Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 13.12.2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Antragspflichtversicherung ab dem 25.10.2008 durchzuführen ist. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung ab dem 01.10.2008 hat.
Der Kläger ist seit dem 15.11.2007 als Leiter Produktionsentwicklung – Geschäftsfeld Getreideernte – bei der Firma D GmbH beschäftigt. Seit dem 01.10.2008 bis voraussichtlich zum 30.09.2012 ist er auf der Grundlage eines Entsendungsvertrages vom 30.09.2008 für deren Tochtergesellschaft D1 in L/Russland tätig.
Am 07.07.2009 ging bei der Beklagten ein Schreiben einer Mitarbeiterin der Firma D, der Zeugin S, vom 03.07.2009 ein. Darin wird unter Bezugnahme auf Anträge auf freiwillige Weiterversicherung des Klägers in der Arbeitslosenversicherung von Oktober und Dezember 2008 nach dem Sachstand gefragt. Beigefügt war eine vom Kläger unterzeichnete – undatierte – Vollmacht für die Firma D2 mbH, wonach dieser der Bescheid über die freiwillige Arbeitslosenversicherung direkt zugestellt werden solle. Weiterhin beigefügt waren Ablichtungen des – undatierten – Antrags auf freiwillige Weiterversicherung ab 01.10.2008, eines Schreibens der Zeugin S vom 23.10.2008 sowie eines weiteren Schreibens der Zeugin vom 19.12.2008, mit dem eine Arbeitsbescheinigung bezüglich des früheren Beschäftigungsverhältnisses des Klägers bei der G-Gesellschaft übermittelt wurde. Unter dem 16.07.2009 teilte die Beklagte der Firma D mit, dass "mit Schreiben vom 23.10.2008 die freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung für den Kläger beantragt" worden sei. Leider seien der Antrag und das Schreiben vom 19.12.2008 mit der beigefügten Arbeitsbescheinigung nicht eingegangen. Um über den Antrag auf freiwillige Weiterversicherung entscheiden zu können, wurde die Firma D gebeten, eine Kopie des Arbeitsvertrages für die Arbeitsaufnahme ab 01.10.2008 vorzulegen. Mit Schreiben vom 20.07.2009 übermittelte die Firma D den Entsendungsvertrag.
Mit Bescheid vom 30.09.2009, der dem Kläger zugestellt wurde, lehnte die Beklagte den Antrag auf freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung mit der Begründung ab, der Antrag sei nicht innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung, die zur freiwilligen Weiterversicherung berechtige, gestellt worden. Hiergegen legte der Kläger am 26.10.2009 Widerspruch ein und ließ mit anwaltlichem Schreiben zur Begründung ausführen, der Antrag sei fristgerecht eingereicht worden. Sämtliche Indizien sprächen dafür, dass das Schreiben der Firma D vom 23.10.2008 bei der Beklagten eingegangen sein müsse. Die Zeugin S habe in Kenntnis der Einmonatsfrist das Schreiben vom 23.10.2008 ordnungsgemäß in den Postlauf des Unternehmens gegeben. Anträge des Klägers auf Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für Arbeitnehmer im Ausland und auf Auslandsversicherung seien von der Deutschen Rentenversicherung Bund und von der Maschinen- und Metall-Berufsgenossenschaft ordnungsgemäß bearbeitet worden. Der im einzelnen geschilderte Postabholungs- und Auslieferungsprozess bei der Firma D sei schematisiert und lasse keinen Raum für Fehler. Die Firma D habe sich in der Sache im Übrigen mit Schreiben vom 19.12.2008 erneut an die Beklagte gewandt. Die Zeugin S habe außerdem mit E-Mail vom 29.01.2009 nach dem Sachstand gefragt. Jedenfalls sei dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.2009 (Bl. 80 VA) als unbegründet zurück. In den Gründen der Entscheidung führte sie aus, ein Antragseingang innerhalb eines Monats nach Beginn der Auslandsbeschäftigung sei nicht feststellbar. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht möglich, weil es sich bei der Monatsfrist des § 28a des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III) um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist handele.
Mit der am 04.01.2010 zum Sozialgericht Münster erhobenen Klage hat der Kläger seinen Anspruch weiterverfolgt.
