Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 18.03.2010 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Beklagten und der Beigeladenen zu 7). Weitere Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Erteilung einer Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen gemäß § 121a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Die Klägerin ist seit April 2006 als Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe zur vertragsärztlichen Versorgung in S zugelassen und betreibt außerdem in Bochum mit den Dres. O und C eine Privatpraxis. Sie besitzt u.a. die Anerkennung der fakultativen Weiterbildung gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin.
Mit Schreiben vom 15.01.2006 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie beabsichtige, sich zum 01.04.2006 als Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe mit Vertragsarztsitz in S niederzulassen, ein Zulassungsantrag bei der Beigeladenen zu 7) sei gestellt. Außerdem beabsichtige sie, im Bereich der Reproduktionsmedizin tätig zu werden. Um Planungssicherheit zu haben, bat sie um Mitteilung, ob die Vorgaben des § 121a SGB V erfüllt seien. Sie fügte umfangreiche Unterlagen bezüglich ihres Lebenslaufes, der Qualifikation potentieller Mitarbeiter in der Praxis, einen Grundriss der Praxis und Stellungnahmen niedergelassener Gynäkologen aus dem Bereich Kreis S und Stadt Gelsenkirchen, die ihr Vorhaben befürworteten, bei. Im Kreis S gebe es keine Anlaufstelle für Paare mit unerfülltem Kinderwunsch. Die ohnehin psychisch und finanziell stark belasteten Sterilitätspatientinnen müssten in Einrichtungen des weiteren Umkreises überwiesen werden, in denen trotz Erweiterung der Teams um zusätzliche ärztliche Kollegen in der jüngsten Vergangenheit lange Wartezeiten bestanden hätten und aufgrund des Patientenandrangs eine zum Teil recht unpersönliche Behandlung zu beklagen sei.
Die Beklagte bat darauf mit Schreiben vom 26.01.2006 die Beigeladene zu 7) im Hinblick auf die Voranfrage der Klägerin um Stellungnahme insbesondere zur Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit. Nach Beratung der Anfrage am 01.03.2006 in der "Ständigen Kommission In-vitro-Fertilisation und Embryotransfer" teilte die Beklagte der Klägerin unter dem 02.03.2006 mit, dass auf der Grundlage der vorliegenden Informationen aus berufsrechtlicher Sicht keine Bedenken gegen das Vorhaben bestünden.
Mit Schreiben vom 05.03.2006 beantragte die Klägerin sodann formell die Autorisierung ihrer geplanten reproduktionsmedizinischen Praxis gemäß § 13 Abs. 2 der Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe und nachfolgend auch formell die Erteilung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen (ICSI/IVF) sowie zur Durchführung von Inseminationen nach hormoneller Stimulation mit der Gefahr der Polyovulation (drei oder mehr Follikel) entsprechend der Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion in ihrer künftigen reproduktionsmedizinisch-endokrinologischen Schwerpunkt-Praxis in S. Sie wies darauf hin, dass die Beigeladene zu 7) noch keine Stellungnahme abgegeben habe; sie sei mit einer Mengenbegrenzung auf 200 IVF-Punktionen pro Jahr zufrieden.
Mit Schreiben vom 10.04.2006 und 25.04.2006 verneinte die zu 7) beigeladene Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KV WL) den notwendigen Bedarf für die beabsichtigten Leistungen. Im Planungsbereich S habe zwar kein Vertragsarzt eine Genehmigung nach § 121a SGB V, es seien aber auch die angrenzenden Planungsbereiche in die Betrachtung einzubeziehen. In Bocholt, Münster, Gelsenkirchen und Dortmund seien Reproduktionsmediziner niedergelassen, bezüglich der Zulassung in Bochum sei ein Rechtsstreit anhängig. Diese Praxen seien für die Versicherten mit einer Fahrzeit von maximal 1 Stunde zumutbar erreichbar. Eine Überprüfung habe ergeben, dass im Quartal III/2005 Versicherte aus dem Kreis S diese Praxen aufgesucht hätten. Dies zeige, dass die Versicherten diese Entfernungen nicht als subjektiv unzumutbar empfänden. Die Änderung des § 27a SGB V habe zu einem deutlichen Rückgang der Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Leistungen geführt, so dass eine Genehmigungserteilung unwirtschaftlich wäre. Schließlich sei die beabsichtigte Praxis auch nicht leistungsfähig. Nach Auffassung des Berufsverbandes Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands e.V. sei von einer schwerpunktmäßigen Tätigkeit erst bei mindestens 50 % Praxistätigkeit auszugehen. Eine derartige schwerpunktmäßige Tätigkeit sei in S nicht erreichbar. Darüber setzte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 02.05.2006 in Kenntnis.
Nach einer Praxisbegehung am 07.06.2006 durch die "Ständige Kommission In-vitro-Fertilisation und Embryotransfer" autorisierte die Beklagte mit Bescheid vom 27.06.2006 die Klägerin als verantwortliche Leiterin zu Maßnahmen der assistierenden Reproduktion (insbesondere In-Vitro-Fertilisation (IVF) und intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)) für den privatärztlichen Bereich. Gleichzeitig lehnte die Beklagte die Autorisierung der Praxis für den vertragsärztlichen Bereich im Anschluss an die Argumentation der Beigeladenen zu 7) ab und wies abschließend darauf hin, dass die Städte in der Region um S dicht aneinander lägen und durch ein engmaschiges Nahverkehrsnetz verknüpft seien, so dass eine Praxis in S auch nicht wegen unzumutbarer Anfahrtswege geboten wäre. Schon wesentliche Anfahrtswege von bis zu 150 km seien im Zusammenhang mit der konkret in Rede stehenden Thematik gerichtlich für zumutbar gehalten worden. Deshalb spreche nichts dagegen, z.B. auch die Einrichtungen in Münster oder Bocholt in die Beurteilung einzubeziehen.
Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Widerspruch ein. Die Beklagte habe ihr Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Auch im Übrigen widerspreche die Begründung der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Da nicht zu erwarten sei, dass die Beklagte ihre Ermessensentscheidung ändere, verzichte sie auf weitere Ausführungen. Nach Einholung einer weiteren Stellungnahme der Beigeladenen zu 7) wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2008 zurück. Die Klägerin verfüge zwar über die notwendigen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten und arbeite nach wissenschaftlich anerkannten Methoden. Dennoch bestehe Bedarf für die beantragte Genehmigung, da die Klägerin nicht die Gewähr für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Durchführung der Maßnahmen zur Durchführung einer Schwangerschaft biete. Durch die seit Jahren etablierten und den überweisenden Ärzten in S bekannten Praxen in Gelsenkirchen, Dortmund, Bocholt, Münster und (nunmehr auch) Bochum sei eine ausreichende, gleichmäßige und flächendeckende Versorgung sichergestellt. Den Versicherten im Kreis S sei es zuzumuten, eine der genannten Praxen aufzusuchen; die Fahrzeit von den einzelnen Gemeinden des Kreises S betrage zwischen 18 und 50 Minuten (wird weiter ausgeführt). Die Erteilung der beantragten Genehmigung sei darüber hinaus auch nicht wirtschaftlich, da die Inanspruchnahme der Leistungen nach der Gesetzesänderung zum 01.01.2004 in den vergangen Jahren auch in Westfalen-Lippe dauerhaft rückläufig seien, wie die von der Beigeladenen zu 7) ermittelten Abrechnungszahlen der o.a. Praxen belegten:
EBM-GOP – IV/2003 – IV/2004 – IV/2005 – IV/2006
08550 (1188) IVF – 438 – 133 – 123 – 150
08551 (1190) IVF – 73 – 14 – 10 – 12
08552 (1192) IVF – 74 – 15 – 22 – 44
08560 (1194) IVF mit ICSI – 583 – 142 – 139 – 166
08561 (1195) IVF mit ICSI – 43 – 7 – 5 – 9
Mit der fristgerecht erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen: Entgegen der Ansicht der Beklagten bestehe im Planungsbereich S ein Bedarf. Kein Vertragsarzt verfüge über eine Genehmigung zur Erbringung reproduktionsmedizinischer Leistungen. Dies bedeute, dass im Kreis S keine ausreichende Versorgung bestehe. Ein Großteil der reproduktionsmedizinischen Zentren befinde sich im Ballungsraum Ruhrgebiet/Nordrhein. Patientinnen aus dem Kreis S müssten lange Fahrzeiten von ca. 20 bis 55 Minuten in Kauf nehmen. Der Zeitaufwand und die Anfahrtstrecken seien unzumutbar. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) schreibe vor, dass der behandelnde Arzt am Tag des Eingriffs nicht weiter als ca. 20 km vom Aufenthaltsort der Patientin entfernt sein dürfe, um auf eventuelle Komplikationen reagieren zu können. Das sei derzeit nicht sichergestellt. Aus der bloßen Inanspruchnahme der im Umkreis von S angebotenen Leistungen könne nicht geschlussfolgert werden, dass die Versicherten die Entfernungen zu den vorhandenen Therapiezentren als zumutbar empfänden. Die Versorgung mit reproduktionsmedizinischen Leistungen sei nicht gleichmäßig und flächendeckend. Die bestehenden Zentren seien im weiten Kreis um die Stadt S und das gesamte südliche Münsterland mit seiner hohen Bevölkerungsdichte angesiedelt, so dass diese Region unterversorgt sei. Ein Absinken der Indikationsschwelle sei nicht zu befürchten, da klare Indikationsrichtlinien bestünden. Bezüglich des Argumentes der Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit sei zu berücksichtigen, dass der Wille des Gesetzgebers nach Rückgang der fraglichen Leistungen nur ein allgemeines Argument sei. Die von der Beklagten aufgeführten Daten zeigten, dass es im Jahre 2006 wieder zu einem Anstieg gekommen sei. Eine Praxis sei wirtschaftlich ab einer Anzahl von IVF-/ICSI-Zyklen von ca. 150 bis 200 Punktionen pro Jahr. Diese seien problemlos zu akquirieren, so dass das avisierte Projekt tragbar sei. Hierdurch würde keines der bisherigen Zentren beeinträchtigt. Sie – die Klägerin – erfülle sämtliche fachlichen, sachlichen, personellen und technischen Voraussetzungen. Die Klägerin rügt ferner: Nach der Rechtsprechung handele es sich bei der Entscheidung gemäß § 121a SGB V um eine gebundene Entscheidung, die Beklagte habe hingegen Ermessen ausgeübt. Bezüglich des Versorgungsbedarfes habe die Beklagte die Angaben der Beigeladenen zu 7) ungeprüft übernommen. Es sei nicht erkennbar, wie der Bedarf ermittelt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien bei der Frage der Sonderbedarfszulassung die niedergelassenen Ärzte zu befragen und eventuell deren Anzahlstatistik hinzuzuziehen. Statistisch (wird weiter ausgeführt) gebe es im Kreis ca. 3.600 Ehepaare, deren Kinderwunsch ohne medizinische Unterstützung nicht erfüllt werden könne. Dieser "reale" Versorgungsbedarf werde auch durch die bisherigen Patienten- und Behandlungszahlen der klägerischen Praxis untermauert. Sie habe seit Eröffnung der Praxis in S mehr als 2.500 Patienten in S bzw. in Bochum behandelt. Aus den von ihr vorgelegten Zahlen ergebe sich, dass ein Großteil ihrer Kinderwunschpatientinnen aus dem Kreis S stammten und selbstverständlich einer wohnortnahen Versorgung bedürften. Es sei aber auch aus diesen Zahlen ablesbar, dass Patientinnen aus Städten kämen, in denen eine reproduktionsmedizinische Praxis bestehe, dort aber – wohl wegen Überlastung – häufig keine fachlich oder persönlich zufriedenstellende Betreuung stattfinde. Dies zeige, dass ein erheblicher und ständig steigender Bedarf in S bestehe. Nur, weil die Patientinnen faktisch gezwungen seien, andere reproduktionsmedizinische Praxen aufzusuchen, sei daraus nicht der Schluss zu ziehen, dass Bedarf nicht gegeben sei. Das Sozialgericht (SG) Münster habe mit Urteil vom 07.04.2003 (S 2 KA 88/02) entschieden, dass zu Untersuchungen im Bereich der Mammographie und Computertomographie, die zudem anders als die hier strittigen Behandlungen nur einen Arzttermin erforderten, Fahrzeiten von 40 Minuten zumutbar seien. Es komme auf die Fahrzeiten mit öffentlichen Verkehrsmitteln an. Aus den vorgelegten Fahrplanauszügen ergebe sich indes, dass vorliegend die Fahrzeiten länger seien, im Mittel über eine Stunde für eine Wegstrecke. Hinzu kämen in großen und stark frequentierten Praxen Warte- und Behandlungszeiten für jeden einzelnen Ultraschall von 1,5 bis 2 Stunden. Die medizinische, emotionale und psychologische Belastung werde durch die mangelnde terminliche Vereinbarkeit mit dem Alltag zumeist berufstätiger Frauen noch potenziert. Bei langen Anfahrtswegen ergäben sich Probleme am Arbeitsplatz, die bis zu dessen Verlust führen könnten.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 18.03.2010 hat die Klägerin ergänzend angegeben: In Bochum betreibe sie lediglich eine Privatpraxis, in der sie ihre Patientinnen berate und Ultraschalluntersuchungen durchführe. Die reproduktionsmedizinische Behandlung erfolge dann in S. Angesprochen auf ihre Homepage, auf der nur die Anfahrt mit Pkw beschrieben werde, hat die Klägerin vorgetragen, dass es nicht möglich sei, die Vielzahl der Verbindungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzugeben.
Die Klägerin hat beantragt,
der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 07.02.2008 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 7) haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 7) haben sich wiederholend und vertiefend auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid bezogen. Hierzu hat die Beigeladene zu 7) u. a. ausgeführt, es verbleibe dabei, dass die Bedarfsprüfung planungsbereichsübergreifend durchzuführen sei. Die reproduktionsmedizinischen Praxen in umliegenden Planungsbereichen seien für Patientinnen aus dem Kreis S in der Regel in weniger als 30 Minuten zu erreichen. Diese verfügten über ausreichende Kapazitäten. Die von der Klägerin selbst vorgelegten Zahlen zeigten, dass die von ihr behandelten Patientinnen nur zu einer geringen Zahl aus S und unmittelbarer Umgebung kämen. Vielmehr kämen auch Patientinnen u.a. aus Bielefeld, Menden, Düsseldorf, Lüdenscheid, Neuss. Diese würden damit an mehreren Praxen vorbeifahren, in denen mit entsprechender Genehmigung reproduktionsmedizinische Leistungen erbracht werden. Die Behauptung der Klägerin, dass die Patientinnen aus entfernteren Städten in ihre Praxis kämen, da in anderen Praxen vermutlich eine Überlastung bestehe, sei reine Spekulation.
