Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 30.05.2012 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Klägerin, eine gesetzliche Krankenkasse, begehrt von der ein Krankenhaus betreibenden Beklagten die Rückzahlung der Kosten einer stationären Behandlung.
Mit Beweisanordnung vom 27.03.2012 hat das Sozialgericht (SG) Duisburg Dr. X, Sozialmedizinscher Dienst (SMD) der Knappschaft-Bahn-See, I-Straße 00, F, zum Sachverständigen ernannt und ihn mit der Erstellung eines Gutachtens letztlich zu der Frage der Notwendigkeit der o.a. durchgeführten stationären Behandlung beauftragt.
Die Beklagte hat den Sachverständigen als befangen abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen: Der SMD der Knappschaft-Bahn-See sei unselbstständiger Teil der Knappschaft-Bahn-See. Im Rahmen seiner Tätigkeit für den SMD übe der Sachverständige für die Knappschaft bundesweit eine herausgehobene, leitende Funktion aus. Sie – die Beklagte – führe vor dem SG Duisburg einen Rechtsstreit gegen die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, der grundsätzliche Bedeutung zuzumessen sei. Im Übrigen schalte die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See Dr. X bei Abrechnungsstreitigkeiten mit Krankenhäusern zur Klärung medizinischer Fragen ein; inwieweit dies im Verhältnis zu ihr geschehe, sei ihr nicht bekannt. Zusammenfassend sei der Sachverständige nicht unvoreingenommen. Derjenige, der in leitender Funktion und als Angestellter einer Krankenkasse diese gegen einen Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens unterstütze, sei befangen. Diese Zugehörigkeit des Sachverständigen zum gegnerischen Lager werde auch dadurch aufgezeigt, dass er bei seinen an das SG gerichteten Stellungnahmen unter dem Briefkopf des SMD der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See geschrieben habe.
Das SG hat den Antrag der Beklagten mit Beschluss vom 30.05.2012 zurückgewiesen. Ein Befangenheitsgrund bestehe nicht. Dr. X sei weder mit der Angelegenheit vorbefasst noch sei er bei der Beklagten angestellt. Dass er beim SMD Stellungnahmen zu Krankenhausabrechnungen abgebe, begründe keine Besorgnis der Befangenheit. Andernfalls müssten auch Krankenhausärzte als Sachverständige ausscheiden, da sie ebenfalls in einem Arbeitsverhältnis mit einer potentiellen Partei eines Abrechnungsstreits stünden. Ohne Belang sei, dass die Beklagte einen Rechtsstreit mit der Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See führe. Dort gehe es um die Auslegung des § 140d Fünftes Buch Sozialgesetzbuch und damit rein rechtliche Fragen, mit der der SMD und erst recht Dr. X nicht befasst sei.
Mit ihrer Beschwerde vom 06.06.2012 verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter. Der Sachverständige gehöre als leitendes Mitglied der Knappschaft-Bahn-See dem gegnerischen Lager an. Insoweit unterscheide er sich auch von den vom SG genannten in einem Krankenhaus tätigen Ärzten. Er sei vielmehr einem Richter vergleichbar, dessen Ehefrau als Rechtsanwältin in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten einer Partei tätig sei. Der Gegner könne nicht darauf vertrauen, dass eine unzulässige Einflussnahme unterbleibe.
II.
Die Beschwerde des Klägers ist statthaft und im Übrigen zulässig, sie ist jedoch unbegründet.
1. Die Beschwerde ist nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und insbesondere statthaft, denn ein Ausschlussgrund nach § 172 Abs. 2 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGGÄndG) vom 26.03.2008 (BGBl. I 444) liegt nicht vor. Der Senat verweist insoweit auf seinen Beschluss vom 23.10.2012 – L 11 KR 96/12 B -.
2. Die Beschwerde des Klägers ist indes unbegründet. Denn das SG hat das Ablehnungsgesuch gegen den gerichtlichen Sachverständigen Dr. X zu Recht abgelehnt.
Nach § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO), der gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 406 Abs. 1 ZPO Anwendung findet, kann ein Sachverständiger wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Für die Feststellung eines solchen Grundes kommt es nicht darauf an, ob der Sachverständige tatsächlich parteilich oder befangen ist oder aber sich selbst für befangen hält. Andererseits begründet die subjektive Überzeugung eines Beteiligten oder seine Besorgnis, der Sachverständige sei befangen, allein nicht die Berechtigung der Ablehnung. Entscheidend ist vielmehr, ob ein Grund vorliegt, der den Beteiligten von seinem Standpunkt aus nach objektiven Maßstäben befürchten lassen könnte, der von ihm abgelehnte Sachverständige werde nicht unparteilich sein (std. Rechtsprechung, vgl. u.a. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 12.07.1986 – 1 BvR 713/83, 1 BvR 921/84, 1 BvR 1190/84, 1 BvR 333/85, 1 BvR 248/85, 1 BvR 306/85, 1 BvR 497/85 -, vom 05.04.1990 – 2 BvR 413/88 – und vom 02.12.1992 – 2 BvF 2/90, 2 BvF 5/92 -; Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 10.12.2010 – B 4 AS 97/10 B -; Senat, Beschlüsse vom 19.10.2011 – L 11 SF 274/11 AB – und 22.02.2010 – L 11 AR 140/09 AB -).
