Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.10.2010 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Beklagte wendet sich im Berufungsverfahren gegen die Aufhebung der Bescheide vom 25.04. und vom 28.10.2008, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2008.
Der am 00.00.1976 geborene Kläger zog im Sommer 2007 von I nach F um. Im November 2007 zog er in die Wohnung O-straße 00, F ein, die er sich mit der Zeugin O (O.) und dem Zeugen J (J.) teilte. Durch Bescheid vom 21.01.2008 bewilligte die Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend einheitlich: Beklagter) dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 429,80 EUR mtl. (347,00 EUR Regelleistung + 82,80 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung) für die Zeit vom 01.02.2008 bis 31.07.2008.
Mit Veränderungsmitteilung vom 08.04.2008 zeigte der Kläger gegenüber der ARGE L an, dass er am 04.04.2008 zu seiner Lebensgefährtin, der Zeugin M (M.), in die Wohnung X 00, L gezogen sei. Am 05.02.2008 hatte die Zeugin M., die mit Schreiben vom 28.01.2008 einen Scheidungsantrag im Wege der Prozesskostenhilfe beim Amtsgericht L gestellt hatte, die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für sich und ihre drei Kinder bei der ARGE L beantragt. Bei der Abgabe des Antragsformulars am 11.03.2008 hatte sie angegeben, dass sie ab dem 01.04.2008 eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft bilden werde. Der Kläger bezog ab dem 04.04.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von der ARGE L.
Durch Bescheid vom 25.04.2008 hob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.11.2007 bis 31.01.2008 hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung teilweise und für die Zeit ab 01.02. bis 31.03.2008 ganz auf und forderte insgesamt einen Betrag von 1.108,00 EUR zurück. Der Kläger sei zuerst innerhalb von F umgezogen und habe ihm die neue Anschrift nicht mitgeteilt. Der Umzug zum 01.02.2008 sei in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Trägers erfolgt, so dass die Zuständigkeit des Beklagten nicht mehr gegeben sei. Der Kläger sei nach § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verpflichtet, alle Änderungen in den Verhältnissen mitzuteilen, die für die Leistung erheblich seien. Dieser Verpflichtung sei er zumindest grob fahrlässig nicht rechtzeitig nachgekommen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X). Unabhängig davon hätte er auch wissen müssen, dass der ihm zuerkannte Anspruch zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen sei (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X).
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er führte u.a. aus, dass er erst zum 01.04.2008 nach L umgezogen sei. Durch Bescheid vom 28.10.2008 änderte der Beklagte den Aufhebungsbescheid vom 25.04.2008 ab. Er beschränkte die Aufhebung der Leistungsbewilligung auf den Zeitraum vom 01.02. bis 31.03.2008 und forderte die für diesen Zeitraum überwiesenen Leistungen in Höhe von 859,60 EUR zurück. Er führte aus, ab dem 01.02.2008 habe kein Leistungsanspruch i.S.v. § 9 SGB II mehr bestanden. Die Leistungsbewilligung sei daher aufzuheben und die überzahlten Leistungen für den Zeitraum vom 01.02. bis 31.03.2008 zurückzufordern. Im Übrigen wies er den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 03.11.2008 als unbegründet zurück. Die Aufhebungsentscheidung sei rechtmäßig. Eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligungsentscheidung und Rückforderung der gezahlten Leistungen ab dem Tag des Umzugs allein aufgrund des Zuständigkeitswechsels komme nicht in Betracht, da § 36 SGB II keine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage bilde. Da jedoch zeitgleich mit dem Umzug auch keine Hilfebedürftigkeit i.S.v. § 9 SGB II mehr bestanden habe, sei die Leistungsbewilligung aber aus diesem Grunde nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X aufzuheben gewesen. Hiergegen erhob der Kläger am 29.12.2008 Klage, die das Sozialgericht Köln durch Gerichtsbescheid vom 07.07.2009 wegen Versäumung der Klagefrist abwies (S 6 AS 46/09). Die dagegen eingelegte Berufung nahm der Kläger zurück.