Zur Begründung hat der Kläger vortragen lassen, er habe seiner Arbeitgeberin unter dem 19.09.2008 eine Zustellungsvollmacht erteilt. Mit der Firma D sei vereinbart gewesen, dass sie für ihn auch den Antrag auf freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung stellen solle. Der Antrag sei innerhalb der gesetzlichen Frist gestellt worden. Die Beklagte habe spätestens mit ihrem Schreiben vom 16.07.2009 den Anspruch formell und materiell anerkannt. § 28 a Abs. 1 SGB III beinhalte im Übrigen keine materielle Ausschlussfrist. Dies habe zur Folge, dass ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei. Der Wiedereinsetzungsantrag sei im Schreiben der Firma D vom 03.07.2009, in der E-Mail der Zeugin S vom 29.01.2009 sowie im Schreiben der Zeugin vom 20.07.2009 zu sehen. Hilfsweise sei davon auszugehen, dass die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags zu einem früheren Zeitpunkt nicht möglich gewesen sei.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.09.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2009 zu verurteilen, ihn auf seinen Antrag vom 23.10.2008 hin in der Arbeitslosenversicherung freiwillig zu versichern.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, der Kläger habe nicht den Beweis führen können, dass der Antrag auf freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung fristgerecht gestellt worden sei. Das Übermittlungsrisiko trage der Kläger. Nicht entscheidungserheblich sei, dass zunächst nicht erkannt worden sei, dass die Antragsfrist nicht eingehalten worden sei. Die Regelung des § 28 a SGB III beinhalte – wovon auch der Gesetzgeber ausgegangen sei – eine Ausschlussfrist. Ausnahmen von einer AntragsteIlung innerhalb der Frist könnten grundsätzlich nicht gemacht werden.
Das Sozialgericht hat zur Frage der AntragsteIlung auf freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin S. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 17.06.2011.
Mit Urteil vom 13.12.2011 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 30.09.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2009 verurteilt, den Kläger auf seinen Antrag vom 23.10.2008 hin in der Arbeitslosenversicherung freiwillig zu versichern.
Nach § 28a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB III in der hier maßgeblichen Fassung vom 28.05.2008 (BGBl. I S. 874) könnten Personen auf Antrag ein Versicherungspflichtverhältnis begründen, die eine Beschäftigung mit einem Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich in einem Staat, in dem die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 nicht anzuwenden sei, aufnehmen und ausüben. Der Kläger erfülle – wie die Beklagte einräume – die in § 28a Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 1 bis 3 SGB III geregelten Voraussetzungen für die Versicherungspflicht. Mit der AntragsteIlung am 07.07.2009 habe der Kläger allerdings die in § 28a Abs. 1 S. 3 SGB III geregelte Antragsfrist von einem Monat nach Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung, die zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt, versäumt. Der Kläger habe seine Auslandsbeschäftigung am 01.10.2008 aufgenommen. Es sei nicht erwiesen, dass – wie der Kläger behaupte – ein entsprechender Antrag bereits im Oktober 2008 wirksam gestellt worden sei. Weder die Schreiben der Fa. D vom 23.10.2008 und 19.12.2008 noch die E-Mail der Zeugin S vom 29.01.2009 seien nachweislich bei der Beklagten eingegangen. Dies habe zur Konsequenz, dass die Folgen der objektiven Beweislosigkeit vom Kläger zu tragen seien, weil er aus den feststellungsbedürftigen aber nicht bewiesenen Tatsachen ein Recht herleiten wolle (unter Bezugnahme auf BSGE 7,66; BSGE 19, 52). Entgegen der Rechtsansicht des Klägers führe der Umstand, dass die Beklagte – nach Eingang des Schreibens vom 03.07.2009 – unter dem 16.07.2009 weitere Unterlagen angefordert habe, nicht dazu, dass eine fristgerechte AntragsteIlung zu unterstellen sei. Zwar sei der Beklagten das Fristversäumnis offensichtlich erst nach Fertigung des Schreibens vom 16.07.2009 bewusst geworden. Allerdings sei dem Anforderungsschreiben vom 16.07.2009 nicht zu entnehmen, dass die Beklagte erkennbar den Willen gehabt habe, gegenüber dem Kläger eine Erklärung des Inhalts abzugeben, dass die Antragsfrist gewahrt worden sei.
Gegen die Versäumung der Frist des § 28a Abs. 1 S. 3 SGB III sei dem Kläger jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht nach § 27 Abs. 5 SGB X ausgeschlossen. § 28a SGB III enthalte keine entsprechende materielle Ausschlussregelung. Für den Ausschluss von der Wiedereinsetzung reiche es nicht aus, wenn Fristen begrifflich zu den sog. Ausschlussfristen zählten (unter Bezugnahme auf Timme in Hauck-Noftz, § 28 a SGB III RdNr. 34), wobei hier zu berücksichtigen sei, dass § 28a Abs. 3 SGB III nicht einmal den Begriff der Ausschlussfrist verwende, der sich in anderen gesetzlichen Regelungen wiederfinde (vgl. etwa § 325 Abs. 4 SGB III i.d.F. bis 03.10.2006). Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sei vielmehr zu fordern, dass der Gesetzgeber – sofern er den Ausschluss einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für geboten halte – eine entsprechende ausdrückliche Regelung treffe. Fehle indessen – wie im Fall des § 28a SGB III – eine solche Regelung, müsse im Wege der Auslegung ermittelt werden, ob für die betreffende Bestimmung eine Wiedereinsetzung ausgeschlossen sei, insbesondere sei nach dem Zweck der Regelung und der Bewertung der widerstreitenden Interessen durch den Gesetzgeber zu fragen (unter Bezugnahme auf Schlegel in Eicher/Schlegel, § 28 a SGB III RdNr. 71). Für die strukturell vergleichbare Vorschrift zur Erklärung des Beitritts zur freiwilligen Versicherung gemäß § 9 des 5. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) in der gesetzlichen Krankenversicherung sei bereits höchstrichterlich entschieden worden, dass eine Wiedereinsetzung nicht ausgeschlossen sei (unter Bezugnahme auf BSG SozR 1300 § 27 Nr. 4). Aus dem Gesetzeszweck sei auch nicht abzuleiten, dass Sinn und Zweck der Regelung mit der Einhaltung der Monatsfrist stehe und falle (unter Bezugnahme auf das Hessische LSG, info also 2011 S. 25; Berchtold in KSW, § 28 a SGB III Rn 15). Insoweit sei zunächst beachtlich, dass § 28a Abs. 3 SGB III in der ab dem 01.01.2011 geltenden Fassung nunmehr eine Frist von drei Monaten zur AntragsteIlung einräume. Im Übrigen lasse auch § 434 j Abs. 2 SGB III eine deutlich längere Frist zu. Der Umstand, dass in der Begründung zum Entwurf eines Gesetzes für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt – Beschäftigungschancengesetz (BT-Drucks. 17/1945 § 14 zu § 28 a Abs. 3) ausgeführt werde, bei der – auf drei Monate ausgedehnten – Antragsfrist handele es sich "weiterhin" um eine Ausschlussfrist, rechtfertige nach Auffassung der Kammer keine abweichende Beurteilung.