Die Beigeladene zu 7) hat zur Stützung ihrer Auffassung einen Artikel im Deutschen Ärzteblatt vom 18.02.2005 vorgelegt und im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG darauf hingewiesen, dass die Zahl künstlicher Befruchtungen nach einer Umfrage des Bundesverbandes Reproduktionsmedizinischer Zentren (BRZ) in Folge der Gesetzesänderung (des § 27a SGB V) seit 01.01.2004 stark rückläufig seien. Es sei deshalb davon auszugehen, dass keine Wartezeiten bestünden. Aktuelle Zahlen über Wartezeiten habe sie nicht.
Das SG Gelsenkirchen hat mit Urteil vom 18.03.2010 die Klage abgewiesen. Die Genehmigung nach § 121a SGB V sei nicht zu erteilen, da keine Bedarfsgerechtigkeit bestehe. Die von der Beigeladenen zu 7) ermittelten und von der Beklagten in der Widerspruchsbegründung zugrunde gelegten Abrechnungsdaten zeigten einen Rückgang auf ungefähr ein Drittel der bisher erbrachten Leistungsmenge. Es entspreche allgemeiner Lebenserfahrung, dass dann, wenn eine Nachfrage um zwei Drittel zurückgehe, die noch bestehende Nachfrage gedeckt werden könne. Ein Bedarf an reproduktionsmedizinischen Leistungen im Kreis S sei auch nicht deshalb gegeben, weil es den Patientinnen aus dem Kreis S unzumutbar sei, die reproduktionsmedizinischen Praxen in Gelsenkirchen, Bochum, Dortmund oder Münster aufzusuchen. Dies ergebe sich aus dem eigenen Vorbringen der Klägerin. Auf ihrer Homepage gebe diese an, seit dem 01.07.2008 ihre Kompetenz auch in Bochum zur Verfügung zu stellen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung habe die Klägerin hierzu erklärt, dass es sich um eine Privatpraxis handele, in der sie ihre Patientinnen berate und unter Umständen auch Ultraschalluntersuchungen durchführe. Die reproduktionsmedizinische Behandlung erfolge dann in S. Bei diesen Patientinnen, die in Bochum beraten würden, könne es sich nicht um Patientinnen aus S handeln, da diese in der Privatpraxis der Klägerin in S behandelt werden könnten. Es müsse sich also um Patientinnen außerhalb des Kreises S handeln. Dies bedeute aber weiterhin, dass es für Privatpatientinnen kein Problem sei und die Klägerin es auch als zumutbar ansehe, dass Privatpatientinnen z.B. aus Bochum zur Behandlung nach S fahren. Dann sei es aber nicht nachvollziehbar, weshalb es Kassenpatientinnen nicht möglich sein solle, von S zur Behandlung nach Bochum zu fahren. Die Klägerin trage selbst vor, dass Patientinnen z.B. aus Düsseldorf, Bielefeld, Iserlohn, Emmerich, Hörstel und Augustdorf zu ihr zu einer Behandlung kämen. Dies zeige, dass es ohne weiteres möglich sei, auch bei dieser sehr aufwändigen Behandlung, weite Wege zu dem behandelnden Arzt bzw. der behandelnden Ärztin zurückzulegen. Ein Bedarf sei auch nicht deshalb zu bejahen, weil die Wegstrecken unter zeitlichen Gesichtspunkten unzumutbar seien. Auf ihrer Homepage gebe die Klägerin eine ausführliche Anreisebeschreibung mit dem Pkw an und schildere insbesondere die Parkmöglichkeiten. Des Weiteren befinde sich in diesem Zusammenhang auf der Homepage ein Link zu einem Routenplaner. Irgendein Hinweis auf die Erreichbarkeit der Praxis mit öffentlichen Verkehrsmitteln, z.B. Beschreibung des Fußweges vom Bahnhof zur Praxis oder Link zur Fahrplanauskunft, fänden sich nicht. Hieraus könne nur der Schluss gezogen werden, dass der überwiegende Teil der Patientinnen mit dem Pkw zur Praxis komme. Nach den von der Klägerin selbst gemachten Angaben erscheine es sehr unwahrscheinlich, dass die Patientinnen mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisten. Eine Patientin aus Bielefeld brauche laut Fahrplanauskunft der Deutschen Bahn von Bielefeld Hauptbahnhof bis S Hauptbahnhof im günstigsten Fall 1 Stunde und 37 Minuten, eine Patientin aus Augustdorf sogar 3 Stunden und 37 Minuten. Es erscheine wirklichkeitsnäher, dass ein Pkw benutzt werde. Hierbei betrage die Fahrzeit laut Routenplaner von Bielefeld nach S 1 Stunde und 19 Minuten und von Augustdorf bis S 1 Stunde und 24 Minuten. Im Vergleich hierzu sei die Fahrzeit z.B. von S nach Gelsenkirchen oder Bochum unproblematisch.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen diese Entscheidung und trägt zur Begründung vor: Das SG habe bereits die gesetzlichen Vorgaben zur Bedarfsermittlung und Bedarfsfeststellung verkannt, indem es fehlerhaft davon ausgegangen sei, dass eine Genehmigung nach § 121a SGB V dann nicht mehr erteilt werden könne, wenn ein bestehender Versorgungsbedarf bereits von anderen Ärzten gedeckt sei. Vielmehr komme es wie im Bereich des Krankenhausrechts (etwa gemäß § 1 Abs. 1 und § 8 Abs. 2 des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze – Krankenhausfinanzierunggesetz (KHG) und § 109 Abs. 2 SGB V), dem die Regelung in § 121a SGB V nachgebildet worden sei, hinsichtlich der Frage der Bedarfsgerechtigkeit allein darauf an, ob der Antragsteller die Gewähr für eine ordnungsgemäße Versorgung biete, was vorliegend der Fall sei. Auf der zweiten Ebene hätte dann – so die Klägerin – eine Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung der im System vorhandenen Leistungserbringer stattfinden müssen. Eine solche Prüfung habe indes nicht stattgefunden. Ihr Antrag sei allein vor dem Hintergrund abgelehnt worden, dass der Bedarf bereits durch andere Leistungserbringer, die bereits über eine Genehmigung nach § 121a SGB V verfügten, gedeckt werde. Das Urteil sei auch insoweit fehlerhaft, als die durch die Beklagte vorgenommene Bedarfsermittlung für zutreffend gehalten werde. Der Akte sei aber insofern zu entnehmen, dass sich die Beklagte selbst keine eigenen Gedanken über die Bedarfssituation gemacht, sondern schlichtweg die Ausführungen der Beigeladenen zu 7) übernommen habe. Es werde weiter nicht erkennbar, wie die Beklagte den Bedarf ermittelt habe. Die bloße Feststellung, dass der Bedarf durch – im einzelnen benannte – reproduktionsmedizinische Praxen gedeckt werde, ersetze nicht die notwendige Prüfung, in welchem Umfang solche Leistungen angeboten würden. Nur unter Berücksichtigung tatsächlicher Leistungszahlen könne ein Bedarf ermittelt werden. Den vom BSG in seiner Rechtsprechung zu Sonderbedarfszulassungen aufgestellten Anforderungen an die erforderlichen Ermittlung, die auch hier Anwendung fänden, seien fehlerhaft nicht eingehalten worden. Konkrete Feststellungen und Ermittlungen fehlten. Insbesondere habe das SG in diesem Zusammenhang verkannt, dass das Zahlenmaterial der Beigeladenen zu 7) die echte Bedarfssituation