Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 28.07.2010 wird zurückgewiesen. Die Klage auf Änderung des Bescheides vom 22.10.2010 und Gewährung von SGB II-Leistungen für die Zeiten von August 2005 bis 15.12.2008 wird als unzulässig abgewiesen. Kosten sind für den Berufungsrechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Berufungsverfahren nur noch streitig, ob die Kläger im Zeitraum vom 01.08.2005 bis 15.12.2008 für Zeiten, in denen sie Aufenthaltserlaubnisse (auch) nach Kapitel 2 Abschnitt 6 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) innehatten, einen Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) haben.
Der am 00.00.1961 geborene Kläger zu 1) und dessen Kinder, der am 00.00.1996 geborene Kläger zu 2) und der am 00.00.1999 geborene Kläger zu 3), sind ebenso wie die mit ihnen in einem Haushalt lebende 37-jährige Ehefrau des Klägers zu 1) und Mutter der Kläger zu 2) und 3) nach ihrer Mitteilung im Termin zur mündlichen Verhandlung kosovarische Staatsangehörige. Nachdem sie sich bereits in den 90er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hatten, reisten sie im Jahr 2003 erneut ein. Seit dieser Zeit hält sich die Familie in der Bundesrepublik Deutschland auf. Die Mitglieder der Familie erhielten zunächst eine ausländerrechtliche Duldung, im November 2004 eine befristete Aufenthaltsbefugnis nach dem damals geltenden Ausländergesetz (gemäß § 30 bzw. § 31 AusIG). Im Juni 2005 wurden die Aufenthaltstitel in Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 5 AufenthG abgeändert. Am 14.01.2008 wurde der Ehefrau des Klägers zu 1) eine bis zum 13.01.2010 befristete und dann bis zum 11.01.2012 verlängerte Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG erteilt. Mit (diesbezüglich rechtskräftigen) Urteilen des Verwaltungsgerichts (VG) Aachen vom 11.02.2009 (8 K 1125/06, 8 K 729/07 und 8 K 878/08) wurde der dortige Beklagte verpflichtet, dem Kläger zu 1) nach §§ 29, 30 AufenthG und den Klägern zu 2) und 3) nach §§ 29, 32 AufenthG jeweils ab dem 14.01.2008 eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug zu erteilen. Demnach verfügen die Kläger seitdem über Aufenthaltstitel gemäß § 25 Abs. 5 i.V.m. §§ 29, 30 bzw. §§ 29, 32 AufenthG, die dann bis zum 11.01.2012 verlängert wurden. Im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens stellte der dortige Beklagte zudem fest, dass die den Klägern im November 2004 erteilten Aufenthaltsbefugnisse nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes gemäß § 101 Abs. 2 AufenthG als Aufenthaltserlaubnisse nach dem 2. Kapitel, 6. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes fortgegolten haben, und zwar beim Kläger zu 1) bis zum 23.05.2005 und bei den Klägern zu 2) und 3) bis zum 23.11.2006. Zur Frage, ob den Klägern und der Ehefrau des Klägers zu 1) über die erteilten Aufenthaltstitel hinaus weitere Aufenthaltstitel zu erteilen sind, waren zunächst Berufungsverfahren beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen anhängig. Diese Verfahren sind nach Mitteilung des Bevollmächtigten der Kläger im Termin zu mündlichen Verhandlung am 22.11.2012 zwischenzeitlich abgeschlossen. Der Aufenthaltsstatus der Kläger hat sich gegenüber den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen nicht geändert.
Ende Dezember 2004 stellten die Kläger einen Antrag auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Auf diesen Antrag wurde den Klägern mit Bescheid vom 23.12.2004 für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.07.2005 Leistungen nach dem SGB II gewährt. Mit Änderungsbescheid vom 20.05.2005 änderte die Stadt X als Grundsicherungsträger nach dem SGB II den Bescheid vom 23.12.2004 hinsichtlich der Leistungshöhe für den Monat Mai 2005 wegen der Anrechnung von Arbeitseinkommen. Der Beklagte führte weiter aus, dass sich der Bewilligungszeitraum hierdurch nicht ändere. Der Beklagte wies außerdem darauf hin, dass es zur Weiterbewilligung über den angegebenen Zeitraum hinaus erforderlich sei, erneut einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu stellen.
