Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 24.09.2012 geändert. Der Antragsgegner wird als örtlicher Sozialhilfeträger im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, den Antragstellern ab dem 10.08. bis zum 30.11.2012 Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von insgesamt 674,00 EUR mtl. zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag der Antragsteller abgelehnt. Der Antragsgegner trägt die Hälfte der Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I. Die am 00.00.1972 geborene Antragstellerin zu 1) besitzt die spanische Staatsangehörigkeit. Sie war in Spanien bis 2010 als Pflegerin im Altenheim beschäftigt.
Der am 00.00.1967 geborene Antragsteller zu 2) ist der Ehemann der Antragstellerin zu 1). Er besaß die marokkanische Staatsangehörigkeit. Am 17.09.2012 wurde dem Antragsteller zu 2) ein spanischer Pass ausgestellt.
Am 18.10.2011 reisten die beiden Antragsteller in die Bundesrepublik ein. Am 24.11.2011 erteilte die Stadt F eine Bescheinigung nach § 5 FreizügG/EU, wonach die Antragstellerin zu 1) Staatsangehörige eines Mitgliedstaates des Europäischen Gemeinschaftsraumes und nach Maßgabe des Freizügigkeitsgesetzes/EU zur Einreise und zum Aufenthalt in der Bundesrepublik berechtigt ist. Dem Antragsteller zu 2) stellte die Stadt F am 22.05.2012 eine Aufenthaltskarte als Familienangehöriger einer EU-Bürgerin mit dem Zusatz "Erwerbstätigkeit gestattet" aus.
In der Zeit vom 05.01. bis 11.02.2012 übte die Antragstellerin zu 1) eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aus. Der Antragsteller zu 2) war in der Zeit vom 01.05. bis 30.06.2012 sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Die beiden Arbeitsverhältnisse wurden jeweils von den Arbeitgebern gekündigt. Durch Bescheid vom 18.05.2012 ließ das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Antragstellerin zu 1) zum Integrationskurs nach § 44 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zu. Am 30.10.2012 hat sich die Antragstellerin zu 1) für einen Integrationskurs mit Alphabetisierung bei der Volkshochschule F angemeldet. Am 31.10.2012 beantragte der Antragsteller zu 2) die Zulassung zu einem Integrationskurs nach § 44 Abs. 4 AufenthG.
Der Vermieter der Wohnung B-Straße 00, F kündigte das Mietverhältnis zum 30.06.2012 aus Eigenbedarf. Die Miete betrug 200,00 EUR mtl. Seit dem 01.07.2012 wohnen die Antragsteller in der Wohnung H-straße 00, F. Die Grundmiete beträgt 260,00 EUR mtl., die Vorauszahlung für Betriebskosten und Heizkosten jeweils 50,00 EUR mtl.
Am 15.02.2012 beantragten die Antragsteller die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Durch Bescheid vom 23.03.2012 bewilligte der Antragsgegner, die Stadt F, der Antragstellerin zu 1) Leistungen nach dem SGB für die Zeit vom 01.02. bis 30.04.2012. Durch Änderungsbescheid vom 25.06.2012 bewilligte der Antragsgegner beiden Antragstellern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.02. bis 31.07.2012.
Durch Bescheid vom 27.07.2012 lehnte der Antragsgegner die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II an die Antragsteller für die Zeit ab dem 01.08.2012 unter Berufung auf § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ab. Hiergegen legten die Antragsteller Widerspruch ein, den der Antragsgegner durch Widerspruchsbescheid vom 25.10.2012 zurückwies.
Am 10.08.2012 haben die Antragsteller beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, ihnen ab dem 01.08.2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu gewähren.
Durch Beschluss vom 24.09.2012 hat das Sozialgericht Duisburg den Antragsgegner verpflichtet, den Antragstellern vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab dem 01.08.2012 bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis zum 31.01.2013 in Höhe von jeweils 487,00 EUR monatlich zu zahlen. Auf die Gründe wird Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 28.09.2012 hat der Antragsgegner den Antragstellern Leistungen nach dem SGB II ab August 2012 in Höhe von 974,00 EUR mtl. aufgrund des laufenden Widerspruchsverfahrens und aufgrund des Beschlusses des Sozialgerichts Duisburg vom 24.09.2012 vorläufig bewilligt.
