Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.06.2010 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin, die als praktische Ärztin in F zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen ist, wendet sich gegen Arzneimittelregresse wegen Überschreitung der Arzneimittel-Richtgrößen im Jahr 2006.
Im Februar 2008 teilte die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Nordrhein (Prüfungsstelle) der Klägerin mit, dass sie die Wirtschaftlichkeit ihrer Verordnungsweise von Arzneimitteln nach Richtgrößen im Jahr 2006 von Amts wegen prüfe die Klägerin Gelegenheit habe, Praxisbesonderheiten darzulegen, die noch nicht durch die Symbolziffern der Richtgrößen-Vereinbarung erfasst seien. Zu diesem Zweck übersandte die Prüfungsstelle die Prüfunterlagen auf einer CD-ROM: die Quartals-Bilanz IV/2006, die Arzneimittelstatistik-Praxisbesonderheiten 2006, die WP 05-Liste (Indikationen nach ATC 2006), die WP 08-Liste (Verordnete Arzneimittel 2006), die WP 09-Liste (Arzneipatiententabelle 2006) sowie eine Erläuterung der Prüfunterlagen. Die Klägerin reagierte darauf nicht.
Mit Bescheid vom 07.10.2008 setzte die Prüfungsstelle wegen Überschreitung der Arzneimittel-Richtgrößen in den Quartale I/2006 bis IV/2006 einen Regress in Höhe von (i.H.v.) insgesamt 82.881,31 EUR fest. Diesem Bescheid widersprach die Klägerin. Sie habe weder durch Beschwerden der Krankenkassen noch durch Hinweise der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) – der Beigeladenen zu 7) – von Überschreitungen der Richtwerte gewusst. Da Fachärzte nur langfristig auf Termin arbeiteten und teilweise auch dann keine Rezepte ausstellten, sei es ihre Pflicht gewesen, in akuten Fällen mit Medikamenten ihren Patienten zu helfen. Hauptsächlich seien dies Schmerz-, Neuroleptika-, Cholesterin- und Blutdrucktabletten gewesen. Anderenfalls hätte sie einen Großteil ihrer Patienten umgehend in die Notaufnahme bzw. in ein Krankenhaus einweisen müssen. Durch ihr Handeln habe sie den Krankenkassen Kosten in Höhe von mehreren 100.000 EUR erspart. Zur Stützung ihres Vorbringens legte die Klägerin eine Liste mit Patientennamen, jeweiligem Geburtsdatum und zuständiger Krankenkasse sowie eine (teilweise sich überschneidende) Patientenliste unter Angabe von Namen, Alter und Diagnosen vor. Dabei handle es sich um Patienten, die einen Mehrbedarf an Medikamenten, Verbänden und Hausbesuchen erfordert hätten.
Mit Bescheid vom 18.12.2008 (Sitzung vom 02.12.2008) reduzierte der Beklagte den Regress auf 7.826,42 EUR. Ausgehend von der Zuordnung der Klägerin zur Fachgruppe der Allgemeinmediziner/praktischen Ärzte nach Anlage B der Richtgrößen-Vereinbarung (RgV) 2006 ermittelte der Beklagte für die Praxis der Klägerin in den einzelnen Quartalen Abweichungen gegenüber der Vergleichsgruppe bei den Rentnern von 23,86 %, -13,73 %, -16,67 % und -14,48 %, bei den Notfällen von -100 %, 19,31 %, -9,96 % und -100 % sowie bei den Überweisungen von 293,86 %, -44,85 %, -32,50 % und -17,71 %. Die Sprechstundenbedarfs-(SSB-)Statistik ergebe in den Quartalen I, III und IV/2006 Überschreitungen von 135 %, 161,61 % und 119,63 % und die Quartalsbilanzen-Heilmittel wiesen unter Außerachtlassung von Überweisungen zu Auftragsleistungen und Konsiliaruntersuchungen Abweichungen zur Richtgrößensumme von durchschnittlich 41,01 % auf. Bei den Arzneiverordnungskosten ermittelte der Beklagte in der Summe von Allgemeinversicherten (AV) und Rentnern (RV) im Jahre 2006 eine Abweichung zur Richtgrößensumme (255.338,64 EUR) von 88,18 % (+225.158,76 EUR). Zugunsten der