verfälsche, da das Quartal IV/2003 als "extremes Ausreißerquartal" in keiner Weise repräsentativ für den gegebenen Versorgungsbedarf sei. Dies belegten die von ihr vorgelegten Auszüge aus den Jahresberichten des Deutschen IVF-Registers 2008 und 2009. Ab 2005 sei die Zahl der Behandlungen wieder kontinuierlich gestiegen und habe 2009 fast wieder das Niveau von 2001 erreicht. Es sei also keineswegs so, dass – wie vom SG ausgeführt – die Nachfrage um ca. 2/3 zurückgegangen sei. Auch die örtliche Bedarfssituation, sei in keiner Weise berücksichtigt worden. § 121a SGB V stelle zwar nicht allein auf das Angebot im Planungsbereich ab, man werde sich aber an die allgemeinen Kriterien zur Ermittlung eines Versorgungsbedarfs halten müssen; danach komme es maßgeblich auf die Faktoren Anzahl der Ärzte, Krankenhausversorgung, Bevölkerungsdichte und -struktur, Art und Umfang der Nachfrage sowie auf die räumliche Zuordnung aufgrund der Verkehrsverbindung an. Damit stelle sich die entscheidende Frage, welche Wartezeiten und Verkehrsstrecken den Einwohnern des Kreises S zugemutet werden könnten, um an der vertragsärztlichen Versorgung teilzunehmen. Unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vertritt die Klägerin insofern weiterhin die Auffassung, der Verweis auf andere Praxen außerhalb des Kreises sei für die Patienten unzumutbar.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 18.03.2010 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 27.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.02.2008 zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 7) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält an ihrer Entscheidung fest und verweist auf die ihrer Auffassung nach zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils. Die von der Klägerin geforderte Anwendung der Rechtsprechung zum Krankenhausrecht scheitere schon an der mangelnden Vergleichbarkeit der Grundstrukturen des Planungsrechts für den Bedarf im Krankenhausrecht und den Bedarf im Vertragsarztrecht im Zusammenhang mit der Erbringung genehmigungspflichtiger, spezialärztlicher Leistungen bei gedeckelter Gesamtvergütung. Die Feststellungen zum Bedarf im Krankenhaus würden durch die Konkurrenz von Krankenhausplanung mit dem Landeskrankenhausbedarfsplan nach dem KHG einerseits und den Versorgungsverträgen nach dem SGB V andererseits geprägt, die es im Vertragsarztrecht so nicht gebe. Das Vertragsarztrecht sei dadurch geprägt, dass ein größeres Angebot an ärztlichen Leistungen zwangsläufig zu einer höheren Nachfrage führe. Bei einer gedeckelten Gesamtvergütung könnten mit der begrenzten Geldmenge nur bedarfsgerechte Leistungen honoriert werden. Würde der Forderung der Klägerin gefolgt, einen Bedarf unabhängig von dem bestehenden Angebot durch Ärzte/Praxen (als Äquivalent zu dem Krankenhaus) zu prüfen, würde das Überangebot ärztlicher Leistungen zwangsläufig zu einem Punktwertverfall und damit einer nicht mehr angemessenen Vergütung der Leistungen führen.
Die Beigeladene zu 7) schließt sich den Ausführungen der Beklagten an. Sie hat auf Nachfrage des Senats die folgenden Abrechnungszahlen der in den Quartalen I/2002 bis IV/2003 der in dieser Zeit tätigen Leistungsanbieter künstlicher Befruchtungen vorgelegt:
EBM-GOP – I/2002 – II/2002 – III/2002 – IV/2002
08550 (1188) IVF – 204 – 190 – 172 – 183
08551 (1190) IVF – 36 – 50 – 36 – 40
08552 (1192) IVF – 37 – 45 – 37 – 42
08560 (1194) IVF mit ICSI – – 270 – 309
08561 (1195) IVF mit ICSI – – 19 – 21
EBM-GOP – I/2003 – II/2003 – III/2003 – IV/2003
08550 (1188) IVF – 223 – 261 – 298 – 438
08551 (1190) IVF – 42 – 34 – 65 – 73
08552 (1192) IVF – 50 – 55 – 86 – 74
08560 (1194) IVF mit ICSI – 332 – 330 – 398 – 583
08561 (1195) IVF mit ICSI – 28 – 14 – 26 – 43
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.02.2008, mit der sie die Erteilung der beantragten Genehmigung abgelehnt hat, ist rechtmäßig. Die Klägerin ist nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert.
Die von der Klägerin erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zulässig; insbesondere besteht ein Rechtschutzinteresse, da sie nur mit einer solchen Genehmigung zu Lasten der Krankenkasse die antragsgemäß beabsichtigten künstlichen Befruchtungen und Inseminationen nach hormoneller Stimulation mit der Gefahr der Polyovulation mit drei oder mehr Follikeln durchführen und abrechnen kann. Denn gemäß § 121a Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 SGB V dürfen Krankenkassen ihrerseits Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (§ 27a Abs. 1 SGB V) nur durch Vertragsärzte erbringen lassen, denen die zuständige Behörde eine Genehmigung nach Absatz 2 zur Durchführung dieser Maßnahmen erteilt hat. Satz 1 gilt (nach Satz 2 der vorgenannten Norm) bei Inseminationen dann, wenn sie nach Stimulationsverfahren durchgeführt werden, bei denen dadurch ein erhöhtes Risiko von Schwangerschaften mit drei oder mehr Embryonen besteht.
Der von der gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Heilberufsgesetz Nordrhein-Westfalen für die Entscheidung zuständigen Beklagten erlassene Bescheid ist formell rechtmäßig. Das in Abschnitt B.III. der unverändert geltenden Richtlinie zur Entscheidung über die Genehmigung von Maßnahmen zur Durchführung künstlicher Befruchtungen durch Ärztinnen und Ärzte, Einrichtungen und Krankenhäuser gemäß § 121a SGB V (RdErl. des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 24.01.1997, V A 6 – 0502.40, im Folgenden "Richtlinie zu § 121a SGB V") geregelte Verfahren wurde eingehalten. Einwendungen wurden insofern nicht erhoben und sind nicht ersichtlich.
Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtmäßig, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen gesetzlich Versicherter gemäß § 121a SGB V, der in der seit 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetzes – Vertragsarztänderungsgesetz (VÄndG, BGBl. I 3439) zur Anwendung gelangt. Danach darf die Genehmigung nur erteilt werden, wenn die Klägerin nach § 121a Abs. 2 SGB V
1. über die für die Durchführung der Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (§ 27a Abs. 1) notwendigen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten verfügt und nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeitet und
2. die Gewähr für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Durchführung von Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (§ 27a Abs. 1) bietet.