Danach endet die Verwaltungsakte mit einem Ausdruck "Ergebnis des Datenabgleichs nach § 52 SGB II" vom 12.12.2005 und beginnt wieder mit einer Einladung an die Ehefrau des Klägers zu 1) zum 05.01.2009 aufgrund der Arbeitslosmeldung vom 23.12.2008 zum 19.12.2008.
Seit August 2005 erhielten die Kläger Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Aufgrund der der Ehefrau des Klägers zu 1) erteilten Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG bezog diese ab dem 19.12.2008 Leistungen nach dem SGB II. Die Kläger bezogen weiterhin Leistungen nach dem AsylbLG. Bereits mit Schreiben vom 16.12.2008 wandten sich die Kläger und die Ehefrau des Klägers zu 1) an die Beigeladene. Sie beantragten unter Verweis darauf, dass die Beigeladene ihnen Leistungen nach dem AsylbLG bewilligt hatte, bei der Beigeladenen "auch unter Berufung auf § 44 SGB X", ihnen Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII zu bewilligen. Gegebenenfalls solle das Schreiben an den zuständigen Sozialleistungsträger weitergeleitet werden. Mit Schreiben vom 02.03.2009 teilte die Beigeladene mit, dass ein entsprechender Antrag bei dem Beklagten zu stellen sei, eine Weiterleitung käme nicht in Betracht.
Am 15.06.2009 erschien der Kläger zu 1) bei dem Beklagten und erklärte, dass er und seine Kinder bis Ende Mai 2009 Leistungen nach dem AsylbLG beim SGB XII-Leistungsträger erhalten hätten und er um Prüfung bitte, ob ihm nunmehr mit seinen Kindern Leistungen nach dem SGB II zustünden.
Mit ihrem Weiterbewilligungsantrag vom 29.05.2009 bei dem Beklagten beantragte die Ehefrau des Klägers zu 1) auch Grundsicherungsleistungen für die Kläger. Mit Bescheid vom 25.06.2009 lehnte der Beklagte den Antrag auf Leistungen für die Kläger ab. Zur Begründung führte er aus, dass die Kläger Anspruch auf Leistungen nach dem AsylbLG hätten und demnach gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistungsberechtigung nach dem SGB II nicht vorlägen. Die Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug gelte nur für den Zeitraum vom 14.01.2008 bis zum 28.04.2008. Nach diesem Zeitpunkt sei wieder der Aufenthaltstitel gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG maßgebend, der zum Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG berechtige, so dass ein Anspruch auf SGB II- Leistungen ausgeschlossen sei.
Zur Begründung ihres am 14.07.2009 erhobenen Widerspruchs führten die Kläger aus, dass sie seit viel längerer Zeit im Besitz von Aufenthaltstiteln nach Kapitel 2 Abschnitt 6 AufenthG seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2009 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger zurück. Diese würden aufgrund ihrer Aufenthaltstitel gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG erfüllen, so dass sie vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgenommen seien.
Am 29.07.2009 haben die Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Aachen erhoben. Der Beklagte vertrete fehlerhaft die Rechtsauffassung, dass jemand, der einen Aufenthaltstitel innehat, der nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG zum Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG berechtigt, stets keinen Anspruch auf SGB Il-Leistungen habe. Denn in Fällen, in denen Aufenthaltstitel zu mehreren Zwecken erteilt worden sind, seien Leistungen nach dem "besseren" Leistungsgesetz zu bewilligen. Da die Kläger auch "familiäre" Aufenthaltserlaubnisse innehaben, hätten diese einen Anspruch auf SGB Il-Leistungen. Mittlerweile sei auch ein hinreichend langer Zeitraum gegeben, aufgrund dessen SGB Il-Leistungen zu bewilligen seien. Der Ausschluss gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II würde sich nur auf Personen beziehen, die "ausschließlich" einen Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen besitzen. In einem vergleichbaren Fall habe der Beklagte vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen in der Sache ein Anerkenntnis abgegeben. Im Übrigen sei auch ein Verzicht auf einen der erteilten Aufenthaltstitel denkbar. Zuletzt tragen die Kläger vor, dass sie am 16.12.2008 auch der Beklagten einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II in deren Empfangsbereich eingereicht hätten, dieser sei ihnen indes zurückgegeben worden.
