Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 11.04.2012 abgeändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin zu 1) für die Zeit ab dem 15.06.2012 bis zum 30.08.2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 374,00 EUR zu gewähren. Den Antragstellerinnen wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe ab Antragstellung bewilligt und Rechtsanwalt L, C, beigeordnet. Im Übrigen werden die Beschwerden zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Den Antragstellerinnen wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ab Antragstellung bewilligt und Rechtsanwalt L, C, beigeordnet.
Gründe:
I.
Bei den Antragstellerinnen handelt es sich um griechische Staatsangehörige. Die im Jahr 1963 geborene Antragstellerin zu 1) ist die Mutter der im Jahr 1993 geborenen Antragstellerin zu 2). Die Antragstellerin zu 2) reiste im Juli 2011 in die Bundesrepublik Deutschland ein und zog zu ihrem hier lebenden Vater.
Die Antragstellerin zu 1) reiste – nachdem sie nach eigenen Angaben zuletzt bis 2003 im Gebiet der Bundesrepublik gearbeitet hatte – am 00.00.2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie beantragte am 19.01.2012 bei dem Antragsgegner Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Am 07.02.2012 zog die Antragstellerin zu 2) nach ihren Angaben in die von der Antragstellerin zu 1) angemietete Wohnung. Auch für die Antragstellerin zu 2) wurden nunmehr Leistungen nach dem SGB II beantragt.
Mit Schreiben vom 21.02.2012 bat der Antragsgegner um Vorlage von Unterlagen der Antragstellerin zu 2).
Mit Bescheid vom 28.02.2012 lehnte der Antragsgegner die Gewährung von Leistungen an die Antragstellerin zu 1) ab. Es stehe insoweit der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II entgegen. Während der ersten drei Monate nach Einreise in die Bundesrepublik seien Ausländer vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, sofern kein Arbeitnehmerstatus vorliege.
Gegen die Ablehnung legte die Antragstellerin zu 1) am 12.03.2012 Widerspruch ein.
Am selben Tag haben die Antragstellerinnen die Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz beim Sozialgericht beantragt. Sie haben die Auffassung vertreten, der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II sei europarechtswidrig und daher nicht anwendbar. Die Norm verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung 883/2004/EG.
Sie haben beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab dem 19.01.2012 zu bewilligen.
Darüber hinaus haben sie beantragt,
ihnen Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L, C, zu bewilligen.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Der Leistungsausschluss sei europarechtskonform und daher anzuwenden. Eine Leistungsbewilligung an die Antragstellerin zu 1) komme nicht in Betracht. Hinsichtlich der Antragstellerin zu 2) seien erforderliche Unterlagen bislang nicht vorgelegt worden.
Das Sozialgericht hat die Antragstellerin zu 2) mehrfach um Darlegung gebeten, weswegen Unterlagen nicht vorgelegt worden seien. Mit Beschluss vom 11.04.2012 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt L abgelehnt. Der Beschluss ist den Antragstellerinnen am 11.04.2012 zugegangen.
Am 23.04.2012 haben die Antragstellerinnen Beschwerde gegen die Ablehnung der einstweiligen Anordnung sowie die Ablehnung der Prozesskostenhilfe eingelegt.
Sie haben erneut ausgeführt, die Ausschlusstatbestände des § 7 SGB II griffen nicht.
Am 16.05.2012 hat die Antragstellerin zu 2) an Eides statt versichert, sie arbeite nun in einem Brauhaus und im Café D.
Der Antragsgegner hat daraufhin erklärt, er werde für die Antragstellerin zu 2) ab der Arbeitsaufnahme Leistungen nach dem SGB II gewähren. Hinsichtlich der Antragstellerin zu 1) lägen die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung jedoch weiterhin nicht vor. Erbringe die Antragstellerin zu 1) den Nachweis einer Arbeitsaufnahme, so stünde einer Leistungserbringung auch an sie nichts entgegen.