Gegen den ihm am 27.09.2012 zugestellten Beschluss hat der Antragsgegner am 04.10.2012 Beschwerde eingelegt.
II.
Die Beschwerde ist insofern begründet, als der Antragsgegner als Leistungsträger gem. § 6a SGB II zur vorläufigen Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.08.2012 an die Antragsteller im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet worden ist. Die Beschwerde ist jedoch insoweit unbegründet, als der Antragsgegner in seiner Eigenschaft als örtlicher Sozialhilfeträger im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet ist, den Antragstellern Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 27, 27a Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Höhe von 374,00 EUR mtl. für die Zeit vom 10.08. bis zum 30.11.2012 zu gewähren.
Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt nach dem SGB II an die Antragsteller für die Zeit vom 01.08.2012 in Höhe von jeweils 487,00 EUR mtl.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d. h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -).
Soweit die Antragsteller die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Wege des einstweiligen Rechtschutzes rückwirkend für den Zeitraum vom 01.08. bis zum 10.08.2012, dem Zeitpunkt der Antragstellung beim Sozialgericht, begehren, ist eine Glaubhaftmachung der Eilbedürftigkeit der gerichtlichen Regelung nicht erfolgt. In der Regel ist ein Anordnungsgrund nicht gegeben, soweit ein Antragsteller Leistungen für einen im Zeitpunkt der Antragstellung beim erstinstanzlichen Gericht, vorliegend dem 10.08.2012, bereits zurückliegenden Zeitraum begehrt (vgl. LSG NRW Beschluss vom 14.07.2010 – L 19 AS 912/10 B ER). Im einstweiligen Rechtschutzverfahren sollen nur diejenigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die zur Behebung einer aktuellen, d.h. noch gegenwärtigen Notlage erforderlich sind. Nur ausnahmsweise, wenn die Nichtgewährung der begehrten Leistung in der Vergangenheit noch in die Gegenwart fortwirkt und infolgedessen eine aktuelle Notlage besteht, kann von diesem Grundsatz eine Ausnahme gemacht werden. Gesichtspunkte, die in diesem Einzelfall ein Abweichen von diesem Grundsatz gebieten können, sind nicht ersichtlich.
Einen Anordnungsgrund hinsichtlich der Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II bzw. § 29 SGB XII haben die Antragsteller für die Zeit ab dem 01.08.2012 nicht glaubhaft gemacht. Ein solcher kann nur bejaht werden, wenn den Antragstellern schwere und unzumutbare Nachteile drohen, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr revidiert werden können. Ein Anordnungsgrund für die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II ist nicht glaubhaft gemacht, weil die Unterkunft der Antragsteller aktuell nicht gefährdet ist. Eine solche Gefährdung ist in der Regel frühestens ab Zustellung einer Räumungsklage anzunehmen. Nach Erhebung und Zustellung der Räumungsklage bleiben noch zwei Monate Zeit, den Verlust der Wohnung abzuwenden. Nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wird die auf Mietrückstände gestützte Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruches hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet (z. B. LSG NRW Beschluss vom 29.02.2012 – L 19 AS 2254/11 B ER – m.w.N.). Dies gilt auch für etwaige Ansprüche der Antragsteller auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 29 SGB XII. Soweit das Sozialgericht es für nicht zumutbar hält, dass ein Leistungsempfänger erst eine schwerwiegende Vertragsverletzung, die unter Umständen die Kündigung seines Mietverhältnisses zur Folge haben kann, begehen muss, bevor er gerichtlichen Rechtschutz in Anspruch nehmen kann, ist dem entgegenzuhalten, dass das einstweilige Rechtschutzverfahren dadurch gekennzeichnet ist, dass es nur zur Abwendung drohender schwerer und unzumutbarer Nachteile für Antragsteller dient, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr revidiert werden können. § 22 Abs. 9 SGB II enthält eine Regelung zur Sicherung der Unterkunft im Fall der Räumungsklage und ist ausreichend. Auch der Ausspruch des Sozialgerichts – vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 300,00 EUR mtl. – ist nicht geeignet, die vom Sozialgericht hervorgehobene Gefahr einer Verletzung der mietvertraglichen Pflichten zu vermeiden, da der Betrag von 300,00 EUR nur 83% der tatsächlichen Mietkosten von 360,00 EUR umfasst.
