Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 28.11.2012 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin hinsichtlich der Stromkosten Leistungen in Höhe von 3.208,90 Euro als Darlehen zu gewähren und den Betrag direkt an den Energieversorgungsträger zu zahlen. Der Antragsgegner muss die Auszahlung erst dann vornehmen, wenn sich die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gegenüber dem Antragsgegner schriftlich verpflichtet haben, das Darlehen gesamtschuldnerisch zurückzuzahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ab dem 04.01.2013 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Dr. Q aus L beigeordnet. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren dem Grunde nach.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist im tenorierten Umfang begründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufigen Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, Az.: 1 BvR 569/05, BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, Seite 927).
Vorliegend hat der Senat eine Folgenabwägung vorgenommen, denn das Bestehen eines Anordnungsanspruchs ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend zu klären. Gemäß § 22 Abs. 8 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden. Mit der in § 22 Abs. 8 Abs. 5 Satz 1 SGB II genannten Notlage sind solche Konstellationen angesprochen, die mit der Gefährdung der Sicherung der Unterkunft vergleichbar sind. Insbesondere in Form von Energiekostenrückständen kommt eine Behebung einer drohenden Wohnungslosigkeit vergleichbaren Notlage in Betracht. Weiterhin können auch Kosten, die in der Regelleistung enthalten sind, insbesondere Stromschulden, eine vergleichbare Notlage auslösen. Dies gilt vor allem dann, wenn eine Entscheidung dazu führen würde, dass die Wohnung unbewohnbar würde (vgl. Lang/Link in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Auflage 2008, § 22, Rdn. 105/106).
Im vorliegenden Eilverfahren ist nicht abschließend zu klären, ob die Übernahme der Stromschulden gerechtfertigt ist. Dagegen spricht der Vortrag des Antragsgegners, ihm sei erst im September 2012 mitgeteilt worden, dass die Antragstellerin den Stromversorger im Zusammenhang mit ihrem Umzug zum 01.03.2011 gewechselt habe. Allerdings wird dieser Vortrag von der Antragstellerin bestritten. Sie behauptet, den Antragsgegner schon weit früher von dem Wechsel unterrichtet zu haben. Zudem vertritt sie die Auffassung, dass der Antragsgegner bei ihr hätte nachfragen müssen, ob sich der Stromanbieter geändert hat. Dies sei erforderlich gewesen, weil monatlich aus der Regelleistung ein Betrag von 100 Euro direkt an die S1 AG gezahlt worden sei und dem Antragsgegner bekannt gewesen sei, dass ihre Lese- und Schreibkenntnisse mangelhaft seien. Sofern das SG darauf hinweist, dass sich die Antragstellerin schon deutlich früher an die S1 AG hätte wenden können, um die Auszahlung der monatlichen Abschlagszahlungen von 100 Euro an die S AG zu veranlassen, ist nunmehr nach den von der Antragstellerin überreichten Schreiben der S1 AG vom 27.11.2012 und 16.01.2013 festzustellen, dass dies alleine nicht ausgereicht hätte, um die S1 AG zu einer Auszahlung zu veranlassen. Ohne die beantragten Leistungen drohen der Antragstellerin existentielle Nachteile, die sie aus eigener Kraft nicht abwenden kann. Demgegenüber hat der Antragsgegner "nur" finanzielle Nachteile zu gewärtigen, wenn die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren mit ihrem Begehren nicht durchdringen sollte. Nachdem die S AG die Stromversorgung am 25.01.2013 unterbrochen hat, ist nunmehr auch ein Anordnungsgrund gegeben.
Die Auszahlung des Darlehens war von einer Verpflichtungserklärung der weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zur gesamtschuldnerischen Rückzahlung abhängig zu machen, um sicherzustellen, dass das Darlehen, das der gesamten Bedarfsgemeinschaft gewährt wird, auch insgesamt – und nicht nur kopfteilig – zurückgefordert werden kann. Die direkte Auszahlung an den Energieversorgungsträger ergibt sich aus § 22 Abs. 7 Satz 2 und 3 SGB II.
Allerdings hat das SG den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt. Die Antragstellerin hat im erstinstanzlichen einstweiligen Rechtsschutzverfahren einen Anordnungsgrund, nämlich die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Entscheidung zur Vermeidung nicht wieder rückgängig zumachender Nachteilte, nicht glaubhaft gemacht. Erst im Beschwerdeverfahren hat sie das Schreiben der S AG vom 12.11.2012 überreicht, mit dem sie letztmalig zur Zahlung bis zum 15.11.2012 aufgefordert wird und anderenfalls angedroht wird, die Energieversorgung ohne erneute weitere Benachrichtigung einzustellen.
Da die Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg hatte, war der Antragstellerin für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung – ZPO -).
Soweit die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung angegriffen hat, folgt die Kostenentscheidung aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Soweit sich die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrages auf Gewährung von Prozesskostenhilfe richtet, werden Kosten im Beschwerdeverfahren nicht erstattet (§ 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 05.02.2013
Zuletzt verändert am: 05.02.2013