Am 02.07.2012 hat die Antragstellerin zu 1) gegenüber dem Landessozialgericht an Eides statt versichert, dass sie seit dem 15.06.2012 bei der Firma "L", Inhaberin L, T-straße 00, C, als Putzfrau tätig ist. Trotz mehrfacher Bitte um Ausstellung einer Arbeitgeberbescheinigung liege diese ihr noch nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die beigezogenen Verwaltungsakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
A.
Die zulässige Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist teilweise begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d. h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -).
1.
Da die Antragsteller bislang zu keinem Zeitpunkt glaubhaft gemacht haben, dass ihnen Wohnungs- oder Obdachlosigkeit konkret drohte (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 02.03.2012 – L 19 AS 163/12 B ER; LSG NRW Beschluss v. 04.09.2009 – L 12 B 69/09 AS ER = juris Rn 4, m.w.N.), ist ein Anordnungsgrund hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung nicht gegeben.
2.
a)
Hinsichtlich der Antragstellerin zu 1) ist ab dem 15.06.2012, dem Zeitpunkt der an Eides statt versicherten Arbeitsaufnahme, ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO.
Die Antragstellerin zu 1) hat das 15 Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II noch nicht erreicht. Ihre Erwerbsfähigkeit ist gegeben (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II). Als griechische Staatsangehörige und damit als "Alt-Unionsbürger" ist sie auch gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt und berechtigt, ohne Arbeitserlaubnis eine Arbeit in der Bundesrepublik aufzunehmen. Dem Sachverhalt sind keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Krankheit, die sie an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens drei Stunden täglich hindern könnte, zu entnehmen. Nach der im einstweiligen Anordnungsverfahren möglichen Prüfungsdichte ist die Antragstellerin zu 1) auch hilfebedürftig i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II. Sie hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II: vgl. hierzu BSG Urteil vom 25.01.2012 – B 14 AS 138/11 R = juris Rn 17 m.w.N.).
Ab dem glaubhaft gemachten Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme scheidet eine Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II aus, da sich die Antragstellerin zu 1) länger als drei Monate in der Bundesrepublik aufhält und sich ihr Aufenthaltsrechts aus ihrem Status als Arbeitnehmerin im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 FreizügG/EU ergibt und nicht mehr lediglich aus dem Zweck der Arbeitssuche.
Im Hinblick auf Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes erschien dem Senat die zeitliche Begrenzung der Verpflichtung zur Leistung angezeigt.
b)
Soweit die Antragstellerin zu 1) die Bewilligung von Leistungen ab dem 19.01.2012 begehrt, scheidet dies aus. Die Bewilligung von Leistungen im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes erfolgt frühestens ab Antragstellung beim Sozialgericht.
c)
Soweit die Antragstellerin zu 1) Leistungen für den Zeitraum vom 12.03.2012 bis zum 14.06.2012 begehrt, kommt es auf die Frage der Wirksamkeit des Leistungsausschlusses des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II an.
Ob dieser zu Lasten der Antragstellerin zu 1) eingreift, ist im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend zu klären. Nach dieser Vorschrift sind Ausländer von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgenommen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Nach dem Wortlaut der Vorschrift sind vorliegend die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses erfüllt (vgl. zum Erfordernis der positiven Feststellung eines Aufenthaltsrechts allein zum Zweck der Arbeitssuche für den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II: BSG, Urteil vom 25.01.2012 – B 14 AS 138/11 R = juris Rn 20). Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte ergibt sich das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin in der Bundesrepublik für den Zeitraum bis zum 14.06.2012 allein zum Zweck der Arbeitsuche nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 FreizügG/EU. Ein Aufenthaltsrecht der Antragstellerin zu 1) nach anderen Vorschriften des Freizügigkeitsgesetzes ist nicht ersichtlich. Nach § 2 Abs. 1 FreizügG, das die Unionsbürgerrichtlinie RL 2004/38 EG vom 29.04.2004 in nationales Recht umsetzt, haben freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörige nach Maßgabe des FreizügG/EU ein Recht zur Einreise und zum Aufenthalt. Seit ihrer Einreise im Januar 2012 bis zur Arbeitsaufnahme ist die Antragstellerin zu 1) weder als Arbeitnehmerinnen beschäftigt gewesen (§ 2 Abs.2 Nr. 1 FreizügG/EU) noch hat sie eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU). Die Vorschrift des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU greift zu Gunsten der Antragstellerin zu 1) für die Zeit vor der Arbeitsaufnahme nicht ein, da sie nach ihrer Einreise in die Bundesrepublik zunächst weder als Arbeitnehmerin beschäftigt war noch eine selbständige Tätigkeit ausgeübt hat. Ein Aufenthaltsrecht als nichterwerbstätige Unionsbürgerin nach § 4 FreizügG/EU ist auch nicht gegeben, da die Antragstellerin zu 1) nicht über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügt hat. Die Antragstellerin zu 1) kann sich auch nicht auf ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU berufen. Denn ein etwaiges durch ihren Aufenthalt in der Bundesrepublik bis 2003 erworbenes Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU (vgl. zu den Voraussetzungen für ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU: BVerwG Beschluss vom 13.07.2010 – 1 C 14/09 -; EuGH Urteil vom 21.12.2011 – C – 424/10 und C – 425/10) ist durch ihre langjährige Abwesenheit nach § 4a Abs. 7 FreizügG/EU erloschen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Abwesenheit der Antragstellerin zu 1) aus einem seiner Natur nach vorübergehenden Grund i.S.v. § 4a Abs. 7 FreizügG/EU erfolgt ist. Ein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige nach § 3 Abs. 2 FreizügG/EU kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Regelung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU findet auf die Antragstellerin zu 1) als Mutter der Antragstellerin zu 2) keine Anwendung. Es handelt sich bei der Mutter nicht um eine "Familienangehörige" im Sinne dieser Norm, da sie älter als 21 Jahre ist und zwischen ihr und der Antragstellerin zu 2) ein Verwandtschaftsverhältnis der aufsteigenden Linie besteht. Etwas anderes würde für einen etwaigen Zuzug der Antragstellerin zu 2) zur Antragstellerin zu 1) gegolten haben. Da die Antragstellerin zu 2) der Antragstellerin zu 1) auch keinen Unterhalt gewährt, kommt auch die Norm des § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU tatbestandlich nicht in Betracht.
Mithin bestand – bis zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme – ein Aufenthaltsrecht der Antragsteller nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU allein zur Arbeitssuche. Die Vereinbarkeit der Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Gemeinschaft ist aber in Rechtsprechung und Kommentierung umstritten (LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 23.05.2012 – L 9 AS 347/12 B ER -, wonach der Leistungsausschluss bei EU-Bürgern eingreift, wenn diese noch keine Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt haben; LSG Berlin-Brandenburg Beschlüsse vom 03.04.2012 – L 5 AS 2157/11 B -, wonach der Leistungsausschluss europarechtskonform ist; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.10.2011 – L 12 AS 3938/11 ER-B – zweifelnd; LSG Schleswig-Holstein Beschluss vom 14.09.2011 – L 3 AS 155/11 B ER; vgl. auch zur Zusammenfassung des Meinungstandes Hackethal in jurisPK-SGB II, § 7 SGB II Rn 37f und Greiser in jurisPK-SGB XII, Vorbemerkungen SGB XII Rn. 13f, 25ff). Der Streit besteht im Wesentlichem vor dem Hintergrund der höchstrichterlich bislang nicht entschiedenen Frage, ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II entsprechend den Vorstellungen des Gesetzgebers durch den Vorbehalt des Art. 24 Abs. 2 der RL 2004/38/EG gedeckt ist, weil es sich bei den Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II um Sozialhilfeleistungen handelt, oder ob es sich um Leistungen der sozialen Sicherheit bzw. zur Eingliederung in Arbeit handelt, die freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern unter Verstoß gegen das Verbot der Differenzierung nach Staatsangehörigkeit und/oder das allgemeine Differenzierungsverbot vorenthalten werden. Sowohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) als auch das Bundessozialgericht (BSG) haben die Frage in jüngeren Entscheidungen offen gelassen (EuGH Urteil vom 04.06.2009 – C-22/08 und C-23/08 – Vatsouras/Koupatantze; BSG Urteile vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R – und vom 25.01.2012 – B 14 AS 138/11 R = juris Rn 27). Auch ist die Vereinbarkeit des Vorbehalts des Art. 24 Abs. 2 der RL 2004/38/EG mit dem Gleichbehandlungsgebot nach Art.4 der VO(EG) 883/2004, insbesondere in welchem Verhältnis die beiden Vorschriften zueinander stehen, umstritten, da es bei den Leistungen nach dem SGB II um besondere beitragsunabhängige Leistungen i.S.v. Art. 70 der VO(EG) 883/2004 handelt (vgl. hierzu LSG Berlin – Brandenburg, Beschluss vom 03.04.2012 – L 5 AS 2157/11 B ER, L 5 AS 2177/11 B PKH m.w.N., LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23.05.2012 – L 9 AS 347/12 B ER).