Die Kläger haben beantragt,
1) den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 25.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2009 zu verurteilen, den Klägern Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe für sämtliche Zeiträume, in denen sie Aufenthaltserlaubnisse (auch) nach Kapitel 2 Abschnitt 6 des Aufenthaltsgesetzes innehatten bzw. innehaben, unter Abzug bereits erhaltener Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu gewähren,
2) die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Kläger im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat sich zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid bezogen und ergänzend vorgetragen, dass die Kläger umfassend von SGB Il-Leistungen ausgeschlossen seien. Ein gesetzgeberischer Wille zur Leistungsbewilligung nach dem "besseren" Leistungsgesetz sei gerade nicht ersichtlich. Wenn ein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 5 AufenthG vorliege sei ein SGB Il-Leistungsbezug ausgeschlossen, unabhängig davon, ob weitere Titel vorliegen.
Mit Beschluss vom 22.09.2009 hat das SG die Stadt X beigeladen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG Aachen am 28.07.2010 hat der Bevollmächtigte der Kläger für diese einen Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestellt auf Überprüfung wegen Nichtgewährung von Leistungen nach SGB II im Zeitraum 01.08.2005 bis 31.05.2009.
Mit Urteil vom 28.07.2010 hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 25.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2009 verurteilt, den Klägern Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe für die Zeit von Juni bis November 2009 unter Abzug bereits erhaltener Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage, soweit sie sich auf Zeiträume vor Juni 2006 beziehe, aufgrund des nicht durchgeführten Vorverfahrens unzulässig sei. Der Antrag der Kläger vom 29.05.2009, der diesbezügliche Ablehnungsbescheid vom 25.06.2009 und der dazugehörige Widerspruchsbescheid vom 22.07.2009 beziehe sich allein auf den Zeitraum vom 01.06.2009 bis 30.11.2009. Der Antrag der Kläger sei mit dem (an den vorherigen Bewilligungszeitrum vom 19.12.2008 bis zum 31.05.2009 anschließenden) Weiterbewilligungsantrag der Ehefrau des Klägers zu 1) unmittelbar verknüpft gewesen, so dass er nicht als zusätzlicher Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X hinsichtlich vorheriger Zeiträume aufzufassen sei. Der Antrag (bzw. die etwaigen Anträge) der Kläger vom 16.12.2008 beziehe (bzw. bezögen) sich zwar auf vor Juni 2009 liegende Zeiträume. Jedoch sei dieser Antrag (bzw. seien diese etwaige Anträge) nicht beschieden, somit auch kein Vorverfahren durchgeführt worden, so dass eine entsprechende Klage gemäß § 78 SGG unzulässig sei. Demnach könne offen bleiben, ob dieser Antrag (bzw. diese etwaigen Anträge) auch einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X enthalte (bzw. enthielten). Es könne auch dahinstehen, wer – d.h. der Beklagte oder die Beigeladene – aufgrund des Antrags (bzw. etwaiger Anträge) der Kläger vom 16.12.2008 zur Bescheiderteilung verpflichtet ist. Eine diesbezügliche Untätigkeitsklage gemäß § 88 Abs. 1 SGG sei nicht erhoben worden. Im Übrigen sei die Klage begründet. Die Kläger hätten für die Zeit von Juni bis November 2009 einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Der Bescheid vom 25.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2009 sei rechtswidrig. Die Kläger hätten für die Zeit von Juni bis November 2009 einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Die Kläger seien leistungsberechtigt nach dem SGB II. Dieses ergebe sich zum einen aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 AsylbLG. Bei den Klägern handele es sich um in Absatz 1 des in § 1 AsylbLG bezeichnete Ausländer. Sie fielen aufgrund der erteilten Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AufenthG unter den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG. Seit dem 14.01.2008 seien ihnen zusätzlich jeweils eine Aufenthaltserlaubnis von mehr als sechs Monaten erteilt worden. Zudem unterstreiche auch der der Begründung des Gesetzgebers zu § 1 Abs. 2 AsylbLG zu entnehmende Sinn und Zweck dieser Ausnahmevorschrift dieses Ergebnis. Es sei gerechtfertigt, Personen, bei denen eine solche soziale Einbindung erfolgt sei, aus dem Anwendungsbereich des AsylbLG herauszunehmen. Bei den Klägern sei gerade von einem derart verdichteten Bleiberecht auszugehen. Die den Klägern (zusätzlich) erteilte Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug gemäß §§ 29, 30 bzw. §§ 29, 42 AufenthG erzeuge ein gegenüber der Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG verfestigtes Aufenthaltsrecht. Das Verwaltungsgericht habe in seinen Urteilen vom 11.02.2009 nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass bei den Klägern die Voraussetzungen gemäß § 29 Abs. 3 Satz 1 AufenthG erfüllt seien. Die Aufenthaltserlaubnis der Kläger sei danach unmittelbar mit dem verfestigten Aufenthaltstitel der Ehefrau des Klägers zu 1) und Mutter der Kläger zu 2) und 3) verknüpft. Angesichts der schweren psychischen Erkrankung der Ehefrau und Mutter könne die familiäre Lebensgemeinschaft auf nicht absehbare Zeit allein im Bundesgebiet hergestellt werden.