Der Kläger sei auch unverschuldet verhindert gewesen, die gesetzliche Frist einzuhalten; dies gelte auch im Hinblick darauf, dass ihm ein Verschulden seiner Vertreterin zuzurechnen sei (§ 27 Abs. 1 S. 2 SGB X). Wie der Kläger im Termin vor dem Sozialgericht am 17.06.2011 ausdrücklich angegeben habe, habe er der Firma D bereits am 19.09.2008 eine Vollmacht zur AntragsteIlung erteilt. Von einem Verschulden seiner Bevollmächtigten – insbesondere der Zeugin S – sei indessen nicht auszugehen. Die Zeugin habe hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihr – auch aufgrund entsprechender Belehrungen – bei AntragsteIlung die Monatsfrist des § 28a Abs. 1 S. 3 SGB III durchaus bekannt war. Sie habe auch die Angaben des Klägers über den systematischen Prozess der Postbearbeitung bei der Firma D bestätigt. Es könne der Zeugin nicht angelastet werden, wenn ein von ihr ordnungsgemäß in den Postlauf gegebenes Schriftstück den Adressaten tatsächlich nicht erreiche, zumal nach der Darstellung der Zeugin Organisationsmängel im Postabholungs- und Auslieferungsprozess bei der Firma D ausgeschlossen werden könnten. Im Verantwortungsbereich der Zeugin habe es allein gelegen, das zu befördernde Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß zur Post zu geben, dass es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorgängen bei normalem Lauf der Dinge den Empfänger fristgerecht erreichen könne (unter Bezugnahme auf BVerfG, Beschl. v. 25.09.2000 – 1 BvR 2104/99 RdNr. 21; Beschl. v. 29.12.2004 – 2 BvR 106/93 RdNr. 15 f.).
Die Regelung des § 27 Abs. 2 S. 1 SGB X stehe einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entgegen. Danach sei der Antrag innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Das Hindernis (Unkenntnis über die nicht rechtzeitige AntragsteIlung) sei weggefallen, als die Bevollmächtigte des Klägers durch das Schreiben der Beklagten vom 16.07.2009 Kenntnis über den nicht eingegangenen Antrag vom 23.10.2008 erhalten habe. Dieses Schreiben sei spätestens am 20.07.2009 bei der Firma D eingegangen, denn unter diesem Datum seien die von der Beklagten erbetenen weiteren Unterlagen übermittelt worden. Dies habe zur Folge, dass die Frist des § 27 Abs. 2 S. 1 SGB X Anfang August 2009 abgelaufen sei. In dem Schreiben der Firma D vom 20.07.2009 könne indessen kein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gesehen werden. Abgesehen davon, dass das Schreiben keinen förmlichen Wiedereinsetzungsantrag enthalte, habe die Bevollmächtigte des Klägers – aufgrund der von der Beklagten angekündigten Entscheidung in der Sache nach dem Eingang weiterer Unterlagen – nicht davon ausgehen können, dass ein Fristversäumnis den Anspruch des Klägers tangieren könnte. Ein Erklärungswille des Inhalts, dass neben der Vorlage der von der Beklagten angeforderten Unterlagen zugleich ein Wiedereinsetzungsantrag gestellt werden sollte, sei dem Schreiben vom 20.07.2009 nicht zu entnehmen. Gleichwohl sei der Kläger nach dem Grundsatz von Treu und Glauben so zu stellen, als sei der Wiedereinsetzungsantrag fristgerecht gestellt worden. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass eine Überschreitung der Zwei-Wochen-Frist des § 27 Abs. 2 S. 1 SGB X zulässig sei, wenn der angemessenen Berücksichtigung des Individualinteresses im Einzelfall Vorrang gegenüber dem – in gesetzlichen Fristen zum Ausdruck kommenden – Bedürfnis nach Rechtssicherheit beizumessen sei (BSG, Urt. v. 28.10.1981 – 12 RK 7/79). Von einem überwiegenden Individualinteresse des Klägers sei vorliegend auszugehen, weil ein rechtzeitiger Wiedereinsetzungsantrag offensichtlich deshalb unterblieben sei, weil die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 16.07.2009 mit der Anforderung einer Kopie des Arbeitsvertrages deutlich gemacht habe, dass eine inhaltliche Entscheidung über den Antrag auf freiwillige Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung ergehen solle. Erstmals mit dem Ablehnungsbescheid vom 30.09.2009 habe die Beklagte deutlich gemacht, dass die Ausschlussfrist aus ihrer Sicht versäumt gewesen sei. Zwar habe der Kläger erst in der Widerspruchsbegründung, die am 20.11.2009 bei der Beklagten eingegangen sei, – vorsorglich – ein Wiedereinsetzungsbegehren geäußert. Gleichwohl sei auch vor diesem Hintergrund nicht von einem Fristversäumnis auszugehen. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass der Bescheid vom 30.09.2009 – trotz der vorliegenden Zustellungsvollmacht – nicht der Firma D sondern dem Kläger, der sich zum damaligen Zeitpunkt offensichtlich in Russland aufgehalten habe, zugestellt worden sei. Der Kläger selbst habe der Rechtsbehelfsbelehrung der Beklagten nur entnehmen können, dass er Gelegenheit habe, innerhalb eines Monats Widerspruch einzulegen. Diese Frist habe er eingehalten. In Anbetracht des Umstandes, dass die ausgewiesene Zustellungsbevollmächtigte keine Möglichkeit gehabt habe, den Wiedereinsetzungsantrag innerhalb der gesetzlichen Frist zu stellen, habe sich die Beklagte – nach Treu und Glauben – nicht mit Erfolg darauf berufen können, dass die Frist des § 27 Abs. 2 S. 1 SGB X versäumt worden sei. Weil die versäumte Handlung auch innerhalb der Antragsfrist nachgeholt worden sei (§ 27 Abs. 2 S. 3 SGB X), sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und die Beklagte zur freiwilligen Weiterversicherung des Klägers in der Arbeitslosenversicherung zu verpflichten.
Gegen das ihr am 02.01.2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.01.2012 Berufung eingelegt.
Zur Begründung führt die Beklagte aus, sie halte an ihrer Rechtsansicht fest, dass es sich bei § 28a Abs. 1 Satz 3 SGB III um eine gesetzliche Ausschlussfrist handele. Ein Hinweis darauf, wie der Gesetzgeber die Bestimmung verstanden wissen wolle, finde sich in den bereits vom Sozialgericht zitierten Gesetzesmaterialien zu der ab dem 01.01.2011 geltenden Fassung von § 28a Abs. 3 SGB III. Dort werde nämlich ausgeführt, es handele sich "weiterhin um eine Ausschlussfrist". In Hinblick auf diese Aussage der Gesetzesmaterialien sei die Entscheidung des Bundessozialgerichts, Az. 12 RK 22/87, zur Auslegung der entsprechenden Frist zur freiwilligen Weiterversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung, auf § 28a SGB III nicht übertragbar. Zudem sei zu berücksichtigen, dass es seit jeher eine der gesetzlichen Krankenversicherung immanente Option des Versicherten gewesen sei, sich dort freiwillig weiterzuversichern, während die Regelung zur freiwilligen Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung erst seit 2006 in Kraft sei. Hier sei durchaus nachvollziehbar, dass der Gesetzgeber bewusst eine Ausschlussfristenregelung gewählt habe, z.B. um Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Arbeitsverwaltung zu entlasten. Zudem könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden, dass die Bearbeitung des Antrages durch die Zeugin und die anschließende Weiterleitung der Post durch die hierfür zuständigen Mitarbeiter der Firma D automatisiert richtig gelaufen sei. Auch und gerade in einem routinierten und standardisierten Verfahren könnten Fehler auftreten. Bei Würdigung der Aussage der Zeugin sei auch zu berücksichtigen, dass diese die volle Verantwortung für die ordnungsgemäße Abwicklung der Angelegenheit zu tragen gehabt habe. Das Sozialgericht habe zutreffend herausgearbeitet, dass kein fristgerechter Wiedereinsetzungsantrag gestellt worden sei. Entgegen der Entscheidung des Sozialgerichts sei der Kläger auch nicht nach Treu und Glauben so zu stellen, als wenn dies rechtzeitig erfolgt sei. Eine Sachstandsanfrage sei kein Wiedereinsetzungsantrag, gleiches gelte für die Vorlage von Unterlagen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 13.12.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger ist der Auffassung, dass die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung keine neue Bewertung der aus seiner Sicht zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts rechtfertigen könnten. Insbesondere trage die Beklagte nichts vor, was eine Neubewertung der Aussage der Zeugin S rechtfertigen könne. Die im Wege der Suggestion angedeuteten Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin seien durch keinen einzigen realen Anhaltspunkt gerechtfertigt.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 21.06.2012 haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, für den Fall einer Verurteilung der Beklagten den 25.10.2008 als Tag des Antragseingangs bei dieser anzusehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.
