischen Abkommens über soziale Sicherheit auch auf die deutschen Rechtsvorschriften über die Krankenversicherung. Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung in Anwendung des deutschen Rechts trete aber nur ein, wenn die im Sozialgesetzbuch normierten Voraussetzungen erfüllt seien. Diese Rechtsvorschriften sähen aber Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung bei einer Auslandsbeschäftigung nur vor, wenn diese im Wege einer zeitlich absehbaren Entsendung – die hier nicht vorliege – ausgeübt werde.
Dagegen hat die Klägerin am 16.01.2006 Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung hat sie darauf hingewiesen, dass angestellte Ortskräfte des Goethe-Instituts in Rabat nach den deutschen Rechtsvorschriften versicherungspflichtig seien. Das müsse auch für sie gelten. Sie beabsichtige, nach Renteneintritt nach Deutschland zurückzukehren und sei deshalb zwingend auf eine deutsche Krankenversicherung angewiesen.
Durch Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 13.11.2008 hat das Sozialgericht Düsseldorf unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide der Beklagten festgestellt, dass die Klägerin aufgrund ihrer Beschäftigung in Marokko ab dem 01.08.1986 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterliege. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Versicherungspflicht ergebe sich aus Art. 10 Abs. 1 des Abkommens über soziale Sicherheit vom 25.03.1981 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko, das am 01.08.1986 in Kraft getreten sei. Soweit die Klägerin die Feststellung des Bestehens von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung begehre, sei die Klage unbegründet, weil sich das Abkommen nicht auf die Pflegeversicherung erstrecke (Art. 2 Abs. 1 des Abkommens). Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Gegen das ihr am 18.11.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16.12.2008 Berufung eingelegt.
Zur Begründung bringt sie vor: Das Bestehen von Versicherungspflicht lasse sich entgegen der Ansicht des Sozialgerichts aus Art. 10 Abs. 1 des Abkommens nicht herleiten. Diese Norm verweise lediglich auf die im Sozialgesetzbuch enthaltenen Rechtsvorschriften, deren Voraussetzungen für den Eintritt von Versicherungspflicht hier gerade nicht vorliegen würden. So regele das Abkommen in Art. 7 ausdrücklich, dass im Falle der Entsendung in Bezug auf die Versicherungspflicht die Rechtsvorschriften des ersten Vertragsstaats so weiter gelten würden, als wäre der Arbeitnehmer noch im Hoheitsgebiet des entsendenden Vertragsstaats beschäftigt. Eine entsprechende Regelung wäre auch im Rahmen des Art. 10 Abs. 1 des Abkommens zu erwarten gewesen, hätten die vertragsschließenden Staaten den Eintritt der Versicherungspflicht unabhängig von den an den Beschäftigungsort anknüpfenden deutschen Rechtsvorschriften gewollt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.11.2008 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Die Beigeladenen zu 1) und 2) haben keine Anträge gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts begründet die Beschäftigung der Klägerin bei der Botschaft der Beigeladenen in Rabat, Marokko, keine Versicherungspflicht in der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung. Deshalb ist der Bescheid der Beklagten vom 30.06.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2005 rechtmäßig. Den vom Sozialgericht als Bescheide beurteilten Emails eines Mitarbeiters der Beklagten vom 02.06. bzw. 07.06.2005 kommt die Qualität von Verwaltungsakten nicht zu, weil diese die Klägerin nur zeitnah über die nach Ansicht der Beklagten gegebene Rechtslage informieren sollten. Eine verbindliche Entscheidung über das Begehren der Klägerin auf Feststellung von Versicherungspflicht hat die Beklagte erst durch den Bescheid vom 30.06.2005 getroffen.
Art. 10 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Marokko über soziale Sicherheit vom 25.03.1981 (Bundesgesetzblatt II 1986, S. 552; im Folgenden: Abkommen), das am 01.08.1986 in Kraft getreten ist, bestimmt: Wird ein Staatsangehöriger eines Vertragsstaats von diesem oder von einem Mitglied oder einem Bediensteten einer amtlichen Vertretung dieses Staates im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates beschäftigt, so gelten für diese Beschäftigung in Bezug auf die Versicherungspflicht die Rechtsvorschriften des ersten Vertragsstaats.