Ein Anordnungsanspruch und -grund auf Gewährung eines Regelbedarfs nach § 20 SGB II an die Antragsteller ist ebenfalls nicht glaubhaft gemacht.
Im vorliegenden Fall kann nicht abschließend geklärt werden, ob den Antragstellern ein Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab Antragstellung bei Gericht, dem 10.08.2012, zusteht.
Die Voraussetzungen für eine Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II liegen bei den Antragstellern vor. Sie haben das 15 Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II noch nicht erreicht. Ihre Erwerbsfähigkeit ist gegeben (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II). Als spanische Staatsangehörige und damit als "Alt-Unionsbürger" sind sie gemeinschaftsrechtlich freizügigkeitsberechtigt und berechtigt, ohne Arbeitserlaubnis eine Arbeit in der Bundesrepublik aufzunehmen. Soweit der Antragsteller zu 2) in der Zeit vom 10.08. bis zum 16.09.2012 noch kein Unionsbürger gewesen ist, ist ihm die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit als Familienangehöriger einer EU-Bürgerin gestattet gewesen. Dem Sachverhalt sind auch keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Krankheit, die sie an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens drei Stunden täglich hindern könnten, zu entnehmen. Nach der im einstweiligen Anordnungsverfahren möglichen Prüfungsdichte sind die Antragsteller hilfebedürftig i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II, da sie in der Zeit ab dem 10.08.2012 über kein Einkommen und Vermögen verfügt und keine Sozialleistungen bezogen haben. Sie haben auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II; vgl. hierzu BSG Urteil vom 25.01.2012 – B 14 AS 138/11 R = juris Rn 17 m.w.N.).
Jedoch ist nicht abschließend zu klären, ob der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II zu Lasten der Antragsteller eingreift. Danach sind Ausländer von den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgenommen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Nach dem Wortlaut der Vorschrift sind vorliegend die Voraussetzungen des Leistungsausschlusses erfüllt (vgl. zum Erfordernis der positiven Feststellung eines Aufenthaltsrechts allein zum Zweck der Arbeitssuche für den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II: BSG Urteil vom 25.01.2012 – B 14 AS 138/11 R = juris Rn 20). Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte ist allein das Aufenthaltsrecht der Antragsteller in der Bundesrepublik zum Zweck der Arbeitsuche nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 FreizügG/EU glaubhaft gemacht. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun der überwiegenden Wahrscheinlichkeit, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können. Es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht (vgl. zum Begriff der Glaubhaftmachung: BSG Beschluss vom 07.04.2011 – B 9 VG 15/10 B).
Ein Aufenthaltsrecht der Antragsteller nach anderen Vorschriften des Freizügigkeitsgesetzes als § 2 Abs. 1 Nr. 1 FreizügG/EU ist nicht hinreichend wahrscheinlich. Nach § 2 Abs. 1 FreizügG, das die Unionsbürgerrichtlinie RL 2004/38 EG vom 29.04.2004 in nationales Recht umsetzt, haben freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörige nach Maßgabe des FreizügG/EU ein Recht zur Einreise und zum Aufenthalt. In dem Zeitraum ab dem 10.08.2012 sind die Antragsteller weder als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU) noch haben sie eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU). Die Vorschrift des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU greift zu Gunsten der Antragstellerin zu 1) für die Zeit ab dem 12.08.2012 nicht mehr ein, da nach der unfreiwilligen Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung ihres Arbeitgebers zum 11.02.2012 mehr als sechs Monate verstrichen sind (§ 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU). Zweifelhaft ist, ob sich der Antragsteller zu 2) auf ein Aufenthaltsrecht nach § 2 FreizügG/EU berufen kann. Zwar hat er seine abhängige Beschäftigung unfreiwillig, d.h. durch eine Kündigung seines Arbeitgebers verloren und ist damit zum 01.07.2012 unfreiwillig arbeitslos i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU geworden. Es spricht auch vieles dafür, dass er trotz der Kürze des sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses – von einem Monat – Arbeitnehmer i.S.d. FreizügG/EU ist (vgl. EuGH Urteil vom 04.06.2009 – C-22/08 und C-23/08, wonach der bloße Umstand, dass eine unselbständige Tätigkeit nur von kurzer Dauer gewesen ist, nicht ausschließt, eine Arbeitnehmereigenschaft i.S.v. Art. 39 EG anzunehmen). Jedoch ist nach derzeitiger Aktenlage der Antragsteller zu 2) bei der Ausübung der Erwerbstätigkeit, die seinen Arbeitnehmerstatus i.S.v. § 2 Abs. 3 FreizügG/EU begründen kann, und beim Eintritt der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit nicht EU-Bürger gewesen. Er hat vielmehr die marokkanische Staatsangehörigkeit besessen. Ob dies aufgrund des in den Abkommen zwischen der EG und Marokko vereinbarten Diskriminierungsverbots (vgl. hierzu EuGH Urteil vom 02.03.1999 – C – 416/96) ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 3 Freizüg/EU begründen kann, ist offen. Ein Aufenthaltsrecht als nichterwerbstätige Unionsbürger nach § 4 FreizügG/EU der Antragsteller ist auch nicht gegeben, da die Antragsteller nicht über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen. Die Antragsteller können sich auch nicht auf ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU berufen. Mithin besteht nur ein Aufenthaltsrecht der Antragsteller nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU zur Arbeitssuche. Dieses Aufenthaltsrecht besteht beim Antragsteller zu 2) erst ab Erwerb der spanischen Staatsangehörigkeit, zuvor hatte er allenfalls ein Aufenthaltsrecht als Familienangehöriger einer Unionsbürgerin i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 FreizügG/EU nach § 3 FreizügG/EU inne.
Die Vereinbarkeit der Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Gemeinschaft ist aber in Rechtsprechung und Kommentierung umstritten (vgl. Beschluss des Senat vom 02.102012 – L 19 AS 1393/12 B ER mit umfänglicher Darstellung des Meinungstandes und weiteren Rechtsprechungs- und Literaturnachweisen). Der Streit besteht im Wesentlichem vor dem Hintergrund der höchstrichterlich bislang nicht entschiedenen Frage, ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II entsprechend den Vorstellungen des Gesetzgebers durch den Vorbehalt des Art. 24 Abs. 2 der RL 2004/38/EG gedeckt ist, weil es sich bei den Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II um Sozialhilfeleistungen handelt, oder ob es sich um Leistungen der sozialen Sicherheit bzw. zur Eingliederung in Arbeit handelt, die freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgern unter Verstoß gegen das Verbot der Differenzierung nach Staatsangehörigkeit und/oder das allgemeine Differenzierungsverbot vorenthalten werden. Sowohl der Europäische Gerichtshof als auch das Bundessozialgericht haben die Frage in jüngeren Entscheidungen offen gelassen (EuGH Urteil vom 04.06.2009 – C-22/08 und C-23/08 – Vatsouras/Koupatantze; BSG Urteile vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R – und vom 25.01.2012 – B 14 AS 138/11 R = juris Rn 27). Auch ist die Vereinbarkeit des Vorbehalts des Art. 24 Abs. 2 der RL 2004/38/EG mit dem Gleichbehandlungsgebot nach Art.4 der VO(EG) 883/2004, insbesondere in welchem Verhältnis die beiden Vorschriften zueinander stehen, umstritten, da es bei den Leistungen nach dem SGB II um besondere beitragsunabhängige Leistungen i.S.v. Art. 70 der VO(EG) 883/2004 handelt.
Ebenso ist umstritten, ob das EFA die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II im Fall der Antragsteller ausschließt. Zwar unterfällt die Antragstellerin zu 1) als spanische Staatsangehörige und der Antragsteller zu 2) als Familienangehöriger einer Staatsangehörigen eines EFA-Staates bzw. später als spanischer Staatsangehöriger dem EFA, da Spanien dieses Abkommen ratifiziert hat (vgl. zum Ratifizierungstand: http://conventions.coe.int/treaty/Coummun; siehe auch BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R = juris Rn 26). Auch handelt es sich bei dem SGB II um ein Fürsorgegesetz i.S.d. Europäischen Fürsorgeabkommens, so dass aufgrund der in diesem Abkommen angeordneten Gleichbehandlung von Staatsangehörigen der Vertragsstaaten mit Inländern die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auf Staatsangehörige der Vertragsstaaten keine Anwendung findet, solange seitens der Bundesrepublik kein Vorbehalt nach Art. 16 lit. b) EFA erklärt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R).