Es handelt sich damit bereits dem Wortlaut nach um eine "gebundene" – nicht im behördlichen Ermessen stehende – Entscheidung. Dem Urteil des Bundessozialgericht vom 28.09.2005 – B 6 KA 60/03 R – zufolge enthält zwar der Grundtatbestand des Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 zahlreiche unbestimmte Rechtsbegriffe wie z.B. "erhöhtes Risiko", "notwendige diagnostische und therapeutische Möglichkeiten", "wissenschaftlich anerkannte Methoden", "bedarfsgerecht", die der Behörde möglicherweise Beurteilungsspielräume einräumen, so dass sich insoweit die Frage nur eingeschränkter gerichtlicher Überprüfbarkeit stellen kann. Es finden sich aber keine Formulierungen wie "kann", "darf", "ist befugt", "nach pflichtgemäßem Ermessen", die auf die Einräumung von Ermessen hinweisen. Das BSG, dessen Rechtsauffassung sich der Senat anschließt, hat zur Begründung m.w.N. weiter ausgeführt:
"Der Beurteilung, dass die Genehmigung nach § 121a Abs 1 iVm Abs 2 SGB V eine gebundene Entscheidung darstellt, steht die Vorschrift des § 121a Abs 3 Satz 1 SGB V nicht entgegen. Zwar ist darin normiert, dass unter den in Abs 3 aaO festgelegten Voraussetzungen ein Anspruch auf Genehmigung nicht gegeben ist. Insoweit handelt es sich aber um eine Sonderregelung für die Bewerberkonkurrenz im Rahmen des § 121a Abs 3 SGB V; sie bezieht sich allein auf die nachfolgende, noch im selben Absatz getroffene Bestimmung des Satzes 2 der Vorschrift. Danach hat die Behörde "bei notwendiger Auswahl zwischen mehreren geeigneten Ärzten oder Einrichtungen, die sich um die Genehmigung bewerben," ihre Entscheidung "nach pflichtgemäßem Ermessen" zu treffen. Diese ist unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen und der Vielfalt der Bewerber daran auszurichten, "welche Ärzte oder welche Einrichtungen den Erfordernissen einer bedarfsgerechten, leistungsfähigen und wirtschaftlichen Durchführung von Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (§ 27a Abs 1) am besten gerecht werden". Nur im Rahmen einer solchen Auswahl zwischen mehreren Bewerbern hat die Behörde Ermessen (ebenso zur insoweit vergleichbaren Rechtsvorschrift des § 109 Abs 2 SGB V BSGE 78, 233, 239 = SozR 3-2500 § 109 Nr 1 S 7 f und BSGE 81, 182, 184 = SozR 3-2500 § 109 Nr 5 S 36 sowie zu § 8 Abs 2 KHG BVerwGE 72, 38, 52 bis 54; BVerwG USK 85217 S 1165 bis 1167; MedR 1986, 334, 336 f; NJW 1987, 2318, 2320). Durch die Bestimmung des Abs 3 Satz 1 aaO wird mithin lediglich die Regelung des Satzes 2 im Sinne einer Klarstellung dahin ergänzt, dass "ein Anspruch auf Genehmigung nicht besteht". Allein dies ist die Funktion des Abs 3 Satz 1. Das Gesetz bietet keinen Ansatzpunkt dafür, § 121a Abs 3 Satz 1 SGB V in der Weise ausdehnend auszulegen, dass die Regelung einen auch für Abs 1 und Abs 2 gültigen Obersatz enthalte.
Gegen eine solche Auslegung spricht auch die Entstehungsgeschichte der Bestimmung. Eine ihr vergleichbare Struktur weisen § 8 KHG und § 109 SGB V auf. Zu diesen Vorschriften war bereits im Gesetzentwurf zu § 109 SGB V mit Bezugnahme auf § 8 KHG ausgeführt worden, dass "die Gesamtregelung … dahin zu verstehen (ist), dass ein Anspruch auf Feststellung der Aufnahme in den Krankenhausplan nach dem KHG bzw auf Abschluss eines Versorgungsvertrages … nur dann ausgeschlossen ist, wenn das Bettenangebot größer ist als der Bettenbedarf" (so BT-Drucks 11/2237 S 197 vom 3. Mai 1988 zu § 109 Abs 2 (damals § 117 Abs 2) SGB V). Bei Schaffung des § 121a SGB V (s dazu BT-Drucks 11/6760 vom 21. März 1990 S 16 iVm KOV-Anpassungsgesetz 1990 vom 26. Juni 1990, BGBl I 1211) lag bereits die Rechtsprechung des BVerwG zu § 8 KHG vor, dass – außer im Fall einer Bewerberkonkurrenz – ein Rechtsanspruch auf Aufnahme in den Krankenhausplan und in das Investitionsprogramm bzw auf Abschluss eines Versorgungsvertrages bestehe (BVerwGE 72, 38, 50 f und die weiteren oben angeführten BVerwG-Urteile). Zeitgleich mit dem Inkrafttreten des § 121a SGB V hat das BVerfG die Ansicht des BVerwG zum Bestehen des entsprechenden Rechtsanspruchs bestätigt (BVerfG, Beschluss vom 12. Juni 1990, BVerfGE 82, 209, 228; s auch BVerfGE 83, 363, 387 f; vgl ferner BVerfG (Kammer) NZS 2004, 420 (unter 1 a) = GesR 2004,296 (unter I 1 a)). Hätte der Gesetzgeber die Auslegung im Sinne eines Rechtsanspruch auf Genehmigung für § 121a SGB V nicht gelten lassen wollen, hätte spätestens die Rechtsprechung des BVerfG für ihn Anlass sein müssen, die Regelung zu ändern bzw eine Klarstellung vorzunehmen. Schließlich ist der Gesetzgeber auch nach Vorliegen weiterer höchstrichterlicher Rechtsprechung, nunmehr zu § 109 Abs 1 iVm Abs 3 SGB V, die ebenfalls grundsätzlich von einem Rechtsanspruch ausging, nicht korrigierend tätig geworden (vgl dazu – seit Mitte der 90er-Jahre – 3. Senat des BSG, zB BSGE 78, 233, 239 = SozR 3-2500 § 109 Nr 1 S 7 f; BSGE 81, 182, 184 = SozR 3-2500 § 109 Nr 5 S 36; BSGE 87, 25, 27 f = SozR 3-2500 § 109 Nr 7 S 45 f)."
An dieser Auffassung hält das BSG in seinem Urteil vom 16.05.2012 – B 3 KR 9/11 R – fest (so der Terminbericht des BSG Nr. 27/12 vom 21.05. 2012; die Entscheidungsgründe waren zum Zeitpunkt der Entscheidung im vorliegenden Verfahren noch nicht veröffentlicht).
Der angefochtene Bescheid ist nicht bereits deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte (vgl. S. 4 des Widerspruchsbescheides: "Bei der Entscheidung über die Genehmigung ist also nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen …"), obwohl keine Bewerberkonkurrenz vorlag, eine Ermessensentscheidung getroffen hat. Dies hat ausschließlich zur Folge, dass der Senat vollumfänglich das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen zu prüfen hat und in seiner Rechtskontrolle nicht durch einen ggf. zu beachtenden Entscheidungspielraum der Beklagten beschränkt ist.
Die Klägerin verfügt über die für die Durchführung der Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (§ 27a Abs. 1 SGB V) notwendigen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten und arbeitet nach wissenschaftlich anerkannten Methoden. Damit erfüllt sie – wie auch die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid bestätigt hat – die in § 121 Abs. 2 Nr. 1 SGB V beschriebenen einrichtungsbezogenen (infrastrukturellen, persönlichen und apparativen) Genehmigungsvoraussetzungen, die in Abschnitt II.A der Richtlinie zu § 121a SGB V näher erläutert werden.
Indes liegen die versorgungsbereichsspezifischen Genehmigungsvoraussetzungen des § 121 Abs. 2 Nr. 2 SGB nicht vor, denn die Klägerin bietet zur Überzeugung des Senats nicht die Gewähr für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Durchführung von Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft.
Das Erfordernis einer bedarfsgerechten Versorgung, das sich auch in anderen Normen des Leistungserbringerrechts (etwa in §§ 70 Abs. 1 Satz 1, 109 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und § 111 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V) findet, soll in § 121a SGB V nach der Vorstellung des Gesetzgebers "einer Entwicklung vorbeugen, die durch immer mehr Leistungserbringer zu einem Absinken der Indikationsschwelle für künstliche Befruchtungen führt" (Begründung des RegEntw zu § 121a, BTDrs. 11/6760 S. 16 zu Nummer 6). Dieses Ziel, das in dem Tatbestandsmerkmal seinen entsprechenden Ausdruck gefunden hat, ist trotz der weitgehenden Einschränkung der künstlichen Befruchtung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen seit Änderung des § 27a SGB V zum 01.01.2004 durch Art. 1 Nr. 14 Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz) vom 14.11.2003 (BGBl 2003, 2190, 2192) weiter tragend, da der Gefahr der Leistungsausweitung zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung insgesamt unverändert entgegen zu treten und daher eine Leistungssteuerung mit dem Ziel, die Ausgaben im Gesundheitswesen zu senken und die Leistungen auf das medizinisch Notwendige zu beschränken, vorzunehmen ist.