Klägerin zog der Beklagte von den Arzneiverordnungskosten (480.497,40 EUR) Fremdkassenfälle (8.337,93 EUR) sowie Verordnungen für Nichtarzneimittel (4.205,13 EUR) ab und brachte Arzneimitteltherapien nach den Symbolnummern 90909, 90912 und 90913 zu 100 % in Abzug (4.232,51 EUR). Weiterhin berücksichtigte er Mehrkosten gegenüber der Vergleichsgruppe bei den Praxisbesonderheiten nach den Symbolnummern 90915, 90916, 90918, 90925, 90926, 90927, 90929 und 90932 im Gesamtumfang von 38.843,01 EUR. Zudem zog er Verbandstoffe als Mehrbedarf aus WP08-Liste i.H.v. 888,80 EUR ab und berücksichtigte weitere Verordnungskosten i.H.v. 94.355,86 EUR für Mehrbedarf bei Mitteln bei obstruktiven Atemwegserkrankungen, additiver Schmerztherapie, Protonen-Pumpenhemmern, anderen Analgetika und Antipyretika, Antiphlogistika und Antirheumatika sowie Zofran. Praxisbesonderheiten gemäß § 5 Abs. 6 RgV 2006 erkannte der Beklagte nicht an. Die von der Klägerin vorgelegten Patientenlisten besonders kostenintensiver Patienten seien unsubstantiiert. Den Nachweis, dass der Art und Anzahl nach besondere von der Arztgruppentypik abweichende Erkrankungen behandelt worden seien und hierdurch notwendige Mehrkosten entstanden seien, könne die Klägerin insbesondere mit der eingereichten Auflistung bei verordneten Cholesterin- und Blutdrucktabletten nicht in der geforderten dezidierten Form erbringen. Nach weiterem prozentualen Abzug von Verordnungskosten für Rezepturen ohne Pharmazentralnummer (PZN) i.H.v. 480,73 EUR errechnete der Beklagte bereinigte Arzneiverordnungskosten unter Berücksichtigung aller Abzüge und Feststellungen i.H.v. 138.800,91 EUR und eine Abweichung gegenüber der Richtgrößensumme von 28,91 %. Den über 25 % hinausgehenden Betrag regressierte der Beklagte und berücksichtigte darüber hinaus den Apothekenrabatt und die Patientenzuzahlung anteilig. Nach Ausbringung des Nettokostenindexes verbleibe eine Überschreitung von 25,84 % gegenüber der Richtgrößensumme; insoweit sei die Unwirtschaftlichkeit bewiesen.
Hiergegen hat sich die am 09.01.2009 erhobene Klage gerichtet, zu deren Begründung die Klägerin ergänzend vorgetragen hat: Die verordneten Medikamente seien stets notwendig gewesen und von den Krankenkassen stets vollständig bezahlt worden. Die Abrechnung nach statistischen Richtgrößen stelle eine unzulässige Beeinträchtigung ihrer ärztlichen Tätigkeit dar. Über ihr angebliches Fehlverhalten sei sie nicht zu einem Zeitpunkt informiert worden, als eine Änderung noch möglich gewesen wäre. Durch die Zusammenfassung vieler Quartale anstatt quartalsbezogener Regresse werde eine existenzbedrohende Regressforderung geltend gemacht. Praxisbesonderheiten seien zudem unzureichend berücksichtigt worden. Ihre Praxis unterscheide sich durch die Altersstruktur und Multimorbidität deutlich von der Statistik. Den Krankenkassen lägen aus abrechnungstechnischen Gründen die erfassten Diagnosen der einzelnen Patienten vor. Art und Anzahl der von der Vergleichsgruppe abweichenden Praxisbesonderheit wäre durch einen einfachen, den jeweiligen Einzelfall zugrundelegenden Computerabgleich möglich. Sie habe kein entsprechendes Computerprogramm. Im Übrigen könne sie aus datenschutzrechtlichen Gründen keine detaillierten Darstellungen zu Patienten abgeben. Sie habe aber 2006 den gleichen Patienten die gleichen Medikamente verordnet wie in den Vorjahren, für die aber keine Regresse geltend gemacht worden seien. Die Klägerin hat schließlich moniert, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten auch Vorsitzender der Prüfungsstelle sei.