Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 14.06.2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Im Hauptsacheverfahren (S 33 AS 1840/11) begehrt der Kläger die Aufhebung eines Sanktionsbescheides für die Monate Mai bis Juli 2011. Dabei wird inhaltlich auch um seine Berechtigung zur Nichtteilnahme an einer Wiedereingliederungsmaßnahme gestritten.
Das Sozialgericht Duisburg (SG) lehnte den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Anschluss an die Begründung des Widerspruchsbescheides unter Hinweis auf die Unzulässigkeit des Widerspruchs wegen Verfristung ab (Beschluss vom 06.07.2011). Diese Auffassung teilte das Landessozialgericht (LSG) nicht und bewilligte auf die Beschwerde des Klägers mit Beschluss vom 15.11.2011 (L 7 AS 1382/11) Prozesskostenhilfe. Das SG werde "das Klageverfahren auszusetzen haben, um dem Beklagten Gelegenheit zu geben, in eine Sachprüfung einzutreten und aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes nach medizinischer Ermittlung ( …) einen Widerspruchsbescheid zu erlassen." Dem folgend setzte die abgelehnte Richterin nach Anhörung der Beteiligten mit Beschluss vom 10.01.2012 den Rechtsstreit bis zur sachinhaltlichen Widerspruchsentscheidung aus.
Mit Schreiben vom 28.02.2012 übersandte der Beklagte dem Gericht zwei von ihm eingeholte Befundberichte mit Anlagen mit dem Hinweis, daraus ergebe sich kein wichtiger Grund für die Pflichtverletzung vom 22.03.2011. Der Klägerbevollmächtigte werde um Mitteilung gebeten, ob der Widerspruch angesichts des eindeutigen Fehlens eines wichtigen Grundes noch aufrecht erhalten werde oder ob die Beklagte und das Gericht mit noch mehr Arbeit in diesem Fall belasten werden sollten.
Daraufhin verfügte die abgelehnte Richterin am 02.04.2012 die Wiederaufnahme des Verfahrens sowie die Übersendung des Schreibens nebst Anlagen an den Klägerbevollmächtigten und forderte diesen zur Stellungnahme auf. Es werde anheimgestellt, die Klage zurückzunehmen. Auf § 192 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) werde vorsorglich hingewiesen.
Mit Schreiben vorn 10.04.2012 äußerte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten die Besorgnis der Befangenheit. Das Schreiben des Gerichts sei nicht nachvollziehbar. Das Verfahren sei durch Beschluss vom 10.01.2012 ausgesetzt, so dass nicht verständlich sei, weshalb sich das Gericht – ohne das Verfahren wieder aufgenommen zu haben – inhaltlich zu dem Ergebnis der durch die Beklagen durchgeführten Ermittlungen dergestalt äußere, dass es eine Fortführung des Verfahrens offenbar für missbräuchlich halte. Wenn das Verfahren zur Durchführung des Widerspruchsverfahrens ausgesetzt sei, obliege die Entscheidung über den Widerspruch ausschließlich der Beklagten. Das Gericht könne daher nicht durch einen Hinweis auf § 192 SGG Partei ergreifen und so das Widerspruchsverfahren beeinflussen. Es bestünden insbesondere deshalb Bedenken, weil sich das Gericht bisher inhaltlich zu dem streitgegenständlichen Bescheid noch nicht geäußert habe. Der nun vorliegende Hinweis rechtfertige die Besorgnis, dass das Gericht ohne erkennbar eine Sachprüfung vorgenommen zu haben, bereits vorfestgelegt sei, ohne überhaupt erst die Entscheidung der Beklagten im Widerspruchsverfahren abzuwarten. Die im gerichtlichen Hinweis gewählten Formulierungen "vorsorglich" bzw. "anheimgestellt" änderten daran nichts.
Die abgelehnte Richterin hat sich dahingehend geäußert, dass sie sich nicht für befangen halte.
Das SG hat mit Beschluss vom 14.06.2012 (S 24 SF 116/12) das Gesuch des Klägers auf Ablehnung von Richterin am Sozialgericht L wegen Besorgnis der Befangenheit zurückgewiesen. Wegen der Begründung wird auf den Beschluss Bezug genommen.
Mit seiner am 20.06.2012 gegen die Entscheidung eingelegten Beschwerde rügte der Kläger wiederholend, dass sich das SG bislang nicht inhaltlich zu dem streitbefangenen Bescheid geäußert habe und dann erstmals ohne jede Begründung völlig überraschend einen Hinweis verbunden mit einem Rücknahmersuchen erteilt habe. Durch dieses Vorgehen habe die Richterin den Eindruck erweckt, sie teile unabhängig vom Inhalt seines bisherigen Vorbringens die Auffassung der Beklagten, ohne sich auch nur ansatzweise mit dem streitgegenständlichen Bescheid auseinandergesetzt zu haben. Abschließend weise er darauf hin, dass zweifelhaft sei, ob sich die abgelehnte Richterin zu dem Ablehnungsgrund (ausreichend) geäußert habe. Ihre pauschale Äußerung reiche nicht aus. II.
Die Beschwerde ist statthaft und im Übrigen zulässig (nachfolgend 1.), sie ist indes unbegründet (nachfolgend 2.).