Die Beklagte hat zur Feststellung der Bedarfsgerechtigkeit zutreffend geprüft, ob der Versorgungsbedarf im Planungsbereich S durch das bereichsübergreifende Angebot bereits gedeckt ist. Soweit die Klägerin demgegenüber die Auffassung vertritt, zur Beantwortung der Frage nach der Bedarfsgerechtigkeit komme es (im ersten Schritt) allein abstrakt darauf an, ob sie "generell dazu geeignet ist, einen fiktiven Bedarf zu decken" und so "die Gewähr für eine ordnungsgemäße Versorgung bietet" und (im Zweiten Schritt) welcher von mehreren – bereits an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden – Leistungsanbietern am besten geeignet ist, ist dem nicht zu folgen. Die dogmatischen Begründung der Klägerin, § 121a SGB V sei den krankenhausrechtlichen Regelungen in § 109 Abs. 2 SGB V und § 8 Abs. 2 KHG nachgebildet, die ebenfalls dieses Prüfschema vorsähen, überzeugt nicht.
Es ist zunächst zutreffend, dass § 121a SGB V (Genehmigung zur Durchführung künstlicher Befruchtungen) und § 109 Abs. 2 SGB V (Abschluss von Versorgungsverträgen mit Krankenhäusern), §§ 1 Abs. 2 (Grundsätze) und 8 Abs. 2 KHG (Voraussetzung der Förderungen) vergleichbare Strukturen aufzeigen. Die Vorschriften lauten:
(2) Die Genehmigung darf den im Absatz 1 Satz 1 genannten Ärzten oder Einrichtungen nur erteilt werden, wenn sie
1. über die für die Durchführung der Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (§ 27a Abs. 1) notwendigen diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten verfügen und nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeiten und
2. die Gewähr für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Durchführung von Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (§ 27a Abs. 1) bieten.
(3) Ein Anspruch auf Genehmigung besteht nicht. Bei notwendiger Auswahl zwischen mehreren geeigneten Ärzten oder Einrichtungen, die sich um die Genehmigung bewerben, entscheidet die zuständige Behörde unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen und der Vielfalt der Bewerber nach pflichtgemäßem Ermessen, welche Ärzte oder welche Einrichtungen den Erfordernissen einer bedarfsgerechten, leistungsfähigen und wirtschaftlichen Durchführung von Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (§27a Abs. 1) am besten gerecht werden.
Ein Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrags nach § 108 Nr. 3 besteht nicht. 2Bei notwendiger Auswahl zwischen mehreren geeigneten Krankenhäusern, die sich um den Abschluss eines Versorgungsvertrags bewerben, entscheiden die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen und der Vielfalt der Krankenhausträger nach pflichtgemäßem Ermessen, welches Krankenhaus den Erfordernissen einer bedarfsgerechten, leistungsfähigen und wirtschaftlichen Krankenhausbehandlung am besten gerecht wird.
(1) Zweck dieses Gesetzes ist die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser, um eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen, eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern zu gewährleisten und zu sozial tragbaren Pflegesätzen beizutragen.
(2) Bei der Durchführung des Gesetzes ist die Vielfalt der Krankenhausträger zu beachten. Dabei ist nach Maßgabe des Landesrechts insbesondere die wirtschaftliche Sicherung freigemeinnütziger und privater Krankenhäuser zu gewährleisten. Die Gewährung von Fördermitteln nach diesem Gesetz darf nicht mit Auflagen verbunden werden, durch die die Selbständigkeit und Unabhängigkeit von Krankenhäusern über die Erfordernisse der Krankenhausplanung und der wirtschaftlichen Betriebsführung hinaus beeinträchtigt werden.
Ein Anspruch auf Feststellung der Aufnahme in den Krankenhausplan und in das Investitionsprogramm besteht nicht. Bei notwendiger Auswahl zwischen mehreren Krankenhäusern entscheidet die zuständige Landesbehörde unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen und der Vielfalt der Krankenhausträger nach pflichtgemäßem Ermessen, welches Krankenhaus den Zielen der Krankenhausplanung des Landes am besten gerecht wird.
Den Begriff der Bedarfsgerechtigkeit als Voraussetzung für die Aufnahme in den Krankenhausplan (§ 1 Abs. 1 KHG) hat das BVerwG dahin ausgelegt, dass ein Krankenhaus dann bedarfsgerecht ist, wenn es nach seinen objektiven Gegebenheiten in der Lage ist, einem vorhandenen Bedarf gerecht zu werden. Das ist nicht nur dann der Fall, wenn die von dem Krankenhaus angebotenen Betten zusätzlich notwendig sind, um den in seinem Einzugsbereich aktuell vorhandenen Bettenbedarf zu decken, sondern auch dann, wenn ein Krankenhaus neben oder an Stelle eines anderen Krankenhauses geeignet wäre, den fiktiv vorhandenen Bedarf zu decken (BVerwG, Urteil vom 18.12.1986 – 3 C 67/85 -). Bedarfsgerecht ist also nicht nur ein Krankenhaus, das konkret zur Bedarfsdeckung notwendig ist, sondern auch ein Krankenhaus, das abstrakt zur Bedarfsdeckung geeignet ist. Weil damit der Verweis auf bestehende Kapazitäten ausgeschlossen ist, stellt dieses Verständnis des Begriffs der Bedarfsgerechtigkeit sicher, dass neu hinzutretende Krankenhäuser eine Chance auf Aufnahme in den Krankenhausplan haben, auch wenn sich am Gesamtbedarf nichts ändert (Wahl in jurisPK-SGB V, 2. Auflage, 2012, § 109 Rdn. 77 m.w.N.). Dies hat die Klägerin zutreffend dargelegt. "
Entgegen ihrer Auffassung gilt dies indes im Rahmen des SGB V nicht. Anders als das KHG schließen die §§ 109 und 121a SGB an das Tatbestandsmerkmal der "Erfordernisse" einer bedarfsgerechten, leistungsfähigen und wirtschaftlichen Durchführung von Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (§ 121a Abs. 3 Satz 2 SGB V) bzw. der "Erfordernisse" einer bedarfsgerechten, leistungsfähigen und wirtschaftlichen Krankenhausbehandlung (§ 109 Abs. 2 Satz 2 SGB V) an. Das bedeutet, dass der Vertragsarzt bzw. das Krankenhaus zur bedarfsgerechten Versorgung der Versicherten erforderlich sein muss. Es genügt also nicht – wie im Krankenhausrecht -, dass der Leistungserbringer abstrakt geeignet ist, den Bedarf zu befriedigen. Vielmehr müssen seine Leistungen konkret zur Bedarfsdeckung notwendig sein. So hat das BSG in seinem Urteil vom 05.07.2000 – B 3 KR 20/99 R – zu § 109 SGB V ausgeführt, dass ein Auswahlermessen nur für den Fall besteht, dass bei nicht gedecktem Bedarf zwischen mehreren geeigneten Krankenhäusern, die sich um den Abschluss eines Versorgungsvertrages bewerben, eine Auswahl erforderlich wird, weil die Zulassung aller Bewerber den Bedarf überstiege. In diesem Fall entscheiden die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen gemeinsam unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen und der Vielfalt der Krankenhausträger nach pflichtgemäßem Ermessen, welches Krankenhaus den Erfordernissen einer bedarfsgerechten, leistungsfähigen und wirtschaftlichen Krankenhausbehandlung am besten gerecht wird (vgl. auch Wahl a.a.O. Rdn. 80). Dies gilt entsprechend für den insoweit gleichlautenden § 121a Abs. 3 Satz 2 SGB V, so dass die Bedarfsgerechtigkeit zu verneinen ist, wenn der Versorgungsbedarf durch andere Leistungserbringer gedeckt wird. Eine Auswahlentscheidung ist für den vorliegenden Fall, dass keine Mitbewerber konkurrierend die Genehmigung beantragt haben, nicht erforderlich. Dies kommt auch in dem oben zitierten Urteil des BSG vom 28.09.2005 – B 6 KA 60/03 – zum Ausdruck.