Die Bundesrepublik Deutschland hat am 19.12.2011 einen Vorbehalt zum EFA notifiziert, wonach die Regierung der Bundesrepublik Deutschland keine Verpflichtung übernimmt, die im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – in der jeweils geltenden Fassung vorgesehenen Leistungen an Staatsangehörige der übrigen Vertragsstaaten in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen zuzuwenden (vgl. Text des Vorbehalts in Englisch als Vertragssprache siehe: http://conventions.coe.int/treaty/Coummun/ListeDeclarations; Übersetzung des Vorbehalts in Geschäftsweisung SGB II Nr. 8 der Bundesagentur für Arbeit vom 23.03.2012). Mit der Notifikation des SGB II als neue Rechtsvorschrift i.S.d. EFA mit der gleichzeitigen Erklärung eines Vorbehalts nach Art. 16 lit. b) EFA bezweckt die Bundesregierung den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II hinsichtlich der Staatsangehörigen von Vertragsstaaten wiederherzustellen (vgl. Ausschussdrucksache 17(11)881 über die Unterrichtung des Ausschusses für Arbeit und Soziales durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales; vgl. auch BT-Drs. 17/9036). Die Wirksamkeit dieser Vorbehaltserklärung ist umstritten (verneinend: LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 09.05.2012 – L 19 AS 794/12 B ER – und SG Berlin Beschluss vom 25.04.2012 – S 55 AS 9238/12 -; LSG Bayern Beschluss vom 14.08.2012 – L 16 AS 568/12 B ER; bejahend LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 05.03.2012 – L 29 AS 414/12 B ER – und vom 06.08.2012 – L 5 AS 1749/12 B ER -; LSG Niedersachsen-Bremen vom 20.07.2012 – L 9 AS 563/12 B ER; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21.08.2012 – L 3 AS 250/12 B ER; SG Berlin Beschluss vom 14.05.2012 – S 124 AS 7164/12 ER -; siehe auch LSG NRW Beschluss vom 22.05.2012 – L 6 AS 412/12 B ER -; offengelassen LSG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 21.08.2012 – L 3 As 250/12 B ER; Greiser, a.a.O., Rn 53f; Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 23 Rn 36.3; vgl. auch Stellungnahme des Bundesministerium für Arbeit und Soziales in der Ausschussdrucksache 17(11) 881 und Stellungnahme des Deutschen Anwaltsvereins aus Juni 2012 zum Vorbehalt der Bundesregierung gegen die Anwendung des Europäischen Fürsorgeabkommens auf die Grundsicherung für Arbeitssuchende).
Für die Beurteilung der Wirksamkeit des erklärten Vorbehalts ist entscheidend, wie der Wortlaut des Art. 16 lit. b) EFA in der verbindlichen englischsprachigen Fassung "any new law or regulation" auszulegen ist. Denn Art. 16 lit. b. EFA regelt, dass die Vertragsstaaten dem Generalsekretär des Europarates gleichzeitig mit der Mittelung neuer Rechtsvorschriften ("any new law or regulation") ihre Vorbehalte in Bezug auf die Anwendung dieser Rechtsvorschriften auf die Staatsangehörige der anderen Vertragsstaaten notifizieren können. Ob von dem Begriff "any new law or regulation" neben neu in Kraft getretenen Gesetzen zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens auch Gesetzesnovellen oder neue Rechtsprechung zu einschlägigen Gesetzen erfasst werden, ist nicht geklärt. Zudem lassen sowohl die englische Fassung mit der Formulierung "any new law or regulation not already included in Annex I" als auch die gleichfalls verbindliche französische Version "tout réglement non encore couvert par l annexe I" Raum für eine Auslegung.
