Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.02.2012 werden zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners, dem Antragsteller Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zu zahlen sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) im erstinstanzlichen Verfahren.
Der 1965 geborene Antragsteller und seine 2001 geborene Tochter stehen bei dem Antragsgegner im laufenden Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft (KdU) für das vom Antragsteller und seiner Tochter bewohnte 120 qm große Einfamilienhaus, G-straße 00, H, betragen 970,00 Euro (Kaltmiete 860,00 Euro, Betriebskostenvorauszahlung 110,00 Euro) zuzüglich Heizkostenvorauszahlung an den Gasversorger (laut Gasabrechnung vom 03.01.2012: Abschlag von 50,90 Euro für September bis Dezember 2011 und 69,50 Euro seit Januar 2012). Mit Bescheid vom 12.09.2011 und 14.11.2011 sowie Widerspruchsbescheid vom 01.12.2011 übernahm der Antragsgegner unter Hinweis darauf, dass das vom Antragsteller bewohnte Haus unangemessen groß bzw. teuer sei, ab 01.10.2011 nur noch KdU in Höhe von 435,80 Euro. Als angemessen wären im Gebiet der Gemeinde H für den Antragsteller und seine Tochter Mietaufwendungen bis 288,00 Euro (4,80 Euro x 60 m²) anzusehen.
Der Antragsteller hat am 21.11.2011 beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf Eilantrag auf Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft vom 01.09.2011 bis 29.02.2012 sowie einen Antrag auf Gewährung von PKH gestellt. Ihm sei ein Umzug nicht zumutbar, dies zum Einen, weil es in der Gemeinde H als Ergebnis einer mehrmonatigen Beobachtung des Wohnungsmarktes keine Wohnungen gebe, die den Kriterien des Antragsgegners genügen würden. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass er seine knapp 11jährige Tochter allein erziehe und deshalb in mehrfacher Hinsicht ein Härtefall vorliege. Auch der vom Antragsgegner als angemessen angesehene Mietzins sei fehlerhaft. Seine Bedarfsgemeinschaft habe Anspruch auf 80qm Wohnfläche (50qm + 15qm für die 2. Person + 15qm Alleinerziehend) statt nur auf 60 qm. Im Übrigen ließen die Ausführungen des Antragsgegners zum Quadratmetermietpreis ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht erkennen.
Am 05.01.2012 hat der Vermieter des Antragstellers gegen diesen Räumungsklage beim Amtsgericht Kempen erhoben und Zahlungsrückstände von 5.776,53 Euro (August 2011: 926,53 Euro, September 2011 bis Januar 2012 je 970,00 Euro) geltend gemacht. In einem Erörterungstermin des Sozialgerichts am 20.01.2012 hat der Antragsteller erklärt, seit Oktober 2011 keine Zahlungen mehr an den Vermieter geleistet zu haben, weil er mit einer erheblichen Nachzahlung für Energiekosten gerechnet habe.
Das SG hat den Eilantrag des Antragstellers und den Antrag auf Bewilligung von PKH mit Beschluss vom 28.02.2012 abgelehnt. Der Eilantrag sei unbegründet, da der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht habe. Die Kosten der Unterkunft des Antragstellers seien offensichtlich unangemessen. Die vom Antragsgegner als angemessen erachtete Höhe der angesetzten Kaltmiete von 60 qm à 4,80 Euro stelle sich im Rahmen der summarischen Prüfung als angemessen dar. Eine Anspruchsgrundlage für eine deutlich größere Wohnung (80 qm) könne die Kammer nicht erkennen. Der Antragsgegner habe auch Wohnungsangebote vorgelegt, die die von ihm genannten Angemessenheitskriterien erfüllten. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass eine Kostenreduzierung zum 01.10.2011 nicht möglich gewesen sei. Für die Zeit vor Eingang des Eilantrags (21.11.2011) fehle dem Eilbegehren darüber hinaus der Anordnungsgrund, weil es sich insoweit um einen finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit handele.
Gegen den ihm am 06.03.2012 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 02.04.2012 Beschwerde eingelegt und sein Vorbringen im Wesentlichen wiederholt. Das Räumungsverfahren sei derzeit nicht terminiert. Durch den Antrag im sozialgerichtlichen Eilverfahren solle Leistungsfähigkeit im Rahmen des Räumungsverfahrens wieder hergestellt werden. Ob die Kündigung des Vermieters wirksam sei, müsse durch das Fachgericht entschieden werden. Eine gütliche vergleichsweise Regelung zwischen den Parteien sei nicht auszuschließen und bleibe abzuwarten.
