Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.03.2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Erziehungsgeld und in diesem Rahmen über die Berücksichtigung von negativen Einkünften der Klägerin.
Im Mai 2007 beantragte die Klägerin Erziehungsgeld für das erste Lebensjahr ihrer am 00.00.2006 geborenen Tochter D.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 06.09.2007 lehnte das zuständige Versorgungsamt L den Antrag ab. Unter Berücksichtigung des anzurechnenden Einkommens des Ehemanns der Klägerin überschreite das gemeinsame Einkommen im Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes in Höhe von 34.084,80 EUR die Einkommensgrenze nach § 5 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) von 33.140 EUR, so dass der Anspruch der Klägerin auf den Regelbetrag entfalle.
Ihren am 04.10.2007 per Fax eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, nach § 6 Abs. 3 BErzGG seien zwar ihr Einkommen und das ihres Ehegatten zu berücksichtigen. Die von § 6 Abs. 3 BErzGG angeordnete "Zusammenveranlagung" der Ehepartner müsse aber dazu führen, dass das Brutto beider Ehegatten zu berücksichtigen und zu addieren und erst davon die Summe der berücksichtigungsfähigen Werbungskosten abzuziehen sei. Berücksichtige man die bei ihr angefallenen Werbungskosten von 3238,- EUR demnach in voller Höhe, ergäben sich insgesamt nur noch Einkünfte in Höhe von 31.462,- EUR, die damit unterhalb der maßgeblichen Einkommensgrenze lägen. Wenn das Steuerrecht die Ehegatten gemeinsam betrachte und letztlich auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Familie abgestellt werde, müssten auch die innerhalb der Familie tatsächlich vorhandenen wirtschaftlichen Belastungen beim Erziehungsgeld berücksichtigt werden. Für ihre Sichtweise spreche auch der Vergleich der aktuellen mit früheren Gesetzesfassungen, die anders als die für Ihren Fall einschlägige Fassung noch ein ausdrückliches Verbot des Verlustausgleichs unter Ehegatten enthalten hätten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2007 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch zurück. Das Einkommen der Klägerin und ihres Ehegatten seien getrennt zu berücksichtigen. Ein Verlustausgleich zwischen einzelnen Einkunftsarten sowie zwischen Einkünften der Klägerin und ihres Ehegatten sei nicht zulässig. Die Werbungskosten der Klägerin könnten nur innerhalb ihrer Einkunftsart berücksichtigt werden und dort die Einkünfte lediglich auf 0,- EUR verringern. Der in den Akten befindliche Entwurf des Widerspruchsbescheides trägt den Vermerk "abgesandt am 07.12.2007" sowie eine Paraphe. Eine Zustellungsurkunde befindet sich nicht bei der Akte.
Mit ihrer am 26.01.2011 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Den Widerspruchsbescheid habe sie erst am 12.01.2011 erhalten, nachdem sie in einem Telefonat mit der Bezirksregierung erstmals von der Existenz des Bescheids erfahren und um erneute Übersendung gebeten habe. Sie begehre eine Parallelbehandlung zur steuerrechtlichen Regelung des § 26b Einkommenssteuergesetz (EStG). Das BErzGG stelle in §§ 5 Abs. 3, 6 Abs. 3 auf das Gesamteinkommen ermittelt nach steuerrechtlichen Regeln ab. Danach seien die nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten gemeinsam zu betrachten.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 21.03.2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Als Einkommen sei nur die Summe der positiven Einkünfte in Ansatz zu bringen mit der Folge, dass negative Einkünfte der Klägerin das Einkommen ihres Ehegatten nicht mindern könnten. Wie sich aus der Rechtsprechung des BSG ergebe, sei auch nach der Neuregelung des § 6 Abs. 1 BErzGG ein Verlustausgleich nicht zulässig. Dessen erstmalige Einführung mit der gesetzlichen Neuregelung würde zudem deren Ziel, die öffentlichen Haushalte zu entlasten, widersprechen.
Gegen das am 19.04.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 21.05.2012 (Montag) beim Sozialgericht Berufung eingelegt, die sie nicht begründet hat.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 21.03.2012 aufzuheben und gemäß ihrem erstinstanzlichen Antrag den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Versorgungsamts L vom 06.09.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2007 zu verurteilen, ihr für das das erste Lebensjahr des am 18.12.2006 geborenen Kindes D N G Erziehungsgeld nach dem BErzGG in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben mitgeteilt, den Termin der mündlichen Senatsverhandlung nicht wahrnehmen zu wollen und gleichwohl um eine Entscheidung des Senats gebeten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang und die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne die Beteiligten verhandeln und entscheiden, weil die ordnungsgemäße Ladung sie auf diese Möglichkeit hingewiesen hat, vgl §§ 110,126 des Sozialgerichtsgesetz (- SGG – vgl. Humpert in: Jansen, SGG, 3. Aufl. 2012, § 126 Rn. 4).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Streitgegenstand der Klage und der Berufung bildet der Anspruch der Klägerin auf Erziehungsgeld für das erste Lebensjahr ihrer am 18.12.2006 geborenen Tochter D, weil sie nur für dieses Lebensjahr den nach § 4 Abs. 2 Satz 1 BErzGG für jedes Lebensjahr gesondert zu stellenden Antrag eingereicht hat.
