Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 18.05.2012 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH).
Auf den Antrag der Klägerin vom 05.05.2010 bewilligte ihr das Sozialgericht Duisburg mit Beschluss vom 09.02.2011 Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Klageverfahrens S 38 AS 1884/10 PKH ab Antragstellung unter Beiordnung von Rechtsanwalt I, E. In der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hatte die Klägerin die Frage "trägt eine Rechtschutzversicherung oder andere Stelle/Person (z.B. Gewerkschaft, Arbeitgeber, Mieterverein) die Kosten Ihrer Prozessführung?" mit "Nein" beantwortet. Die Klägerin ist jedoch Mitglied des VDK, weshalb sie einen Anspruch auf Prozessvertretung durch den VDK auch in Klageverfahren in SGB II-Angelegenheiten hat. Dieser Umstand wurde dem Sozialgericht Duisburg erst nach Bewilligung der PKH bekannt, als die Klägerin in dem Verfahren S 49 AS 4225/10 als Zeugin vernommen wurde und Kontoauszüge vorlegte, aus denen die Mitgliedschaft und Beitragszahlung zum VDK ersichtlich waren.
Mit Beschluss vom 18.05.2012 hat das Sozialgericht Duisburg die Bewilligung der PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt I aufgehoben. Es hat die Entscheidung auf §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. 124 Nr. 2 oder Nr. 3 ZPO gestützt. Nach der Rechtsprechung des BSG sei die Möglichkeit, sich durch einen Verband vertreten zu lassen, eine bei der Bedürftigkeitsprüfung zu berücksichtigende Vermögensposition. Seit der Beendigung des Hauptsacheverfahrens seien noch nicht vier Jahre vergangen. Damit seien jedenfalls die Voraussetzungen des § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 124 Nr. 3 ZPO erfüllt. Auch sei es Pflicht der Klägerin gewesen, beim VDK nachzufragen, ob eine Vertretung in SGB II-Angelegenheiten stattfinde.
Gegen diese dem Bevollmächtigten der Klägerin am 25.05.2012 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 25.06.2012 erhobene Beschwerde der Klägerin. Die Klägerin trägt vor, sie sei allein wegen einer Schwerbehindertenangelegenheit in den VDK eingetreten. Erst nach Beendigung des Hauptsacheverfahrens sei ihr bekannt geworden, dass der VDK auch Prozessvertretungen in SGB II-Angelegenheiten übernimmt. Sie habe weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt. Deshalb sei die Aufhebung der PKH-Bewilligung unbillig.
II.
Die form- und fristgerecht (§ 173 SGG) eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ausgeschlossen. Hiernach ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH verneint hat. Die hier angefochtene Aufhebung der PKH-Bewilligung unterfällt bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift diesem Beschwerdeausschluss nicht. Eine analoge Anwendung der Bestimmung auf Aufhebungsentscheidungen scheidet aus, weil Ablehnungs- und Aufhebungsentscheidungen sich in wesentlicher Hinsicht unterscheiden: Eine auf §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 124 ZPO gestützte Aufhebungsentscheidung setzt zwar auch eine Prüfung voraus, ob die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH vorgelegen haben. Daneben sind im Rahmen einer Aufhebungsentscheidung jedoch weitere Voraussetzungen zu prüfen, so für die Anwendung von § 124 Nr. 2 ZPO Absicht oder grobe Nachlässigkeit und für die Anwendung von § 124 Nr. 3 ZPO die Einhaltung der Frist seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens. Weiterhin sind Ermessensgesichtspunkte zu berücksichtigen. Eine Aufhebungsentscheidung ist damit mit der bloßen Ablehnung der PKH-Bewilligung i.S.d. § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht gleichzusetzen (h.M.; wie hier LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 25.05.2012, L 11 AS 296/12 B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.08.2008, L 19 B 23/08 AL; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012 § 172 Rn. 6h).
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Bewilligung der PKH zu Recht aufgehoben. Jedenfalls die Voraussetzungen von §§ 73a Abs.1 Satz 1 SGG, 124 Nr. 3 ZPO sind erfüllt:
1. Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die PKH haben nicht vorgelegen. Ist ein Beteiligter Mitglied des VDK, so ist er gehalten, seine satzungmäßigen Rechte auf kostenlose Prozessvertretung, die als vermögenswerte Rechte anzusehen sind, auszuschöpfen. Einen Anspruch auf PKH kann er erst erwerben, wenn der Verband Rechtsschutz ablehnt (BSG, Beschluss vom 08.10.2009, B 8 SO 35/09 B; Beschluss vom 12.03.1996, 9 RV 24/94, SozR 3-1500 § 73a Nr. 4 = NSZ 1996, 397). Die Klägerin ist Mitglied des VDK, nach ihren eigenen Angaben hat der Verband bestätigt, dass er auch Prozessvertretungen in SGB II-Angelegenheiten übernimmt.
2. Seit der Beendigung des Hauptsacheverfahrens (Klagerücknahme im Termin am 13.02.2012) sind noch keine vier Jahre vergangen.
3. Der Umstand, dass die Klägerin in möglicherweise entschuldbarer Weise keine Kenntnis davon hatte, dass der VDK nicht nur in Schwerbehinderten- und Rentenangelegenheiten, sondern auch in Verfahren nach dem SGB II tätig wird, steht einer Aufhebung der PKH-Bewilligung nicht entgegen. Die fristgebundene PKH-Aufhebung gem. §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 124 Nr. 3 ZPO setzt – anders als die nicht fristgebundene PKH-Aufhebung gem. §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 124 Nr. 2 ZPO – Verschulden des PKH-Antragstellers nicht voraus (LAG Hamm, Beschluss vom 27.01.2006, 4 Ta 745/05; zum Verhältnis der Aufhebungstatbestände zueinander ausführlich BGH, Beschluss vom 10.10.2012, IV ZB 16/12).
4. Anhaltspunkte dafür, dass der Klägerin eine Vertretung durch den VDK aus triftigen Gründen unzumutbar gewesen sein könnte (hierzu Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. § 73a Rn. 4), liegen nicht vor. Allein der Umstand, dass der Klägerin – wie sie vorträgt – vom VDK mitgeteilt worden sei, dass dieser SGB II-Angelegenheiten "nicht gerne" bearbeite, begründet eine Unzumutbarkeit der Bevollmächtigung des VDK nicht, zumal die Klägerin eine entsprechende Auskunft erst nach Beendigung des Verfahrens eingeholt hat.
5. Gesichtspunkte, die im Rahmen der nach §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 124 ZPO zu treffenden Ermessenentscheidung gebieten könnten, von der Aufhebung der PKH-Bewilligung abzusehen, liegen nicht vor. Vielmehr ist zu Lasten der Klägerin insoweit zu berücksichtigen, dass die fehlerhafte PKH-Bewilligung allein auf ihren objektiv unrichtigen Angaben beruht. Bei der für die Ermessensausübung gebotenen Interessenabwägung spricht dies entscheidend dagegen, dem Interesse der Klägerin am Erhalt der PKH gegenüber dem Interesse der Staatskasse daran, allein rechtmäßig zustehende Leistungen auszuzahlen, den Vorrang zu geben (ebenso Zöller ZPO, 29. Aufl. 2012, § 124 Rn. 3).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73a Abs.1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO.
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 10.01.2013
Zuletzt verändert am: 10.01.2013