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, unter Aufhebung des Bescheides vom 18.12.2008 über ihren Widerspruch gegen den Bescheid der Prüfungsstelle vom 07.10.2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes erneut zu entscheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat seinen Bescheid weiterhin für rechtmäßig gehalten. Aus der vollständigen Bezahlung der ausgestellten Rezepte durch die Krankenkassen ließen sich keine Rückschlüsse aus bzw. Vertrauen auf die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise herleiten, da die Krankenkassen verpflichtet seien, ärztliche Verordnungen von Arzneimitteln zu zahlen. Die Klägerin könne sich auch nicht darauf berufen, nicht von ihm – dem Beklagten – über ihr Verordnungsverhalten informiert worden zu sein. Die fortlaufend übermittelten Quartalsbilanzen Arzneiverordnungen/Richtgrößensumme gäben im Zusammenhang mit den Vorquartalen dem Arzt Hinweise zu seinem Verordnungsverhalten. Praxisbesonderheiten seien in rechtlich gebotenem Umfang berücksichtigt worden. Die Behauptung von Einsparungen bei Krankenhauskosten sei in dieser pauschalen Form schon deshalb unzureichend, weil davon auszugehen sei, dass Krankenhausbehandlungen nicht notwendig seien, wenn die ambulante Arzneitherapie zum Behandlungserfolg führe.
Die Beigeladene zu 1), die wie die Beigeladenen zu 2) bis 7) keinen Prozessantrag gestellt hat, hat darauf hingewiesen, dass die von der Klägerin erwähnten Daten zum Zwecke der Richtgrößenprüfung der Prüfungsstelle zur Verfügung gestellt worden seien. Eine darüber hinausgehende Ermittlung von Praxisbesonderheiten durch die einzelne Krankenkasse sei nicht vorgesehen. Eine Prüfung von Einzelfällen durch die jeweilige Krankenkasse sei nicht Gegenstand der Richtgrößenprüfung, sondern werde nur auf Antrag der jeweiligen Vertragspartner durch die Prüfungsstelle durchgeführt.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 30.06.2010 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei nach Maßgabe der RgV 2006 nicht zu beanstanden. Der Beklagte habe zunächst zutreffend die Arzneiverordnungskosten der Klägerin den Richtgrößensummen laut Quartalsbilanzen gegenübergestellt und hieraus eine Abweichung der Richtgrößensumme von + 88,18 % errechnet. Rechtsfehlerfrei habe der Beklagte sodann zugunsten der Klägerin von den Arzneiverordnungskosten Fremdkassenfälle sowie Nichtarzneimittel abgezogen und Arzneimittel-Therapien nach den Symbolnummern 90909, 90912 und 90913 zu 100 % in Abzug gebracht. Ebenfalls ohne Rechtsfehler habe er weiterhin Mehrkosten gegenüber der Vergleichsgruppe bei den Praxisbesonderheiten nach den Symbolnummern 90915, 90916, 90918, 90925, 90926; 90927, 90929 und 90932 berücksichtigt, Verbandstoffe aus der WP 08-Liste abgezogen und weitere Verordnungskosten für Mehrbedarf von Mitteln bei obstruktiven Atemwegserkrankungen, additiver Schmerztherapie, Protonenpumpenhemmern, anderen Analgetika und Antipyretika, Antiphlogistika und Antirheumatika sowie Zofran berücksichtigt. Der Beklagte habe zu Recht keine weiteren Praxisbesonderheiten anerkannt. Insbesondere habe die Klägerin nicht substantiiert dargelegt, dass sie der Art und der Anzahl nach besondere von der Arztgruppentypik abweichende Erkrankungen behandelt habe und hierdurch notwendige Mehrkosten entstanden seien. Ihre Hinweise auf die Altersstruktur und Multimorbidität ihrer Patienten sowie Hausbesuche und Notfallversorgungen reichten nicht aus. Ein Blick auf den Rentneranteil in ihrer Praxis zeige, dass dieser in der Größenordnung ihrer