1. Das Sozialgericht hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.09.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2009 zu Recht verurteilt, den Kläger auf seinen Antrag in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung freiwillig zu versichern. Der Kläger erfüllt die in § 28a SGB III (in der vom 01.07.2008 bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung) niedergelegten gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche freiwillige Versicherung auf Antrag.
a) Wie bereits das Sozialgericht zu Recht festgestellt hat und im Übrigen zwischen den Beteiligten unstreitig ist, liegen die in § 28a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 Nr. 1-3 SGB III genannten Voraussetzungen bei dem Kläger für den Zeitraum seiner Tätigkeit für die D1 in L/Russland vom 01.10.2008 an vor.
b) Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dem Anspruch des Klägers auf freiwillige (Weiter-)Versicherung auch nicht § 28a Abs. 1 Satz 3 in der hier maßgeblichen Fassung entgegen, wonach der Antrag auf freiwillige Versicherung spätestens innerhalb von einem Monat nach Aufnahme der Tätigkeit oder Beschäftigung, die zur freiwilligen Weiterversicherung berechtigt, gestellt werden muss. Zwar hat der Kläger die vorgenannte Monatsfrist nicht eingehalten. Der Kläger hat seine Tätigkeit in L zum 01.10.2008 begonnen. Die Monatsfrist begann somit gem. §§ 26 Abs. 1 SGB X, 188 Abs. 2 BGB am 02.10.2008 und endete grundsätzlich gem. §§ 26 Abs. 1 SGB X, 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 01.11.2008. Da der 01.11.2008 ein Samstag war, trat gem. § 26 Abs. 3 Satz 1 SGB X der Fristablauf erst am darauffolgenden Montag, dem 03.11.2008 ein.
Es ist nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass bis zu diesem Zeitpunkt ein entsprechender Antrag des Klägers bei der Beklagten eingegangen ist. Die objektive Beweislast für den Zugang des Antrages als empfangsbedürftiger Willenserklärung trägt der Kläger. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 153 Abs. 2 SGG Bezug. Dem Kläger ist jedoch Wiedereinsetzung in die einmonatige Antragsfrist zu gewähren.
aa) § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X bestimmt, dass einer Person, die ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Da es sich bei § 28a Abs. 1 Satz 3 um eine gesetzliche Frist handelt, findet § 27 SGB X Anwendung. Dieser ist nach seinem klaren Wortlaut nicht auf verfahrensrechtliche Fristen beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf Fristen des materiellen Rechts (BSG, Urteil vom 25.10.1988, Az. 12 RK 22/87, Rn 21 bei juris; Timme in Diering/Timme/Waschull, Kommentar zum SGB X, 3. Auflage 2011, § 27 Rn 5). Dies zeigt insbesondere ein Vergleich mit § 67 Abs. 1 SGG, der eine Wiedereinsetzung allein in "gesetzliche Verfahrensfristen" erlaubt und entspricht im Übrigen dem mit Einführung des § 27 SGB X verfolgten Zweck, eine einheitliche Rechtsgrundlage für den Umgang mit der Überschreitung gesetzlicher Fristen zu schaffen (BSG, a.a.O.).
bb) Der Wiedereinsetzung in die Antragsfrist gem. § 28a Abs. 1 Satz 3 SGB III steht auch nicht § 27 Abs. 5 SGB X entgegen, wonach die Wiedereinsetzung unzulässig ist, wenn sich aus einer Rechtsvorschrift ergibt, dass sie ausgeschlossen ist. Es handelt sich insoweit systematisch um eine Ausnahme von dem in § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X statuierten Grundsatz, dass eine Wiedereinsetzung in gesetzliche Fristen möglich ist. Als Ausnahmevorschrift ist der Ausschluss eng auszulegen, im Zweifel ist die Wiedereinsetzung zuzulassen (Bundessozialgericht, a.a.O., Rn 23 bei juris). Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung zu der Frage, ob eine Wiedereinsetzung in die Frist des § 28a Abs. 1 Satz 3 möglich ist, fehlt. Es ist deshalb – wie auch das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat – durch Auslegung zu ermitteln, ob für die Frist eine Wiedereinsetzung schlechthin ausgeschlossen ist.
Eine Auslegung des § 28a Abs. 1 Satz 3 SGB III nach seinem Wortlaut (grammatikalische Auslegung) führt insoweit nicht weiter, da die Formulierung des Gesetzestextes für die Beantwortung der Frage nach der Möglichkeit der Wiedereinsetzung keine Anhaltspunkte gibt.