Wegen der Komplexität der Rechtslage zum einen hinsichtlich der Vereinbarkeit des Leistungsausschlusses des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht – insbesondere im Hinblick darauf, dass dem EUGH nach Art. 267 Abs. 1 AEUV die Befugnis vorbehalten ist, das europäische Primärecht auszulegen und über die Vereinbarkeit des europäischen Sekundärrechts mit dem Primärrecht zu befinden (Greiser, a.a.O. Rn 39) und mit Blick auf die Dauer von Vorlageverfahren nach Art. 267 AUEV (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10 Aufl., § 86b Rn 13,39) – sowie zum anderen hinsichtlich der Wirksamkeit der Vorbehaltserklärung der Bundesrepublik Deutschland zum EFA, insbesondere unter Berücksichtigung der völkerrechtlich maßgeblichen Auslegungsgrundsätze für völkerrechtliche Verträge, ist eine abschließende Klärung des Anspruchs der Antragsteller auf die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht möglich.
In einem solchen Fall ist aufgrund einer Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05). Die grundrechtlichen Belange der Antragsteller sind dabei umfassend in die Abwägung einzubeziehen. Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II wie auch die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII dienen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens. Diese Sicherstellung ist eine verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates, die aus dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot folgt (vgl. BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05), und sich auf alle Personen, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, im Geltungsbereich des Grundgesetzes erstreckt.
Vorliegend überwiegt das Interesse des Antragsgegners als Leistungsträger nach § 6a SGB II, keine finanziellen Aufwendungen an die Antragsteller bei ungeklärter Rechtslage aufbringen zu müssen, das Interesse der Antragsteller am Erlass einer Regelungsanordnung hinsichtlich der Leistungen nach dem SGB II. Denn während des Hauptsacheverfahrens Widerspruchsverfahren und etwaiges Klageverfahren gegen die Leistungsablehnung – kann das Existenzminimum der Antragsteller bei fortbestehender Hilfebedürftigkeit durch Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII seitens des Antragsgegners als örtlichem Sozialhilfeträger gedeckt werden. Falls der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, dessen Voraussetzungen nach dem Wortlaut vorliegen, zu Lasten der Antragsteller eingreift, sind diese weder nach § 21 SGB XII noch nach § 23 Abs. 3 SGB XII vom Bezug von Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII ausgeschlossen (vgl. LSG NRW Beschluss vom 29.06.2012 – L 19 AS 973/12 B ER; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 28.06.2012 – L 14 AS 933/12 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20.07.2012 – L 19 AS 563/12 B ER). Nach § 21 Satz 1 SGB XII erhalten Personen, die nach dem Zweiten Buch als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen greift § 21 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, der zur Systemabgrenzung zwischen dem SGB II und dem SGB XII dient (vgl. hierzu Eicher in jurisPK-SGB XII, § 21 SGB XII Rn 9f; siehe auch Hohm in Schellhorn/Jirasek/Seipp, SGB XII-Sozialhilfe, 18 Aufl., § 21 Rn 9f; Voelzke in Hauck/Noftz, SGB XII, § 21 Rn 25f), nicht zu Ungunsten der Antragsteller ein. Diese Norm findet keine Anwendung, wenn bei einem Leistungsberechtigten die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II für den Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dem Grunde nach gegeben sind, jedoch ein Leistungsausschlussgrund des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II, der den Ausschluss bestimmter Ausländer und Leistungsberechtigter nach § 1 Asylbewerberleistungsgesetz aus dem System des SGB II vorsieht, eingreift (vgl. Eicher, a.a.O., § 21 SGB XII Rn 19ff (27); Coseriu, a.a.O, § 23 Rn 36.3).