Gegen das ihnen am 11.08.2010 zugestellte Urteil haben die Kläger am 08.09.2010 Berufung eingelegt. Im vorliegenden Verfahren seien auch für Zeiträume vor Juni 2009 Anträge gestellt worden. Die Akten des Beklagten und der Beigeladenen wiesen Lücken auf. Den Antrag hätten die Kläger bereits am 10.12.2004 gestellt. Es seien dann auch Grundsicherungsleistungen durch die (damals zuständige) Stadt X bewilligt worden Diese Leistungen seien ohne jede Begründung und ohne jeden Bescheid eingestellt worden und stattdessen seien Leistungen nach dem AsylbLG durch die Stadt X gewährt worden. Nach der Leistungsbewilligung vom 01.01.2005 bis 31.07.2005 hätten sich die Kläger immer an die Beigeladene gewandt, die sie nicht von einer Zuständigkeitsänderung informiert habe. Nach seiner Arbeitsaufnahme sei der Kläger zu 1) ab 20.04.2005 regelmäßig zur Beigeladenen gegangen und habe seine Gehaltsabrechnung abgegeben. Dies wurde, dass sei offensichtlich, jeweils als Antrag auf Weiterbewilligung von Leistungen unter Anrechnung des anrechenbaren Erwerbseinkommens verstanden und behandelt. Ab 01.08.2005 sei dann die Zuständigkeit SGB II-Leistungen auf die Rechtsvorgängerin des Beklagten übergangen. Aber anstatt die Beendigung des SGB II-Leistungsbezugs festzustellen oder alternativ die Akten an die Rechtsvorgängerin des Beklagten weiterzuleiten, sei – ohne dass dies in irgendeiner Weise aktenkundig gemacht worden sei – der Fall ab 01.08.2005 als AsylbLG-Leistungsfall weitergeführt worden. Der Beklagte (gemeint wohl der Beigeladene) habe aber die Verpflichtung gehabt, sie darauf hinzuweisen, dass sie sich wegen der fortlaufenden Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II an den Beklagten hätten wenden müssen. Stattdessen habe die Beigeladene, an die sich die Kläger wie bisher wandten, um Weiterbewilligung von Sozialleistungen zu erlangen, den Fall amtsintern auf Leistungen nach dem AsylblG "umgestellt". Es sei also offenkundig, dass die Kläger bei der Beigeladenen einen Antrag auf Weiterbewilligung von Leistungen gestellt hätten. Allerdings seien nur Leistungen nach dem AsylblG geleistet worden. Der Weiterbewilligungsantrag sei entgegen § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB I bzw. § 20 Abs. 3 SGB X nicht an den tatsächlich zuständigen Beklagten weitergeleitet worden. In diesem Fall müsse der Beklagte die Antragstellung beim Beigeladenen gegen sich gelten lassen. Über diesen Antrag habe der Beklagte, soweit es den Zeitraum vom 01.08.2005 bis 15.12.2008 betreffe, noch nicht entschieden. Es komme daher auf die Frage nach der Stellung bzw. Bescheidung eines Überprüfungsantrages nach § 44 SGB X nicht an. Vielmehr sei von einem fortlaufenden Bewilligungsantrag durch die Kläger auszugehen, der teilweise noch nicht entschieden ist. Vorliegend sei Art 88 Abs. 1 Sozialgerichtgesetz (SGG) aus verfahrensökonomischen Gründen dahingehend auszulegen, dass eine Untätigkeitsklage auch in der Form der "unechten Untätigkeitsklage" erhoben und durchgeführt werden könne. Der Kläger habe sich in seinem Schreiben vom 16.12.2008 ausdrücklich auf § 44 SGB X berufen.
