Die Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 24.02.2012 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Beklagte wendet sich gegen die Festsetzung eines Streitwertes.
Durch Bescheid vom 04.01.2010 bewilligte die Rechtsvorgängerin des Beklagten (nachfolgend einheitlich: Beklagter) der Klägerin pauschale Förderleistungen zur Schaffung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung. Er bewilligte die Schaffung von 7 Zusatzjobs nach § 16 Abs. 3 Satz 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Bereich der Mobilen Sozialen Dienste Aachen-Ost. Er gewährte pro besetztem Maßnahmemonat 300,00 EUR Maßnahmekostenpauschale. Der Höchstförderbetrag für die Maßnahmekosten betrug 25.200,00 EUR (7 Plätze x 300,00 EUR x 12 Monate).
Durch weiteren Bescheid vom 04.01.2010 bewilligte der Beklagte der Klägerin pauschale Förderleistungen zur Schaffung von 9 Zusatzjobs nach § 16 Abs. 3 Satz 2 SGB II im Bereich der Mobilen Sozialen Dienste F/ X. Er gewährte pro besetztem Maßnahmemonat 300,00 EUR Maßnahmekostenpauschale. Der Höchstförderbetrag für die Maßnahmekosten betrug 32.400,00 EUR (9 Plätze x 300,00 EUR x 12 Monate).
Durch Bescheid vom 24.03.2011 nahm der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 04.10.2010 betreffend die Durchführung von Arbeitsgelegenheiten nach § 16d SGB II – MSD 2010 – mit Wirkung zum 31.03.2011 unter Berufung auf § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurück. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, den der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 22.08.2011 zurückwies.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage. Der Beklagte hob den Bescheid vom 24.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2011 auf und übernahm die außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach. Die Klägerin nahm das Anerkenntnis des Beklagten an.
Die Klägerin hat die Festsetzung der zu erstattenden anwaltlichen Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 1.986,11 EUR unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von 19.460,00 EUR nach § 197 SGG beantragt. Durch Beschluss vom 24.02.2012 hat das Sozialgericht den Streitwert des Verfahrens auf 19.460,00 EUR endgültig festgesetzt.
Gegen den ihm an 01.03.2012 zugestellten Beschluss hat der Beklagte Beschwerde eingelegt.
Er vertritt die Auffassung, dass es sich bei dem Klageverfahren nicht um ein Verfahren nach § 197a SGG, sondern um ein Verfahren nach § 183 SGG gehandelt habe. Die Klägerin habe als Leistungsempfängerin zu dem privilegierten Personenkreis i.S.v. § 183 SGG gehört. Als Trägerin einer Arbeitsgelegenheit i.S.d. § 16d SGB II sei sie als Leistungsempfängerin i.S.v. § 183 SGG anzusehen.
Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Der Senat entscheidet über die Beschwerde in der Besetzung mit drei Berufsrichtern. § 66 Abs. 6 S. 1 GKG (Gerichtskostengesetz), der vorsieht, dass das Gericht über die Beschwerde nur durch eines seiner Mitglieder entscheidet, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen wurde, ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar. Einzelrichter im Sinne dieser Vorschrift ist nur der Richter, dem die Entscheidung über den Rechtsstreit von dem gesamten Spruchkörper übertragen wurde (vgl. § 526 Zivilprozessordnung – ZPO -). Dies trifft auf den Kammervorsitzenden des Sozialgerichts jedoch nicht zu (ebenso LSG NRW Beschluss vom 21.10.2011 – L 20 SO 373/11 B -, LSG NRW Beschluss vom 17.12.2009 – L 11 B 7/09 KA -; LSG NRW Beschluss vom 10.03.2010 – L 16 B 68/09 KR -; LSG NRW Beschluss vom 31.08.2009 – L 8 B 11/09 R -; LSG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 27.04.2009 – L 5 B 451/08 KA -; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 05.10.2011 – L 27 P 23/11 B -; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23.02.2010 – L 22 R 963/09 B -; Keller in Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 155 Rn 9 d, e; a. A. LSG NRW Beschluss vom 01.04.2009 – L 10 B 42/08 B -; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 13.12.2012 – L 24 KA 22/11 B – LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 07.02.2011 – L 11 R 5686/10 B -, LSG Thüringen Beschluss vom 17.01.2011 L 6 KR 971/10 B-; LSG Hessen Beschluss vom 31.05.2010 – L 1 KR 225/10 B).
Die Beschwerde ist zulässig (1), aber unbegründet (2).
1. Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) findet gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Abs. 2 GKG), die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt. Durch Beschluss vom 24.02.2012 hat das Sozialgericht Aachen den Streitwert des Verfahrens nach dessen Erledigung durch ein angenommenes Anerkenntnis i.S.v. § 101 Abs. 1 SGG nach § 63 Abs. 2 GKG auf 19.460,00 EUR festgesetzt.