Auch die bereichsplanungsüberschreitende Ermittlung und Bewertung der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Grundsätzlich ist für die Bedarfsermittlung der regionale Planungsbereich zugrunde zu legen (u.a. bei der Prüfung von Ermächtigungen etwa gemäß § 116 SGB V, vgl. BSG, Urteile vom 19.07.2006 – B 6 KA 14/05 R – und vom 22.06.1994 – 6 RKa 46/93 – sowie Beschluss vom 20.04.1998 – B 6 KA 36/97 B -). Davon sind aber im Einzelfall Ausnahmen möglich, wenn – wie hier – spezielle Leistungen in Frage stehen, die von einer zahlenmäßig kleinen Minderheit von Ärzten erbracht werden, so dass ein wohnortnahes Angebot nicht zu erwarten und eine planungsbereichsübergreifende Inanspruchnahme der wenigen Spezialisten üblich ist (BSG, Urteil vom 19.07.2006 a.a.O.; Landessozialgericht ( LSG ) Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 09.02. 2005 – L 3 KA 290/03 -, im Ergebnis ebenso der Senat für die Ermächtigung sozialpädiatrischer Zentren gemäß § 119 SGB V, Beschluss vom 02.04.2009 – L 11 KA 2/09 ER -). Für derartige Subspezialisierungen eines Fachbereichs hat das BSG (Urteil vom 05.11.2008 – B 6 KA 56/07 R – m.w.N. zur Sonderbedarfszulassung eines Kinderradiologen; ebenso LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 16.03.2005 – L 1 KA 8/03 -) es für rechtmäßig angesehen, auch die an den untersuchten räumlichen Bereich angrenzenden Gebiete in die Erwägungen einzubeziehen. Dies gilt vorliegend ebenso.
Soweit die Klägerin ferner einwendet, die Beklagte habe keine eigene Bedarfsprüfung vorgenommen, sondern schlichtweg die Ausführungen der Beigeladenen zu 7) ungeprüft und unreflektiert übernommen, trifft dies nicht zu. Die Beklagte hat entsprechend der Vorgabe in Abschnitt B.II.B. Satz 2 der Richtlinie zu § 121a SGB V der Beigeladenen zu 7) eine Ausfertigung des Antrages und der Unterlagen zugeleitet und ihr insbesondere zu Fragen der Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit der Durchführung künstlicher Befruchtungen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Dies ist nicht nur im Zusammenhang mit der Voranfrage der Klägerin erfolgt, sondern auch nochmals nach formeller Antragstellung der Klägerin zuletzt mit Schreiben der Beigeladenen zu 7) vom 18.10.2007. Dies erklärt sich vor dem Hintergrund, dass die beklagte Landesbehörde – wegen der besonderen technischen und personellen Voraussetzungen (BTDrs. 11/6760 Seite 16 zu Nummer 6) – und nicht die KV, die allein über die für die Bedarfseinschätzung erforderlichen Abrechnungsdaten verfügt, für die Erteilung respektive Ablehnung von Genehmigungen für die Durchführung künstlicher Befruchtungen zuständig ist. Die Beklagte ist gleichwohl an die Feststellungen der Beigeladenen zu 7) nicht gebunden, sondern prüft eigenständig, ob eine ausreichende, gleichmäßige und flächendeckende Versorgung im Bereich der Antragstellerin/des Antragstellers erfolgt (Abschnitt B.II.B. Satz 3 der Richtlinie zu § 121a SGB V). Insofern hat die Beklagte auch eine eigene Prüfung vorgenommen. So hat sie im angefochtenen Bescheid vom 27.06.2006 ausgeführt: "In Übereinstimmung mit der Kassenärztlichen Vereinigung lässt sich feststellen, dass eine ausreichende, gleichmäßige und flächendeckende Versorgung" des Bereichs S ( …) sichergestellt ist ( …). Im Widerspruchsbescheid heißt es: "Diesen Bedarf sehen wir ( …) auch nach nochmaliger Prüfung unverändert nicht".
Soweit die Klägerin bemängelt, es sei nicht erkennbar, wie die Beklagte den Bedarf ermittelt hat, ist das nicht verständlich. Die Beklagte hat die insoweit sachkundige Beigeladene zu 7) befragt und diese hat die Abrechnungszahlen für die fünf Praxen im Umland zusammengefasst und der Beklagten zur Kenntnis gegeben. Zentrale Frage ist vielmehr, ob die Ermittlung den Anforderungen an eine Bedarfsprüfung gerecht wird. Dies ist zu bejahen.
Der Klägerin ist zuzugeben, dass die Ermittlung der Beklagten nicht mit den vom BSG (u.a. mit Urteilen vom 08.12.2010 – B 6 KA 36/09 R -; vom 02.09.2009 – B 6 KA 21/08 R -) aufgestellten Anforderungen an die Ermittlung im Zusammenhang mit einer Sonderbedarfszulassung in Einklang steht, wie insbesondere die erforderlichen Prüfungen der geographischen Erreichbarkeit der Leistungserbringer (mit öffentlichen Verkehrsmitteln), des Umfangs der Leistungserbringung durch die bereits zugelassenen Ärzte oder ihrer Kapazität, der Wartezeiten und der Versorgungsrealität ist. Sie hat insbesondere keine Wartezeiten ermittelt und nicht die Situation (Versorgungsrealität) bezogen auf die von ihr benannten Praxen in Bocholt, Münster, Gelsenkirchen, Bochum und Dortmund, sondern die zusammengerechneten Abrechnungszahlen der Praxen zur Grundlage ihrer Bewertung gemacht. Weitergehende Ermittlungen waren jedoch nicht erforderlich, da zur Überzeugung des Senats keine Zweifel daran bestanden und bestehen, dass die fünf o.a. Leistungserbringer den Leistungsbedarf decken.