1. Die Beschwerde ist statthaft.
a) Durch Art. 8 Ziffer 4b) i. V. m. Art. 23 des Vierten Gesetz zur Änderung des Vierten Buches des Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22.12.2011 (4. Gesetz zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze) ist § 60 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (- SGG – "Über die Ablehnung entscheidet außer im Falle des § 171 das Landessozialgericht durch Beschluss.") mit Wirkung zum 01.01.2012 aufgehoben worden (BGBI I 3057). Seither ist das SG funktionell zuständig, über Befangenheitsanträge gegen Richter/innen erster Instanz zu entscheiden. Ob und inwieweit diese Entscheidung mit der Beschwerde angegriffen werden kann, ist dem Gesetz nicht mit der gebotenen Deutlichkeit zu entnehmen.
b) Zur Überzeugung des Senates ist die Beschwerde statthaft, was sich wie folgt ergibt:
aa) Nach § 46 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) findet gegen einen Beschluss, durch den das Befangenheitsgesuch für begründet erklärt wird, kein Rechtsmittel und gegen den Beschluss, durch den das Gesuch für unbegründet erklärt wird, die sofortige Beschwerde statt (hierzu § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Infolge von Art. 8 Nr. 4 Ziff. a) des 4. Gesetzes zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze wurden in § 60 Abs. 1 SGG die Wörter "§§ 41 bis 44, 45 Abs. 2 Satz, §§ 47 bis 49" durch die Angabe "§§ 41 bis 49" ersetzt. Nunmehr lautet § 60 Abs. 1 SGG: "Für die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen gelten die §§ 41 bis 49 der Zivilprozessordnung entsprechend." Demzufolge ist § 46 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO nach dem eindeutigen Wortlaut in Bezug genommen und die Beschwerde unter den genannten Voraussetzungen statthaft.
Gegenläufig bestimmt allerdings § 172 Abs. 2 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGGÄndG) vom 26.03.2008 (BGBl. I 444), dass u. a. Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen nicht mit der Beschwerde angefochten werden können. In diesem Zusammenhang heißt es im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum 4. Gesetz zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze (BR-Drs. 315/11, S. 40; BT-Drs. 17/6764, S. 27):
Da § 46 Zivilprozessordnung (ZPO) für entsprechend anwendbar erklärt wird, ist die bisher in Satz 2 enthaltene Regelung entbehrlich. § 172 Absatz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) geht als speziellere Norm dem § 46 Absatz 2 ZPO vor, so dass weiterhin Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen nicht mit der Beschwerde angefochten werden können.
Dies zugrunde gelegt hat der Gesetzgeber einerseits eine eindeutige Regelung getroffen, nämlich Statthaftigkeit der Beschwerde (§ 60 Abs. 1 SGG i. V. m. § 46 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO), andererseits steht dem § 172 Abs. 2 SGG mit dem darin formulierten Beschwerdeausschluss entgegen. Die Gesetzesbegründung (s. soeben) favorisiert § 172 Abs. 2 SGG auf der Grundlage insoweit unterstellter Gesetzesspezialität. Ob und inwieweit dies zutrifft, ist zu prüfen.
Der Senat verkennt nicht, dass die Verfasser des 4. Gesetzes zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze (wohl) die Beschwerdemöglichkeit gegen Beschlüsse, mit denen ein Befangenheitsantrag gegen Richter abgelehnt wird, abschaffen wollten. Indes vermag er sich nicht die Überzeugung davon zu verschaffen, dass diese Absicht in hinreichender Weise in der Neuregelung zum Ausdruck gekommen ist. Hierzu lässt sich der Senat von folgenden Erwägungen leiten:
Die Meinungsäußerung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Verfassungsorgane bzw. von Mitgliedern dieser Organe ist zur Kenntnis zu nehmen, sie ist indes für die Auslegung der maßgebenden Vorschriften von nachrangiger Bedeutung. Motive, die in Gesetzentwürfen zum Ausdruck kommen und die in der Regel in Ministerien formuliert werden, können nicht kurzerhand jenen Personen untergeschoben werden, die den Gesetzbeschluss gefasst haben (Zippelius, Juristische Methodenlehre, 10. Auflage, 2006, S. 24). Es kommt ferner nicht darauf an, was der Gesetzgeber regeln wollte oder meint, geregelt zu haben, sondern auf den durch das Gericht im Wege der Auslegung zu ermittelnden Inhalt des Gesetzes selbst, den "objektivierten Willen des Gesetzgebers", in dessen Bestimmung die Motive des Gesetzgebers allenfalls sekundär einfließen können (hierzu Zippelius, a.a.O., S. 21 ff.; Kramer, Juristische Methodenlehre, 2. Auflage, 2005, S. 113 ff., 152 f.; vgl. auch Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 23.09.1999 – IV R 56/98 – ; Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 20.02.1964 – 8 RV 649/62 -; Senat, Beschlüsse vom 04.05.2011 – L 11 KA 120/10 B ER – und 17.06.2009 – L 11 B 6/09 KA ER -).
Enthält sich der Gesetzgeber – wie hier – einer eindeutigen Entscheidung, ist die Normenkonkurrenz durch die Gerichte aufzulösen (vgl. auch Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 03.04.1990 – 1 BvR 1186/89 -). Hat der Gesetzgeber allerdings eine eindeutige Entscheidung (etwa pro oder contra Statthaftigkeit der Beschwerde) getroffen, darf ein Gericht dies nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder durch judikative Lösungen ersetzen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.06.2007 – 2 BvR 1447/05, 2 BvR 136/05 -). Der Richter darf sich nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen. Er muss die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren und den Willen des Gesetzgebers (auch) unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung bringen. Er hat hierbei den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung zu folgen (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.11.1997 – 1 BvR 479/92, 1 BvR 307/94 – und 26.06.1991 – 1 BvR 779/85 -). Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder – bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke – stillschweigend gebilligt wird, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 16.02.2012 – 1 BvR 127/10 – und 14.06.2007 – 2 BvR 1447/05, 2 BvR 136/05 -).
bb) Die Normenkonkurrenz ist nach Maßgabe vorgenannter Kriterien im Wege der Auslegung aufzulösen.