Fachgruppe liege. Multimorbide Patienten, auch solche mit krankhaften Cholesterin- und Blutdruckwerten, behandelten auch alle anderen praktischen Ärzte und Ärzte für Allgemeinmedizin. Die Klägerin hätte – so das SG – insofern darzulegen gehabt, inwieweit sie ein höheres Maß multimorbider Patienten behandelt habe, welche Erkrankungen dabei, zu therapieren gewesen seien, mit welchen Medikationen sie diese behandelt habe und – jedenfalls ansatzweise – welche Mehrkosten je Behandlungsfall dadurch entstanden seien. Gleiches gelte für Hausbesuche und Notfälle, aus denen sich über konkrete Arzneimitteltherapien und deren (Mehr-)Kosten keine Aussage ergebe. Die eingereichte Patientenliste lasse zu den behaupteten Praxisbesonderheiten keine hinreichenden Rückschlüsse zu. Sie beschränke sich – wenn überhaupt – auf die bloße Mitteilung von Diagnosen. Weitere Daten habe der Beklagte von den Krankenkassen nicht einholen dürfen. Zutreffend sei der Beklagte auch dem Vortrag der Klägerin entgegengetreten, sie habe durch erhöhte Arzneiverordnungskosten für chronisch Kranke und Notfallpatienten Krankenhausaufenthalte vermieden und dadurch den Krankenkassen Kosten erspart. Krankenhausbehandlung in Form vollstationärer, teilstationärer, vor- und nachstationärer sowie ambulanter Behandlung komme nur bei Vorliegen entsprechender Indikationen in Betracht. Bereits dem Grunde nach könne nicht davon ausgegangen werden, dass eine Krankenhausbehandlung notwendig sei, wenn eine ambulante Arzneimitteltherapie denselben Heilerfolg erziele. Eventuelle Abweichungen von diesem Grundsatz hätte die Klägerin nach den aufgezeigten Maßgaben substantiiert darzulegen gehabt. Der Beklagte sei schließlich auch aus Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht verpflichtet, von dem fehlerfrei berechneten Regress abzusehen. Zwar habe er für das Jahr 2005 keinen Regress festgesetzt, obwohl das Verordnungsverhalten der Klägerin – nach ihrem eigenen Vortrag – im Wesentlichen gleichgelagert gewesen sei. Das Absehen von einem Regress sei jedoch allein aus verfahrensrechtlichen Gründen erfolgt. Die Klägerin habe daher damit rechnen müssen, dass im Folgejahr 2006 das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt würde. Auch Unkenntnis von den Regularien der Richtgrößenprüfung schütze die Klägerin nicht vor dem ausgesprochenen Regress. Die maßgebliche RgV 2006, die frühzeitig veröffentlicht worden sei, habe mit hinreichender Deutlichkeit auch für juristische Laien die Richtgrößenwerte arztgruppenbezogen aufgelistet, so dass jeder Arzt fortlaufend durch Multiplikation seiner Fallzahlen die Unter- oder Überschreitung der Richtgrößen in seiner Praxis habe verfolgen können. Zusätzliche Erkenntnisse habe die Klägerin auch aus den Quartalsbilanzen Arzneiverordnungen/Richtgrößen des Vorjahres 2005 gewinnen können, die ihr jedenfalls für die Quartale I/2005 und II/2005 bereits im Januar 2006 zur Verfügung gestanden hätten, so dass sie, da sie nach ihrem Vortrag bei den gleichen Patienten die gleichen Medikamente verordnet habe, bereits zu Beginn des Prüfungszeitraumes 2006 einen hinreichenden Überblick gehabt habe und ihr Verordnungsverhalten entsprechend habe anpassen können. Im Juli 2006 habe ihr auch die letzte Quartalsbilanz IV/2005 vorgelegen, so dass sie im Längsquerschnitt das gesamte Jahr 2005 habe beobachten können. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wären durchaus noch Korrekturen der Verordnungsweise für den Rest des Jahres 2006 möglich gewesen und hätte ein Regress ggf. gänzlich abgewendet werden können.