Mit Bescheid vom 14.10.2010 hat der Beklagte der Ehefrau des Klägers zu 1) mitgeteilt, dass ihr Ehegatte und die Kinder rückwirkend ab dem 01.06.2009 in die Bedarfsgemeinschaft aufgenommen worden seien und bewilligte den Klägerin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.06.2009 bis 30.11.2009.
Mit Bescheid vom 22.10.2010 hat der Beklagte den anlässlich der mündlichen Verhandlung vor dem SG Aachen gestellten Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X wegen Nichtgewährung von Leistungen nach dem SGB II im Zeitraum 01.08.2005 bis 31.05.2009 entschieden. Mit diesem Bescheid erkennt der Beklagte einen Leistungsanspruch ab dem 16.12.2008 grundsätzlich an. Die Vorsprache der Kläger vom 16.12.2008 werde als Antragsstellung gewertet. Für die davorliegenden Zeiträume sei kein Antrag gestellt worden. Dieser Bescheid war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen.
Der Bevollmächtige der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass der Bescheid gemäß § 96 Abs. 1 SGG zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden sei. Vorsorglich hat er mit Schreiben vom 03.11.2010 mit der Begründung, eine Antragstellung sei schon vor dem 16.12.2008 erfolgt, Widerspruch eingelegt.
Anlässlich des Erörterungstermins am 01.09.2011 hat er die Auffassung vertreten, dass der Bescheid des Beklagten vom 22.10.2010 gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden sei. Der Bescheid vom 25.06.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2009 enthalte keine Beschränkung auf den Zeitraum von Juni bis November 2009. Nach der Rechtsprechung des BSG verhalte sich die Ablehnung somit auch zu allen anderen vorgenannten Zeiträumen. Nach seiner Auffassung belege der Bescheid vom 22.10.2010 mit seiner Ablehnung für die vorgenannten Zeiträume, dass für diese Zeiträume eine Ablehnung mangels Antrag getroffen worden sei.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter teilweisen Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Aachen vom 28.07.2010 und unter Abänderung des Bescheides vom 25.06.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2009 und des Bescheides vom 22.10.2010 zu verurteilen, den Klägern Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe für sämtliche Zeiträume zu gewähren, in denen sie Aufenthaltserlaubnisse (auch) nach Kapitel 2 Abschnitt 6 des Aufenthaltsgesetzes innehatten bzw. innehaben unter Abzug bereits erhaltener Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Streitig sei der Bescheid vom 25.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2009. Gegenständlich sei der Bewilligungszeitraum vom 01.06.2009 bis 30.11.2009. Das erstinstanzliche Urteil habe er bereits ausgeführt. Äußerst vorsorglich weise er darauf hin, dass die Kläger erst seit dem 14.01.2008 über Aufenthaltstitel gemäß § 25 Abs. 5 i.V.m. §§ 29, 30 bzw. §§ 29. 32 AufenthG verfügen. Ein (erneuter) Antrag auf Leistungen nach dem SGB II sei jedoch nicht vor dem 16.12.2008 gestellt worden, nachdem zuletzt bis Juli 2005 die Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden waren und in der Folgezeit kein weiterer Antrag gestellt worden war. Insofern dürfe sich der Antrag nach § 44 SGB X auf den Zeitraum 16.12.2008 bis 31.05.2009 konzentrieren. Die Bearbeitung dieses Überprüfungsantrags werde jedoch für die Dauer des Berufungsverfahrens zurückstehen müssen. Seine Akten wiesen keine Lücken auf. Da das SGB II erst zum 01.01.2005 in Kraft getreten sei, könne die Verwaltungsakte keine Vorgänge vor 2004 enthalten. Erstmals am 10.12.2005 hätten die Kläger Leistungen nach dem SGB II beantragt, die ihnen auch bewilligt worden seine. Soweit die Kläger zwischen August 2005 und November 2008 keine Anträge auf Leistungen nach dem SGB II bei dem Beklagten gestellt hätten, könne die Akten auch keine diesbezüglichen Vorgänge enthalten.