(1) Eine Auslegung nach Maßgabe des jeweiligen Wortlauts führt nicht weiter. Zwar erklärt § 60 Abs. 1 SGG die §§ 41 bis 49 ZPO nur für entsprechend anwendbar. Die Sinngehalt der &8243;entsprechenden Anwendbarkeit&8243; erschließt sich daraus, dass die §§ 41 bis 49 ZPO auf das zivilprozessuale Verfahren zugeschnitten sind (z.B. Parteien statt Beteiligte, sofortige Beschwerde statt Beschwerde), folglich ohnehin nicht unmittelbar angewandt werden können. Die bezogenen Vorschriften sind daher nur maßgebend, soweit nicht grundsätzliche Unterschiede der Verfahrensarten dem entgegenstehen (zu § 202 SGG: vgl. Straßfeld in Jansen, SGG, 3. Auflage, 2009, § 202 Rdnr. 1; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, 2012, § 202 Rdnr. 3). Ausgeschlossen ist damit das in § 46 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO vorgesehene Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde (hierzu § 567 Abs. 1 ZPO). Hieraus lässt sich indes nicht herleiten, dass § 46 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO nicht anzuwenden ist. Der Gesetzgeber hat das Gegenteil bestimmt. Er hat auch diese Norm in Bezug genommen und sie damit in das SGG-Verfahren einbezogen. Sie kann damit nicht gesetzwidrig hinweg interpretiert werden. Dies gilt umso mehr, als das im Gesetzgebungsverfahren federführende Bundesministerium mehrfach auf die ungelöste Normenkonkurrenz hingewiesen worden ist (s. unten) und dennoch keinen Anlass gesehen hat, die schon im Referentenentwurf (März 2011) vorgesehene Bezugnahme des § 60 Abs. 1 SGG auf §§ 41 bis §§ 49 ZPO in eine solche auf §§ 41 bis 45, 46 Abs. 1 und Abs. 2 Halbs. 1, 47 bis 49 ZPO zu ändern. Die vom Gesetzgeber angeordnete &8243;entsprechende Anwendung&8243; bedeutet sonach nur, dass statt der sofortigen Beschwerde (§ 567 Abs. 1 ZPO) der im SGG vorgesehene, vergleichbare Rechtsbehelf zum Zuge kommt; das ist die &8243;einfache&8243; Beschwerde nach § 172 Abs. 1 SGG.
(2) Die Gesetzesbegründung meint, infolge Spezialität verdränge § 172 Abs. 2 SGG die gegenläufige Regelung des § 60 Abs. 1 SGG i. V. m. § 46 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO. Das trifft nicht zu. Die sich inhaltlich widersprechenden Regelungen des § 60 Abs. 1 SGG i. V. m. § 46 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO einerseits und § 172 Abs. 2 SGG andererseits begründen einen der systematischen Interpretation zuzuordnenden Normenkonflikt, denn auf ein und denselben Sachverhalt erscheinen – isoliert betrachtet – mehrere gesetzliche Tatbestände anwendbar. In derartigen Fällen der Gesetzeskonkurrenz kann eine der Normen einen weiteren (generellen) Anwendungsbereich haben als die konkurrierende speziellere Norm. Gemeinhin wird dann das Prinzip "lex specialis derogat legi generali" vertreten. Dies könnte auf einen Vorrang des § 172 Abs. 2 SGG hindeuten (so die Gesetzesbegründung a. a. O.). Das ist indessen nicht der Fall. Die Anwendung vorgenannter Regel setzt ein Spezialitätsverhältnis voraus. Spezialität läge vor, wenn alle Sachverhalte, die unter § 172 Abs. 2 SGG subsumiert werden können, gleichzeitig auch § 60 Abs. 1 SGG i. V. m. § 46 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO zurechenbar sind, nicht aber umgekehrt (vgl. auch Senat, Beschluss vom 14.06.2010 – L 11 KR 199/10 KL – m. w. N.). Tatsächlich sind die Normen im Tatbestand deckungsgleich (negativer Beschluss des SG über ein Befangenheitsgesuch), weichen indes (nur) in der angeordneten Rechtsfolge diametral voneinander ab. Damit geht es entgegen der Gesetzesbegründung nicht um die Frage der Spezialität im Sinne vom &8243;lex specialis derogat legi generali&8243; mit der Folge, dass die Gesetzesbegründung nicht trägt.