Die Klägerin hat gegen die ihr am 06.07.2010 zugestellte Entscheidung des SG am 28.07.2010 unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags Berufung eingelegt. Sie sei der Überzeugung, sich nicht unwirtschaftlich verhalten zu haben. Ihre ärztliche Betreuung sei wirtschaftlich gewesen. Da sie niemals von den Krankenkassen Beschwerden erhalten habe, dass verordnete Medikamente nicht übernommen werden, habe sie auch nicht wissen können, dass sie die Richtwerte in so hohem Maß überschritten habe. Auch die Beigeladene zu 7) habe sie nicht informiert. Überdies bestreite sie die Richtigkeit der von dem Beklagten zugrunde gelegten Statistiken. Unter Vorlage von weiteren Listen, die bezogen auf acht ihrer Patienten unter jeweiliger Angabe von Name, Geburtsdatum, Krankenkasse und Versicherungsnummer eine Aufzählung der ihnen 2006 verordneten Arzneimittel mit einem Euro-Betrag enthalten, macht die Klägerin geltend, die Kosten der von ihr verordneten Medikamente lägen nach den ihr möglichen Recherchen um ein Vielfaches unter den im Prüfbescheid angegebenen Medikamenten. Im Übrigen sei der Apothekenrabatt weder inhaltlich noch der Höhe nach nachvollziehbar. Einen Nachweis des tatsächlichen Rabatts, den die Krankenkassen ihrer Patienten mit den Apotheken ausgehandelt hätten, habe der Beklagte nicht erbracht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30.06.2010 zu ändern und nach ihrem Klageantrag zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf seinen erstinstanzlichen Vortrag und hat zu dem von der Klägerin im Berufungsverfahren monierten Apothekenrabatt eine Tabelle, aus der sich die Berechnung der Nettoindexvergleichsgröße für die streitbefangenen Quartale ergibt, vorgelegt und im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 14.12.2011 erläutert. Ergänzend hat er auf die Veröffentlichung der KV Nordrhein in KVNo Extra 2007 "Arznei- und Heilmittelregresse" hingewiesen, aus denen für jeden Arzt ersichtlich folge, wie sich die Quartalsbilanz Arznei im Einzelnen zusammensetze. Diese Veröffentlichung sei jedem Arzt zugegangen.
Die Klägerin hat dazu in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärt: "Ich kenne das, verstehe es aber nicht".
Die Beigeladene zu 2), die keinen Antrag gestellt hat, hat sich der Auffassung des Beklagten angeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat in der Besetzung mit je einem Vertreter der Vertragsärzte und Psychotherapeuten sowie der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Er konnte trotz des Ausbleibens eines Vertreters der Beigeladenen verhandeln und entscheiden, weil diese ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 110 Abs. 1 SGG).
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid des Beklagten vom 18.12.2008 ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubescheidung. Hierzu verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§§ 136 Abs. 3, 153 Abs. 2 SGG). Die Berufungsbegründung der Klägerin gibt keinen Anlass zu einer anderen Entscheidung. Insofern führt der Senat ergänzend aus:
Der Entscheidung des Beklagten stehen zunächst keine formale Hindernisse deshalb entgegen, weil Dr. C, der an der Sitzung vom 02.12.2008 bzw. dem Bescheid vom 18.12.2008 als Vorsitzender des Beklagten mitgewirkt hat, zugleich Mitglied der Rechtsanwaltskanzlei Dr. C und Partner ist, die den Beklagten im Berufungsverfahren vertritt. Insofern verweist der Senat auf seine Ausführungen im Verfahren der Klägerin zum Aktenzeichen L 11 KA 4/09 (Urteil vom 24.11.2010).
Der angefochtene Bescheid ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden.