Den Antrag des Klägers auf Überprüfung des Bescheides vom 28.10.2008 nach § 44 SGB X lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 26.08.2009 ab. Der Aufhebungsbescheid sei nicht zu beanstanden. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 14.12.2009 als unbegründet zurück.
Mit der am 14.01.2010 erhobenen Klage hat der Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 26.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2009 die Aufhebung des Bescheides vom 28.10.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2008 begehrt.
Er hat vorgetragen, dass er erst im April 2008 zu seiner Lebensgefährtin, der Zeugin M. gezogen sei. Im Februar 2008 habe noch der Ex-Ehemann der Zeugin M., der Zeuge M (M.), in der Wohnung seiner Lebensgefährtin gelebt. Soweit sich der Zeuge J. gegenüber dem Beklagten dahingehend eingelassen habe, der Kläger habe sich von Anfang November bis Januar in seiner Wohnung aufgehalten und sei danach nach L verzogen, sei diese Erklärung schlichtweg falsch und nicht nachvollziehbar. Der Zeuge J. sei nach einem Streit mit seiner Lebensgefährtin, der Zeugin O. aus der Wohnung am 21.01.2008 ausgezogen. Nach dem 21.01.2008 habe keinerlei Kontakt mehr zwischen den Mitbewohnern bestanden. Der Zeuge J. könne daher keine Kenntnis über den Umzugstermin im April 2008 gehabt haben.
Das Sozialgericht hat die Zeugin M. und den Zeugen M. vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 14.10.2010 verwiesen.
Durch Urteil vom 14.10.2010 hat das Sozialgericht Köln den Bescheid vom 25.04.2008, geändert durch den Bescheid vom 28.10.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2008 und in der Fassung des Überprüfungsbescheides vom 26.08.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2009 aufgehoben. Das Sozialgericht hat es als erwiesen angesehen, dass die vom Beklagten angenommene Änderung in den persönlichen Verhältnissen – Umzug des Klägers zum 01.02.2008 nach L – nicht eingetreten ist. Auf die weiteren Gründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 12.11.2010 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 10.12.2010 Berufung eingelegt.
Er rügt, dass das Sozialgericht den Sachverhalt nicht in ausreichendem Maße aufgeklärt habe. Es habe unterlassen, die Aussagen der Zeugen O. und J. einzuholen, indem es auf deren Vernehmung verzichtet habe. Die Vernehmung dieser beiden Zeugen sei zur Aufklärung des Sachverhaltes notwendig gewesen, da nicht entscheidend sei, wann der Kläger in die Wohnung der Zeugin M. eingezogen sei, sondern wann er aus der "alten" Wohnung in F ausgezogen und damit aus dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten verzogen sei. Das Sozialgericht habe nicht weiter aufgeklärt, ob der Zeuge J. selbst noch ab Februar 2008 in der Wohnung in der O-straße 00, F gewohnt habe und wissen konnte ob der Kläger sich ab diesem Zeitraum noch gewöhnlich in der Wohnung aufgehalten habe.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.10.2010 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Auf Anfrage des Senates hat der Beklagte geantwortet, die Zeugin O. habe ihm am 11.02.2008 mitgeteilt, dass der Zeuge J. seit drei Wochen unbekannten Aufenthaltes sei. Bei einem Hausbesuch am 20.02.2008 habe die Zeugin gegenüber dem Bedarfsfeststellungsdienst erklärt, dass es zwischen ihr und dem Zeugen J. am 21.01.2008 einen heftigen Streit gegeben habe und der Zeuge J. ohne Angabe eines Ziels weggegangen sei. Seither sei er ab und zu, zuletzt am 14.02.2008, aufgetaucht, und habe sich Bekleidung und Utensilien geholt. Am 10.04.2008 sei der Zeuge J. auf der Geschäftsstelle erschienen und habe erklärt, dass er sich nicht mehr bei seinem Bruder in C aufhalten könne, er sei wieder in die Wohnung seiner ehemaligen Lebensgefährtin eingezogen.