Grundsätzlich gilt im Bereich der systematischen Auslegung, dass eine Norm im Zweifel so zu interpretieren ist, dass die konkurrierende Norm nicht obsolet wird (Kramer, a. a. O., S. 94). Ausgehend hiervon hat der Gesetzgeber mit der Bezugnahme des § 60 Abs. 1 SGG auf § 42 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO bewusst und zielgerichtet die Beschwerdemöglichkeit eröffnet. Dem die Grundlage dadurch zu entziehen, dass mittels der Gesetzesbegründung der fragwürdigen Regelung (s. unten) des § 172 Abs. 2 SGG verdrängende Wirkung beigemessen wird, verbietet sich hiernach. Mit Blick auf die zeitliche Gesetzeskonkurrenz (hierzu Kramer, a.a.O., S. 101) ist zudem maßgebend, dass jüngeres Recht widersprechendes älteres Recht aufhebt (lex posterior derogat legi priori) und nicht umgekehrt (vgl. Zippelius, a.a.O., S. 40; Kramer, a.a.O., S. 101 f.; hierzu auch Senat, Beschlüsse vom 13.04.2011 – L 11 KA 133/10 B ER, L 11 KA 17/11 B ER – und 14.06.2010 – L 11 KR 199/10 KL -). Sonach verdrängt § 60 Abs. 1 SGG i. V. m. § 42 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO die ältere Regelung des § 172 Abs. 2 SGG. Allerdings bedarf es jeweils einer genauen Analyse, ob vorgenannter Grundsatz gilt, denn möglicherweise ergibt die Auslegung, dass eine Norm einer anderen Vorschrift vorgehen oder sie aufheben soll (Zippelius, a. a. O., S. 41). Gleichermaßen denkbar ist, dass der Gesetzgeber einer fragwürdigen Regelung (hier § 172 Abs. 2 SGG) nunmehr einen realen Sinngehalt gibt und deswegen der Grundsatz &8243;lex posterior derogat legi priori&8243; nicht greift. Das führt indes nicht weiter, was sich nachfolgend ergibt.
(3) Zu fragen ist nach dem Regelungsgehalt des § 172 Abs. 2 SGG.
(a) Der Wortlaut ist eindeutig. Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Mit dem Begriff "Gerichtspersonen" werden die in § 60 Abs. 1 SGG und in §§ 41 bis 49 ZPO benannten Richter, ehrenamtlichen Richter und Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erfasst (vgl. Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg, Beschluss vom 27.04.2011 – 1 So 15/11 – m. w. N. zu § 146 Abs. 2 VwGO). Die Beschwerde ist hiernach nicht statthaft. Gleichwohl ist die Vorschrift zutreffend als unnötig (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Auflage, 2008, § 172 Rdnr. 6f) bzw. fehlsam (Zeihe, SGG, Stand 11/2010, § 172 Rdnr. 13) bezeichnet worden. § 172 Abs. 2 SGG &8243;regelte&8243; im hier interessierenden Zusammenhang allein, dass Befangenheitsbeschlüsse des LSG (§ 60 Abs. 1 Satz 2 SGG a. F.) nicht mit der Beschwerde angefochten werden konnten. Das folgt indes schon aus § 177 SGG. Damit bleibt zu klären, ob der Gesetzgeber mittels des 4. Gesetzes zur Änderungen des SGB IV und anderer Gesetze § 172 Abs. 2 SGG einen neuen und weiteren Regelungsgehalt beigemessen hat, der dazu führt, dass diese Norm die jüngere Regelung des § 60 Abs. 1 SGG i. V. m. § 46 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO entgegen dem Grundsatz des &8243;lex posterior derogat legi priori&8243; verdrängt. Da ein Spezialitätsverhältnis entgegen der in der Gesetzesbegründung vertretenen Auffassung nicht vorliegt (s. oben), bedarf es einer weitergehenden Analyse.
(b) Der Satzteil &8243;und über die Ablehnung von Gerichtspersonen&8243; ist durch Art. 29 des SGGArbGGÄndG m. W. v. 01.04.2008 in § 172 Abs. 2 SGG eingefügt worden (BGBl I 444). Mittels des SGGArbGGÄndG sollte die Sozialgerichtsbarkeit insgesamt entlastet werden, und zwar durch eine Straffung des sozialgerichtlichen Verfahrens, die es den Gerichten erlaubt, ihrer Amtsermittlungspflicht zum Einen besser nachzukommen, zum Anderen aber auch Verzögerungen des Verfahrens, die durch die Verfahrensbeteiligten selbst verursacht werden, zu sanktionieren (vgl. BT-Drs. 16/7716 S. 1). Diesem Ziel diente auch die Ausweitung der Regelungen über den Beschwerdeausschluss in § 172 SGG. Dabei sollte mit der Änderung in § 172 Abs. 2 SGG im Interesse der Vereinheitlichung der Verfahrensordnungen eine Anpassung an § 146 VwGO bewirkt werden (vgl. BT-Drs. 16/7716 S. 22 zu Nr. 29 Buchst. a)). Dort war bereits mit dem 6. VwGO-Änderungsgesetz vom 01.12.1996 (BGBl I 1626) in § 146 Abs. 2 VwGO eine der jetzigen Fassung des § 172 Abs. 2 SGG entsprechende Bestimmung über den Ausschluss der Beschwerde bei Beschlüssen über die Ablehnung von Gerichtspersonen aufgenommen worden, die wie alle Rechtsänderungen in der genannten Gesetzesnovelle der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung der seinerzeit überlasteten Verwaltungsgerichte diente (vgl. BT-Drs. 13/5098 S. 1 f.). Der Gesetzgeber hielt es nicht für sinnvoll, den Beteiligten einen Instanzenzug gegen den Beschluss, mit dem ein Ablehnungsgesuch abgelehnt wird, auch dann zu gewähren, wenn die Hauptsacheentscheidung nicht oder nur nach besonderer Zulassung anfechtbar ist; zugleich sollte den Beteiligten der Anreiz genommen werden, Ablehnungsgesuche allein zur Hinauszögerung der Hauptsacheentscheidung anzubringen (BT-Drs. 13/3993, S. 22 f.; BT-Drs. 13/5098, S. 24 f.).