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf die als zutreffend erachteten Ausführungen des SG (§ 153 Abs. 2 SGG analog) und führt ergänzend aus:
Ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis kann in aller Regel zwischen den an ihm Beteiligten Bindungen schaffen, die eine Bereitschaft zu besonderer Rücksichtnahme auf wichtige Interessen des Dienstherrn nahelegen (Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22.08.1988 – III B 104/87 -; Hanseatisches Oberlandesgericht (OLG) Hamburg, Beschluss vom 11.02.1983 – 1 W 4/83 -). So kann es infolgedessen gerade bei der gutachterlichen Bewertung ärztlichen Verhaltens auf Nuancen ankommen, bei denen eine ungerechtfertigte Zurückhaltung oder verdeckte Rücksichtnahme durch die Prozessbeteiligten nur sehr schwer zu erkennen ist (OLG München, Beschluss vom 21.06.2001 – 1 W 1161/01 -). Dementsprechend wird in der zivilrechtlichen Rechtsprechung ein Arbeitsverhältnis des Sachverständigen zu einer Partei als ausreichender Ablehnungsgrund angesehen (vgl. dazu Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 33. Auflage, § 406 Rdn. 2; OLG München, Beschluss vom 21.06.2001 a.a.O.), während in der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Anstellung eines Sachverständigen bei einer Prozesspartei der Öffentlichen Hand differenzierter bewertet und die Angehörigkeit zu demselben Rechtsträger wie die am Rechtsstreit beteiligte Behörde als nicht hinderlich angesehen wird (vgl. z.B. Bundesverwaltungsgericht, Beschlüsse vom 30.12.1997 – 11 B 3/97 – und vom 06.10.1998 – 3 B 35/98 -). Das BSG hat schließlich in seiner Entscheidung vom 11.12.1992 – 9a RV 6/92 – ausgeführt, dass ein beim Landesversorgungsamt beschäftigter Arzt nicht zugleich Sachverständiger in einem einen Versorgungsanspruch nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) betreffenden Rechtsstreit sein kann, weil seine dienstliche Stellung die Frage rechtfertige, ob er sich als Sachverständiger von Rücksichten auf die Interessen seines Dienstherrn frei machen könne und ob er ohne Hemmungen die ärztlichen Stellungnahmen seiner in derselben Sache bereits tätig gewordenen Kollegen aus der Versorgungsverwaltung kritisch zu beurteilen vermöge. Die Verknüpfung des Arztes mit den Interessen seines Dienstherrn und Rücksichten gegenüber den im gleichen Verwaltungsbereich tätig werdenden Kollegen rechtfertigten die Besorgnis der Befangenheit auch dann, wenn der Sachverständige als Versorgungsarzt im Dienst eines anderen als des beklagten Landes stehe. Die Bundesländer erschienen nämlich nach außen als Einheit, da sie das BVG im Auftrag des Bundes auf dessen Kosten jeweils in ihrem Gebiet und nach einer einheitlichen Verwaltungspraxis ausführten.
Eine derartige Fallkonstellation, in der besonnene Beteiligte grundsätzlich gerechtfertigt eine Besorgnis der Befangenheit geltend machen können, liegt hier nicht vor. Der vom SG berufene Sachverständige steht nämlich gerade nicht in den Diensten eines der Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits. Er steht auch zu keinem dieser Beteiligten in rechtlicher, wirtschaftlicher oder sonstiger Beziehung, so dass kein Anhaltspunkt für einen ansonsten möglichen Interessenkonflikt besteht. Es besteht auch keine der in der vorgenannten Entscheidung des BSG vom 11.12.1992 aufgeführten Sondersituation vergleichbare Lage. Anders als in Fällen der Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder mit den vom BSG im Einzelnen dargestellten Einflussmöglichkeiten zur Sicherstellung einer einheitlichen Verwaltungspraxis sind die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung ebenso wie die der gesetzlichen Krankenversicherung organisatorisch und inhaltlich unabhängig (so auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 07.09.2009 – L 10 R 3976/09 B -).
Davon ausgehend kommt es auf die weiteren Mutmaßungen der Beklagten hinsichtlich sonstiger Tätigkeiten in Abrechnungsverfahren von Dr. X nicht an. Die Beklagte scheint dabei davon auszugehen, dass jeder angestellte Arzt grundsätzlich Gutachten einseitig zu Gunsten des anstellenden Versicherungsträgers erstattet. Sie übersieht mithin, dass auch die Sozialversicherungsträger wie die Gerichte den öffentlich-rechtlichen Auftrag haben, die Durchsetzung der Rechte der Bürger in einem rechtstaatlich geordneten Verfahren zu gewährleisten. Sie und die von ihnen zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts als Hilfspersonen herangezogenen Ärzte haben den Sachverhalt objektiv zu ermitteln und daher von Amts wegen auch für den Versicherten und infolgedessen auch für stationäre Behandlung erbringende Krankenhäuser günstige Umstände zu berücksichtigen (§ 20 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch).
Letztendlich erschließt sich – unabhängig davon, dass es ohnehin nicht darauf ankommt, – dem Senat auch nicht, aus welchen Gründen die Beklagte meint, der Sachverständige schreibe unter dem Briefkopf des SMD der Deutschen Rentenversicherung.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 09.01.2013
Zuletzt verändert am: 09.01.2013