Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 11.05.2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung.
Der Beschwerdeführer hat für die Klägerin im September 2009 im Verfahren S 43 SB 339/09 Klage erhoben und am 27.01.2010 die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung beantragt.
Mit Schreiben vom 10.03.2010 hat das Sozialgericht den Beteiligten eine vergleichsweise Regelung vorgeschlagen, die eine volle Kostenübernahme der Beklagten gegen eine Klagerücknahme der Klägerin vorsah. Die Beteiligten einigten sich auf eine geänderte Kostentragung und haben den geänderten Vergleichsvorschlag schriftlich gegenüber dem Gericht angenommen.
Mit Beschluss vom 29.04.2010 hat das Sozialgericht der Klägerin für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe ab dem 27.01.2010 bewilligt und ihr den Beschwerdeführer beigeordnet.
Am 10.06.2010 hat der Beschwerdeführer für die Klägerin die Klage zurückgenommen.
Am 01.04.2011 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die an den Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren auf 452,20 EUR festgesetzt. Die vom Beschwerdeführer darüber hinaus in Ansatz gebrachte Terminsgebühr von 200 EUR plus Mehrwertsteuer sei nicht entstanden, weil das Verfahren durch Vergleich und nicht durch ein angenommenes Anerkenntnis geendet habe.
Mit seiner am 28.04.2011 erhobenen Erinnerung hat der Beschwerdeführer sich gegen die Absetzung der Terminsgebühr gewandt. Zwar habe es der Gesetzgeber versäumt, in Nr. 3106 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) auf Nr. 3104 VV RVG zu verweisen. Es sei jedoch nicht einzusehen, dass bei sozialrechtlichen Verfahren, in denen wertbezogen abgerechnet werde, eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG anfalle, jedoch nicht bei gleichem Verfahrensablauf in Betragsrahmenverfahren. Der mit Nr. 3104 VV RVG verfolgten Zweck, die Verfahrensökonomie zu fördern, werde bei einer Beendigung durch Vergleichsschluss in gleicher Weise wie bei der Annahme eines Anerkenntnisses erreicht.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 11.05.2011 hat das Sozialgericht die Erinnerung zurückgewiesen. Die Voraussetzungen der Nr. 3106 VV RVG lägen nicht vor, weil ein Anerkenntnis nicht angenommen worden sei. Der Abschluss eines Vergleiches reiche für den Anfall der Terminsgebühr nicht aus (unter Berufung auf LSG NRW, Beschluss vom 15. 05. 2006 – L 10 B 13/05 SB). Die Spezialvorschrift des Nr. 3106 VV RVG sehe anders als Nr. 3104 VV RVG eine Terminsgebühr in Fällen, in denen ein schriftlicher Vergleich geschlossen werde, nicht vor. Daraus könne aber nicht auf eine Gesetzeslücke geschlossen werden. Der Gesetzgeber habe vielmehr für Verfahren mit Betragsrahmengebühren ausdrücklich in Nr. 3104 VV RVG auf die Spezialvorschrift des Nr. 3106 VV RVG verwiesen und dabei gerade keine Regelung für den Abschluss schriftlicher Vergleiche getroffen. Diese Auslegung sei auch verfassungsrechtlich unbedenklich (unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 19.12.2006 – 1 BVR 2091/06, Juris Rn. 9).
Mit seiner gegen die am 17.05.2011 zugestellte Entscheidung am 26.05.2011 erhobenen Beschwerde hat der Beschwerdeführer seine Ansicht wiederholt, es liege eine gesetzeswidrige Lücke vor, die durch eine Analogie zu füllen sei. Die das Gericht entlastende Wirkung sei im Fall eines schriftlichen Vergleichsschlusses dieselbe wie bei der Annahme eines schriftlichen Anerkenntnisses. Seine Rechtsansicht werde zudem von der Rechtsprechung des 19. Senats des LSG NRW gestützt.
Der Bezirksrevisor tritt der Beschwerde entgegen und beruft sich auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses sowie auf die Rechtsprechung der Landessozialgerichte zur analogen Anwendung von Nr. 3104 VV RVG.
II.
Die Beschwerde ist zulässig.
Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung (vgl. 31.03.2010 – L 13 B 7/09 R und 25.10.2010 – L 13 (10) B 9/09 SB) mit der überwiegenden Mehrheit der Senate des LSG NRW (B. v. 17. 11. – L 19 B 334/09 AS; B. v. 12.11.2009 – L 19 B 281/09 AS; B. v. 13.07.2008 – L 7 B 2/09 SB; B. v. 13.11.2008 – L 20 B 59/08 SO; B. v. 29.01.2008 – L 1 B 35/07 AS; a.A nunmehr B. v. 02.05.2011 – L 10 P 112/10 B) sowie der übrigen Landessozialgerichte (LSG München, 18.01.2010- L 13 SF 288/09 E, LSG Neubrandenburg, B. v. 17.07.2008- L 6 B 93/07, LSG Erfurt, B. v. 18.02.2008 – L 6 B 3/08 SF; LSG Chemnitz, B. v. 21.06.2005 – L 6 B 73/04 RJ/KO; LSG Saarbrücken, B. v. 29.01.2009.01.29 – L 1 B 16/08 R; AGS 2009, 195) davon aus, dass das Rechtsmittel der Beschwerde gegen eine Erinnerungsentscheidung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG gegeben ist. Die Vorschriften des § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 45 ff. RVG treffen für Fälle wie den vorliegenden eine Regelung, die § 178 SGG vorgeht, weil sie spezieller ist (vgl. im Einzelnen LSG NRW, B. v. 09.08.2007 – L 20 B 91/07 AS, Juris Rn. 14 m.w.N.). Die zum Beleg seiner gegenteiligen Ansicht vom 10. Senat des LSG NRW in dem zitierten Beschluss angeführte Vorschrift des § 11 Abs. 3 S. 2 RVG ergibt nach Ansicht des Senats nichts anderes. Sie betrifft gerade nicht die Vergütung aus der Staatskasse, sondern das Verhältnis der Prozessbeteiligten untereinander (Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 17.07.2008 – L 6 B 93/07, Juris Rn. 22). Die Beschwerdemöglichkeit gegen die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung nach § 55 RVG ergibt sich vielmehr aus der unmittelbar nachfolgenden Vorschrift des § 56 RVG. Unlösbare Wertungswidersprüche (so der 10. Senat des LSG NRW, B. v. 02.05.2011 – L 10 P 112/10 B) durch die Anwendung der Beschwerdevorschriften des RVG ergeben sich aus Sicht des Senats ebenfalls nicht. Auf die unterschiedliche Beschwerdefrist des RVG im Vergleich zum SGG sind Prozessbevollmächtigte in der Rechtsmittelbelehrung hinzuweisen. Im Übrigen besteht nach Ansicht des Senats für eine landesweit einheitliche Handhabung der Kostenfestsetzung in PKH-Verfahren ein starkes Interesse, dem die von § 56 RVG eröffnete Beschwerdemöglichkeit Rechnung trägt.
Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, weil sie innerhalb der Zweiwochenfrist des §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 3 RVG erhoben wurde und – unter Berücksichtigung der anfallenden Mehrwertsteuer – einen Beschwerdewert von mehr als 200 EUR betrifft, wie von §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 1 RVG erreicht.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Der Beschwerdeführer hat keinen Anspruch auf Festsetzung einer höheren Vergütung nach §§ 45 Abs. 1 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 RVG in Verbindung mit dem VV RVG. Das Sozialgericht hat zu Recht eine analoge Anwendung der Vorschrift des Nr. 3104 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 3. VV RVG abgelehnt, weil die dafür erforderliche planwidrige Regelungslücke nicht besteht. Zur Begründung verweist der Senat nach § 142 Abs. 2 S. 3 SGG zunächst auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses und die in Bezug genommene Rechtsprechung des LSG NRW sowie des Bundesverfassungsgerichts, denen er folgt. Der Gesetzgeber hat mit dem einleitenden Satz von Nr. 3104 VV RVG ausdrücklich auf die Spezialvorschrift der Nr. 3106 VV RVG verwiesen, wenn es sich um ein sozialgerichtliches Verfahren mit Betragsrahmengebühren handelt, ohne die Vergleichsregelung aufzunehmen. Er hat damit an dieser Stelle offenbar einen besonderen Gebührenanreiz nicht für notwendig erachtet (Curkovic in Bischof, RVG, 4. Auflage 2011, Nr. 3106 VV/Teil 3, Rn. 11 m.w.N.). Gegen eine Regelungslücke aufgrund einer versehentlichen Auslassung des Gesetzgebers spricht zudem, dass die beiden Bestimmungen der Nrn. 3104 und 3106 VV RVG nicht weit voneinander im Gesetz stehen und ganz parallele Regelungen enthalten, die nur in Einzelpunkten voneinander abweichen (vgl. Müller – Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 18. Auflage 2008, VV 3106 Rn. 7f.). Auch aus den Gesetzesmaterialien ergeben sich für ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers keine konkreten Anhaltspunkte (ausführlich LSG NRW, 13.05.2011 – L 19 AS 726/11 B, juris Rn. 29 mwN.). Auf die Rechtsprechung des 19. Senats des LSG NRW beruft sich der Beschwerdeführer daher zu Unrecht. Vielmehr verneint auch dieser Senat des LSG NRW in der zitierten Entscheidung mit der weitgehend übereinstimmenden Rechtsprechung der Landessozialgerichte eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke in Nr. 3104 VV RVG.
Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG).
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Erstellt am: 18.04.2012
Zuletzt verändert am: 18.04.2012