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren die Richtigkeit der von dem Beklagten zugrunde gelegten Statistiken bestreitet, ist dies unerheblich. Abgesehen davon, dass (auch) dieser Vortrag, der die Beiziehungspflicht begründen soll, schon im Verwaltungsverfahren hätte erfolgen müssen (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 06.05.2009 – B 6 KA 17/08 R -), ergeben sich aus diesem pauschalen Vorbringen keine substantiierten Zweifel gegenüber dem elektronisch ermittelten Verordnungsvolumen, was Voraussetzung für weitere Ermittlungen wäre. Wie das BSG in seinem Urteil vom 27.04.2005 – B 6 KA 1/04 R – im Fall einer Prüfung nach Durchschnittswerten entschieden und in seinem Urteil vom 02.11.2005 – B 6 KA 63/04 R – für den Bereich der Richtgrößenprüfung hinsichtlich des Nachweises der vom Arzt tatsächlich veranlassten Verordnungskosten, also des beiden Prüfarten gemeinsamen Prüfungsgegenstands, bestätigt und näher ausgeführt hat, liegt der gesetzlichen Konzeption das (in § 106 Abs. 2 und Abs. 2c Satz 1 i.V.m. § 296 SGB V) für Richtgrößenprüfungen einheitlich ausgestaltete Modell einer elektronischen Erfassung, Übermittlung und arztbezogenen Zusammenfassung der veranlassten Verordnungskosten zu Grunde. Den auf diese Weise für den einzelnen Vertragsarzt erfassten Verordnungsdaten kommt die Vermutung ihrer Richtigkeit zu; sie begründen den Anscheinsbeweis für das Volumen der von ihm veranlassten Verordnungskosten. Diesen Anscheinsbeweis, den die von den Krankenkassen erfassten Verordnungsdaten begründen, hat die Klägerin nicht durch konkrete Tatsachen widerlegt oder auch nur erschüttert (vgl. zu den Folgen des Anscheinsbeweises Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 128 Rdn. 9e).
Auch ihre Forderung nach einer Einzelfallprüfung hat keinen Erfolg. Aus den dargestellten gesetzlichen Regelungen ergibt sich, dass Durchschnittswert- und Richtgrößenprüfungen der Wirtschaftlichkeit von Arzneiverordnungen auf der Grundlage der von den Krankenkassen ohne Versichertenbezug übermittelten elektronischen Daten und nicht auf der Grundlage der vollständigen Originalbelege durchzuführen sind.
Soweit die Klägerin geltend macht, der Beklagte habe zu Unrecht die Anerkennung weiterer Praxisbesonderheiten abgelehnt, geht sie in ihrer Auffassung fehl. Praxisbesonderheiten sind – nach den RgV ebenso wie nach der Rechtskonkretisierung durch die Rechtsprechung bei Durchschnittsprüfungen (vgl. Clemens in juris PK-SGB V, 1. Auflage, § 106 Rdn. 175) – aus der Zusammensetzung der Patienten herrührende Umstände, die sich auf das Behandlungsverhalten des Arztes auswirken und in den Praxen der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen sind (u.v.a. BSG, Urteil vom 21.06.1995 – 6 RKa 35/94 -). Die betroffene Praxis muss sich nach der Zusammensetzung der Patienten und hinsichtlich der schwerpunktmäßig zu behandelnden Gesundheitsstörungen vom typischen Zuschnitt einer Praxis der Vergleichsgruppe unterscheiden (u.v.a. BSG, Urteil vom 06.09.2000 – B 6 KA 24/99 R -). Dabei ist es grundsätzlich Sache des geprüften Arztes, Praxisbesonderheiten darzulegen und nachzuweisen; ihn trifft die Darlegungslast (u.v.a. BSG, Urteil vom 11.12.2002 – B 6 KA 1/02 R -). Es ist also Angelegenheit des Vertragsarztes und nicht des Beklagten, entscheidungserhebliche Umstände vorzutragen, die auf eine Abweichung von der Typik der Praxen der Fachgruppe schließen lassen. Der Vertragsarzt ist nicht nur gemäß § 21 