Die Klage gegen den Bescheid des Versorgungsamts L vom 06.09.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2007 ist zulässig. Insbesondere hat die Klägerin die Klagefrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 SGG von einem Monat nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides eingehalten. Der Widerspruchsbescheid ist der Klägerin ausweislich des von ihr zu den Akten gereichten Briefumschlags am 12.01.2011 per Post übersandt und damit wirksam bekannt gegeben worden. Eine frühere ordnungsgemäße Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids hat der Senat dagegen nicht feststellen können. Die Verwaltungsakte enthält keinen Nachweis über die Zustellung. Auch aus § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X ergibt sich keine Bekanntgabe vor dem 12.01.2011. Nach dieser Vorschrift gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Allerdings wirkt diese Fiktion der Bekanntgabe nur, wenn zumindest feststeht, dass das Schriftstück tatsächlich in den Empfangsbereich der Post und in ihre Verantwortung gelangt ist (BSG, Urteil vom 03.03.2009 – B 4 AS 37/08, Juris Rdnr. 17 m.w.N.; Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 7. Auflage 2010, Rdnr. 12 m.w.N.). Dem Vermerk "abgesandt am 07.12.2007" auf dem Entwurf des Widerspruchsbescheids in der Verwaltungsakte vermag der Senat eine Aufgabe zur Post nicht mit hinreichender Sicherheit zu entnehmen. Denn daraus ergibt sich nicht, dass das Schriftstück tatsächlich an diesem Tag nicht nur in den behördeninternen Briefumlauf gelangt ist, sondern der Post übergeben wurde. Da die Klägerin den Zugang des Widerspruchsschreibens vor dem 12.01.2011 bestritten hat, lässt sich ein solcher Zugang nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen. Dies geht zu Lasten des Beklagten, der wegen der verbleibenden Zweifel einen früheren Zugang nach § 37 Abs. 2 S. 3 Hs. 2 SGB X nachzuweisen hat, was er aber nicht vermocht hat. Die Klägerin hat daher gegen den am 12.01.2011 zugegangenen Widerspruchsbescheid am 26.11.2011 innerhalb der einmonatigen Klagefrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG rechtzeitig Klage erhoben.
Ihre zulässige Klage ist aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, weil sie keinen Anspruch auf Erziehungsgeld für das erste Lebensjahr ihrer Tochter D hat. Der Beklagte hat vielmehr das Einkommen der Klägerin zutreffend berechnet und ihr deshalb zu Recht die Zahlung des beantragten Regelbetrags nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BErzGG wegen Überschreitung der Einkommensgrenze des § 5 Abs. 3 Satz 1 BErzGG verweigert. Er hat insbesondere im Ergebnis zu Recht das Einkommen der Klägerin im Jahr 2005 lediglich mit 0 EUR angesetzt, ihre im Steuerbescheid für dieses Jahr ausgewiesenen negativen Einkünfte bei der Bestimmung der Einkommensgrenze dagegen unberücksichtigt gelassen.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BErzGG (in der hier anzuwendenden Fassung vom 27.12.2004) gilt als Einkommen die nicht um Verluste in einzelnen Einkommensarten zu vermindernde Summe der positiven Einkünfte im Sinne von § 2 Abs. 1 und 2 EStG abzüglich einer Reihe von hier nicht strittigen Pauschalbeträgen. Wie sich aus der Zusammenschau von § 6 Abs. 1 und § 5 Abs. 3 Satz 1 BErzGG ergibt, der von dem "Einkommen nach § 6 bei Ehegatten" spricht, meint Einkommen im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 1 BErzGG das gemeinsame Einkommen beider Ehegatten. Das beklagte Land und das Sozialgericht sind insoweit zutreffend davon ausgegangen, dass für die Berechnung dieses Einkommens jeweils für jeden Ehegatten getrennt das Einkommen laut Steuererklärung anzusetzen und erst in einem zweiten Schritt eine Addition durchzuführen ist (so auch Pauli in Hambüchen, BErzGG/EStG/BKGG, BErzGG, 46. Erg. Lfg. 2001, BErzGG, § 6 Rdnr. 26). Für diese Berechnungsweise spricht bereits der Wortlaut des § 6 Abs. 3 Satz 1 BErzGG, der vorschreibt, das Einkommen der berechtigten Person und ihres Ehegatten (nicht: das gemeinsame Einkommen) zu berücksichtigen.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BErzGG gilt für die Berechnung des Erziehungsgelds zudem nur die Summe der positiven Einkünfte als Einkommen. § 6 Abs. 1 Satz 1 BErzGG verbietet damit ausdrücklich, negatives Einkommen, also Verluste (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 05.07.2012 – L 22 R 389/10, juris Rdnr. 30) zu berücksichtigten (Wiegand, BErzGG, 8. Lfg. 2001, § 6 Rdnr. 9; Pauli a.a.O. § 6 Rdnr. 32). Folgt man dagegen der Auslegung der Klägerin, dann könnte sie trotzdem auf dem Umweg über ihren Ehemann die Berücksichtigung ihrer negativen Einkünfte, also ihre Einkommensverluste im Jahr 2005, bei der Erziehungsgeldgewährung erreichen, die sich ergaben, weil sie wegen einer lang andauernden Fortbildung erheblich mehr Werbungskosten als Einkünfte aus abhängiger Beschäftigung hatte.
