Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 13.03.2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der im Jahre 1982 geborene Kläger bezieht gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und dem 1996 geborenen Sohn laufend Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 28.09.2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 07.11.2011 und 29.11.2011 bewilligte der Beklagte diesen Leistungen für die Zeit vom 01.10.2011 bis zum 31.03.2012.
Am 15.07.2011 beantragte der Kläger im Rahmen einer persönlichen Vorsprache die Genehmigung einer Ortsabwesenheit zum Besuch seiner Großmutter in der Türkei. Diese Ortsabwesenheit genehmigte der Beklagte für die Zeit vom 01.08.2011 bis zum 21.08.2011. Zugleich händigte er dem Kläger eine Einladung zur Rückmeldung aus der Ortsabwesenheit für den 22.08.2011 aus. Zu diesem Termin erschien der Kläger nicht. Auch dem Termin vom 26.08.2011 aus der Folgeeinladung vom 22.08.2011 blieb er fern. In einer persönlichen Vorsprache vom 27.09.2011 gab er an, die Einladungen nicht erhalten zu haben.
Mit den Bescheiden vom 20.10.2011 sprach der Beklagte jeweils für den Zeitraum vom 01.11.2011 bis 31.01.2012 eine Minderung der Leistungen des Klägers um 10 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs aus. Gründe waren die Meldeversäumnisse vom 22.08.2011 und 26.08.2011. Der Kläger legte gegen diese Bescheide Widerspruch ein und machte im Wesentlichen geltend, dass die Einladungen keine zulässigen Meldezwecke enthalten hätten. Darüber hinaus handele es sich bezüglich des Folgebescheides nicht um selbstständig sanktionierbare Meldeversäumnisse. Der Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2012 zurück.
Der Kläger hat am 27.01.2012 Klage vor dem Sozialgericht Duisburg erhoben, soweit der Beklagte das Meldeversäumnis vom 26.08.2011 sanktioniert hat.
Das Sozialgericht Duisburg hat den mit Klageerhebung gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt M mit Beschluss vom 13.03.2011 abgelehnt und mit Gerichtsbescheid vom selben Tag die Klage abgewiesen. In den Begründungen bezog sich das Sozialgericht jeweils auf die Ausführungen in den Beschlüssen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens – S 45 AS 4609/11 ER -.
Der Kläger hat am 21.03.2012 mündliche Verhandlung beantragt und gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt. Er macht geltend, dass sich das Sozialgericht nicht hinreichend mit der Problematik mehrerer zeitlich und sachlich eng zusammenhängender Meldeversäumnisse und den daran zu knüpfenden Rechtsfolgen auseinandergesetzt habe. Diese Problematik habe er im Schriftsatz vom 05.01.2012 dargestellt, in welchem er Gegenvorstellung gegen den ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erhoben habe.
Der Beklagte verweist auf die angefochtene Entscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Vorprozessakte – S 45 AS 4609/11 ER – und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht Duisburg den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) abgelehnt.
Voraussetzung für die Gewährung von PKH ist nach § 73a Abs. 1 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) unter anderem, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Standpunkt des Antragstellers auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 73a Rz. 7a; st. Rspr. des erkennenden Senats, z.B. Beschluss vom 23.03.2010, L 6 B 141/09 AS). Der Erfolg braucht nicht sicher zu sein, muss aber nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung nicht überspannt werden. Die Prüfung der Erfolgsaussicht dient nicht dazu, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlegen und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (vgl. LSG NRW Beschluss vom 06.08.2007 – L 10 B 7/07 KA -). Das PKH-Verfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Dem genügt das Gesetz in § 114 Satz 1 ZPO, indem es die Gewährung von PKH bereits dann vorsieht, wenn nur hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss. Ein Fachgericht, das § 114 Satz 1 ZPO dahin auslegt, dass auch schwierige, noch nicht geklärte Rechtsfragen im Prozesskostenhilfeverfahren abschließend entschieden werden können, verkennt damit die Bedeutung der in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtsschutzgleichheit (so BVerfG vom 14.06.2006 – 2 BvR 626/06 -, vom 08.11.2004 – 1 BvR 2095/04 – und 04.02.2004 – 1 BvR 596/03 in NJW 2004, 1789; BSG vom 05.09.2005 – B 1 KR 9/05 BH -). Ist ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte, darf der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hingegen abgelehnt werden (vgl. BVerfG Beschluss vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88 – juris Rz. 26 – BVerfGE 81, 347). Wird eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, muss PKH nur bewilligt werden, wenn die (entscheidungsbedürftige) Rechtsfrage klärungsbedürftig ist. Klärungsbedürftig in diesem Sinn ist die Rechtsfrage nicht schon dann, wenn sie noch nicht höchstrichterlich entschieden ist. Vielmehr ist maßgeblich, ob sie im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen schwierig erscheint (vgl. BVerfG Beschluss vom 13.03.1990 – 2 BvR 94/88 – juris Rz. 29 – BVerfGE 81, 347). Ist dies der Fall muss die bedürftige Person die Möglichkeit haben, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren zu vertreten und ggf. Rechtsmittel einlegen zu können (vgl. BVerfG Beschluss vom 10.12.2001 – 1 BvR 1803/97 juris Rz. 9 – NJW-RR 2002, 793).