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch allgemein gehalten, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere die ihm bekannten Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Im Rahmen der Abrechnung der vertragsärztlichen Leistungen hat er vielmehr eine entsprechende besondere Mitwirkungspflicht aus der Sache selbst, wie sie immer dann besteht, wenn ein Arzt sich auf ihm günstige Tatsachen berufen will und diese Tatsachen allein ihm bekannt oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können (u.v.a. BSG, Urteil vom 15.11.1995 – 6 RKa 58/04 – m.w.N.). Die Regelungen des § 5 Abs. 6 und 7 RGV ändern diese von der Rechtsprechung bei Durchschnittsprüfungen entwickelte Rechtskonkretisierung zu Praxisbesonderheiten im Übrigen nicht ab, sondern wiederholen diese nur bzw. erläutern diese (vgl. Clemens a.a.O.), in dem sie u.a. vorgeben:
"Andere Praxisbesonderheiten sind – soweit objektivierbar – zu berücksichtigen, wenn der Arzt nachweist, dass er der Art und der Anzahl nach besondere von der Arztgruppentypik abweichende Erkrankungen behandelt hat und hierdurch notwendige Mehrkosten entstanden. Die Anerkennung als Praxisbesonderheit ist auf die Höhe der hierdurch bedingten Mehrkosten begrenzt. Die schlüssige Darlegung dieser Praxisbesonderheiten sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach obliegt dem zu prüfenden Arzt." (§ 5 Abs. 6 RgV 2006)."
"Für vom Arzt gesehene Praxisbesonderheiten im Sinne des Absatzes 6 hat der betreffende Arzt darzulegen, aufgrund welcher besonderen, der Art und der Anzahl nach von der Typik in der Arztgruppe abweichenden Erkrankungen, er welche Arzneitherapien mit welchen (ggf. geschätzten) Mehrkosten je Behandlungsfall veranlasst hat." (§ 5 Abs. 7 Satz 3 RgV 2006)."
Die von ihr vorgelegten Listen (1.) mit jeweils Patientennamen, Alter und Krankenkasse bzw. (2.) mit Patientennamen, Alter und Diagnose genügen dem nicht ansatzweise. Zudem ist die Klägerin gehalten, ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren zu substantiieren. Der Vortrag im Klageverfahren, ihre Praxis unterscheide sich durch Altersstruktur, Multimorbidität der Patienten und medizinisch indizierte Verordnungsnotwendigkeit von der Vergleichsgruppe, führt nicht weiter. Dieser Vortrag ist verspätet, denn die Klägerin hätte dies bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragen und belegen müssen. Losgelöst hiervon ist keine der von ihr vorgelegten Unterlagen geeignet, eine vom typischen Zuschnitt einer Praxis der Vergleichsgruppe abweichende Patientenstruktur und damit Verordnungsnotwendigkeit zu dokumentieren.
Eine Pflicht des Beklagten zur Beiziehung von Verordnungsdaten kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht daraus abgeleitet werden, dass der Vertragsarzt sie zur Geltendmachung von Praxisbesonderheiten zwingend benötigt. Dies trifft nicht zu, denn der Vertragsarzt kann die Besonderheiten in der Zusammensetzung und im Versorgungsbedarf seiner Patienten bereits auf der Grundlage seiner eigenen Patientendokumentation (vgl. § 57 BMV-Ä bzw. § 13 Abs. 7 EKV-Ä) geltend machen. Die Verordnungsblätter enthalten bezüglich möglicher Praxisbesonderheiten keine Informationen, die dem Arzt nicht ohnehin schon zur Verfügung stehen. Der Umstand, dass der Vertragsarzt – wie es die Klägerin geltend macht – möglicherweise kein Computerprogramm hat, welches ihr Rückschlüsse auf die Patientenstruktur mühelos ermöglicht, geht zu Lasten der Klägerin.