Ebenfalls findet § 23 SGB XII, der den Bezug von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII durch Ausländer sowie bestimmte Ausschlusstatbestände für Ausländer (§ 23 Abs. 3 SGB XII) regelt, vorliegend wegen der Inländergleichbehandlungsgewährleistung des EFA (vgl. hierzu BVerwG Urteil vom 18.05.2000 – 5 C 29/98 0 = juris Rn 16; BSG Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R) keine Anwendung. Art. 1 des EFA, der unmittelbares geltendes Bundesrecht ist, ordnet an, dass ein Vertragsstaat einem Staatsangehörigen eines anderen Vertragsstaats, der sich erlaubt im Gebiet eines anderen Vertragsstaates aufhält, Fürsorgeleistungen in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen wie eigenen Staatsangehörigen zu gewähren hat. Die Antragsteller sind Staatsangehörige eines Vertragsstaates des EFA. Bei dem SGB XII handelt es sich um ein Fürsorgegesetz i.S.d. EFA (siehe Coseriu, a.a.O., § 23 SGB XII Rn 53f). Einen Vorbehalt nach Art. 16 lit. b EFA hinsichtlich der Leistungen für Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel hat die Bundesrepublik nicht erklärt; der am 19.12.2011 vom Generalsekretär des Europarats veröffentlichte Vorbehalt der Bundesrepublik hinsichtlich Leistungen nach dem SGB XII bezieht sich nur auf die Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten (§§ 67-69 SGB XII). Die Antragsteller halten sich auch i.S.v. Art. 1 EFA erlaubt in der Bundesrepublik auf (vgl. BSG Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R = juris Rn 36ff). Sie verfügen zum einen über Freizügigkeitsbescheinigungen nach § 5 FreizügG/EU. Zum anderen haben sie aus Art. 45 Abs. 3 AUEV (Art. 39 EGV) ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche, da sie nach Aktenlage ernsthaft einen Arbeitsplatz suchen und ihr Bemühen nach derzeitiger Aktenlage objektiv nicht aussichtslos ist. Zwar bestehen aufgrund ihrer mangelnden Sprachkenntnisse erheblich Vermittlungsschwierigkeiten, die Antragsteller bemühen sich aber durch die Teilnahme an Integrationskursen, dieses Vermittlungshemmnis zu beseitigen. Insoweit werden sie auch in Zukunft gehalten sein, zum Nachweis ihres Aufenthaltsrechts aus Art. 45 Abs. 3 AUEV sich intensiv um eine Erwerbstätigkeit zu bemühen. Dies schließt eine Meldung bei der Arbeitsagentur für Arbeit als Arbeitssuchende sowie ein Bemühen hinsichtlich der Verbesserung der Sprachkenntnisse ein. Damit findet das EFA auf die Antragsteller Anwendung und es gilt für sie die Inländergleichbehandlungsgewährleistung des EFA. Die durch das EFA angeordnete Inländergleichbehandlung von Staatsangehörigen von Vertragsstaaten geht als lex specialis der Bestimmung des § 23 SGB XII, einschließlich der Ausschlussvorschriften des § 23 Abs. 3 SGB XII, vor (Hohm, a.a.O., § 23 Rn 29e; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl., § 23 Rn 24; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 14.01.2008 – L 8 SO 88/07 – Coseriu, a.a.O., § 23 Rn 36.3 zum Leistungsausschlussgrund des § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB XII; so anscheinend auch Bundesministerium für Arbeit und Soziales vom 25.04.2011 in der Ausschussdrucksache 17(11) 881).
Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten wird, dass der Ausschlussgrund des § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII – Einreise zum Zwecke der Erlangung der Sozialhilfe – trotz der Inländergleichbehandlungsgewährleistung des EFA Anwendung findet (Coseriu, a.a.O., Rn 34f; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, § 23 Rn 45; Greiser, a.a.O., Rn 59) ist nach Auffassung des Bundessozialgerichts kein rechtlicher Ansatzpunkt dafür erkennbar, dass das EFA nur auf diejenigen Ausländer anzuwenden ist, die sich zur Zeit des Eintritts der Hilfebedürftigkeit bereits in dem um Hilfe angegangen Staat erlaubt aufhielten und nicht auf diejenigen, die als bereits bedürftige Personen in einen Staat einreisten (BSG, Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R = juris Rn 39). Daher kann dahinstehen, ob überhaupt vorliegend die Voraussetzungen dieses Ausschlussgrundes gegeben sind. Durch die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII bis zur abschließenden Klärung der Rechtslage entstehen den Antragstellern keine längere Zeit dauernden, erheblichen Beeinträchtigungen, die nachträglich nicht mehr ausgeglichen werden können.
