NZB als unzulässig verworfen.
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Beiordnung eines besonderen Vertreters gemäß § 72 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der 1948 geborene Kläger bezieht seit 2005 Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Im Hinblick auf diesen Leistungsbezug ist er gesetzlich krankenversichert. Außerdem erhält er von der Pflegekasse Pflegegeld nach der Pflegestufe I.
Er hat bei dem Sozialgericht Münster seit 2005 eine Vielzahl von Klagen, u.a. gegen die Beklagte als örtlichen Sozialhilfeträger, erhoben. Das Sozialgericht hat insbesondere in zahlreichen anhängigen sozialhilferechtlichen Streitigkeiten gemäß § 72 Abs. 1 SGG einen besonderen Vertreter bestellt.
Mit seiner am 10.04.2012 beim Sozialgericht Münster erhobenen Klage hat der Kläger ohne sonstigen Bezug zu einem konkreten anhängigen Rechtsstreit geltend gemacht, die Bestellung von Herrn Rechtsanwalt N zum besonderen Vertreter durch das Sozialgericht Münster in zahlreichen sozialhilferechtlichen Streitigkeiten (hier: Beschlüsse vom 29.03.2010 – S 12 SO 171/05; S 12 SO 3/05, S 12 SO 95/09) sei aufzuheben. Aus einem Gutachten der Dres. L und E vom 01.12.2012 ergebe sich ebenso wie aus dem Beschluss des erkennenden Gerichts vom 09.03.2011 (L 12 SO 554/10 B ER), dass er prozessfähig sei.
Der Kläger hat erstinstanzlich (sinngemäß) beantragt,
das Gericht zu verurteilen, die Beiordnung eines besonderen Vertreters aufzuheben.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 09.07.2012 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, weil mit ihr ein Begehren verfolgt werde, für das das Sozialgerichtsgesetz keine Klagemöglichkeit vorsehe; die Verurteilung des Sozialgerichts selbst zur Vornahme einer Verfahrenshandlung kenne das Sozialgerichtsgesetz nicht.
Gegen den ihm am 10.07.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 05.08.2012 Berufung eingelegt. Zur Begründung nimmt er auf die Klageschrift und seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug.
Der Kläger beantragt (schriftsätzlich) sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 09.07.2012 zu ändern und die Bestellung von Rechtsanwalt N zum besonderen Vertreter gemäß § 72 Abs. 1 SGG durch Beschlüsse des Sozialgerichts Münster vom 29.03.2010 aufzuheben.
Die Beklagte äußert sich im Berufungsverfahren nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt Prozessakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
1. Der Senat konnte in der Sache entscheiden, obwohl für die Beteiligten niemand zur mündlichen Verhandlung erschienen war; denn die Beteiligten sind ordnungsgemäß vom Termin benachrichtigt und darauf hingewiesen worden, dass auch bei ihrem Ausbleiben verhandelt wird (§ 126 SGG).
Ungeachtet der fehlenden Prozessfähigkeit des Klägers war der Senat an einer Entscheidung auch nicht durch den Inhalt des vom Kläger am Samstag, den 13.04.2013 um 20:03 Uhr, übermittelten Telefaxes gehindert. Darin hatte der Kläger mitgeteilt, für den Fall, dass sich ein Rechtsanwalt in seinem Auftrag als sein Vertreter melde "oder" nicht im Termin erscheine, beantrage er eine Verschiebung des Termins. Ein vertretungsbereiter Rechtsanwalt hat sich im vorliegenden Verfahren für den Kläger nicht gemeldet. Der Kläger hat zudem den Erhalt der Ladung mit seinem Telefax ausdrücklich bestätigt.
2. Der Senat konnte auch entscheiden, ohne für den prozessunfähigen Kläger einen besonderen Vertreter gemäß § 72 Abs. 1 SGG zu bestellen.
Gemäß § 72 Abs. 1 SGG kann der Vorsitzende des jeweiligen Spruchkörpers für einen nicht prozessfähigen Beteiligten ohne gesetzlichen Vertreter bis zum Eintritt eines Vormundes, Betreuers oder Pflegers für das Verfahren einen besonderen Vertreter bestellen, dem alle Rechte, außer dem Empfang von Zahlungen, zustehen. Prozessunfähig ist eine Person, die sich nicht durch Verträge verpflichten kann (vgl. § 71 Abs. 1 SGG), also u.a. eine solche, die nicht geschäftsfähig i.S. des § 104 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist, weil sie sich gemäß § 104 Nr. 2 BGB in einem nicht nur vorübergehenden, die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet und deshalb nicht in der Lage ist, ihre Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen (BSG, Urteil vom 15.11.2012 – B 8 SO 23/11 R).