(c) Die den Beschwerdeausschluss nach § 146 Abs. 2 VwGO (n.F.) tragenden Erwägungen greifen für das SGG nur schwerlich. Das SGG kennt im Gegensatz zu § 124 VwGO keine Zulassungsberufung. Somit verbleibt nur das wenig überzeugende "Anreizargument" (vgl. oben), um die § 142 Abs. 2 VwGO (n.F.) zugrundeliegenden gesetzgeberischen Erwägungen auf die Neuregelung des § 172 Abs. 2 SGG i. d. F. des SGGArbGGÄndG zu übertragen. Hinzu kommt, dass mittels § 146 Abs. 2 VwGO (n.F.) zielgerichtet das zuvor bestehende Beschwerderecht (vgl. OVG Sachsen, Beschluss vom 01.08.2000 – 1 B 58/99 -) ausgeschlossen werden sollte, mithin der Regelungsgehalt dieser Norm insoweit klar war. Für § 172 Abs. 2 SGG gilt indes Anderes. Über das Befangenheitsgesuch entschied bislang das LSG (§ 60 Abs. 1 Satz 2 SGG a. F.). Die Beschwerde konnte schon deswegen nicht ausgeschlossen werden, weil sie losgelöst von § 172 Abs. 2 nicht statthaft war (§ 177 SGG). Insoweit war die Neufassung des § 172 Abs. 2 unnötig bzw. fehlsam (s. oben). Dementsprechend war die mit der Einfügung der Worte "und über die Ablehnung von Gerichtspersonen" verfolgte Zielrichtung des SGGArbGGÄndG äußerst bescheiden; es ging nur um eine Anpassung an § 146 VwGO im Interesse der Vereinheitlichung der Verfahrensordnungen (BT-Drs. 16/7716, S. 27). Angesichts dieser gesetzgeberischen Konzeption des § 172 Abs. 2 SGG ist es wenig überzeugend, wenn der auslegungstechnisch nicht tragfähigen Meinung des "Gesetzgebers" beigetreten wird, § 172 Abs. 2 SGG verdränge die an sich gegebene Beschwerdemöglichkeit nach § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 46 Abs. 2 ZPO.
(4) Hinzu kommt: Anliegen des 4. Gesetzes zur Änderung des SGB IV und anderer Gesetze ist es zwar, die Verfahren zu beschleunigen und die Effizienz in der Sozialgerichtsbarkeit zu steigern (BT-Drs. 315/11 S. 2, 22). Dieses Ziel hat der Gesetzgeber allerdings selbst konterkariert, indem er mittels Streichung des § 60 Abs. 1 Satz 2 SGG die Zuständigkeit der hoch belasteten Sozialgerichte für Entscheidungen in Befangenheitssachen geschaffen hat. Diese Zuständigkeitsverlagerung ist überdies ineffektiv. Waren bei den Landessozialgerichten die Zuständigkeiten für Befangenheitssachen betreffend Richter vielfach einem Senat zugewiesen und damit der Sachverstand gebündelt, kann hiervon nunmehr keine Rede mehr sein, wenn ausweislich des Gesetzesbegründung jeweils der geschäftsplanmäßige Vertreter zuständig sein soll, mithin statt einer Zuständigkeitsbündelung nunmehr zu diversifizieren ist. Schon deswegen verbietet es sich, die Neuregelung allein mit Blick auf die Gesichtspunkte der Effizienzsteigerung bzw. Verfahrensbeschleunigung zu interpretieren, um einer Beschwerde die Statthaftigkeit abzusprechen.
(5) Wird zudem zutreffend angenommen, dass Entscheidungen der Sozialgerichte über die Ablehnung von Sachverständigen mit der Beschwerde angegriffen werden können (ganz h. M.; vgl. nur LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 04.01.2011 – L 4 KR 324/10 B – mit zustimmender Anmerkung von Hellweg in ZMGR 2011, 184, jeweils m.w.N.; OVG Hamburg, Beschluss vom 27.04.2011 – 1 So 15/11 – zu § 146 Abs. 2 VwGO; Leitherer, a.a.O., § 172 Rdnr. 6f.; a.A. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.01.2010 – L 7 R 3206/09 B -), kommt es zu nicht nachvollziehbaren Wertungswidersprüchen, wenn die in der Gesetzesbegründung nur beiläufig geäußerte Auffassung als maßgebend angesehen wird.
(6) Schließlich gilt unter systematischen Gesichtspunkten, dass § 172 Abs. 2 SGG eine Ausnahmevorschrift darstellt (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 04.01.2011 – L 4 KR 324/10 B -; Hellweg in ZMGR 2011, 184) und als solche schwerlich geeignet ist, § 60 Abs. 1 i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO zu verdrängen. Als Grundregel bestimmt § 172 Abs. 1 SGG, dass gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte die Beschwerde an das LSG stattfindet, soweit im SGG nichts anderes bestimmt ist. Letzteres ist mit § 172 Abs. 2 SGG der Fall. Diese Norm steht in einem Spezialitätsverhältnis zu § 172 Abs. 1 SGG. Nichts anderes gilt für § 60 Abs. 1 SGG i. V. m. § 46 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO, denn diese Normenkette bekräftigt für ihren Anwendungsbereich (Befangenheitssachen) spezialgesetzlich nochmals die Grundregel des § 172 Abs. 1 SGG. Stehen sonach zwei spezialgesetzliche Normen im Widerstreit, kann das Spannungsverhältnis jedenfalls nicht dadurch beseitigt werden, dass der einen Norm (§ 172 Abs. 2 SGG) mit dem schlichten Hinweis auf die Gesetzesbegründung eine verdrängende Wirkung gegenüber der anderen Norm (§ 60 Abs. 1 SGG i. V. m. § 46 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO) beigemessen wird. Vielmehr gilt dann, dass der Ausnahmetatbestand (§ 172 Abs. 2 SGG) durch die neu geschaffene Spezialregelung des § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 46 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO neutralisiert wird.