In dem von ihm vorgelegten Klageabweisungsantrag im amtsgerichtlichen Verfahren vertritt der Antragsteller die Auffassung, die Kündigung des Vermieters sei mangels ordnungsgemäßer Vollmachtsurkunde nicht wirksam. Im Übrigen ergebe sich eine Teilnichtigkeit der Mietvereinbarung aus § 5 Wirtschaftsstrafgesetz. Die Miete von 860,00 Euro stelle ein unangemessenes Entgelt dar und sei unter Berücksichtigung ortsüblicher Vergleichsmieten um 310,00 Euro überteuert. Bei Rückrechnung der bis auf die Wesentlichkeitsgrenze gekürzten Nettokaltmiete ergebe sich für den Kläger ein positiver Saldo von 5.163,39 Euro gegenüber seinem Vermieter.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 28.02.2012 zu ändern und den Antragsgegner zu verpflichten, die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung ab dem 01.09.2011 bis zum 29.02.2012 durch Leistung weiterer monatlicher Zahlungen in Höhe von 688,00 Euro (1.020,80 Euro abzüglich monatlich bereits gezahlter 332,80 Euro) zu übernehmen sowie PKH im erstinstanzlichen Verfahren zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er sieht den angefochtenen Beschluss als zutreffend an und weist darauf hin, dass der Antragsteller seit November 2011 keinerlei Zahlungen an den Vermieter weitergeleitet habe, also auch nicht die seitens des Antragsgegners gewährten Kosten der Unterkunft.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten und der vom Antragsgegner übersandten Verwaltungsakten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung weiterer Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung im Zeitraum September 2011 bis Februar 2012.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt somit voraus, dass ein materieller Anspruch besteht, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (sog. Anordnungsanspruch) und dass der Erlass einer gerichtlichen Entscheidung besonders eilbedürftig ist (sog. Anordnungsgrund). Eilbedarf besteht, wenn dem Betroffenen ohne die Eilentscheidung eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 Rn 23 – Breith 2005, 803; BVerfG Beschluss vom 16.05.1995 – 1 BvR 1087/91 Rn 28 – BVerfGE 93, 1). Der gemäß Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) von den Gerichten zu gewährende effektive Rechtsschutz bedeutet auch Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit. Daraus folgt, dass gerichtlicher Rechtsschutz namentlich in Eilverfahren so weit wie möglich der Schaffung solcher vollendeter Tatsachen zuvorzukommen hat, die dann, wenn sich eine Maßnahme bei (endgültiger) richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist, nicht mehr rückgängig gemacht werden können (BVerfG Beschluss vom 16.05.1995 – 1 BvR 1087/91 Rn 28 – BVerfGE 93, 1). Der vom Antragsteller geltend gemachte (Anordnungs-)Anspruch und die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO)). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 V 23/01 B – SozR 3-3900 § 15 Nr. 4). Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 Rn 23 – Breith 2005, 803). Liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor, ist ein schützenswertes Recht zu verneinen und der Eilantrag abzulehnen. Hat die Hauptsache hingegen offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist dem Eilantrag stattzugeben, wenn die Angelegenheit eine gewisse Eilbedürftigkeit aufweist. Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend einstellt (BVerfG a.a.O. Rn 26; vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 86b Rn 29a).
Hiervon ausgehend sind die Voraussetzungen für den Erlass der vom Antragsteller begehrten einstweiligen Anordnung nicht erfüllt.
Der Antragsteller hat bereits einen Anordnungsanspruch bezüglich des – in der Bezifferung im Übrigen nicht verständlichen – Beschwerdebegehrens nicht glaubhaft gemacht. Nach seiner eigenen, in der zivilgerichtlichen Klageerwiderung geäußerten Auffassung besteht der im Räumungsverfahren geltend gemachte Zahlungsanspruch des Vermieters wegen rückständiger Mieten nicht, sondern ist bei diesem vielmehr wegen unwirksamer zu hoher Mietzahlungen in der Vergangenheit eine Überzahlung aufgelaufen. Trifft diese Auffassung des Antragstellers zu, stehen ihm dem folgend keine weiteren Ansprüche gegen den Antragsgegner zu. Vielmehr wird umgekehrt der Antragsgegner zu überprüfen haben, inwieweit zu hohe Zahlungen für KdU ggf. vom Antragsteller zurückzufordern sind.