Die Beschwerde ist statthaft. Die Beschwer des Beschwerdeführers übersteigt den Betrag von 200,00 EUR. Der Beschwerdewert ergibt sich nicht aus dem Unterschied zwischen dem festgesetzten und dem mit der Beschwerde erstrebten Streitwert, sondern aus der Differenz der anfallenden Gebühren, die sich nach diesen beiden Streitwerten errechnen (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 42 Aufl., § 68 Rn 10 m.w.N.). Der Beklagte wendet sich gegen die Festsetzung der der Klägerin aufgrund des Kostengrundanerkenntnisses zu erstattenden Kosten für deren Rechtsanwalt als Wertgebühren nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) und begehrt die Festsetzung der anwaltlichen Gebühren als Betragsrahmengebühren (§ 3 Abs. 1 Satz 1 RVG). Die Differenz zwischen der zu erstattenden anwaltlichen Vergütung und Auslagen von 1.986,11 EUR nach § 3 Abs. 1 Satz 2 RVG unter Zugrundelegung eines Streitwerts von 19.460,00 EUR nach § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG und den zu erstattenden anwaltlichen Kosten nach § 3 Abs. 1 Satz 1, 14 RVG beträgt mehr als 200,00 EUR, auch wenn jeweils die Höchstgebühr für die Verfahrensgebühr und Terminsgebühr als Betragsrahmengebühr (Nr. 3103 VV RVG 320,00 EUR und Nr. 3106 VV RVG 380,00 EUR) angesetzt wird.
Die Beschwerdefrist des § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG ist gewahrt. Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (§§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66Abs. 3 Satz 1 GKG).
2. Die Beschwerde ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat zutreffend den Streitwert auf 19.440,00 EUR festgesetzt. Die Festsetzung eines Streitwertes im sozialgerichtlichen Verfahren erfolgt nach § 197a Sozialgerichts (SGG) i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1, 52 GKG dann, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören.
Vorliegend gehören weder der Klägerin noch der Beklagte zu dem kostenprivilegierten Personenkreis i.S.v. § 183 SGG. Kostenprivilegiert i.S.v. § 183 Satz 1 SGG sind Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I). Bei der Klägerin handelt es sich weder um eine Versicherte noch um eine Leistungsempfängerin. Der Begriff der Leistung i.S.v. § 183 Satz 1 SGG stellt nicht auf den Leistungsbegriff des Bürgerlichen Gesetzbuches ab, sondern zielt auf die Vorschrift des § 11 SGB I, also auf eine Leistung im Sinne einer Sozialleistung bzw. einer Leistung zur Befriedigung eines sozialen Bedarfs (vgl. LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 23.08.2011 – L 13 AL 350/11). Leistungen i.S.v. § 183 Satz 1 SGG stellen daher Sozialleistungen i.S.v. § 11 SGB I oder Leistungen mit ähnlicher oder vergleichbarer Funktion wie bei "echten" Sozialleistungen i.S.v. § 11 SGB I dar (vgl. BSG Beschluss vom 20.12.2005 – B 1 KR 5/05 B = Rn 8f). Hierzu werden auch die Leistungen an Arbeitgeber nach dem Fünften Kapitel des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) (vgl. BSG Beschluss vom 22.09.2004 – B 11 AL 33/03 R) sowie an Maßnahmeträger nach dem SGB III (vgl. BSG Beschluss vom 04.10.2004 – B 7 AL 34/03 R) gerechnet, da Arbeitgeber oder Maßnahmeträger in diesen Fallkonstellationen Sozialleistungen für sich oder andere geltend machen (vgl. LSG Hessen Beschluss vom 28.04.2009 – L 7 AL 118/08 B ER = juris Rn 61) bzw. die Leistungen an Arbeitgeber oder Maßnahmeträger mittelbar auf die Förderung förderungsbedürftiger Arbeitnehmer abzielen (BSG Beschluss vom 04.10.2004 – B 7 AL 34/03 R = juris Rn 11).
Im vorliegenden Verfahren sind aber keine Leistungen an einen Maßnahmeträger nach dem SGB III Streitgegenstand gewesen, sondern die Rückforderung von Leistungen an einen Maßnahmeträger zwecks Schaffung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung i.S.v. § 16d SGB II.
Bei Leistungen an einem Maßnahmeträger zur Schaffung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung i.S.v. § 16d SGB II handelt es nicht um eine Leistung i.S.v. § 183 Satz 1 SGG (so auch SG Hamburg Urteil vom 27.04.2010 – S 59 AS 113/08 -, a. A. LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 18.03.2008 – L 29 B 1675/07 AS -; offengelassen in Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 10 Aufl., § 183 Rn 6).