(7) Von einem redaktionellen Versehen des Gesetzgebers kann zudem nicht ausgegangen werden, denn im Gesetzgebungsverfahren ist das federführende Bundesministerium mehrfach auf diese Unstimmigkeiten hingewiesen worden. So heißt es in der Stellungnahme 26/11 des Deutschen Richterbundes aus Oktober 2011 (www.drb.de):
Das Ziel einer Verfahrensbeschleunigung kann im Übrigen nur erreicht werden, wenn die Entscheidungen über die Ausschließung oder Ablehnung des Richters nicht mit der Beschwerde angefochten werden kann, da ansonsten das Verfahren im Vergleich zum derzeit geltenden Recht sogar verlängert würde. Davon geht auch der Gesetzentwurf aus, wenn er in der Begründung auf S. 48 ausgeführt, dass Beschlüsse über die Ablehnung von Gerichtspersonen nicht mit der Beschwerde angefochten werden könnten, da § 172 Abs. 2 SGG dem § 46 Abs. 2 ZPO als speziellere Norm vorgehe. Dies ergibt sich allerdings aus dem Wortlaut des § 60 SGG-E nicht eindeutig. Zur Klarstellung regen wird daher an, die im Entwurf enthaltene Verweisung auf § 46 Abs. 2 ZPO (der eine Beschwerde vorsieht) zu streichen.
(8) Soweit in der Rechtsprechung eine abweichende Auffassung vertreten wird, vermag dies den Senat (derzeit) nicht zu überzeugen. Das LSG Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 28.06.2012 – L 5 AS 136/12 B -) meint, die &8243;Sozialgerichtsordnung&8243; (zitiert nach juris) enthalte gegenüber der allgemeinen Verweisung des § 60 SGG eine spezielle und damit durchgreifende Norm; § 172 SGG sei in dem klar zum Ausdruck kommenden Regel-Ausnahme-Verhältnis eindeutig (juris Rdn. 8). Das indes ist – wie dargelegt – nicht der Fall. Soweit das LSG Sachsen-Anhalt auf den Willen des Gesetzgebers zurückgreift (juris Rdnr. 9), greift das zu kurz. Dieser ist nicht ausschlaggebend, wenn er kein hinreichendes Korrelat im Gesetz gefunden hat. Der Entscheidung des LSG Bayern vom 02.07.2012 – L 9 SF 147/12 AB – fehlt eine vertiefende Auseinandersetzung mit der Rechtslage. Die Erwägungen des LSG Baden-Württemberg im Beschluss vom 02.07.2012 – L 13 AS 2584/12 B – sind hingegen bedenkenswert. Letztlich vermögen sie den Senat jedoch nicht zu überzeugen. Soweit das LSG darauf verweist, dass der Gesetzgeber &8243;keinesfalls eine zusätzliche Entscheidung eines weiteren Gerichts vorsehen wollte&8243;, führt das nicht weiter. Der Senat hat sich hiermit auseinandergesetzt (s. oben). Ob und inwieweit sich durch die Beschwerdemöglichkeit eine Verfahrensverzögerung ergibt, bleibt überdies fraglich, denn auch über eine nicht statthafte Beschwerde ist zu entscheiden. Im Übrigen hat der Senat auch diesen Aspekt erwogen (s. oben). Soweit das LSG Baden-Württemberg meint, der vermeintliche Fehler des Gesetzgebers müsse durch das Gericht dahin korrigiert werden, dass die eindeutige Regelung des § 172 Abs. 2 SGG anzuwenden ist, bleibt unberücksichtigt, dass der Gesetzgeber gleichermaßen eindeutig die Anwendung des § 46 Abs. 2 Halbsatz 2 ZPO angeordnet hat. Der Ansatz des LSG Baden-Württemberg läuft darauf hinaus, diese gesetzgeberische Entscheidung hinweg zu interpretieren, was der Senat nicht als zulässig ansieht (s. oben). Soweit das LSG Baden-Württemberg der Lösung des Senats entgegenhält, die Verweisung in § 60 Abs. 1 SGG auf § 46 Abs. 2 ZPO führe zur im sozialgerichtlichen Verfahrensrecht &8243;völlig unbekannten sofortigen Beschwerde&8243;, trägt das Kritik nicht. Gerade in diesem Zusammenhang hat sich der Senat mit der Bedeutung des Adjektivs &8243;entsprechend&8243; auseinandergesetzt (s. oben).
Die bislang in der Literatur veröffentlichten Beiträge greifen gleichermaßen zu kurz. Zutreffend erkennt Söhngen (jurisPR-SozR 18/2012 Anm. 6), dass die Gesetzgebungsmaterialien nur im Sinne eines gewollten Beschwerdeausschlusses verstanden werden können. Soweit er meint, der Senat argumentiere mittels eines Zirkelschlusses, trifft das indes nicht zu. Zur Überzeugung des Senats kann nicht hinweg interpretiert werden, dass mittels der Neuregelung die entsprechende Anwendbarkeit des § 46 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO angeordnet worden ist. Dies zu ignorieren, weil der &8243;Gesetzgeber&8243; meint, § 172 Abs. 2 SGG gehe vor, erachtet der Senat als fehlerhaft (s. oben). Das Verhältnis von § 60 Abs. 1 SGG i. V. m. § 42 Abs. 2 Halbs 2 ZPO zu § 172 Abs. 2 SGG ist vielmehr eingehend zu untersuchen. Der Hinweis auf das, was der &8243;Gesetzgeber&8243; wollte (so aber Söhngen a.a.O.), durchdringt die rechtliche Problematik nicht hinreichend.
