Die Beschwerde der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 14.02.2013 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin zu 1) wohnt mit ihrer am 00.00.1988 geborenen Tochter, der Antragstellerin zu 2) zusammen. Sie beziehen vom Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Durch Bescheid vom 26.09.2012 stellte der Antragsgegner eine Minderung des Arbeitslosengeldes II der Antragstellerin zu 1) in Höhe von 224,60 EUR mtl. für die Zeit vom 01.11.2012 bis zum 31.01.2013 unter Berufung auf §§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 31a Abs. 1, 31b SGB II fest.
Durch Bescheid vom 03.12.2012 gewährte der Antragsgegner der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 1005,80 EUR für Januar 2013 sowie von 1.230,20 EUR für die Zeit vom 01.02. bis zum 31.05.2013. Der Antragsgegner führte die Miete von 504,00 mtl. an den Vermieter ab, die Stromkostenvorauszahlung von 80,00 mtl. an den Energieversorgungsträger sowie zur Tilgung von mehreren Darlehen einen Betrag von 114,90 EUR an die BA-SH/Zentralkasse. Er zahlte der Bedarfsgemeinschaft im Januar 2013 einen Betrag von 0,90 EUR aus.
Durch Bescheid vom 07.12.2012 stellt der Antragsgegner fest, dass das Arbeitslosengeld II der Antragstellerin zu 2) für die Zeit vom 01.01. bis zum 31.03.2013 auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt ist. Er gewährte der Antragstellerin zu 2) ergänzende Sachleistungen in Form von Lebensmittelgutscheinen in Höhe von 177,00 EUR mtl.
Am 08.01.2013 wurde der Antragstellerin zu 2) ein Warengutschein in Höhe von 50,00 EUR ausgestellt.
Am 07.01.2013 beantragte die Antragstellerin zu 1) die Berücksichtigung eines Mehrbedarfes nach § 21 Abs. 7 SGB II für die Zeit ab dem 01.01.2011 und die Überprüfung nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) der gegen sie verhängten Sanktionen, der Höhe des bewilligten Regelbedarfs und Mehrbedarfs für die Zeit ab dem 01.01.2011 und die Höhe der Auszahlungen an die BA-SH/Zentralkasse.
Durch Bescheid vom 24.01.2013 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellerinnen Leistungen in Höhe von 708,59 EUR unter Anrechnung eines Sanktionsbetrages von 537,44 EUR für Januar 2013, von 932,99 EUR mtl. unter Anrechnung eines Sanktionsbetrages von 313,04 EUR für die Zeit vom 01.02. bis zum 31.03.2013 und von 1.246,03 EUR mtl. für die Zeit vom 01.04. bis zum 31.05.2013.
Der Antragsgegner reduzierte den Tilgungsbetrag mit Wirkung ab dem 01.02.2013 auf 38,20 EUR mtl.
Am 07.01.2013 beantragten die Antragstellerinnen den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtschutzes zu verpflichten, ihnen Leistungen für den Bewilligungszeitraum vom 01.01. bis zum 31.05.2013 zu gewähren.
Durch Beschluss vom 14.02.2013 hat das Sozialgericht Köln den Antrag abgelehnt.
Hiergegen haben die Antragstellerinnen am 13.03.2013 Beschwerde beim Sozialgericht Köln eingelegt.
Die Antragstellerinnen beantragen schriftsätzlich,
den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 14.02.2013 zu ändern und den Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtschutzes zu verpflichten, ihnen Leistungen für den Bewilligungszeitraum vom 01.01. bis zum 31.05.2013 zu gewähren und ihnen Prozesskostenhilfe zu bewilligten.
II.
1.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches (d.h. eines materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird) sowie das Vorliegen des Anordnungsgrundes (d.h. der Unzumutbarkeit, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten) voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bzw. die besondere Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -).
Dahinstehen kann, ob ein Rechtsschutzbedürfnis für den von den Antragstellerinnen am 07.01.2013 gestellten Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung allein schon deshalb zu verneinen ist, weil sich die Antragstellerinnen vor der Inanspruchnahme des gerichtlichen Rechtsschutzes nicht an den Antragsgegner zwecks Erhalts höherer Leistungen bzw. Klärung der Sachlage gewandt haben (vgl. hierzu BVerfG Beschluss vom 30.10.2009 – 1 BvR 2442/09 -).
Jedenfalls ist ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Ein solcher kann nur bejaht werden, wenn einem Antragsteller schwere und unzumutbare Nachteile drohen, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr revidiert werden könnten. Vom Vorliegen eines Anordnungsgrundes kann nur dann ausgegangen werden, wenn ein Antragsteller alle zumutbaren Möglichkeiten einer Selbsthilfe erfolglos ausgeschöpft hat (vgl. LSG NRW Beschluss vom 08.02.2013 – L 19 AS 165/13 B ER).
Die Antragstellerin zu 1) hat für ihr Begehren auf Erhalt höherer Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01. bis zum 31.05.2013 keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Seit dem 01.02.2013 erhält die Antragstellerin zu 1) vom Antragsgegner Arbeitslosengeld II einschließlich eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 7 SGB II unter Abzug eines Tilgungsbetrages von 38,20 EUR nach § 42a SGB II. Es ergeben sich weder aus der Akte noch aus dem Vortrag der Antragstellerin zu 1) Anhaltspunkte, dass es ihr nicht zumutbar ist, die Rechtmäßigkeit der Höhe der bewilligten Leistungen im Hauptsacheverfahren zu klären, zumal ihr der Regelbedarf nach § 20 SGB II wie auch die Mehrbedarfe nach § 21 Abs. 5 und Abs. 7 SGB II in gesetzlicher Höhe bewilligt worden sind.