Nach Maßgabe dieser Kriterien sind die Voraussetzungen für die Bewilligung von PKH nicht erfüllt.
Mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl. I, S. 453) sind u.a. die Sanktionsregelungen (§§ 31 f SGB II) neu gestaltet worden. In § 32 SGB II haben die Folgen von Meldeversäumnissen nunmehr eine eigenständige Regelung erhalten. Danach mindert sich das Arbeitslosengeld II oder das Sozialgeld jeweils um 10 Prozent des für sie nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs, wenn Leistungsberechtigte trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis einer Aufforderung des zuständigen Trägers, sich bei ihm zu melden oder bei einem ärztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, nicht nachkommen (§ 32 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Ein Meldeversäumnis liegt vor, wenn sich der Leistungsberechtigte nach wirksamer Meldeaufforderung nicht zu der vom Leistungsträger bestimmten Zeit an der bezeichneten Stelle meldet. Die Meldeaufforderung muss die Angabe des Meldezwecks (vgl. Herold-Tews in Löns/Herold-Tews, Kommentar zum SGG, 3. Auflage 2011, § 32 Rz. 4) und eine schriftliche Rechtsfolgenbelehrung enthalten, welche die gesetzliche Minderungsfolge bei Nichterscheinen konkret, verständlich, richtig, vollständig und unmissverständlich bezeichnet (Berlit in LPK-SBG II, 4. Auflage 2011, § 32 Rz. 8).
Die formalen und inhaltlichen Voraussetzungen eines Meldeversäumnisses iS des § 32 SGB II liegen hier vor und werden vom Kläger auch nicht bestritten. Unzutreffend geht er davon aus, es sei die Rechtsfrage völlig ungeklärt, "ob mehrere Absenkungsbescheide wegen zeitlich eng zusammenhängender Meldeverstöße mit Absenkungen von jeweils 10 v.H. zulässig sind, wenn die jeweiligen Absenkungsbescheide zeitgleich zugestellt werden." Die Gesetzeslage ist im Sinne der von dem Beklagten getroffenen Entscheidungen eindeutig. In den Bestimmungen über Sanktionen (§§ 31 – 32 SGB II) wird gesetzestechnisch klar unterschieden zwischen den Pflichtverletzungen nach § 31 SGB II einerseits und Meldeversäumnissen nach § 32 SGB II andererseits. Ungeachtet des Umstandes, dass es sich bei Meldeversäumnissen ebenfalls um Pflichtverletzungen handeln sollte, werden die Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen nach § 31 SGB II in den §§ 31 a und § 31 b SGB II zusammengefasst, § 32 SGB II enthält ein eigenes Regelwerk für Meldeversäumnisse und nimmt in Abs. 2 nur in ausdrücklich begrenztem Umfang Bezug auf §§ 31 a und 31 b SGB II. Eine Bezugnahme/einen Verweis auf § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB II, wonach eine wiederholte Pflichtverletzung nur vorliegt, wenn bereits eine Minderung festgestellt wurde, enthält § 32 Abs. 2 SGB II nicht. In § 32 Abs. 1 SGB II ist zudem klargestellt, dass sich die Sanktionszeiträume und -beträge wegen Meldeversäumnissen überlappen können. Vor diesem Hintergrund ist auch die flankierende Regelung in § 31 a Abs. 3 Satz 1 SGB II zu sehen, auf die § 32 Abs. 2 SGB II ausdrücklich verweist. Danach besteht für den Träger bei einer Minderung um mehr als 30 Prozent des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs die Möglichkeit, ergänzende Sachleistungen oder geldwerten Leistungen in angemessenem Umfang zu gewähren. Die nach Wortlaut, Systematik und weiterem Regelungszusammenhang eindeutige Gesetzeslage entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der ausweislich der Gesetzesbegründung die bei Meldeversäumnissen schwierig anzuwendende Vorschrift der wiederholten Pflichtverletzung streichen wollte. Dass dies nach seiner Vorstellung bei mehreren in kurzen Abständen festgestellten Meldeversäumnissen zu einer Addition der Sanktionsbeträge führen kann, war ihm bewusst (vgl. BT-Drucksache 17/4304, S. 112). Die vom Kläger für seine Auffassung herangezogene Rechtsprechung betrifft noch die alte Rechtslage bzw. die Pflichtverletzungen nach § 31 SGB II. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neuregelung bestehen jedenfalls dann, wenn es sich wie hier um sog ältere Erwachsene handelt, nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 16.10.2012
Zuletzt verändert am: 16.10.2012