Der Beitrag von Wedel (NZS 2012, 716) ist gleichermaßen nicht geeignet, zu einer anderen Auffassung zu kommen. Im Ansatz noch zutreffend verweist der Autor darauf, dass der Wortlaut des § 172 Abs. 2 SGG eindeutig ist, verschweigt an dieser Stelle aber, dass dies auch für § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 42 Abs. 2 Halbs. 2 ZPO gilt. Dass der Wille des Gesetzgebers zum Verhältnis dieser Vorschriften &8243;an Klarheit kaum zu übertreffen&8243; ist, mag der Autor so empfinden, diese Wertung muss indes nicht geteilt werden. Allerdings gehen die Materialien davon aus, dass § 172 Abs. 2 SGG als speziellere Norm vorgeht (s. oben). Damit hat sich der Senat eingehend auseinandergesetzt. Der Gesetzgeber hat dies gerade nicht angeordnet. Deswegen ist zu überprüfen, was Wedel verkennt, ob der in den Materialien postulierte Spezialitätsvorrang des § 172 Abs. 2 SGG rechtlich zutrifft, nach Auffassung des Senats eben nicht. Soweit Wedel sodann von einer &8243;contra-legem-Entscheidung&8243; spricht und hierzu auf Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 255 verweist, indiziert dies eine nicht hinreichende Durchdringung der Entscheidung des Senats und ist abwegig. Ausweislich des von Wedel herangezogenen Zitats (a.a.O. Fußnote 3) handelt es sich um Rechtsfortbildung contra legem, wenn sowohl gegen das vom Gesetzgeber Gesagte als auch gegen das vom Gesetzgeber Gewollte entschieden wird. Dass der Senat u.U. gegen das vom Gesetzgeber möglicherweise Gewollte entschieden hat, ist unschwer zu erkennen. Dessen ist sich der Senat nicht nur bewusst, vielmehr hat er gerade deswegen seine Rechtsauffassung ausführlich begründet. Gegen das &8243;Gesagte&8243; kann indes nicht entschieden worden sein, weil der Gesetzgeber das, was Wedel ihm unterstellt, gerade nicht gesagt hat (so auch Söhngen, a.a.O.: &8243;nur im Sinne eines gewollten Beschwerdeausschlusses&8243;). Die weiteren Gedankengänge Wedels führen nicht weiter. Seine Behauptung, der Senat habe die Entscheidung des BVerfG vom 16.02.2012 – 1 BvR 127/10 – nicht hinreichend gewürdigt, geht fehl. Dem Senat ist nicht unbekannt geblieben, dass das BVerfG den Regelungsabsichten des Gesetzgebers im Gegensatz zu früheren Entscheidungen nunmehr stärkere Bedeutung beimisst (s oben). Dies ändert aber nichts daran, was Wedel verkennt, dass nicht die Gesetzesmaterialien bestimmen können, ob eine Norm zu einer anderen Norm in einem Spezialitätsverhältnis steht oder nicht. Dies ist vom Gericht durch Auslegung zu ermitteln. Das Wollen des Gesetzgebers ist nicht das Gesetz, was das BVerfG nun – ersichtlich – nicht anders sieht.
c) Sonach: Wortlaut, Gesetzessystematik, Entstehungsgeschichte und teleologische Gesichtspunkte sprechen entgegen der Gesetzesbegründung für eine Beschwerdemöglichkeit nach Maßgabe des § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 46 Abs. 2 ZPO.
2. In der Sache ist die Beschwerde unbegründet.
a) Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 60 Abs. 1 SGG i. V. m. § 42 Abs. 2 ZPO). Für die Feststellung eines solchen Grundes kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich parteilich oder befangen ist oder aber sich selbst für befangen hält. Andererseits begründet die subjektive Überzeugung eines AS oder seine Besorgnis, der Richter sei befangen, allein nicht die Berechtigung der Ablehnung. Entscheidend ist vielmehr, ob ein Grund vorliegt, der den Antragsteller von seinem Standpunkt aus nach objektiven Maßstäben befürchten lassen könnte, der von ihm abgelehnte Richter werde nicht unparteilich entscheiden (std. Rechtsprechung, vgl. u.a. BVerfG, Beschlüsse vom 12.07.1986 – 1 BvR 713/83, 1 BvR 921/84, 1 BvR 1190/84, 1 BvR 333/85, 1 BvR 248/85, 1 BvR 306/85, 1 BvR 497/85 -, vom 05.04.1990 – 2 BvR 413/88 – und vom 02.12.1992 – 2 BvF 2/90, 2 BvF 5/92 -; BSG, Beschluss vom 10.12.2010 – B 4 AS 97/10 B -; Senat, Beschlüsse vom 19.10.2011 – L 11 SF 274/11 AB – und 22.02.2010 – L 11 AR 140/09 AB -).
b) Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Ausführungen des SG Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG analog) und angemerkt:
Unrichtige oder für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen oder Tatsachenausführungen eines Richters sind grundsätzlich nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen (Senat, Beschluss vom 05.10. 2011 – L 4 SF 1488/11 -). Es müssen vielmehr objektive Gründe dafür dargetan werden, die dafür sprechen, dass eine mögliche Fehlerhaftigkeit einer Entscheidung auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegen den ablehnenden Beteiligten beruht oder willkürlich im Sinne einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit ist (BSG, Beschluss vom 10.12.2010 – B 4 AS 97/10 B -). Unterschiedliche Auffassungen zwischen Richtern und Verfahrensbeteiligten in materiell-rechtlichen oder verfahrensrechtlichen Fragen bieten ohne besondere weitere Anhaltspunkte gleichermaßen keinen Anlass zu einer begründeten Besorgnis der Befangenheit. Eine Befangenheit ist vielmehr nur dann zu besorgen, wenn die Fehlerhaftigkeit der richterlichen Meinungsäußerung bzw. in Betracht gezogenen verfahrensrechtlichen Maßnahme auf einer unsachlichen, nicht mehr neutralen Einstellung des Richters gegen den betroffenen Beteiligten oder auf Willkür im konkreten Fall beruht. Von einer auf Willkür beruhenden Rechtsauffassung bzw. Verfahrenshandlung kann jedoch nur dann gesprochen werden, wenn sie bei verständiger Würdigung schlechterdings nicht mehr verständlich erscheint oder offensichtlich unhaltbar ist (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 09.01.2012 – 3 W 28/11 -; hierzu auch BVerwG, Beschluss vom 29.05.1991 – 4 B 71/91 -; VGH Bayern, Beschluss vom 03.08.2011 – 8 A 09.40079 -).
Hierfür bietet indes weder der Verfahrensablauf noch das Hinweisschreiben der abgelehnten Richterin vom 02.04.2012 Anhalt. Mit der Weiterleitung des Schreibens der Beklagten verbunden mit dem Anheimstellen der Rücknahme und dem Hinweis auf § 192 SGG hat sie tendenziell zum Ausdruck gebracht, dass sie sich der Auffassung der Beklagten anschließt und dem Kläger die Gelegenheit eingeräumt, auf die Meinungsbildung der Beklagten und des SG einzuwirken und rechtzeitig ggf. für erforderlich gehaltene prozess- bzw. erkenntnisfördernde Erklärungen abzugeben bzw. entsprechende Anträge zu stellen. Die Schlussfolgerung des Klägers, das Schreiben rechtfertige die Besorgnis, dass sich das Gericht ohne Sachprüfung der Auffassung der Beklagten angeschlossen habe, entbehrt einer objektiven Grundlage. Woher der Kläger seine Erkenntnis nimmt, die Richterin habe sich inhaltlich mit dem angefochtenen Bescheid nicht auseinandergesetzt, erschießt sich nicht und lässt sich auch nicht aus – nach Auffassung des Klägers – fehlenden Ausführungen im Hinweisschreiben herleiten. Eine Begründung ist ohne Weiteres den Ausführungen der Beklagten und den übersandten ärztlichen Unterlagen zu entnehmen. Auch die vom Kläger gerügte Beeinflussung der Beklagten ist nicht nachzuvollziehen, da es die Beklagte selbst war, die deutlich auf die (ihrer Auffassung nach bestehenden) Aussichtslosigkeit des Widerspruchs hingewiesen hat. Im Übrigen liegt es in der Natur eines Rechtsstreits, dass das Ergebnis richterlicher Entscheidungsfindung stets zu Lasten einer der Beteiligten gehen muss; wäre ein Richter deshalb befangen, wäre eine Entscheidung eines Rechtsstreits überhaupt nicht möglich.
Es bedurfte vorliegend auch keiner weitergehenden dienstlichen Stellungnahme der abgelehnten Richterin. Soweit der Kläger meint, deren dienstliche Stellungnahme sei unzureichend, trifft das nicht zu. § 44 Abs. 3 ZPO bestimmt, dass sich der abgelehnte Richter über den Ablehnungsgrund dienstlich äußert. Der Umfang der dienstlichen Äußerung steht grundsätzlich im Ermessen des Richters. Er kann zu den für das Ablehnungsgesuch entscheidungserheblichen Tatsachen Stellung nehmen, soweit ihm das notwendig und zweckmäßig erscheint. Inhalt und Umfang der dienstlichen Äußerung sollen sich nach dem jeweils geltend gemachten Ablehnungsgrund richten. Steht – wie hier – der für die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch erhebliche Sachverhalt unstreitig fest, bedarf es jedenfalls keiner im Einzelnen begründeten dienstlichen Äußerung (LSG Niedersachsen, Beschluss vom 26.09.2001 – L 4 B 202101 KR – m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.11.2006 – L 10 AR 79/06 AB -; ständige Rechtsprechung des Senats, u.v.a. Beschlüsse vom 11.01.2010 – L 11 AR 98/09 AB – , vom 19.07.2010 – L 11 SF 198/10 AB – und vom 24.09.2012 – L 11 AS 1362/12 B -). Der Kläger verkennt, dass eine dienstliche Stellungnahme kein Selbstzweck ist. Zu diesem verkommt sie aber, wenn erwartet wird. dass ein abgelehnter Richter, der im Ablehnungsverfahren nicht zu Ausführungen verpflichtet ist, wie der Sachverhalt rechtlich zu werten ist, den sich aus den Akten ergebenden oder von einem Beteiligten vorgetragenen unstreitigen Sachverhalt wiederholt.
Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 19.12.2012
Zuletzt verändert am: 19.12.2012