Soweit sich die Antragstellerin zu 1) im einstweiligen Rechtschutzverfahren gegen die Kürzung ihres Regelbedarfs um 60 % und die Einbehaltung einer Tilgungsrate von 114,90 EUR im Januar 2013 wendet, sind strenge Anforderungen an den Anordnungsgrund zu stellen. Dem Leistungsbegehren der Antragstellerin zu 1) hinsichtlich der Leistungen für Januar 2013 stehen die bestandskräftigen Bescheide – Sanktionsbescheid vom 26.09.2012 und Bewilligungsbescheid vom 03.12.2012 – entgegen, die bis zu ihrer Aufhebung für alle Beteiligten bindend sind. Zwar hat die Antragstellerin zu 1) zeitgleich mit der Einleitung des gerichtlichen Verfahrens zumindest konkludent einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X hinsichtlich der Verhängung der Sanktion und der Abführung von Tilgungsraten an die BA-SH/Zentralkasse beim Antragsgegner gestellt. Schon allein dieses Verhalten lässt an der Ausschöpfung aller Selbsthilfemöglichkeiten durch die Antragstellerin zu 1), zu denen auch die vorherige Kontaktaufnahme mit dem Antragsgegner vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zu zählen ist (LSG NRW Beschluss vom 31.08.2010 – L 19 AS 1106/10 B ER -), zweifeln. Im Regelfall ist einem Antragsteller zuzumuten – auch im Hinblick auf die Bindungswirkung bestandskräftiger Bescheide – im Fall der Einleitung eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X, die Entscheidung über einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X im Verwaltungs- und ggf. in einem anschließenden gerichtlichen Hauptsacheverfahren abzuwarten (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 05.04.2011 – L 5 AS 342/10 B ER -; LSG Thüringen, Beschluss vom 14.09.2011 – L 10 AL 434/10 ER -). Deshalb sind in einem solchen Fall besonders strenge Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes zu stellen. Es ist erforderlich, dass massive Eingriffe in die soziale und wirtschaftliche Existenz mit erheblichen Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse dargelegt werden. Solche erhebliche Auswirkungen auf die soziale und wirtschaftliche Existenz der Antragsstellerin zu 1) sind nicht glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin zu 1) ist in dem Sanktionsbescheid vom 26.09.2012 auf die Möglichkeit der Beantragung von ergänzenden Sachleistungen und geldwerten Leistungen im Minderungszeitraum hingewiesen worden. Einen solchen Antrag hat die Antragstellerin zu 1) während des gesamten Minderungszeitraumes nicht gestellt hat, ohne dass Hinderungsgründe ersichtlich sind. Mithin hat die Antragstellerin zu 1) ihre Selbsthilfemöglichkeiten zur Verringerung ihres Hilfebedarfs nicht ausgeschöpft. Der pauschale Vortrag ihrer Bevollmächtigten, es könne nicht zulässig sein, dass zwei Leistungsbeziehern nur ein Betrag von 0,90 EUR ausgezahlt werde, ist nicht geeignet einen Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Zum einen wird nicht berücksichtigt, dass das Sanktionssystem der §§ 31 ff. SGB II auch den vollständigen Fortfall eines Leistungsanspruchs (100 % ige Kürzung) vorsieht. Zum anderen wird nicht beachtet, dass die Miete und Stromkostenvorauszahlung an den Vermieter bzw. Energieversorgungsträger im Januar 2013 vom Antragsgegner abgeführt worden sind, so dass grundlegende Bedarfe der Antragstellerin zu 1) – Wohnen und Versorgung mit Haushaltsenergie – im Monat Januar 2013 gesichert gewesen sind. Soweit sich die Antragstellerin zu 1) auf ihren Gesundheitszustand beruft und geltend macht, der Sanktionsbescheid sei offenkundig rechtswidrig, kann nicht außer Betracht bleiben, dass erstmals mit Schriftsatz vom 25.01.2013 nach Aktenlage konkret vorgetragen und mit entsprechenden Bescheinigungen belegt worden ist, dass sie in der Zeit vom 03.07 bis zum 20.07.2012, vom 28.07. bis zum 01.10.2012 und ab dem 02.10.2012 stationär behandelt worden ist. Dieser Vortrag ist somit erst fünf Tage vor Ablauf des dreimonatigen Minderungszeitraums erfolgt. Auch dieses Verhalten spricht dafür, dass die Antragstellerin zu 1) zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden kann.
Die Antragstellerin zu 2) hat einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Nach Ablauf des Minderungszeitraums wegen einer Sanktion bezieht sie seit dem 01.04.2013 ungekürzt Leistungen nach dem SGB II einschließlich eines Mehrbedarfs nach § 21 Abs. 7 SGB II vom Antragsgegner.
Soweit die Antragstellerin zu 2) sich gegen die Beschränkung ihres Anspruchs auf Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.01. bis zum 31.03.2013 wendet, spricht nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte vieles dafür, dass der Sanktionsbescheid vom 07.12.2013 bestandskräftig geworden ist und die Antragstellerin mit ihrem Widerspruch vom 30.01.2013 konkludent einen Überprüfungsantrag gestellt hat. Im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin zu 2) die im Sanktionsbescheid vom 07.12.2013 bewilligten ergänzenden Sachleistungen von 177,00 EUR mtl. nur in Höhe von 50,00 EUR in Anspruch genommen hat und sich aus dem Vortrag ihrer Bevollmächtigten kein unabweisbarer Bedarf ergibt, ist der Eintritt eines wesentlichen Nachteils, der durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr revidiert werden könnte, nicht glaubhaft gemacht.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
2.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist abzulehnen, weil die Beschwerde aus den vorstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO bietet.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 11.04.2013
Zuletzt verändert am: 11.04.2013