Die Anwendbarkeit des Abkommens ist weder zweifelhaft noch unter den Beteiligten umstritten: Das Abkommen bezieht sich auf die deutschen Rechtsvorschriften über die Krankenversicherung (Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a). Es gilt nach Art. 3 (auch) für die Klägerin, die deutsche Staatsangehörige ist. Jedoch begründet Art. 10 Abs. 1 des Abkommens entgegen der Ansicht des Sozialgerichts aufgrund der Beschäftigung der Klägerin bei der Beigeladenen zu 2) keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Bereits nach ihrem Wortlaut ordnet diese Vorschrift für die Beschäftigung der Klägerin bei der Botschaft der Beigeladenen zu 2) in Bezug auf die Versicherungspflicht – lediglich – die Geltung der Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland an. Die nach den deutschen Rechtsvorschriften (grundsätzlich) bestehende Versicherungspflicht in der Krankenversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) scheitert daran, dass gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) die Vorschriften über die Versicherungspflicht, soweit sie für eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit voraussetzen, (nur) für Personen gelten, die im Geltungsbereich dieses Gesetzbuchs beschäftigt sind. § 5 SGB V für sich allein begründet somit für die in Marokko beschäftigte Klägerin keine Versicherungspflicht in der Krankenversicherung.
Zur Überzeugung des Senates steht fest, dass Art. 10 Abs. 1 des Abkommens nicht die Geltung der deutschen Rechtsvorschriften über die Versicherungspflicht unabhängig von der Regelung des § 3 Abs. 1 SGB IV über den Beschäftigungsort anordnen will. Gegen eine solche Auslegung des Art. 10 Abs. 1 des Abkommens spricht der Gesamtzusammenhang der Regelungen der Art. 6 ff. des Abkommens. Art. 6 des Abkommens bestimmt, dass die Versicherungspflicht von Arbeitnehmern sich grundsätzlich, nämlich soweit die Art. 7 bis 11 des Abkommens nichts anderes bestimmen, nach den Rechtsvorschriften des Vertragsstaats richtet, in dessen Hoheitsgebiet sie beschäftigt sind. Art. 7 des Abkommens regelt sodann den Sonderfall der Entsendung. Dabei enthält der Wortlaut der Vorschrift nicht nur in Bezug auf die Versicherungspflicht die Anordnung der Fortgeltung der Rechtsvorschriften des ersten Vertragsstaats, sondern ausdrücklich auch den Zusatz "als wäre er noch in dessen Hoheitsgebiet beschäftigt". Entsprechendes gilt für den in Art. 8 Abs. 2 des Abkommens geregelten Sonderfall der Beschäftigung eines Arbeitnehmers auf einem Seeschiff. Aus diesen Regelungen ist unschwer zu erkennen, dass die vertragsschließenden Parteien durchaus erkannt haben, dass (auch) die deutschen Rechtsvorschriften über die Versicherungspflicht in § 3 SGB IV an den Beschäftigungsort anknüpfen. Sie haben in Art. 7 und 8 für die dort geregelten Ausnahmefälle im Wortlaut der Vorschriften ausdrücklich klargestellt, dass über die dort – ausdrücklich – formulierte Fiktion des Beschäftigungsorts eine (Weiter-) Geltung der deutschen Rechtsvorschriften angeordnet wird. Entsprechendes wäre aber dann auch für den weiteren Sonderfall der Beschäftigen amtlicher Vertretungen in Art. 10 Abs. 1 des Abkommens zu erwarten gewesen, hätten die vertragsschließenden Parteien hier in gleicher Weise – unabhängig von der Regelung des § 3 SGB IV – eine Versicherungspflicht nach den deutschen Rechtsvorschriften begründen wollen. Ferner ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber für die Rentenversicherung eine besondere Regelung getroffen hat: Die Vorschrift des § 1 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der bis zum 29.06.2011 geltenden Fassung des Gesetzes vom 30.12.2008 (BGBl. I S. 2959) dehnt ausdrücklich die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung auf Deutsche aus, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind. An dieser gesetzgeberischen Beurteilung hat sich auch durch die Aufhebung von § 1 S. 2 SGB VI zum 29.06.2011 nichts geändert. Denn gleichzeitig ist für diesen Personenkreis eine Antragsversicherung gemäß § 4 SGB VI eingeführt worden. Weil die vom Sozialgericht vorgenommene Auslegung des Art. 10 Abs. 1 des Abkommens zur Folge hat, dass § 1 Satz 2 SGB VI seines Anwendungsbereichs beraubt wird, wäre für den Fall, dass dies vom Willen der vertragschließenden Parteien umfasst wäre, zu erwarten gewesen, dass die dargestellte Rechtslage im Abkommen ihren Niederschlag gefunden hätte. Aus der Tatsache, dass dies gerade nicht geschehen ist, kann nur der Schluss gezogen werden, dass es Art. 10 Abs. 1 des Abkommens bei der Systematik der deutschen Rechtsvorschriften belässt, die Versicherungspflicht für Beschäftigte amtlicher Vertretungen nur in der der Rentenversicherung vorsieht.
Ferner liegen auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 SGB IV nicht vor, weil die Klägerin nicht im Rahmen eines in der Bundesrepublik Deutschland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses nach Marokko entsandt worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden.
Erstellt am: 16.01.2013
Zuletzt verändert am: 16.01.2013