Die Gesetzesgeschichte bestätigt die hier gefundene Auslegung, wie das Sozialgericht im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat. Denn der Gesetzgeber wollte mit der 1993 erfolgten Neuregelung des Erziehungsgeldgesetzes die Ausgaben für das Erziehungsgeld begrenzen. Die Gesetzesbegründung geht daher mit keinem Wort auf eine Ausweitung der Möglichkeiten des Verlustausgleiches ein (vgl. Bundestagsdrucksache 12/4401, S. 46). Dieser zentralen Regelungsabsicht liefe es ersichtlich zuwider, wenn der Gesetzgeber durch die Neuregelung nunmehr erstmals einen vertikalen Verlustausgleich unter Ehegatten eingeführt hätte, obwohl die Vorläuferfassung einen solchen Ausgleich sogar ausdrücklich verboten hatte. Im von der Klägerin behaupteten Sinn einer Erweiterung der Möglichkeit des Verlustausgleichs ist die Neuregelung auch bisher, soweit ersichtlich, sonst nirgends verstanden worden. Vielmehr sind Rechtsprechung und Literatur zum Erziehungsgeld weiterhin einheitlich davon ausgegangen, dass Verluste eines Ehegatten nach wie vor nicht auf den anderen Ehegatten übertragen werden konnten (vgl. Pauli, a.a.O., Rdnr. 32 am Ende; Wiegand, a.a.O. Rdnr. 10; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 01.04.2009 – L 12 EG 77/07; juris, Rdnr. 30 ff.).
Den Verlustausgleich unter Ehegatten ausdrücklich zu verbieten hat der Gesetzgeber in der gesetzlichen Neufassung dabei nicht mehr für erforderlich gehalten. Anders als die bis zum 26.06.1993 geltende Vorläuferfassung, der zufolge die Erziehungsgeldberechnung von steuerrechtlichen Einkünften "wie sie der Besteuerung zugrunde gelegt worden sind" auszugehen hatte, hat die hier anzuwendende spätere Gesetzesfassung die strikte Bindung an steuerrechtliche Vorgaben einschließlich der prinzipiellen Möglichkeit eines Verlustausgleichs ohnehin gelockert. Ihr lässt sich, wie aufgezeigt, ein Verbot des Verlustausgleichs unter Ehegatten auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Gesetzestext mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen.
Es ließe sich schließlich auch gesetzessystematisch und vor dem Maßstab des Gleichheitssatzes nicht rechtfertigen, wenn zwar Ehegatten untereinander Verluste ausgleichen dürften, wie es die Klägerin verlangt, nicht aber ein Ehegatte innerhalb seiner verschiedenen Einkunftsarten.
Gegen die Gewährung von Erziehungsgeld an die Klägerin spricht weiter die Regelung des § 6 Abs. 6 Satz 1 BErzGG. Danach bleiben Einkünfte der berechtigten Person aus einer vorangegangenen Tätigkeit unberücksichtigt, wenn sie während des Erziehungsgeldbezugs nicht erwerbstätig ist. Dies war bei der Klägerin ausweislich ihres Erziehungsgeldantrags der Fall. Auch deshalb hat der Beklagte im Ergebnis ihrer negativen Einkünfte zu Recht unberücksichtigt gelassen.
Der Ausschluss des Verlustausgleiches unter Ehegatten nach dem BErzGG ist nicht verfassungswidrig (BSG, Urteil vom 10.03.1993 – 14b Reg 4/92, SozR 7833 § 6 Nr. 4 zur Vorläuferfassung). Vielmehr hat das Bundessozialgericht diesen Ausschluss des Verlustausgleichs ausdrücklich durch die Vorteile als gerechtfertigt angesehen, die Ehegatten im Gegenzug durch den Splittingvorteil erwachsen, wenn einer der Ehegatten wegen des Erziehungsgeldbezugs auf Erwerbseinkommen verzichtet. Die Dogmatik des Erziehungsgeldrechtes kennt also den Zusammenhang zwischen Ehegattensplitting und Erziehungsgeld, berücksichtigt ihn allerdings anders als in der von der Klägerin gewünschten Weise.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem vollständigen Unterliegen der Klägerin Rechnung.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Rechtsfrage im Sinne der Ausführungen des Senats geklärt ist und es sich zudem um ausgelaufenes Recht handelt.
Erstellt am: 17.01.2013
Zuletzt verändert am: 17.01.2013