Zwar gehören Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung i.S.v. § 16d SGB II systematisch zum Katalog der Eingliederungsleistungen, deren Aufgabe die umfassende Unterstützung der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen mit dem Ziel der Eingliederung in Arbeit ist. Damit handelt es sich bei der Durchführung einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung im Verhältnis zu einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen um eine Leistung des Beklagten als Grundsicherungsträgers zur Eingliederung in Arbeit i.S.v. § 19a Abs. 1 Nr. 1 SGB I und damit um eine Sozialleistung i.S.v. § 11 SGB I (vgl. zur Zugehörigkeit von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung zu den Eingliederungsleistungen: BSG Urteil 16.12.2008 – B 4 AS 60/07 R = juris 18, 21 und vom 27.08.2011 – B 4 AS 1/10 R = juris 17).
Jedoch obliegt es nach § 16d Abs. 1 Satz 1 SGB II dem Beklagten als Grundsicherungsträger Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung zu schaffen und durchzuführen, also diese Eingliederungsleistung zu gewähren. Wenn Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung i.S.v. § 16d SGB II von einem Grundsicherungsträger nicht in Eigenregie durchgeführt werden, sondern der Grundsicherungsträger zur Durchführung dieser Aufgabe – öffentlich-rechtliche Bereitstellung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung – Dritte heranzieht, handeln diese Dritte als Verwaltungshelfer bzw. Beauftragte des Beklagten (vgl. BSG Urteil vom 27.08.2011 – B 4 AS 1/10 R = juris Rn 26). Die Kosten für diese Leistungserbringung im Auftrag des Grundsicherungsträgers sind vom Grundsicherungsträger zu tragen (vgl. zum Rechtsverhältnis zwischen Grundsicherungsträger und Maßnahmeträger: Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II, § 16d Rn 94 f; Münder in LPK-SGB II, 4 Aufl. § 17 Rn 21ff). Mithin handelt es sich bei Streitigkeiten, die Gewährung oder die Rückforderung von Kosten an Maßnahmeträger für die Bereitstellung von Arbeitsgelegenheiten – wie vorliegend – zum Gegenstand haben, um Streitigkeiten aus dem Leistungserbringerrecht. Bei solchen Streitigkeiten sind in der Regel die Leistungserbringer – vorliegend die Klägerin – nicht kostenprivilegiert i.S.v. § 183 Satz 1 SGG. Es sind auch keine Gesichtspunkte erkennbar, die für eine abweichende Beurteilung sprechen. Bei Leistungen zur Finanzierung der Bereitstellung von Arbeitsgelegenheiten durch Dritte nach § 17 SGB II handelt es sich nicht um eine Annexleistung zu den Leistungen an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 16d SGB II (so LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 27.08.2011 – B 4 AS 1/10 R). Die Übernahme der Kosten für die Bereitstellung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung durch Dritte seitens des Beklagten ist vielmehr Voraussetzung dafür, dass überhaupt Leistungen i.S.v. § 16d SGB II gewährt werden können.
Die Maßnahmeträger sind auch sozial nicht besonders sozial schutzbedürftig. Allein die Tatsache, dass nach der Konzeption des Gesetzes nur die Kosten für solche Arbeitsgelegenheiten seitens des Beklagten übernommen werden können, die im allgemeinen Interesse liegen (siehe zur Definition des allgemeinen Interesses § 16d Abs. 3 SGB II i.d.F. ab dem 01.04.2012; Gesetz vom 21.12.2011, BGBl. I, 2854), rechtfertigt nicht die Annahme einer solchen Schutzbedürftigkeit. Denn die Maßnahmeträger können mit der Bereitstellung der Arbeitsgelegenheiten auch eigene Interessen verfolgen, sofern das Ergebnis der Arbeitsgelegenheiten nicht überwiegend ihren erwerbswirtschaftlichen Interessen oder den Interessen eines begrenzten Personenkreises dient. Zudem müssen die Arbeitsgelegenheiten auch zusätzlich i.S.d. § 16 d SGB II sein d. h. sie sind nur dann förderbar, wenn sie ohne die Förderung vom Maßnahmeträger nicht, nicht in diesem Umfang oder erst zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt werden (vgl. zum Begriff Zusätzlichkeit: BSG Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 60/07 R = juris Rn 27). Mithin dient die Förderung der Bereitstellung von Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung zumindest mittelbar auch den eigenen Interessen des Maßnahmeträgers.
In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist der Streitwert, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Gegenstand des Verfahrens ist die Aufhebung von Bewilligung von Förderleistungen zur Schaffung von Arbeitsgelegenheiten nach § 16d SGB II für die Zeit ab dem 01.04.2011. Die in den Bewilligungsbescheiden vom 04.01.2010 gewährten Maßnamekostenpauschalen an die Klägerin für die Zeit ab dem 01.04.2011 betrugen nach den übereinstimmenden Angaben der Klägerin und des Beklagten insgesamt 19.400,00 EUR.
Das Verfahren ist gebührenfrei (§ 68 Abs. 3 Satz 1 GKG).
Kosten sind nicht zu erstatten (§ 68 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 4 GKG, § 177 SGG.
Erstellt am: 10.05.2012
Zuletzt verändert am: 10.05.2012