Ebenso ist umstritten, ob das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II im Fall der Antragsteller ausschließt. Zwar unterfallen die beiden Antragssteller als griechische Staatsangehörige dem Europäischen Fürsorgeabkommen, da Griechenland dieses Abkommen ratifiziert hat (vgl. zum Ratifizierungstand: http://conventions.coe.int/treaty/Coummun; siehe auch BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R = juris Rn 26). Auch handelt es sich bei dem SGB II um eine Fürsorgegesetz i.S.d. Europäischen Fürsorgeabkommens, so dass aufgrund der in diesem Abkommen angeordneten Gleichbehandlung von Staatsangehörigen der Vertragstaaten mit Inländern die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auf Staatsangehörige der Vertragstaaten keine Anwendung findet, solange seitens der Bundesrepublik kein Vorbehalt nach Art. 16 lit. b) EFA erklärt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R). Die Bundesrepublik Deutschland hat am 19.12.2011 einen Vorbehalt zum EFA notifiziert, wonach die Regierung der Bundesrepublik Deutschland keine Verpflichtung übernimmt, die im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – in der jeweils geltenden Fassung vorgesehenen Leistungen an Staatsangehörige der übrigen Vertragstaaten in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen zuzuwenden (vgl. Text des Vorbehalts in Englisch als Vertragssprache siehe: http://conventions.coe.int/treaty/Coummun/ListeDeclarations; Übersetzung des Vorbehalts in Geschäftsweisung SGB II Nr. 8 der Bundesagentur für Arbeit vom 23.03.2012). Mit der Notifikation des SGB II als neue Rechtsvorschrift i.S.d. EFA mit der gleichzeitigen Erklärung eines Vorbehalts nach Art. 16 lit. b EFA bezweckt die Bundesregierung den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II hinsichtlich der Staatsangehörigen von Vertragsstaaten wiederherzustellen (vgl. Ausschussdrucksache 17(11)881 über die Unterrichtung des Ausschusses für Arbeit und Soziales durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales; vgl. auch BT-Drs. 17/9036). Die Wirksamkeit dieser Vorbehaltserklärung ist umstritten (verneinend: LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 09.05.2012 – L 19 As 794/12 B ER – und SG Berlin Beschluss vom 25.04.2012 – S 55 AS 9238/12 -; bejahend LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 05.03.2012 – L 29 AS 414/12 B ER – und SG Berlin Beschluss vom 14.05.2012 – S 124 AS 7164/12 ER -; siehe auch LSG NRW Beschluss vom 22.05.2012 – L 6 AS 412/12 B ER; Greiser, a.a.O., Rn 53f; Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 23 Rn 36.3; vgl. auch Stellungnahme des Bundesministerium für Arbeit und Soziales in der Ausschussdrucksache 17(11) 881). Für die Beurteilung der Wirksamkeit des erklärten Vorbehalts ist entscheidend, wie der Wortlaut des Art. 16 lit. b EFA in der verbindlichen englischsprachigen Fassung "any new law or regulation" auszulegen ist. Denn Art. 16 lit. b. EFA regelt, dass die Vertragstaaten dem Generalsekretär des Europarates gleichzeitig mit der Mittelung neuer Rechtsvorschriften ("any new law or regulation") ihre Vorbehalte in Bezug auf die Anwendung dieser Rechtsvorschriften auf die Staatsangehörige der anderen Vertragsstaaten notifizieren können. Ob von dem Begriff "any new law or regulation" neben neu in Kraft getretenen Gesetzen zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens auch Gesetzesnovellen oder neue Rechtsprechung zu einschlägigen Gesetzen erfasst werden, ist nicht geklärt.