Der Senat hat bei der Folgenabwägung auch berücksichtigt, dass es sich bei den Leistungen nach dem SGB II und SGB XII nach dem Willen des Gesetzgebers um sich gegenseitig ausschließende Leistungen handelt. Nach der formellen Gesetzeslage sowie dem Willen des Gesetzgebers, der den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auf Unionsbürger wie auf Staatsangehörige eines EFA-Vertragsstaates anwenden will, ist die Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers für Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums bei einem Aufenthalt eines Staatsangehörigen eines EFA-Vertragsstaates allein zum Zweck der Arbeitsuche gegeben. Beim Verweis der Antragsteller auf Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII bis zur Klärung der Rechtslage im Hauptsacheverfahren werden die finanziellen Interessen des Antragsgegners als örtlicher Sozialhilfeträger durch die Bestimmungen der §§ 102 ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gewahrt. Des Weiteren steht es dem Antragsgegner als örtlichem Sozialhilfeträger offen, den erwerbsfähigen Angehörigen eines EFA-Vertragsstaates bei der Arbeitssuche zu helfen bzw. sie auf die Arbeitsvermittlung nach § 35ff Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) durch die Bundesagentur für Arbeit zu verweisen. Sobald ein solcher Angehöriger, der gleichzeitig, wie im vorliegenden Fall, Unionsbürger ist, den Status eines Arbeitnehmers i.S.d. Gemeinschaftsrechts der Europäischen Gemeinschaft erlangt hat, entfällt der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB und er unterfällt dem Regime des SGB II. Jeder Arbeitnehmer, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt – mit Ausnahme derjenigen Arbeitnehmer, deren Tätigkeit einen so geringen Umfang hat, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellt – fällt unter die Vorschriften der Freizügigkeit für Arbeitnehmer (vgl. BSG Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R = juris Rn 18 m.w.N.; EuGH Urteil vom 04.02.2010 C -14/09, Genc, wonach eine Arbeit an 6 Stunden in der Woche als Reinigungskraft bei einem monatlichen Einkommen in Höhe von 200,00 Euro einen Arbeitnehmerstatus begründen kann). Deshalb ist auch derjenige Arbeitnehmer i.S.v. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU, der nur über ein geringfügiges, das Existenzminimum nicht deckendes Einkommen verfügt.
Ein Anordnungsanspruch und -grund auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 27, 27a SGB XII in Höhe von 674,00 mtl. haben die Antragsteller für die Zeit ab Antragstellung bei Gericht, dem 10.08.2011, gegenüber dem Antragsgegner als örtlichem Sozialhilfeträger glaubhaft gemacht. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII an die Antragsteller sind vorliegend nach der im einstweiligen Rechtschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte gegeben. Die Antragsteller sind von dem Bezug von Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII nach §§ 21, 23 SGB XII bei Annahme des Eingreifens des Leistungsausschlusses des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht ausgeschlossen. Auf die obigen Ausführungen wird insofern Bezug genommen. Die Antragsteller sind hilfebedürftig, da sie ihren Lebensunterhalt nicht durch ein zu berücksichtigendes Einkommen i.S.v. § 82ff SGB XII oder durch ein anrechenbares Vermögen i.S.v. § 90ff SGB XII bestreiten können (§ 27 SGB XII). Als zuständiger örtlicher Sozialhilfeträger hat der Antragsgegner Kenntnis von der Hilfebedürftigkeit der Antragsteller nach § 18 SGB XII gehabt. Insoweit muss er die sich aus der Antragstellung und Ablehnung der Fortbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ergebende Kenntnis zurechnen lassen. Nach § 27a SGB XII ergibt der gesamte notwendige Lebensunterhalt nach Absatz 1 mit Ausnahme der Bedarfe nach dem Zweiten bis Vierten Abschnitt den monatlichen Regelbedarf. Der monatliche Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe 2, d.h. für jeweils zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die – wie im vorliegenden Fall – als Ehegatten einen gemeinsamen Haushalt führen, beläuft sich ab dem 01.01.2012 auf 337,00 EUR mtl. (Anlage 1 zu § 28 SGB XII; Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung vom 17.10.2011, BGBl. I, 2090).
Der Senat hat die vorläufige Leistungsverpflichtung des Antragsgegners auf den 30.11.2012, das Ende des Monats nach Entscheidung, beschränkt. Bei gleichbleibenden Verhältnissen geht der Senat davon aus, dass der Antragsgegner zur Vermeidung weiterer einstweiliger Rechtsschutzverfahren die Leistung vorläufig darüber hinaus gewähren wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG
Erstellt am: 19.12.2012
Zuletzt verändert am: 19.12.2012