Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 19.12.2011 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Kläger wenden sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für ihre Klage gegen die teilweise Aufhebung der Bewilligung und die Rückforderung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) wegen der Anrechnung einer Einkommenssteuererstattung auf den Bedarf der Kläger im Mai 2009.
Die Kläger sind Eheleute und bewohnten im streitigen Zeitraum eine ab dem 01.01.2004 angemietete Wohnung von 44 qm Grundfläche, für die eine Netto-Kaltmiete von 210,00 Euro, eine Betriebskostenvorauszahlung von 55,00 Euro, ein Heizkostenzuschuss von 50,00 Euro ohne Kosten der Warmwasserbereitung und 5,00 Euro für die Nutzung einer Satellitenlage zu entrichten waren.
Mit Bescheid vom 17.12.2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26.01.2009 bewilligte die Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagter) den Klägern für den Bewilligungszeitraum vom 01.01.2009 bis zum 30.06.2009 Leistungen nach dem SGB II unter Ansatz bereinigter Erwerbseinkünfte der Klägerin zu 1) i. H. v. 422,95 Euro monatlich.
Am 22.05.2009 ging bei dem Beklagten ein Einkommenssteuerbescheid betreffend die Klägerin zu 1) und das Jahr 2008 ein, wonach eine Überzahlung von 2654,24 Euro zur Erstattung anstand. Dieser Betrag wurde nach im Klageverfahren vorgelegten Kontenauszügen am 26.05.2009 auf einem Girokonto der Kläger gutgeschrieben.
Nach Abwicklung verschiedener leistungsrechtlich relevanter Veränderungen in den Verhältnissen der Kläger zu 1) und 2) und Bearbeitung mehrerer Widerspruchsverfahren griff der Beklagte die Frage der Auswirkung der Steuererstattung im Mai 2010 wieder auf und erließ – ohne vorherige Anhörung der Kläger – zwei Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 19.05.2010, mit denen die individuelle Leistungsbewilligung – aufgeschlüsselt nach Regelleistungsanteilen und Kosten der Unterkunft und Heizung – für Mai 2009 teilweise aufgehoben und von der Klägerin zu 1) 138,68 Euro von Kläger zu 2) 138,67 Euro zurückgefordert wurden.
Die Bescheide werden damit begründet, die Kläger hätten für 2008 eine Steuerrückerstattung i. H. v. 2654,27 Euro erhalten, die auf Leistungen nach dem SGB II anzurechnen seien. Die Kläger hätten nämlich Einkommen oder Vermögen erzielt, das zum Wegfall oder zur Minderung ihres Anspruches geführt habe, § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Unabhängig davon sei erkennbar gewesen, dass der zuerkannte Anspruch zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen sei, was zur Teilaufhebung nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X berechtige. Die in der Zeit vom 01.05.2009 bis 31.05.2009 gezahlten Leistungen nach dem SGB II seien daher in der genannten Höhe zu Unrecht gezahlt und nach § 50 SGB X zu erstatten.
Gegen diese Entscheidungen haben die Kläger Widersprüche eingelegt, jedoch trotz Aufforderung durch den Beklagten nicht begründet.
Mit an den Kläger zu 2) gerichtetem Widerspruchsbescheid vom 08.07.2011 und an die Klägerin zu 1) gerichtetem Widerspruchsbescheid vom 09.07.2011 wies der Beklagte die Widersprüche zurück. Er stützte seine Aufhebung nunmehr alleine auf § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X und erläuterte den Rechenweg zum jeweiligen Überzahlungsbetrag.
Gegen diese Entscheidungen haben die Kläger jeweils am 30.07.2010 Klagen erhoben, die zur gemeinsamen Entscheidung miteinander verbunden worden sind (Beschluss vom 07.09.2010).
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit dem vorliegend angefochtenen Beschluss vom 19.12.2011 abgelehnt. Entgegen der Klagebegründung liege kein Anhörungsfehler vor. Auf die weitere Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.
Gegen den am 29.12.2011 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Kläger vom 16.01.2012, mit der sie einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe schon im Hinblick auf die Komplexität der zu beantwortenden Frage einer Rechtmäßigkeit der Anhörung gegeben sehen.
Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Zutreffend hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von §§ 73a Sozialgerichtsgesetzes (SGG), 114 f. Zivilprozessordnung (ZPO) nicht gegeben ist.
Bei der im Verfahren zur Klärung eines Anspruches auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe alleine anzustellenden summarischen Prüfung sind die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden.
Unzutreffend ist die Annahme der Klägerseite, der Beklagte habe bei seiner Erstentscheidung am 02.09.2011, jedenfalls aber bei Erlass des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2011 die Handlungsfrist von einem Jahr nach §§ 48 Abs. 4 S. 1, 45 Abs. 4 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) versäumt.
Denn der 1-Jahres-Zeitraum nach § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X beginnt frühestens ab der Kenntnisnahme von solchen Tatsachen, die als tatsächliche Umstände der zu treffenden Aufhebungsentscheidung zugrunde gelegt werden (allgemeine Meinung, z.B. Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl., § 45 Rn. 81 m.w.N.).
Zu den für die zu treffende Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidung für den Monat Mai 2009 unerlässlich wissenswerten Tatsachen gehörte – dies bedarf wohl keiner weiteren Darlegung – die Kenntnis der den Klägern im Mai zugeflossenen Steuererstattung. Diese Kenntnis erlangte der Beklagte jedoch nicht schon durch den Eingang des Steuerbescheides am 22.05.2009, in dem eine Erstattung zu einem nicht feststehenden Zeitpunkt lediglich angekündigt wurde.