Auch durch eine systematische Auslegung unter Berücksichtigung des Zusammenhanges der Norm lassen sich keine Hinweise auf einen Ausschluss der Wiedereinsetzung ermitteln. Insbesondere können solche nicht aus dem Zusammenhang mit § 28a Abs. 2 Satz 1 SGB III entnommen werden. Nach dieser Bestimmung beginnt das Versicherungspflichtverhältnis mit dem Tag des Eingangs des Antrags bei der Agentur für Arbeit, frühestens jedoch mit dem Tag, an dem erstmals die nach Absatz 1 Satz 1 geforderten Voraussetzungen erfüllt sind. Aus der unmittelbaren Verknüpfung zwischen Antragseingang und Versicherungsbeginn lässt sich nicht der Schluss ziehen, dass eine Wiedereinsetzung nicht möglich sei. Hieraus folgt allein, dass der Antrag in zweifacher Hinsicht von materiell-rechtlicher Bedeutung ist, nämlich zum einen für die Frage, ob überhaupt ein Anspruch auf freiwillige Versicherung besteht, und zum anderen für die Frage, ab wann dies der Fall ist. Das Bundessozialgericht hat mit der bereits oben zitierten Entscheidung vom 25.10.1988 die Frage, ob eine Wiedereinsetzung in die Frist zum freiwilligen Beitritt in die gesetzliche Krankenversicherung gem. § 176c Reichsversicherungsordnung (RVO) möglich ist, bejaht. Für diesen Fall der freiwilligen Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Versicherung galt gem. § 310 Abs. 1 Satz 1 RVO, dass die Mitgliedschaft Versicherungsberechtigter mit dem Tag ihres Beitritts zur Kasse begann. Auch in der vom Bundessozialgericht entschiedenen Konstellation hatte der Antrag somit eine über die reine Anspruchswahrung hinausgehende Funktion.
Eine Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Norm (teleologische Auslegung) führt ebenfalls nicht zu dem Ergebnis, dass eine Wiedereinsetzung in die Frist des § 28a Abs. 1 Satz 3 SGB III generell ausgeschlossen wäre. In Abgrenzung zur historischen Auslegung (siehe unten) können insoweit nur solche Zweckbestimmungen Berücksichtigung finden, die im Gesetz selbst objektiv Niederschlag gefunden haben (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 333). Das Bundessozialgericht verlangt für die Ableitung eines Ausschlusses der Wiedereinsetzung aus dem Sinn und Zweck der Norm, dass die gesetzliche Regelung "mit der Frist steht und fällt" (BSG, Urteil vom 23.01.2008, Az. B 10 EG 6/07 R). Eine solche enge Verknüpfung zwischen der durch § 28a SGB III vom Gesetzgeber eingeräumten Möglichkeit einer freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und der Monatsfrist ist – in Übereinstimmung mit dem Sozialgericht – nicht zu erkennen. Dies folgt schon daraus, dass ein Antrag auf freiwillige Versicherung nach der Übergangsbestimmung in § 434j Abs. 2 SGB III auch unabhängig von der Monatsfrist möglich war, und im Übrigen auch daraus, dass der Gesetzgeber die Monatsfrist durch Gesetzesänderung zum 01.01.2011 in eine Dreimonatsfrist umgewandelt hat (§ 28a Abs. 3 Satz 1 SGB III in der seit dem 01.10.2011 geltenden Fassung), ohne dass sich das Wesen des Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag hierdurch verändert hätte.
Ein anderes Ergebnis lässt sich schließlich auch nicht aus einer historischen Auslegung ableiten. Das Versicherungspflichtverhältnis auf Antrag gem. § 28a SGB III wurde erstmals mit dem Dritten Gesetz für moderne Diensleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003 (BGBl. I, 2848) mit Wirkung zum 01.02.2006 in das SGB III eingefügt. Die Monatsfrist war seinerzeit in § 28a Abs. 2 Satz 2 SGB III unmittelbar hinter der Regelung des Beginns des Versicherungspflichtverhältnisses bestimmt. Der Wortlaut war jedoch identisch mit § 28 Abs. 1 Satz 3 SGB III in der hier maßgeblichen Fassung vom 01.07.2008 bis zum 31.12.2010. Die Fristregelung blieb inhaltlich unverändert. Auch die Motive der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Personen (kritisch zu der Frage, ob diese überhaupt ein zulässiges Auslegungskriterium darstellen, Larenz, a.a.O., S. 328) in Hinblick auf die Monatsfrist lassen sich nicht ermitteln. So enthält der Gesetzentwurf der seinerzeit die Regierungsmehrheit stellenden Fraktionen von SPD und Bündnis 90 / Die Grünen für das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BT-Drucksache 15/1515, S. 78) keine Ausführungen zu den Gründen für die Einführung der Monatsfrist. Der von der Beklagten angeführte Gesetzentwurf eines Gesetzes für bessere Beschäftigungschancen am Arbeitsmarkt – Beschäftigungschancengesetz der Bundesregierung vom 07.06.2010 (BT-Drucksache 17/1945, insbesondere S. 14) ist schon deshalb nicht geeignet, die Rechtsauffassung der Beklagten zu stützen, weil er sich auf eine nachfolgende Fassung des § 28a SGB III bezieht und die Auffassung der an der Genese des § 28a Abs. 1 Satz 3 SGB III in der hier auszulegenden Fassung beteiligen Personen nicht wiedergeben kann.