Der Senat hat die Zeugin O. vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 30.01.2012 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Beklagten sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten des Jobcenters L und der Akte des Sozialgerichts Köln S 6 AS 46/09 Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Beklagten ist unbegründet.
Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beteiligtenfähig (vgl. Bundessozialgericht – BSG – Urteil vom 18.01.2011 – B 4 AS 99/10 R = juris Rn 11). Nach § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten.
Das Sozialgericht hat zu Recht der Klage stattgegeben.
Der angefochtene Bescheid vom 26.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 14.12.2009 ist rechtswidrig. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 28.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2008 ist rechtswidrig und damit aufzuheben.
Durch den angefochtenen Bescheid vom 26.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 14.12.2009 hat der Beklagte den Antrag des Klägers auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit des bestandskräftigen Bescheides vom 28.10.2008, der den Bescheid vom 25.04.2008 nach § 86 SGG ersetzt hat, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2008 nach § 44 SGB X abgelehnt. Bei dem Bescheid vom 28.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2008 handelt es sich um einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem der Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II an den Kläger rückwirkend für die Zeit vom 01.02. bis 31.03.2008 nach § 45 SGB X ganz aufgehoben hat und einen Betrag von 859,60 EUR nach § 50 SGB X zurückfordert.
Die Überprüfung eines bestandskräftigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheides, der eine rückwirkende Aufhebung einer Leistungsbewilligung und Rückforderung von zuviel gezahlten Leistungen nach § 50 SGB X zum Gegenstand hat, durch einen Leistungsträger richtet sich nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Es ist nicht die Vorschrift des § 44 Abs. 2 SGB X einschlägig, sondern § 44 Abs. 1 SGB X ist entsprechend anwendbar (vgl. BSG Urteile vom 12.12.1996 – 11 RAr 31/96 = SozR 3-1300 § 44 Nr. 19; vom 28.05.1997 – 14/10 RKg 25/95 = SozR 3-1300 § 44 Nr. 21; vom 04.02.1998 – B 9 V 16/96 R = SozR 3-1300 § 44 Nr. 24; vom 19.02.2009 -B 10 KG 2/07 R = SozR 4-5870 § 1 Nr. 2).
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein unanfechtbarer Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Im Rahmen des Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X sind Fehler im Verwaltungsverfahrensrecht, Anhörungsfehler oder Formverstöße unbeachtlich (vgl. BSG Urteil vom 19.02.2009 – B 10 KG 2/07 R = juris Rn 13 mit weiteren Rechtsprechungshinweisen; Schütze in von Wulffen, SGB X, 7 Aufl., § 44 Rn 17 mit Zusammenfassung des Meinungstandes), auch wenn Gegenstand des Überprüfungsverfahrens ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid ist. Deshalb kann vorliegend dahinstehen, ob der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 28.10.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2008 wegen eines Anhörungsfehlers nach § 24 SGB X rechtswidrig ist.
Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 28.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.11.2008 ist rechtswidrig.
Der Beklagte hat die Aufhebungsentscheidung unter Zugrundelegung der Begründung im Widerspruchsbescheid vom 03.11.2008 materiell auf den Wegfall der Hilfebedürftigkeit für die Zeit ab dem 01.02.2008 nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X gestützt. Der Aufhebungsgrund – Fortfall der Hilfebedürftigkeit des Klägers i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 SGB II – liegt nicht vor. Der Kläger ist in dem Zeitraum vom 01.02. bis 31.03.2008 i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II hilfebedürftig gewesen. In den Monaten Februar und März 2008 ist dem Kläger weder Einkommen i.S.v. §§ 9, 11 Abs. 1 Satz 1 Abs. 1 SGB II zugeflossen noch hat er in diesem Zeitraum über ein nach § 12 SGB II zu berücksichtigendes Vermögen verfügt, das seinen Lebensunterhalt gedeckt hat. Weder aus den beigezogenen Verwaltungsakten, noch den Angaben des Klägers im gerichtlichen Verfahren noch den Aussagen der Zeugen ergeben sich irgendwelche Anhaltspunkte für einen Zufluss von Einkommen oder ein Vorhandensein von Vermögen im Aufhebungszeitraum.