Positive Kenntnis erlangte der Beklagte erst durch die Mitteilung des Kontoauszuges als Anlage zum Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 19.07.2012 im Beschwerdeverfahren, hatte zu diesem Zeitpunkt jedoch längst entschieden.
In solchen Fällen beginnt nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 08.02.1996 – 13 RJ 35/94) die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X dann zu laufen, wenn die Behörde entweder objektiv eine sichere Kenntnis der Tatsachen hatte, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen, oder subjektiv von der Richtigkeit und Vollständigkeit der ihr vorliegenden Informationen überzeugt war; dies ist regelmäßig erst nach der gemäß § 24 SGB X durchgeführten Anhörung des Betroffenen der Fall (Fortführung von BSG vom 25.1.1994 – 7 RAr 14/93 = BSGE 74, 20 = SozR 3-1300 § 48 Nr. 32).
Die Handlungsfrist lief daher ab dem Zeitpunkt, zu dem der Beklagte sich zur Entscheidung in der Lage sah. Dies war am 18.09.2009 der Fall.
Allerdings hatte zu diesem Zeitpunkt, worauf die Klägerseite hingewiesen hat, eine Anhörung noch nicht stattgefunden. Auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob diese entbehrlich war, kommt es zur Überzeugung des Senats allerdings nicht an.
Denn auch eine zuvor unterlassene und nicht entbehrliche Anhörung wäre im Widerspruchsverfahren vor Ablauf der ab dem 18.09.2009 zu berechnenden Handlungsfrist von einem Jahr wirksam nachgeholt worden.
Denn den Klägern sind in den beiden Bescheiden vom 19.05.2010 die entscheidungserheblichen Tatsachen – Einkommenserzielung und entsprechender Anspruchswegfall – so unterbreitet worden, dass sie diese als solche erkennen und sich zu ihnen sachgerecht äußern konnten (vgl. zur Heilung eines Anhörungsfehlers im Widerspruchsverfahren BSG im Urteil vom 19.10.2011 – B 13 R 9/11 R, vgl. auch Urteil des Senates vom 30.01.2012 – L 19 AS 1543/11).
Hiervon haben die Kläger zwar keinen Gebrauch gemacht, sich vielmehr trotz Aufforderung des Beklagten nicht geäußert. Angesichts eines Zeitraumes von nahezu 4 Monaten zwischen Erlass der angefochtenen Bescheide und dem Fristablauf bestehen jedoch keine Zweifel, dass ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme bestanden hat.
Formfehler im übrigen sind nicht ersichtlich, insbesondere dürften die angefochtenen Bescheide unter Berücksichtigung der Zugangsfiktion nach § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X rechtzeitig wirksam geworden sein, was auch von den Klägern nicht in Frage gestellt wird.
Berechnungsfehler im Rahmen der Einkommensanrechnung sind weder gerügt worden noch ersichtlich.
Zwar hat es der Beklagte unterlassen, das in Gestalt der Steuererstattung im Mai 2008 zugeflossene Einkommen auf mehrere Monate zu verteilen. Dies führt jedoch weder zu einer teilweisen Rechtswidrigkeit der Aufhebungsbescheide noch benachteiligt es die Kläger.
Das im Mai 2009 den Klägern zur Verfügung stehende Gesamteinkommen übersteigt ihren Leistungsanspruch bei weitem und deckt den überschießenden Bedarf für mehrere Monate.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. zuletzt zum Zufluss von Mitteln aus einer Erbschaft, Urteil vom 25.01.2012 – B 14 AS 101/11 R) verlieren einmalige Einnahmen, die nicht Einkommen aus nichtselbstständiger oder selbstständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft sind, ihren Einkommenscharakter auch über den Monat des Zuflusses hinaus nicht und sind von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Die Einnahmen sind, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen (§§ 4, 2 Abs. 4 S. 1 und 3 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II vom 17.12.2007 (BGBl I, Seite 2942) in der Fassung der Änderung durch Verordnung vom 18.12.2008 (BGBl I, Seite 2780)).
Die Vorschrift zur Einkommensverteilung ist eine Rechenvorschrift, die Leistungsberechtigte vor dem Verlust ihres gesetzlichen Krankenversicherungsschutzes in Fällen bewahren soll, in denen die Einkommensanrechnung zum völligem Anspruchsverlust führt (BSG a.a.O.).
Diese Gefahr abzusehen, besteht hier konkret nicht, da die Klägerin zu 1) aufgrund ihrer abhängigen Beschäftigung gesetzlich krankenversichert und der Kläger zu 2) nach § 10 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) familienversichert ist.
Abschließend weist der Senat darauf hin, dass die Verfahrensweise des Beklagten die Kläger finanziell begünstigt , da ihr Leistungsanspruch bei Verteilung des Einkommens auf mehrere Monate in erheblich größerem Umfang entfiele und die Rückforderung bei nur teilweiser Aufhebung der Leistungsbewilligung je Monat nicht nach § 40 Abs. 2 S. 1 SGB II der vom 01.01.2009 bis 31.12.2010 geltenden Fassung (heute: § 40 Abs. 4 S. 2 SGB II) auf 44 Prozent der bei der Leistung nach § 19 S. 1 und 3 SGB 2 sowie § 28 SGB 2 berücksichtigten Kosten für Unterkunft mit Ausnahme der Kosten für Heizungs- und Warmwasserversorgung beschränkt bliebe.
Kosten des Beschwerdeverfahrens nach Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind entsprechend § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.
Dieser Beschluss ist endgültig, § 177 SGG.
Erstellt am: 09.10.2012
Zuletzt verändert am: 09.10.2012