Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 31.05.2012 geändert. Der Klägerin wird für das Klageverfahren ab dem 30.05.2012 Prozesskostenhilfe bewilligt und Frau Rechtsanwältin C, F beigeordnet. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung ihres Bevollmächtigten für ein Klageverfahren, in dem sie die Nachzahlung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) begehrt.
Die am 00.00.1991 auf dem Gebiet der heutigen Republik Serbien geborene Klägerin bezog in der Vergangenheit über Jahre gemeinsam mit ihrer Mutter, die zwischenzeitlich abgeschoben wurde, und anderen Familienangehörigen Grundleistungen nach § 3 AsylbLG. Der letzte aktenkundige Leistungsbescheid an die Klägerin datierte vom 11.02.2009 und bezog sich auf die Leistungen für den Monat Februar 2009. Im Anschluss daran erfolgten tatsächliche Auszahlungen.
Am 16.07.2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Analogleistungen gemäß § 2 AsylbLG. Diesem Antrag gab die Beklagte für die Zeit ab Antragstellung statt (Bescheid vom 21.07.2009). Mit Bescheid vom 01.09.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.2009 (bei der Klägerbevollmächtigten eingegangen am 07.12.2009) lehnte die Beklagte die rückwirkende Gewährung von Analogleistungen für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 15.07.2009 ab, weil die Klägerin keine konkreten Bedarfe genannt habe, die für die Vergangenheit noch gedeckt werden könnten.
Hiergegen erhob die Klägerin am 06.01.2010 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg. Im Laufe des Klageverfahrens gab die Beklagte zwei Teilanerkenntnisse gegenüber der Klägerin ab, in denen sie sich bereit erklärte, der Klägerin einen Teil der Differenz zwischen den Analogleistungen und den Grundleistungen für den Zeitraum vom 01.02.2009 (Tag der Volljährigkeit der Klägerin) bis zum 16.07.2009 nachzuzahlen. Für die Zeit vor dem 01.02.2009 scheitere ein Nachzahlungsanspruch der Klägerin an der Vorschrift des § 2 Abs. 3 AsylbLG. Die Mutter der Klägerin habe tatsächlich nur Grundleistungen bezogen.
Ein Klageverfahren der Mutter (S 16 AY 33/09) blieb ohne Erfolg.
Zwischenzeitlich erhielt die Klägerin von der Ausländerbehörde mit Wirkung vom 01.09.2009 eine Aufenthaltsbefugnis nach § 104a Aufenthaltsgesetz. Im Hinblick darauf schied sie aus dem Leistungsbezug nach dem AsylbLG aus und bezog in der Zeit vom 01.09.2009 bis zum 31.12.2009, vom 11.01.2010 bis zum 30.06.2010 und vom 12.07.2010 bis zum 31.08.2011 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) von dem Jobcenter P. Zum 01.09.2011 nahm sie ein Studium des Wirtschaftsingenieurwesens auf. Das Studentenwerk F bewilligte ihr im Hinblick darauf laufende Leistungen nach dem Berufsausbildungsförderungsgesetz (BAföG) i.H.v. 670,00 EUR monatlich. Ihre Unterkunftskosten belaufen sich auf 255,00 EUR monatlich.
Am 30.05.2012 hat die Klägerin eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt und einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten gestellt. Der Bezug von BAföG-Leistungen stehe dem Klageanspruch nicht entgegen, da sie nach wie vor bedürftig sei.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass der Klägerin jedenfalls kein höherer Nachzahlungsanspruch zustehe, als von ihr mit den beiden Teilanerkenntnissen eingeräumt.
Mit Beschluss vom 31.05.2012 hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, weil die Rechtsverfolgung der Klägerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in dem Urteil vom 09.06.2011 – B 8 AY 1/10 R könne ein Nachzahlungsanspruch im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) nur dann bestehen, wenn ununterbrochen Bedürftigkeit im Sinne des AsylbLG oder des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII) bzw. des SGB II vorgelegen habe. Nach dieser Entscheidung wirke auch ein nur temporäres Entfallen der Bedürftigkeit anspruchsvernichtend. Maßgeblich sei insoweit die letzte Tatsacheninstanz. Damit scheide ein Anspruch selbst dann aus, wenn zwar bei Antragstellung noch durchgehend Bedürftigkeit bestanden habe, diese aber nachfolgend vor Abschluss eines anschließenden Klageverfahrens entfallen oder unterbrochen worden sei. Um eine solche Fallgestaltung des nachträglichen Wegfalls der Bedürftigkeit gehe es hier. Die Klägerin habe im Anschluss an den streitigen Zeitraum lediglich bis zum 30.08.2011 mit möglicherweise vernachlässigungsfähigen kurzen Unterbrechungen Leistungen nach dem SGB II bezogen. Seit dem 01.09.2011 beziehe sie BAföG-Leistungen i.H.v. 670,00 EUR monatlich. Bei dieser Leistung handele sich nicht um Bedarfsleistungen nach dem AsylbLG, dem SGB XII oder dem SGB II. Die gewährten BAföG-Leistungen überstiegen auch den Höchstsatz, den die Klägerin aktuell (Regelsatz 374,00 EUR zuzüglich Miete 255,00 EUR = 629,00 EUR) nach dem AsylbLG, dem SGB XII oder dem SGB II erhalten könne.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 31.05.2012 erhobene, nicht näher begründete Beschwerde der Klägerin.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.
II.
1. Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) sind erfüllt. Danach ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ein Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin als Prozessbevollmächtigter beizuordnen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
a) Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts können der Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussichten nicht abgesprochen werden.