Die Beigeladene verweist darauf, dass die Zuständigkeitsproblematik durch die geänderte Aufenthaltserlaubnis erst im Sommer 2009 aufgetreten sei, nachdem ihr die Urteile des VG Aachen vom 11.02.2009 bekannt wurden. Dafür, dass die Kläger bereits zu einem sehr viel früheren Zeitpunkt im Besetz eines "familiären" Aufenthaltstitels waren, als im Tatbestand des Urteils festgehalten, hätten sich aus der vorliegenden Akte keine Anhaltspunkte ergeben. Ab dem 01.08.2005 sei auf Asylbewerberleistungen umgestellt worden. Seitens der Beigeladenen seien Bewilligungsbescheide erlassen worden, aus denen sich die Leistungsgewährung nach dem AsylbLG und auch die veränderte Zuständigkeit der Stadt X ergeben habe. Seine Akten enthielten keine Duplikate über den Bewilligungsbescheid von Leistungen nach dem AsylbLG oder über die Weiterbewilligungsbescheide. Auch Weiterbewilligungsanträge seien nicht enthalten. Diese seien auch nicht erforderlich gewesen, weil die Leistungen nach dem AsylbLG auf Dauer gewährt würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsaktendes Beklagten und des Beigeladenen verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Kläger ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat bezüglich des Zeitraumes vor dem 01.06.2009 die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.
Nachdem den Klägern für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.07.2005 aufgrund des Bescheides vom 23.12.2004, für den Zeitraum vom 01.06.2009 bis 30.11.2009 aufgrund des erstinstanzlichen Urteils und aufgrund des in dem Verfahren nach § 44 SGB X mit Bescheid vom 22.10.2010 für den Zeitraum vom 16.12.2008 bis 31.05.2009 Leistungen bewilligt worden sind, ist nur noch der Leistungszeitraum vom 01.08.2005 bis 15.12.2008 offen.
Das SG hat die Klage für den Zeitraum vor Juni 2009 zu Recht als unzulässig abgewiesen, weil für diesen Zeitraum kein Vorverfahren durchgeführt wurde.
Der Bescheid vom 25.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2009 trifft keine Regelung für den Zeitraum vom 01.08.2005 bis 15.12.2008. Er bezieht sich auf den Antrag vom 29.05.2009. Dieser Antrag ist auf einem üblichen Antragsformular abgegeben. Aus ihm ergibt sich daher nicht, dass zugleich ein Antrag auf Leistungen für die Vergangenheit gestellt sein sollte. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Niederschrift über die Vorsprache vom 15.06.2009. Dort wird die Bitte formuliert, zu prüfen, ob "nunmehr" Leistungen nach dem SGB II" zustünden. Zudem ergibt sich aus § 37 SGB II, dass Leistungen grundsätzlich nicht für die Vergangenheit gewährt werden. Gemäß § 37 Abs. 2 SGB II werden Leistungen nach dem SGB II nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der vom Bevollmächtigen der Kläger im Erörterungstermin vertretenen Auffassung, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sich eine Ablehnung zu allen Zeiträumen verhalte, wenn in dem angefochtenen Bescheid keine Beschränkung aufgenommen wurde. Diese Beschränkung gibt es nach der Rechtsprechung des BSG nur für die in die Zukunft gerichteten Zeiträume. Nach der Rechtsprechung des BSG erstreckt sich bei einer vollständigen Leistungsversagung der streitige Leistungszeitraum bis zur letzen mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz, es sei denn, der streitige Zeitraum wird durch eine erneute Entscheidung des Leistungsträgers begrenzt (vgl. BSG, Urteil vom 01.07.2009, Az.: B 4 AS 9/09 R und Urteil vom 31.01.2007, Az.: B 14/11b AS 59/06 R) Das BSG hat mithin keine Entscheidung dahingehend getroffen, dass sich eine Ablehnung auch für alle Zeiträume in der Vergangenheit richtet.
Die Klage ist für den Zeitraum vom 01.08.2005 bis 15.12.2008 auch nicht deswegen zulässig geworden, weil zwischenzeitlich der Bescheid des Beklagten vom 22.10.2010 auf den in der mündlichen Verhandlung vor dem SG Aachen gestellten Antrag nach § 44 SGB X ergangen ist.