Da eine Auslegung nach den allgemein anerkannten Auslegungsmethoden somit keine Anhaltspunkte dafür liefert, dass eine Wiedereinsetzung in die Frist des § 28a Abs. 1 Satz 3 SGB III ausgeschlossen ist, bleibt es unter Berücksichtigung des oben dargelegten Regel-Ausnahme-Verhältnis in § 27 SGB X zugunsten der Zulässigkeit der Wiedereinsetzung dabei, dass eine Wiedereinsetzung im Zweifel möglich ist (im Ergebnis ebenso Landessozialgericht Hessen, Urteil vom 11.10.2010, L 9 AL 165/09; Schlegel in Eicher/Schlegel, Kommentar zum SGB III, 107. Ergänzungslieferung, November 2011, § 28a Rn 71; Timme in Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB III, 3. Lieferung 2011, § 28a Rn 34; anderer Ansicht Fuchs in Gagel, Kommentar zum SGB II und SGB III, 43. Ergänzungslieferung, Oktober 2011, § 28a Rn 11). Hierfür spricht auch der für den Bereich des Sozialrechts in § 31 SGB I normierte Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes. Danach dürfen Rechte und Pflichte in den Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuches nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt. Erfasst werden hiervon nicht allein die sozialen Rechte im Sinne der §§ 2, 11 SGB I, sondern sämtliche Rechte in den Sozialleistungsbereichen (Mrozynski, Kommentar zum SGB I, 4. Auflage 2010, § 31 Rn 14) und somit auch das Recht auf Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses auf Antrag aus § 28a SGB III.
cc) Der Kläger erfüllt zudem die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung gem. § 27 Abs. 1 SGB X. Er war ohne Verschulden gehindert, die gesetzliche Monatsfrist des § 28a Abs. 1 Satz 3 SGB III einzuhalten. An Verschulden fehlt es, wenn die Sorgfalt beachtet worden ist, die einem im Verwaltungsverfahren gewissenhaft Handelnden nach den Umständen des Einzelfalles abzufordern ist. Beweispflichtig für fehlendes Verschulden ist dabei grundsätzlich der Betroffene (Timme, a.a.O., § 27 Rn 8). Ein persönliches Verschulden des Klägers, der seine Arbeitgeberin frühzeitig mit der Bearbeitung des Antrages betraute, kann ausgeschlossen werden. Zwar ist ihm gem. § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB X auch das Verschulden seiner Vertreter zuzurechnen. Nach seiner Einlassung im Erörterungstermin vor dem Sozialgericht vom 17.06.2011 hat der Kläger die Firma D als solche und nicht allein deren Mitarbeiterin, die Zeugin S, mit der Stellung des Antrages auf Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung betraut. Die Firma D trifft jedoch ebenfalls kein Verschulden daran, dass der unter dem 23.10.2008 gefertigte Antrag auf Weiterversicherung in der Arbeitslosenversicherung der Beklagten nicht binnen der Frist zugegangen ist. Dies gilt auch und gerade unter Berücksichtigung der Aussage der vom Sozialgericht als Zeugin gehörten zuständigen Personalsachbearbeiterin, Frau S. Die Aussage ist glaubhaft und in sich schlüssig, zumal jedenfalls das weitere Schreiben der Zeugin vom 19.12.2008 an die Beklagte, mit welchem sie unter Bezugnahme auf den Antrag eine Arbeitsbescheinigung des G Instituts nachsandte, keinen Sinn gemacht hätte, wenn die Zeugin zu diesem Zeitpunkt nicht davon ausgegangen wäre, dass sie den eigentlichen Antrag rechtzeitig auf den Weg gebracht hätte. Das allgemeine Interesse der Zeugin als allein verantwortlicher Mitarbeiterin an einem ordnungsgemäßen Ablauf des Antragsverfahrens ist nicht hinreichend, um entgegen der Einschätzung des Sozialgerichts Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin aufkommen zu lassen, die eine erneute Vernehmung der Zeugin durch den Senat erforderlich machen würden. Auch an Anhaltspunkten dafür, dass die Postverteilung der Firma D im konkreten Fall entgegen dem vom Kläger dargestellten allgemein zuverlässigen Ablauf fehlerhaft gewesen wäre, fehlt es. Der Kläger hat deshalb zur Überzeugung des Senats dargelegt, dass weder ihn noch seine Vertreter ein Verschulden daran trifft, dass der Antrag bei der Beklagten nicht fristgerecht einging.