Die zu ihrem Vortrag ohnehin widersprüchliche Behauptung der Klägerin, aus datenschutzrechtlichen Gründen Praxisbesonderheiten nicht darlegen zu können, greift ebenso nicht. Gemäß § 298 SGB V ist im Rahmen eines Prüfverfahrens (u.a. gemäß § 106 SGB V) die versichertenbezogene Übermittlung von Angaben über ärztliche oder ärztlich verordnete Leistungen zulässig ist, soweit die Wirtschaftlichkeit oder Qualität der ärztlichen Behandlungs- oder Verordnungsweise im Einzelfall zu beurteilen ist. Diese Vorschrift erlaubt die Übermittlung (§ 67 Abs. 6 Satz 2 Nr. 3 SGB X) von konkreten Einzelangaben über Versicherte im Rahmen eines Prüfverfahrens durch die Krankenkassen, die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Vertragsärzte und stellt für den Vertragsarzt eine wirksame Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht dar (Didong in juris-PK, SGB V, 1. Auflage, § 298 Rdn. 6 m.w.N.).
Auch der Einwand der Klägerin, der Apothekenrabatt sei weder inhaltlich noch der Höhe nach nachvollziehbar, verhilft ihrer Berufung nicht zum Erfolg. Der Beklagte hat bei der Bemessung der Rückforderung zu Recht nur die tatsächliche Belastung der Krankenkassen regressiert und insofern Rabatte auf Grund von Vereinbarungen zwischen den Krankenkassen und Pharmaunternehmen (§ 130a Abs. 8 SGB V) ebenso wie Apothekenrabatte (§ 130 SGB V) und Zuzahlungen der Patienten (§ 61 SGB V) herausgerechnet (vgl. allgemein Clemens a.a.O., § 106 Rdn. 186 m.w.N.). Die RgV 2006 sah in § 6 Abs. 3 Satz 2 vor, dass von den (Brutto-)Verordnungskosten des Arztes die von den Apotheken gewährten Rabatte sowie die Zuzahlungen der Versicherten subtrahiert werden. Der von dem Beklagten zugrunde gelegte Nettokostenindex beruht auf Angaben der Krankenkassen, an deren Richtigkeit keine Zweifel bestehen. Auch die Berechnung im Einzelnen ist – nicht zuletzt aufgrund der Erläuterungen des Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung – nachvollziehbar und in sich schlüssig. Soweit die Klägerin insofern vorträgt, die Erläuterungen der KV Nordrhein in KVNo Extra 2007 "Arznei- und Heilmittelregresse" seien ihr bekannt, sie würde es aber nicht verstehen, geht dies zu ihren Lasten. Allgemein ist davon auszugehen, dass es sich bei den Vertragsärzten um einen sachkundigen Personenkreis handelt, der mit den Abrechnungs- und Regressvoraussetzungen vertraut ist. Wenn ein Vertragsarzt – wie hier die Klägerin – vorgibt, diesbezüglich Verständnisprobleme zu haben, gehört es zu dessen Pflichten, sich entsprechende Kenntnisse zu verschaffen (vgl. BSG, Urteil vom 09.12.2004 – B 6 KA 84/03 R -).
Die Regressierung war auch schließlich nicht deshalb unzulässig, weil die Klägerin vorher nicht über die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots beraten worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG kann der Vorschrift des § 106 Abs.5 Satz 2 SGB V nicht entnommen werden, dass Honorarkürzungen erst nach vorheriger gezielter Beratung erfolgen können (Urteile vom 18.06.1997 – 6 RKa 95/96, vom 05.11.2008 – B 6 KA 63/07 R – sowie vom 06.05.2009 – B 6 KA 3/08 R – jeweils m.w.N.). Das Erfordernis vorgängiger Beratung stellt gemäß § 106 Abs. 5 Satz 2 SGB V nur eine "Soll"-Vorgabe dar. Dazu ist von der Rechtsprechung bereits klargestellt worden, dass entsprechend dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung der Vorrang einer Beratung nicht für den Fall von – wie hier vorliegender – unzweifelhafter Unwirtschaftlichkeit gilt (vgl. BSG, Urteile vom 18.08.2010 – B 6 KA 14/09 R – und vom 05.11.2008 – B 6 KA 63/07 R -).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. §§ 154 ff. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach trägt die Klägerin die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Erstellt am: 24.07.2012
Zuletzt verändert am: 24.07.2012