Dieser Bescheid ist nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens im Hinblick auf den Bescheid vom 25.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2009 hinsichtlich des Zeitraums ab 01.06.2009 geworden. Denn der Bescheid vom 22.10.2010 regelt nur den Zeitraum davor. Voraussetzung für eine Einbeziehung nach § 96 SGG ist aber, dass ein neuer Verwaltungsakt nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Da sich die in den beiden Bescheiden geregelten Zeiträume nicht überschneiden, ist der Bescheid nicht über § 96 SGG in das Verfahren einbezogen worden.
Der Bescheid vom 22.10.2010 ist auch nicht im Rahmen einer Klageänderung gemäß § 99 SGG in das Verfahren einbezogen worden. Weder hat der Beklagte in die Änderung eingewilligt noch hält sie der Senat für sachdienlich. Eine Klageänderung ist dann sachdienlich, wenn sie dazu führt, dass der Streit zwischen den Beteiligten in einem Verfahren beigelegt und endgültig bereinigt werden kann, sodass ein neuer Prozess vermieden wird. Nicht sachdienlich ist eine Klageänderung dann, wenn sie dazu führt, dass der Rechtsreit auf eine völlig neue Grundlage gestellt wird (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 99, Rdn. 10, 10a). Die Voraussetzungen für eine Sachdienlichkeit liegen hier nicht vor. Bei der Regelung des § 96 SGG handelt es sich um eine Klageänderung kraft Gesetzes. Die Vorschrift soll eine schnelle, erschöpfende Entscheidung über das gesamte Streitverhältnis in einem Verfahren bei Vermeidung der Gefahr von divergierenden Entscheidungen ermöglichen (Leitherer, a.a.O., § 96, Rdn. 1a). Da vorliegend die Voraussetzungen des § 96 SGG, der eine gesetzliche Regelung der Klageänderung hinsichtlich der Einbeziehung von weiteren Bescheiden enthält, nicht vorliegt, spricht bereits diese gesetzliche Wertung gegen die Sachdienlichkeit der Klageänderung. Zudem wären für einen früheren Leistungsanspruch ggf. auch die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu prüfen. So hat der Bevollmächtigte der Kläger im Berufungsverfahren die Auffassung vertreten, die Beigeladene hätte die Verpflichtung gehabt, die Kläger darauf hinzuweisen, dass sie sich wegen der fortlaufenden Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II an den Beklagten hätten wenden müssen. Die Beigeladene hat im Berufungsverfahren darauf verwiesen, dass die Zuständigkeitsproblematik durch die geänderte Aufenthaltserlaubnis erst im Sommer 2009 aufgetreten sei, nachdem ihr die Urteile des VG Aachen vom 11.02.2009 bekannt wurden. Bezüglich des Vorliegens der Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs hat bislang weder der Beklagte noch das SG Feststellungen getroffen.
Die Klage ist jedoch für den Zeitraum vom 01.08.2005 bis 15.12.2008 auch nicht deswegen zulässig geworden, weil für diesen Zeitraum nunmehr das erforderliche Vorverfahren durchgeführt wurde. Es kann dabei dahinstehen, ob es bislang an einer Bescheidung der Anträge für diesen Zeitraum fehlt, die nach Auffassung des Bevollmächtigen der Kläger gestellt wurden und vom Beigeladenen nur nicht an die Rechtsvorgängerin des Beklagten weitergeleitet wurden, oder ob der Zeitraum Streitgegenstand sein soll aufgrund des Überprüfungsantrags. Denn jedenfalls fehlt es weiterhin an dem erforderlichen Vorverfahren. Sofern von einem nicht beschiedenen Antrag ausgegangen wird, fehlt es überhaupt an einem Bescheid. Auch der Bevollmächtige der Kläger führt in seinem Schriftsatz vom 24.10.2011 aus, dass über diesen Zeitraum noch nicht entschieden ist. Sofern vom Überprüfungsantrag ausgegangen wird, fehlt es am Widerspruchsbescheid.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hatte keinen Anlass, die Revision zuzulassen, § 160 SGG.
Erstellt am: 20.03.2013
Zuletzt verändert am: 20.03.2013