Der Eilantrag des Antragstellers hat aber auch dann keinen Erfolg, wenn man davon ausgeht, dass er den Mietzinsforderungen seines Vermieters im streitigen Zeitraum wirksam ausgesetzt war. Es fehlt dem Eilbegehren am Anordnungsgrund bzw. am Rechtsschutzbedürfnis.
Trifft die im Räumungsverfahren geäußerte Auffassung des Antragstellers zu, dass die Kündigung des Vermieters mangels Vorlage einer ordnungsgemäßen Vollmachtsurkunde unwirksam und die Räumungsklage bereits daher abzuweisen ist, fehlt es (derzeit) an der Notwendigkeit einer sozialgerichtlichen Eilentscheidung. Ein Verlust des Wohnraums stünde in diesem Fall noch nicht unmittelbar bevor (vgl. hierzu z.B. Beschlüsse des erkennenden Senats vom 20.03.2012 – L 12 AS 352/12 B ER und vom 04.01.2012 – L 12 AS 2031/11 B ER).
Geht man – entgegen der Auffassung des Antragstellers selbst – davon aus, dass die Mietzinsforderungen des Vermieters und dessen Kündigung wirksam sind, hat der Antragsteller nicht ausreichend dargelegt und ist nach dem bisherigen Sachstand auch nicht erkennbar, inwieweit das sozialgerichtliche Eilverfahren das vom Antragsteller geltend gemachte Recht auf Erhalt des Wohnraums vorläufig bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens schützen könnte. Nachdem die in § 569 Abs. 3 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) festgesetzte Frist, innerhalb derer eine Räumungsklage durch Zahlung der Mietrückstände noch abgewendet werden kann, verstrichen ist, kann der Antragsteller den Wohnraumverlust zivilrechtlich auch dann nicht mehr verhindern, wenn seinem Eilantrag stattgegeben würde. Soweit er es in seiner Beschwerdebegründung nicht als ausgeschlossen ansieht, dass mit dem Vermieter eine Einigung über die Höhe der Mietrückstände und die Fortführung des Mietverhältnisses erzielt werden könne, handelt es sich hier um eine Spekulation über ein eventuelles "Good Will – Verhalten" des Vermieters. Für ein solches Entgegenkommen, das, um rechtliche Relevanz im Räumungsverfahren zu entfalten, belegt sein müsste, fehlt es nach der derzeitigen Aktenlage an jeglichen konkreten Anhaltspunkten. Vielmehr indiziert die Erhebung der Räumungsklage – insbesondere auch im Hinblick auf den hierfür vom Vermieter entrichteten Kostenvorschuss – dessen ernsthafte Absicht, den Antragsteller wegen der Mietschulden tatsächlich zwangsweise aus dem gemieteten Haus zu entfernen bzw. entfernen zu lassen. Aber auch dann, wenn der Vermieter signalisieren würde, bei Zahlung der Mietrückstände von der beantragten Räumung Abstand zu nehmen, kann die vom Antragsteller begehrte Eilanordnung bei dem konkreten Sachstand den Wohnraumverlust nicht verhindern. Grund hierfür ist, dass der Antragsteller es im streitigen Zeitraum (und auch schon zuvor) nicht lediglich unterlassen hat, die vom Antragsgegner nunmehr ergänzend geforderten Leistungen für KdU an den Vermieter zu entrichten, sondern er vielmehr auch die vom Antragsgegner jeweils gezahlten KdU-Leistungen nicht weitergeleitet hat. Entsprechend würden bei einer vorläufigen Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung der Differenz von geleisteten und tatsächlichen KdU die vom Antragsgegner in den streitigen Bescheiden angesetzten, aber vom Antragsteller nicht weitergeleiteten KdU-Leistungen in Höhe von 6 x 435,80 Euro, somit von insgesamt 2.614,80 Euro, außenständig bleiben. Der Antragsteller hat weder dargelegt noch ist ersichtlich, dass er diesen Betrag bei Durchgreifen seines Eilbegehrens selbst zur vollständigen Begleichung der Außenstände beim Vermieter und damit zur Abwendung der Räumung aufbringen könnte.
Der Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von PKH im erstinstanzlichen Verfahren ist mangels Erfolgsaussichten des Eilantrags (§ 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung – ZPO) zurückzuweisen. Auf die o.g. Ausführungen wird verwiesen. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG bzw. folgt hinsichtlich der PKH aus § 73a SGG i.V.m. 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Erstellt am: 06.06.2012
Zuletzt verändert am: 06.06.2012