Der Kläger hat in der Zeit vom 01.02 bis 31.03.2008 keine Bedarfsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 3c, 4 SGB II mit anderen Personen gebildet, deren Einkommen oder Vermögen nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II seinen Lebensunterhalt gedeckt hat. Er ist erst im April 2008 in die Wohnung der Zeugin M. eingezogen und das ist der früheste Zeitpunkt der Bildung einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II mit der Zeugin M. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die Feststellungen des Sozialgerichts.
Der Senat sieht keinen Anlass, an den Angaben des Klägers und der Zeugin M. über den Zeitpunkt des Einzugs am 04.04.2008 zu zweifeln. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussagen wird insbesondere nicht durch die im Berufungsverfahren beigezogenen Leistungsakten der ARGE L bzw. den Inhalt der Erklärungen der Zeugen O. und J. über den Aufenthaltsort des Zeugen J. im Aufhebungszeitraum entkräftet. Gegenüber der ARGE L haben der Kläger und die Zeugin M. übereinstimmend zeitnah im April 2008 den 04.04.2008 als Einzugsdatum des Klägers angegeben. Bereits bei der Abgabe des Erstantrags am 11.03.2008 hatte die Zeugin M. mitgeteilt, dass sie im April 2008 eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft bilden werde. Auch der Zeuge M. hat bekundet, dass er sich bis Ende Februar 2008 in der ehelichen Wohnung aufgehalten habe und der Kläger bis dahin nicht eingezogen sei. Die Zeugin O hat im Verwaltungsverfahren unterschriftlich den 03.04.2008 als Auszugsdatum bestätigt. Der Zeuge J. hat demgegenüber dem Beklagten kein konkretes Auszugsdatum des Klägers angegeben, sondern nur, dass der Kläger "nach Januar 2008" nach L verzogen sei. Hieraus ergibt sich aber kein Widerspruch zu den Angaben des Klägers und der übrigen Zeugen. Der Zeuge J. hat gegenüber dem Beklagten erklärt, was von der Zeugin O. gegenüber dem Beklagten und im Gerichtsverfahren inhaltlich bestätigt wird, er habe sich seit dem tätlichen Angriff der Zeugin O. am 21.01.2008 zumindest bis April 2008 nicht mehr ständig in der Wohnung O-straße 00, F aufgehalten. Er kann damit auch nur eine Aussage für die Zeit bis zum 21.01.2008 machen.
Der Beklagte stellt in seiner Berufungsschrift nicht in Abrede, dass der Kläger erst am 04.04.2008 bei der Zeugin M. eingezogen ist. Er vertritt lediglich die Auffassung, dass nicht der Zeitpunkt des Einzugs des Klägers in die Wohnung der Zeugin M., sondern der Zeitpunkt des Wegzugs des Klägers aus dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten entscheidungserheblich sei. Der Beklagte hat in dem zu überprüfenden Aufhebungsbescheid aus der Annahme, der Kläger sei zum 01.02.2008 in den Zuständigkeitsbereich der ARGE L verzogen und habe erst verspätet am 04.04.2008 bei dieser die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II beantragt, die Schlussfolgerung gezogen, dass der Kläger in der Zeit vom 01.02. bis 03.04.2008 nicht hilfebedürftig i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II gewesen ist. Zur Überzeugung des Senats kann jedoch aus einer verspäteten Antragsstellung nach einem Umzug bei Fehlen weiterer Indizien nicht der Rückschluss gezogen werden, dass eine Hilfebedürftigkeit i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II vor der Antragstellung nicht vorlegen hat. Indizien für den Fortfall der Hilfebedürftigkeit in der Zeit vom 01.02. bis 31.03.2008 liegen hier nicht vor. Der Kläger hat in der Zeit bis zum 31.03.2008 und ab dem ab dem 04.04.2008 Leistungen zu Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezogen. Anhaltspunkte für eine vorübergehende Besserung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse in der Zwischenzeit sind nicht ersichtlich.
