Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 13.02.2012 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Kläger begehren mit ihrer Beschwerde Prozesskostenhilfe für ein Verfahren vor dem Sozialgericht, in dem die Gewährung eines vorläufigen Darlehens streitig ist.
Die Kläger zu 1 und 2 sowie ihre gemeinsame Tochter, die Klägerin zu 3, beziehen seit November bzw. Dezember 2010 laufend Leistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) von der Beklagten. Die entsprechenden Leistungsbescheide ergingen entweder ausdrücklich oder konkludent durch Auszahlung für jeweils einen Kalendermonat.
Am 21.10.2011 legten die Kläger gegen den Leistungsbewilligungsbescheid für Oktober 2011 sowie die in den letzten zwölf Monaten mündlich oder konkludent ergangenen Bescheide Widerspruch ein. Mit diesem machten sie unter Hinweis auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Mannheim vom 10.08.2011 – S 9 AY 2678/11 ER geltend, ihnen sei die Differenz zwischen den offensichtlich verfassungswidrigen Leistungssätzen des § 3 AsylbLG und den Leistungen, die im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – SGB II vorgesehen seien, bis zu der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über den Vorlagebeschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26.07.2010 – L 20 AY 13/09 als Darlehen zu gewähren. Ein Abwarten der Entscheidung des BVerfG komme nicht in Betracht, weil die Gewährung eines Überbrückungsdarlehens nicht rückwirkend erfolgen könne.
Mit im Verlauf des Widerspruchsverfahrens ergangenem Bescheid vom 25.10.2011 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen nach § 3 AsylbLG für den Kalendermonat November 2011.
Durch Widerspruchsbescheid vom 02.11.2011 wies sie den Widerspruch der Kläger anschließend als unbegründet zurück. In den Gründen führte die Beklagte im Wesentlichen aus, der – lediglich gegen die (konkludent ergangenen) Leistungsbescheide für den Monat Februar 2010 sowie ab Mai 2011 gerichtete – Widerspruch sei unbegründet. Die Höhe der gewährten Leistungen nach § 3 AsylbLG entspreche den gesetzlichen Vorgaben und sei nicht zu beanstanden. Weder die Beklagte noch die Fachgerichte seien aufgrund ihrer Bindung an Recht und Gesetz gemäß Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) befugt, Leistungen zuzuerkennen, die sich nicht unmittelbar oder im Wege der Auslegung unter Beachtung verfassungsrechtlicher Grenzen aus dem geschriebenen Recht ergäben.
Mit ihrer am 02.12.2011 bei dem Sozialgericht Duisburg erhobenen Klage haben die Kläger die Gewährung eines Darlehens in Höhe der Differenz zwischen den Leistungssätzen des § 3 AsylbLG und den zur Sicherung des Existenzminimums notwendigen Beträgen begehrt und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der Leistungsbescheide für Februar 2011 sowie ab Mai 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2011 zu verurteilen, ihren Widerspruch unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Sozialgerichts neu zu bescheiden. Sie haben weiterhin die Auffassung vertreten, die Verfassung gebiete es zur Sicherung des Grundrechts auf Achtung der Menschenwürde, bis zur Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit der Leistungssätze nach § 3 AsylbLG eine vorläufige Regelung zu treffen. Die Gewährung eines Darlehens sichere einerseits das Existenzminimum der Asylbewerberleistungsberechtigten und schaffe andererseits keine – in das originäre Recht des parlamentarischen Gesetzgebers eingreifenden – neuen Leistungsansprüche.
Mit Beschluss vom 13.02.2012 hat das Sozialgericht Duisburg den Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt. In den Gründen hat die Kammer im Wesentlichen ausgeführt, für die beantragte Verurteilung der Beklagten zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts gebe es keine Rechtsgrundlage. In der Sache existiere keine Anspruchsgrundlage für das Begehren der Kläger auf darlehensweise Leistungen in Höhe der Differenz zwischen den Leistungssätzen nach § 3 AsylbLG und den in anderen Leistungsregimen vorgesehenen existenzsichernden Leistungen. Ein solcher Anspruch lasse sich auch nicht aus der Verfassung herleiten. Soweit die Kläger mittelbar höhere Leistungen nach § 3 AsylbLG in verfassungsmäßiger Höhe geltend machten, könne ihrem Begehren hinreichende Erfolgsaussicht mit Blick auf die bei dem BVerfG anhängigen Verfahren zwar nicht von vornherein abgesprochen werden. Insoweit hätte es einer Klageerhebung zur Wahrung ihrer Rechte aber nicht bedurft; denn grundsätzlich wäre ein Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des BVerfG bzw. eine Unterwerfung unter dessen Ausgang bereits im Widerspruchsverfahren möglich und den Klägern auch zumutbar gewesen.
Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 24.02.2012 zugestellten Beschluss haben die Kläger am 26.03.2012 (Montag) Beschwerde erhoben. Sie tragen ergänzend vor, ein Ruhen des Verfahrens sei bei Asylbewerbern, die lediglich geduldet seien und daher jederzeit mit ihrer Abschiebung rechnen müssten, nicht sachgerecht. Ein Darlehensvertrag, der keine Ansprüche kraft Gesetzes, sondern aufgrund eines gegenseitigen Vertrags verschaffe, greife auch nicht in das Gewaltenteilungsprinzip ein. Sollte das BVerfG wider Erwarten die Leistungssätze nach § 3 AsylbLG für ausreichend erachten, könne der gewährte Darlehensbetrag in monatlichen Raten von den bewilligten Leistungen nach dem AsylbLG abzogen werden bzw. – bei Ausscheiden aus dem Leistungsbezug – eine den Einkommensverhältnissen entsprechende Rückzahlungsvereinbarung getroffen werden.
Die Beklagte hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
II.
Die gemäß §§ 172, 173 SGG zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten für das erstinstanzliche Verfahren.
Nach § 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter beizuordnen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Insofern kann offen bleiben, ob die Kläger in der Lage sind, die Kosten der Prozessführung aus eigenen Mitteln zu bestreiten; denn jedenfalls bietet die Klage nach der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung (vgl. BVerfG, NJW 97, S. 2745; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 55. Auflage, § 114 Rn. 80) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Prozesskostenhilfe Begehrenden auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (VGH BW NVwZ 98, 1098; OVG RP NVwZ 91, 595; OVG MV NVwZ-RR 96, 621; Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 10. Auflage 2012, § 73a Rn. 7a). Erachtet das Gericht eine Beweiserhebung von Amts wegen für geboten, so kann einer Klage eine hinreichende Aussicht auf Erfolg in der Regel nicht abgesprochen werden. Etwas anderes gilt dann, wenn ein günstiges Ergebnis unwahrscheinlich ist bzw. die Erfolgschance nur eine entfernte ist (Leitherer, a.a.O.).
Ausgehend hiervon hat die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Nach ihrem Vorbringen im Widerspruchs- und Klageverfahren begehren die Kläger höhere Leistungen als in § 3 AsylbLG vorgesehen in Form eines Darlehens. Eine solche – abweichend von dem erstinstanzlich ausdrücklich gestellten Antrag auf Neubescheidung ihres Widerspruchs vorliegend als zielführend allein in Betracht kommende – kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne § 54 Abs. 1 und Abs. 4, 56 SGG ist jedoch bereits unzulässig. Es fehlt jedenfalls an der Durchführung des nach § 78 Abs. 1 SGG notwendigen Vorverfahrens. Nach dieser Vorschrift sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes – abweichend von den unter Nr. 2 bis 3 der Vorschrift genannten, hier nicht einschlägigen Ausnahmen – vor Erhebung einer Anfechtungsklage in einem Vorverfahren zu überprüfen.
Bislang wurde ein solches Vorverfahren jedoch nicht durchgeführt. Zwar hat die Beklagte den Widerspruch der Kläger, mit dem diese erstmals die Gewährung eines vorläufigen Darlehens geltend gemacht haben, durch Widerspruchsbescheid vom 02.11.2011 als unbegründet zurückgewiesen. Dieser Widerspruchsbescheid ist aber – da Ausgangs- und Widerspruchsbehörde vorliegend identisch sind – allenfalls als Erstbescheid der Beklagten anzusehen; denn ein Erstbescheid betreffend die begehrte Darlehensgewährung wurde zuvor nicht erteilt. Insbesondere enthalten die Leistungsbescheide für die Kalendermonate Februar 2011 sowie Mai bis November 2011, gegen die sich die Kläger vorliegend wenden, keine Regelung im Sinne des § 31 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) über die Gewährung höherer als der in § 3 AsylbLG vorgesehenen Leistungen in Form eines Darlehens. Gegenstand der Leistungsbescheide ist vielmehr ausschließlich die Bewilligung von Leistungen nach § 3 AsylbLG in Form eines Zuschusses in der gesetzlich vorgesehenen Höhe.