Mit der (gemäß Entscheidung des BVerfG vom 27.02.2009 – 1 BvR 2982/07 – verfassungsgemäßen) Neufassung des § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V wurde zum 01.01.2004 eine Altersgrenze normiert und die Kostenübernahme von künstlichen Befruchtungen (von vorher 100 %) auf nur noch 50 % für maximal drei (und nicht mehr bis zu vier) Behandlungszyklen zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung beschränkt. Dies führte zu einer (vom Gesetzgeber gewollten) deutlichen Reduzierung der Leistungsinanspruchnahme durch gesetzlich versicherte Patientinnen und zu freien Kapazitäten zugelassener Leistungserbringer, die sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht nur als vorübergehend erwiesen. Das belegen die bereichsbezogenen Zahlen der Beigeladenen zu 7):
EBM-GOP – IV/2003 – IV/2004 – IV/2005 – IV/2006
08550 (1188) IVF – 438 – 133 – 123 – 150
08551 (1190) IVF – 73 – 14 – 10 – 12
08552 (1192) IVF – 74 – 15 – 22 – 44
08560 (1194) IVF mit ICSI – 583 – 142 – 139 – 166
08561 (1195) IVF mit ICSI – 43 – 7 – 5 – 9
– 1.211 – 295 – 289 – 381
Zwar ist der Klägerin zuzugestehen, dass in Kenntnis der bevorstehenden Gesetzesänderung zum 01.01.2004 die Leistungen im Quartal IV/2003 vermehrt in Anspruch genommen wurden, was die Steigerung der Abrechnungshäufigkeit gegenüber den vorhergehenden Quartalen belegten:
EBM-GOP – IV/2002 – I/2003 – II/2003 – III/2003 – IV/2003
08550 (1188) IVF – 183 – 223 – 261 – 298 – 438
08551 (1190) IVF – 40 – 42 – 34 – 65 – 73
08552 (1192) IVF – 42 – 50 – 55 – 86 – 74
08560 (1194) IVF mit ICSI – 309 – 332 – 330 – 398 – 583
08561 (1195) IVF mit ICSI – 21 – 28 – 14 – 26 – 43
– 595 – 675 – 694 – 853 – 1.211
Gleichwohl bleibt es bei einem eklatanten (etwa hälftigen) Rückgang künstlicher Befruchtungen, der maßgeblich auch in den Folgejahren weitgehend unverändert (vergleichsweise) niedrig im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung geblieben ist, so dass nunmehr Pläne bestehen, die volle Übernahme der Kosten (hälftig durch den Bund) wieder einzuführen (vgl. Gesetzesantrag des Landes Mecklenburg-Vorpommern in BRDrs 478/11: "Seit 2004 haben in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Paare mit Kinderwunsch jedoch mindestens die Hälfte der Kosten der künstlichen Befruchtung selbst zu tragen. Dies hatte einen deutlich messbaren Rückgang der Behandlungszahlen zur Folge.") Der Bundesrat hat zwar am 16.08.2011 BRDrs. 478/11) einen entsprechenden Gesetzesentwurf für das Gesetz zur Änderung des SGB V zur Kostenübernahme des Bundes für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung bei Paaren mit Kinderwunsch (Kinderwunschförderungsgesetz) beschlossen. Der Entwurf wurde jedoch von der Bundesregierung abgelehnt und auf Förderprogramme des Bundes und der Länder hingewiesen. Zumindest bislang haben diese jedenfalls in Westfalen jedoch nicht zu einer Erhöhung der Leistungen zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung geführt. Bislang zahlen nach Pressemitteilung lediglich die Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt Zuschüsse im Rahmen ihrer Förderprogramme (vgl. www.welt.de (Nachricht vom 18.07.2011)).
Sofern sich – wie hier – aus der Gesamtlage des Falles keine Bedenken aufdrängen, muss die Behörde einem Tatumstand nicht durch weiteren Ermittlungen nachgehen. Etwas anderes gilt auch im Bereich der Bedarfsprüfung nur für den Fall, dass Angaben von vornherein zweifelhaft erscheinen oder sich aus dem Vorbringen eines Beteiligten substantiierte Zweifel ergeben (vgl. BSG, Urteil vom 29.06.2011 – B 6 KA 34/10 R). Der Hinweis der Klägerin auf die Jahresberichte des deutschen IVF-Registers (www.deutsches-ivf-register.de) ist nicht geeignet, Zweifel zu begründen. Da diese nicht zwischen gesetzlich und privat versicherten Patienten unterscheiden, bieten die dort erhobenen Zahlen keinen Anlass, das Zahlenwerk der Beigeladenen zu 7) und die Prämisse der Beklagten, der Bedarf sei gedeckt, in Frage zu stellen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es den Patientinnen aus dem Kreis S auch zumutbar, die reproduktionsmedizinischen Praxen in Bocholt, Gelsenkirchen, Bochum, Dortmund oder Münster aufzusuchen. Selbst der nördlichste Teil des Kreises S – etwa Haltern – ist von Gelsenkirchen nur ca. 36 km (mit dem Zug 24 Minuten) entfernt (vgl. www.reiseauskunft.bahn.de). Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat wegen der weiteren Begründung insofern auf das angefochtene Urteil des SG gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die öffentlichen Verkehrswege, die die Klägerin zum Nachweis einer unzumutbaren Entfernung in Anlage 11 zum Schriftsatz vom 30.09.2009 dargestellt hat, ungeeignet sind, die Ausführungen der Beklagten zu widerlegen, denn sie beschreiben nicht die Wege zur nächst gelegenen Praxis, z.B. die Zugfahrt von Dorsten nach Dortmund bzw. nach Münster (näher liegt Gelsenkirchen), die Zugfahrt von Marl nach Münster (näher liegt Gelsenkirchen), die Zugfahrt von Datteln nach Münster (näher liegt Dortmund), die Zugfahrt von Oer-Erkenschwick nach Münster bzw. nach Dortmund (näher liegt Gelsenkirchen). Eine wohnortnähere Versorgung spielt im Übrigen bei Kinderwunschpaaren erfahrungsgemäß nur eine untergeordnete Rolle und interessierte Paare suchen erfahrungsgemäß nach individueller Beratung und Information den Spezialisten ihrer Wahl auf, ohne der Entfernung nennenswert Rechnung zu tragen.
Aus den vorgenannten Gründen kann die Klägerin keine Gewähr für eine bedarfsgerechte Durchführung von Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft bieten.
Auch die Erteilung weiterer Genehmigungen in – wie vorliegend – gleichmäßig und flächendeckend versorgten Regionen im Übrigen ist nicht als wirtschaftlich anzusehen, was § 121a Abs. 2 Nr. 2 SGB V ebenfalls voraussetzt.
Das dritte Kriterium des § 121a Abs. 2 Nr. 2 SGB V – die Leistungsfähigkeit – soll nach der weiteren Begründung des Gesetzgebers sicherstellen, dass der Arzt oder die Einrichtung die personellen, sachlichen und organisatorischen Voraussetzungen erfüllt, die für die vorgesehenen Maßnahmen medizinisch erforderlich sind. Anders als bei den in § 121a Abs. 2 Nr. 1 SGB V gestellten einrichtungsbezogenen (infrastrukturellen, persönlichen und apparativen) Anforderungen kommt es hier auf die kapazitätsbezogene Leistungsfähigkeit an, d.h. darauf, ob der Antragsteller dauerhaft sein Leistungsangebot erbringen kann (Begründung des RegEntw zu § 121a, BTDrs. 11/6760 S. 16 zu Nummer 6; vgl. auch zum Begriff der Leistungsfähigkeit in § 109 SGB V Wahl in jurisPK, SGB V, § 109 Rdn. 70 m.w.N.). Ob – wie die Beigeladene zu 7) ausgeführt hat – der Auffassung des Berufsverbandes Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands e.V. folgend von einer schwerpunktmäßigen Tätigkeit erst bei mindestens 50 % Praxistätigkeit auszugehen ist, bedarf keiner weiteren Entscheidung, da die weiteren Voraussetzungen – wie dargelegt – nicht erfüllt sind.
Da die Klägerin die gesetzlich vorausgesetzte Gewähr für eine bedarfsgerechte, leistungsfähige und wirtschaftliche Durchführung von Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nicht bieten kann, hat sie keinen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Genehmigung nach § 121a SGB V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen vor (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 14.03.2013
Zuletzt verändert am: 14.03.2013