Eine Rechtsverfolgung hat hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Prozesskostenhilfe Begehrenden aufgrund der Sachverhaltsschilderung sowie der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 16.05.2012 – L 20 AY 29/12 B m.w.N.). Erachtet das Gericht eine Beweiserhebung von Amts wegen für geboten, so kann einer Klage eine hinreichende Aussicht auf Erfolg in der Regel nicht abgesprochen werden. Für die vollständige Bewilligung von Prozesskostenhilfe reicht es im Übrigen aus, wenn Erfolgsaussichten in der Hauptsache zumindest teilweise zu bejahen sind (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 73a Rn. 7a m.w.N.).
aa) Zunächst haben sowohl das Sozialgericht als auch die Beklagte verkannt, dass der Leistungs- bzw. Nachzahlungsanspruch der Klägerin jedenfalls vom 01.03. bis 15.07.2009 – und möglicherweise auch für eine gewisse Zeit davor mit Ausnahme des Monats Februar 2009 – nicht an § 44 SGB X zum messen ist. Denn die Leistungsbewilligungen durch tatsächliche Auszahlungen – jedenfalls – für den genannten Zeitraum waren wegen fehlender Rechtsmittelbelehrung im Zeitpunkt der Stellung des Überprüfungsantrages vom 16.07.2009, der insoweit als Widerspruch zu werten sein dürfte, noch nicht in Bestandskraft erwachsen. Hinsichtlich eines Anspruches auf Gewährung höherer Leistungen ist für die am 16.07.2009 noch nicht bestandskräftig entschiedenen Zeiträume allein maßgebend, ob die Voraussetzungen des § 2 AsylbLG vorlagen. Dies ist jedenfalls für die Zeit nach der Volljährigkeit der Klägerin zwischen den Beteiligten (bislang) unstreitig. Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerin, welches einer Gewährung von Analogleistungen insoweit entgegenstehen könnte, ergeben sich auch im Übrigen aus den Akten bisher nicht.
bb) Für die bereits bestandskräftig entschiedenen Zeiträume seit dem 01.01.2005 (insbesondere jedenfalls also den Monat Februar 2009) trägt die Begründung des Sozialgerichts ebenfalls nicht. Denn nach Auffassung des Senats ist zumindest noch grundsätzlich klärungsbedürftig, nach welchen Kriterien ein Wegfall der Bedürftigkeit im Sinne der von dem Sozialgericht in Bezug genommenen Entscheidung des BSG vom 09.06.2011 – B 8 AY 1/10 R im Einzelnen zu bestimmen ist. In Übereinstimmung mit der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts hat der Senat zwar in dem Urteil vom 24.10.2011 – L 20 AY 114/10 (allein) das jeweils einschlägige "grundsicherungsrechtliche" Leistungsregime (AsylbLG, SGB II oder SGB XII) für maßgebend gehalten, jedoch noch grundsätzlichen Klärungsbedarf gesehen, sofern weiterhin ein Anspruch auf eine bedürftigkeitsabhängige Sozialleistung bestand (dort ging es um eine Anspruchsberechtigung nach § 6a Abs. 1 Nr. 4 Bundeskindergeldgesetz 1996). Der Fall liegt hier nicht wesentlich anders, weil auch der Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG von der Bedürftigkeit der Betroffenen abhängt (vgl. § 11 Abs. 2 BAföG).
Als Besonderheit kommt bei den BAföG-Leistungen noch hinzu, dass diese nicht nur zur Deckung des allgemeinen Lebensunterhaltes, sondern (zu einem Anteil von 20%) zweckgebunden für ausbildungsspezifische Bedarfe gezahlt werden (vgl. BSG, Urteil vom 17.03.2009 – B 14 AS 63/07 R Rn. 28 ff.).
Was alternativ den Wegfall der Bedürftigkeit im Hinblick auf die Leistungsunterbrechung im Bezug von Leistungen in Form von Arbeitslosengeld II angeht, wären zumindest weitere Ermittlungen angezeigt.
cc) Da schon nach den Ausführungen unter aa und bb die Rechtsverfolgung als hinreichend aussichtsreich anzusehen ist, kommt es für die Entscheidung über die Beschwerde nicht auf die Beurteilung der Frage an, ob die Klägerin für die Zeit vor Vollendung des 18. Lebensjahres schon wegen § 2 Abs. 3 AsylbLG keinen Anspruch auf Analogleistungen haben kann.
b) Nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ist die Klägerin nicht in der Lage die Kosten der Prozessführung aufzubringen. Unter Berücksichtigung der Einkünfte von 670,00 EUR monatlich und Abzug der angegebenen Kosten der Unterkunft i.H.v. 255,00 EUR und des Betrages nach § 115 Abs. 1 S. 3 ZPO i.H.v. 411,00 EUR verbleibt ein einzusetzendes Einkommen i.H.v. 4,00 EUR, was die Gewährung ratenfreier Prozesskostenhilfe zur Folge hat.
c) Im Hinblick auf die Ausführungen unter a und b ist die Rechtsverfolgung auch nicht als mutwillig anzusehen. Die Bewilligung war jedoch auf den Zeitraum ab dem 30.05.2012 zu beschränken, weil erst an diesem Tag ein bewilligungsreifer Antrag auf Prozesskostenhilfe vorgelegen hat (zur Maßgeblichkeit des Zeitpunktes der Bewilligungsreife in Ausnahmefällen, vgl. z.B. Beschluss des Senates vom 07.08.2009 – L 20 B 55/09 AS).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
3. Gegen diese Entscheidung findet eine Beschwerde nicht statt (§ 73a SGG, § 127 Abs. 2 ZPO, § 177 SGG).
Erstellt am: 15.10.2012
Zuletzt verändert am: 15.10.2012