Unerheblich ist dabei, dass die Klage in einem solchen Fall als Widerspruch gegen den – einen Erstbescheid darstellenden – Widerspruchsbescheid auszulegen und das Klageverfahren in entsprechender Anwendung des § 114 Abs. 2 SGG grundsätzlich bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens auszusetzen ist, um dem Leistungsträger die Möglichkeit zu geben, das Vorverfahren nachzuholen (vgl. Leitherer, a.a.O., § 78 Rn. 3a m.w.N.); denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Prozesskostenhilfegesuchs ist (spätestens) der Zeitpunkt der Entscheidung des (Beschwerde-)Gerichts (Leitherer, a.a.O., § 73a Rn. 7d).
Unabhängig hiervon ist die Klage aber auch unbegründet; denn es fehlt an einer Rechtsgrundlage für die Erbringung eines Darlehens in Höhe der Differenz zwischen den Leistungssätzen des § 3 AsylbLG und den in anderen Leistungssystemen zur Sicherung des Existenzminimums vorgesehenen Beträgen.
Weder sieht das AsylbLG die Gewährung darlehensweiser Leistungen vor, noch lässt sich ein solcher Anspruch auf die Verfassung, insbesondere auf das aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums, stützen. Die Konkretisierung dieses Grundrechts, das als Geldleistungsanspruch mit erheblichen finanziellen Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte verbunden ist, ist vielmehr dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten; wie er den Umfang der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums bestimmt und ob er das Existenzminimum durch Geld-, Sach- oder Dienstleistungen sichert, bleibt grundsätzlich ihm überlassen. Dies hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 30.10.2010 (1 BvR 2037/10) anlässlich eines Eilverfahrens, in dem die vorläufige Gewährung sogenannter Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG anstelle der tatsächlich erbrachten Grundleistungen nach § 3 AsylbLG im Streit stand, ausdrücklich festgestellt. Die diesbezüglichen Ausführungen des BVerfG sind ohne Weiteres auf das dem hiesigen Beschwerdeverfahren zugrundeliegende Klageverfahren übertragbar, zumal Leistungen im Eilverfahren wegen des Vorbehalts der Überprüfung im Hauptsachverfahren lediglich einstweilen und daher – vergleichbar der Situation bei Inanspruchnahme eines hier im Hauptsachverfahren begehrten Darlehens – lediglich vorübergehend zugesprochen werden.
Die Klage hat schließlich auch mit Blick auf das noch bei dem BVerfG unter dem Aktenzeichen 1 BvL 10/10 anhängige Verfahren keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zwar könnte eine etwaige (kombinierte) Anfechtungs- und Leistungsklage, gerichtet auf höhere, den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechende Leistungen nach § 3 AsylbLG in Form eines Zuschusses als zulässig anzusehen sein; insbesondere könnte die Beklagte in den angefochtenen Leistungsbescheiden sowie im Widerspruchsbescheid eine entsprechende (ablehnende) Regelung im Sinne des § 31 SGB X getroffen haben. Auch ist es durchaus möglich im Sinne der eingangs dargestellten Grundsätze, dass das BVerfG die aktuellen Leistungssätze des § 3 AsylbLG für verfassungswidrig befinden wird. Das Klageziel der Kläger ist jedoch von vornherein nicht auf höhere, den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechende Leistungen nach § 3 AsylbLG in Form eines Zuschusses gerichtet. Sie begehren vielmehr ausschließlich vorläufig und darlehensweise höhere Leistungen als in § 3 AsylbLG vorgesehen (s.o.).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Gegen diese Entscheidung findet eine Beschwerde nicht statt (§ 73a SGG, § 127 Abs. 2 ZPO, § 177 SGG).
Erstellt am: 12.06.2012
Zuletzt verändert am: 12.06.2012