Offenbleiben kann, ob die im zu überprüfenden Aufhebungs- und Erstattungsbescheid verfügte Aufhebung und Rückforderung der bewilligten Leistungen für die Zeit vom 01.02. bis 31.03.2008 auf einen anderen Grund als den im Bescheid Genannten – Fortfall der Hilfebedürftigkeit – gestützt werden kann. Es bedarf somit keiner Entscheidung, ob vorliegend der Eintritt einer wesentlichen Änderung i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X aus anderen Gründen, wie z. B. Fortfall der Zuständigkeit nach § 36 SGB II (vgl. hierzu LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 11.05.2011- L 5 AS 92/07 -, Revisionsverfahren anhängig unter B 14 AS 133/11 R; a. A. LSG Schleswig-Holstein Urteil vom 12.04.2011 – L 6 AS 45/10), kein gewöhnlicher Aufenthalt in der betreffenden Wohnung, Eingreifen des Ausschlussgrundes des § 7 Abs. 4a SGB II, angenommen werden kann.
Die Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X ist auf die darin genannten Aufhebungsgründe und den diesen zugrundeliegenden Lebenssachverhalt beschränkt. Es ist nicht zu klären, ob die zu überprüfende Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung auf andere als die im Bescheid genannten Aufhebungsgründe gestützt und dieser damit aufrechterhalten werden kann. Ziel des § 44 SGB X ist die Auflösung der Konfliktsituation zwischen der Bindungswirkung eines unrichtigen Verwaltungsaktes und der materiellen Gerechtigkeit zugunsten Letzterer. Im Überprüfungsverfahren ist einem Betroffenen (nur) diejenige Leistung zu gewähren, die ihm nach materiellem Recht von Anfang an bei zutreffender Rechtsanwendung zugestanden hätte. Ein auf einer bindenden Bewilligung begründeter Bezug von Sozialleistungen beruht auf einer materiell zustehenden Position und ist rechtmäßig, solange der Bewilligungsbescheid besteht (BSG Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 165/10 R). Ein Bewilligungsbescheid kann nur unter Beachtung der Vorgaben der §§ 45, 48 SGB X aufgehoben und damit als Rechtsposition beseitigt werden kann. Dabei wird auch der Verstoß gegen rechtswidrig versagten Vertrauensschutz nach §§ 45, 48 SGB X bei einer Aufhebungsentscheidung als im Zugunstenverfahren zu beachtender Rechtsanwendungsfehler angesehen (vgl. Schütze in von Wulffen, a.a.O., § 44 Rn 17 mit Zusammenfassung des Meinungstandes). Das Stützen einer Aufhebungsentscheidung auf einen anderen als den im Bescheid genannten Lebenssachverhalt stellt im (behördlichen und gerichtlichen) Aufhebungsverfahren ein unzulässiges Nachschieben von Gründe dar (BSG Urteil vom 29.09.1987 – 7 RAr 104/85 -). Ein Aufhebungsbescheid würde bei einer solchen Verfahrensweise in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert und die Rechtsverteidigung des Betroffenen in nicht zulässiger Weise beeinträchtigt oder erschwert. Unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes ist auch der Prüfungsumfang im Zugunstenverfahren auf die in einem Aufhebungsbescheid genannten Aufhebungsgründe und den zugrundeliegenden Lebenssachverhalt – vorliegend Fortfall der Hilfebedürftigkeit – beschränkt. Einem Leistungsträger steht es frei, bei Erlangung der Kenntnis über das Vorliegen anderer Aufhebungsgründe innerhalb der Fristen der §§ 45, 48 SGB X ein neues Aufhebungsverfahren einzuleiten.
Dem Beklagten steht kein Ermessen zu, da es sich bei der Entscheidung nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X um eine gebundene Entscheidung handelt.
Die Frist des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X ist gewahrt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Erstellt am: 09.05.2012
Zuletzt verändert am: 09.05.2012