Wegen der Komplexität der Rechtslage zum einen hinsichtlich der Vereinbarkeit des Leistungsausschlusses des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht – insbesondere im Hinblick darauf, dass dem EUGH nach Art. 267 Abs. 1 AEUV die Befugnis vorbehalten ist, das europäische Primärecht auszulegen und über die Vereinbarkeit des europäischen Sekundärrechts mit dem Primärrecht zu befinden (Greiser, a.a.O. Rn 39) und mit Blick auf die Dauer von Vorlageverfahren nach Art. 267 AUEV (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10 Aufl., § 86b Rn 13,39) – sowie zum anderen hinsichtlich der Wirksamkeit der Vorbehaltserklärung des Bundesrepublik Deutschland zum EFA, insbesondere unter Berücksichtigung der völkerrechtlich maßgeblichen Auslegungsgrundsätze für völkerrechtliche Verträge, ist eine abschließende Klärung des Anspruchs auf die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im einstweiligen Rechtschutzverfahren nicht möglich.
In einem solchen Fall ist aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05). Hierbei ist zum einen zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin zu 1) nunmehr eine – wenngleich geringfügig entlohnte – Arbeitsstelle angetreten hat und ihr ab diesem Zeitpunkt sowohl Arbeitsentgelt als auch Leistungen nach dem SGB II zustehen. Vor diesem Hintergrund erscheint es ihr zumutbar, die Frage der Rechtmäßigkeit der Leistungsverweigerung durch den Antragsgegner für die Zeit vor der Arbeitsaufnahme in einem Hauptsacheverfahren klären zu lassen. In diesem Zusammenhang hat der Senat auch berücksichtigt, dass es sich bei der Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II um ein formales Gesetz handelt, an das der Antragsgegner bei der Ausführung der Bestimmungen des SGB II gebunden ist, und nach dessen Wortlaut der Leistungsausschluss eingreift (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 16.05.2012 – L 19 AS 719/12 B ER = juris).
3.
Nach obigen Ausführungen kann die Beschwerde der Antragstellerin zu 2) nach der Zusicherung des Antragsgegners für die Zeit vor der Arbeitsaufnahme im Mai 2012 keinen Erfolg haben. Es ist der Antragstellerin zu 2) zumutbar, die Frage der Leistungsansprüche für die Zeit ab Antragstellung im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens klären zu lassen. Für die Zeit nach der Arbeitsaufnahme fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis, da die Leistungsbewilligung zugesichert worden ist.
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
C.
Die zulässige Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren ist begründet.
Nach § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 114, 115 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt, wobei diese angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann (Bundesverfassungsgericht – BVerfG – Nichtannahmebeschluss vom 19.07.2010 – 1 BvR 1873/09 = NJW 2010, 3083 ff.= juris Rn. 11; Beschluss vom 19.02.2008 – 1BvR 1807/07 = NJW 2008, 1060 ff. = juris Rn. 23 m.w.N). Im Hinblick auf die höchst umstrittene Rechtsfragen betreffend die Anwendbarkeit der Ausschlussnorm des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auf die Antragstellerinnen als sog. "Alt-Unionsbürger" ist eine hinreichende Erfolgsaussicht im oben genannten Sinne zu bejahen.
D.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 73a Absatz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) für das Beschwerdeverfahren liegen vor, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung wie oben dargelegt jedenfalls teilweise Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig erschien. Das Vorliegen der persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen ist ebenfalls glaubhaft gemacht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 10.07.2012
Zuletzt verändert am: 10.07.2012