dd) Die Wiedereinsetzung des Klägers in die Antragsfrist scheitert nicht an § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB X. Danach ist der Antrag auf Wiedereinsetzung innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Hindernis in diesem Sinne ist hier die fehlende Kenntnis des Klägers und seiner Vertreter davon, dass das unter dem 23.10.2008 gefertigte Antragsschreiben bei der Beklagten nicht binnen der üblichen Postlaufzeiten eingegangen war. Es kann hier dahinstehen, wann der Kläger erstmals einen Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt hat und ob der Kläger gegebenenfalls – wie vom Sozialgericht angenommen – nach Treu und Glauben so zu stellen ist, als ob er die Zwei-Wochen-Frist eingehalten hätte. Denn sofern die versäumte Handlung innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nachgeholt wird, kann gem. § 27 Abs. 2 Satz 4 SGB X die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag (auf Wiedereinsetzung) gewährt werden, wobei sich das der Behörde eingeräumte (" kann ") Ermessen regelmäßig auf Null reduziert, wenn die Behörde die Umstände kennt, die zur unverschuldeten Fristversäumung geführt haben (Timme, a.a.O., § 27 SGB X Rn 13). Nichts anderes gilt jedoch, wenn die – tatbestandlich – versäumte Handlung bereits vor Wegfall des Hindernisses nachgeholt wird.
So verhält es sich hier. Die Zeugin S als Vertreterin des Klägers versandte bereits mit Schreiben vom 03.07.2009, bei der Beklagten eingegangen am 07.07.2009, den Antrag auf freiwillige Weiterversicherung erneut an die Beklagte. Zwar schrieb sie seinerzeit, sie lege die Kopie des Antrages nochmals zur Information der Beklagten bei. Das Schreiben kann jedoch unter Berücksichtigung des mit der Nachfrage verfolgten und für die Beklagten als Erklärungsempfängerin klar erkennbaren Interesses nicht anders verstanden werden, als dass hiermit hilfsweise für den Fall des Nichtzuganges des ursprünglichen Antrages der Antrag im Namen des Klägers erneut gestellt werden sollte. Die Zeugin S holte die versäumte Handlung somit noch vor dem Wegfall des Hindernisses nach. Denn von dem fehlenden Zugang des ersten Antrages erhielt sie erst mit dem Antwortschreiben der Beklagten vom 16.07.2009 Kenntnis. Da die Beklagte die Umstände kannte, die zur unverschuldeten Fristversäumung geführt hatten, war ihr Ermessen in Hinblick auf die Wiedereinsetzung auf Null reduziert. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Kenntnis der Beklagten von den Umständen ist der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides als letzter Behördenentscheidung, mit welcher konkludent auch über die begehrte Wiedereinsetzung entschieden wurde. Dies folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 27 Abs. 2 Satz 2, wonach es genügt, wenn die Tatsachen zur Begründung des Antrages noch im Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung glaubhaft gemacht werden. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides hatte die Beklagte bereits durch die Widerspruchsbegründung von den die unverschuldete Fristversäumnis begründenden Umständen Kenntnis erhalten.
ee) Folge der Wiedereinsetzung ist, dass der Betroffen so gestellt wird, als hätte er die fragliche Handlung fristgemäß vorgenommen (Timme, a.a.O., § 27 SGB X Rn 4). Da die fristgerechte Antragstellung nicht nur Voraussetzung für den Anspruch auf freiwillige Versicherung in der Arbeitslosenversicherung ist, sondern gem. § 28a Abs. 2 Satz 1 SGB III in der hier maßgeblichen Fassung auch den Beginn des Versicherungspflichtverhältnisses markiert, wirkt sich die mit der Wiedereinsetzung verbundene Fiktion auch auf den Beginn des Versicherungsverhältnisses aus. Andernfalls würde die mit § 27 SGB X beabsichtigte Gleichbehandlung von verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Fristen (siehe oben) teilweise unterlaufen und dem Betroffenen bliebe im Hinblick auf die versicherungsrechtlichen Auswirkungen des versicherten Zeitraumes (vgl. etwa § 123 SGB III in der vom 01.08.2009 bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung) trotz fehlenden Verschuldens eine vollständige Restitution versagt. Die Beteiligten haben sich in der mündlichen Verhandlung des Senats vom 21.06.2012 darauf geeinigt, dass im Falle der Verurteilung der Beklagten der 25.10.2008 als der Tag des Zugangs des Antrags bei der Beklagten angesehen werden soll. Das Versicherungspflichtverhältnis beginnt demnach zu diesem Zeitpunkt. Der Tenor des sozialgerichtlichen Urteils war entsprechend anzupassen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
3. Die Revision wird gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der für den Rechtsstreit entscheidungserheblichen Frage, ob eine Wiedereinsetzung in die Antragsfrist gem. § 28a SGB III möglich ist, zugelassen. Die Frage ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz und ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Zwar ist § 28a SGB III mit Wirkung zum 01.01.2011 und 01.04.2011 jeweils neu gefasst worden. Aus der Monatsfrist ist eine Dreimonatsfrist geworden. An der grundsätzlichen Problematik hat sich hierdurch jedoch nichts geändert.
Erstellt am: 08.08.2012
Zuletzt verändert am: 08.08.2012