a) Zwar ist der Kläger prozessunfähig. Das Landessozialgericht hat (im Rahmen anderer vom Kläger geführter Verfahren als dem vorliegenden) zur Klärung seiner Prozessfähigkeit ausführliche Ermittlungen durchgeführt. In einem gemeinsamen Erörterungstermin vom 22.08.2012 in den Streitsachen L 7 AS 326/11 B und L 20 SO 63/11, an dem seitens des Landessozialgerichts neben dem Vorsitzenden des 7. Senates auch der Vorsitzende des erkennenden Senates teilgenommen hat, sind die Ärzte für Psychiatrie bzw. Psychiatrie und Psychotherapie Dr. F und Dr. S als Sachverständige befragt worden. Beide Sachverständige hatten zuvor (Dr. F unter dem 07.10.2011, Dr. S unter dem 08.05.2012) schriftliche Gutachten über die Prozessfähigkeit bzw. den Betreuungsbedarf des Klägers erstattet. Der Beurteilung von Dr. S, welche zeitlich nach dem vom Kläger in Bezug genommenen vermeintlichen Gegengutachten der Dres. L und E erfolgt war, lag ein mit dem Kläger geführtes persönliches Gespräch zugrunde. Das Gutachten des Dr. F war nach Aktenlage (unter Beiziehung von Prozessakten aus zahlreichen Verfahren) erstellt worden, nachdem der Kläger eine persönliche Untersuchung verweigert hatte. Beide Gutachter haben übereinstimmend und überzeugend dargelegt, dass der Kläger prozessunfähig ist.
Der Senat hat daher – ebenso wie der 7. Senat des erkennenden Gerichts (Beschluss vom 12.11.2012 – L 7 AS 326/11 B) – in mehr als 100 gerichtlichen Verfahren die vom Kläger jeweils erhobene Beschwerde gegen die vom Sozialgericht Münster beschlossene Bestellung eines besonderen Vertreters zurückgewiesen.
Bei diesen Beschwerdeentscheidungen ist der Senat, ebenso wie der 7. Senat (a.a.O.), entgegen der Annahme des 12. Senats (Beschluss vom 09.03.2011 – L 12 SO 554/10 B ER) davon ausgegangen, dass die Ablehnung der Bestellung eines Betreuers nach § 1896 BGB (im Falle des Klägers durch Beschluss des Amtsgerichts Münster vom 27.01.2011 – 27 XVII K 967) die Feststellung von Prozessunfähigkeit nicht hindert. Denn eine Betreuerbestellung setzt weder Prozessunfähigkeit voraus, noch kann ein Betreuungsgericht die Prozess(un)fähigkeit für andere Gerichte verbindlich feststellen. Die fehlende Bestellung eines Betreuers für den Bereich der Führung eines gerichtlichen Verfahrens führt allein dazu, dass die Voraussetzungen des § 72 Abs. 1 SGG (wonach dem besonderen Vertreter – nur – bis zum Eintritt eines Betreuers alle Rechte mit Ausnahme des Empfangs von Zahlungen zustehen) prognostisch einstweilen ohne absehbares Ende erfüllt sind.
b) Gleichwohl konnte der Senat im vorliegenden Berufungsverfahren von der Bestellung eines besonderen Vertreters für den prozessunfähigen Kläger absehen.
Zwar kann bei bestehender Prozessunfähigkeit der Prozess grundsätzlich nur mit einem besonderen Vertreter fortgeführt werden, wenn eine sonstige gesetzliche Vertretung nicht gewährleistet ist und – wie hier – das Amtsgericht von der Bestellung eines Betreuers abgesehen hat (eingehend BSG, Urteil vom 15.11.2012 – B 8 SO 23/11 R). Ausnahmsweise kann jedoch von der Bestellung eines besonderen Vertreters abgesehen werden, wenn unter Anlegung eines strengen Maßstabs das Rechtsmittel eines Prozessunfähigen "offensichtlich haltlos" ist (BSGE 5, 176, 178 f.). Das ist insbesondere bei absurden Klagebegehren ohne jeden Rückhalt im Gesetz oder bei offensichtlich unschlüssigem Vorbringen anzunehmen ist, etwa wenn kein konkreter Streitgegenstand erkennbar ist, der Kläger nur allgemeine Ausführungen ohne irgendeinen Bezug zum materiellen Recht von sich gibt, oder wenn sein Vorbringen bereits mehrmals Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen war (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 15.11.2012, a.a.O. m.w.N.). In diesen Fällen – vorrangig materiellrechtlicher – Aussichtslosigkeit des Klagebegehrens ist bereits der Schutzbereich des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz nicht berührt; denn Nachteile für den Prozessunfähigen sind in diesen Fällen nicht denkbar.
Im vorliegenden Fall liegen diese Voraussetzungen für ein ausnahmsweises Absehen von der Bestellung eines besonderen Vertreters für den prozessunfähigen Kläger vor. Seine – von der fehlenden Prozessfähigkeit abgesehen – statthafte (§§ 143 ff. SGG) und auch im Übrigen zulässige Berufung ist ersichtlich unbegründet und im dargestellten Sinn offensichtlich haltlos Das Begehren des Klägers, losgelöst von der im jeweiligen Hauptsacheverfahren erfolgten gesonderten Bestellung eines besonderen Vertreters das Sozialgericht auf Klage hin zu verpflichten, entsprechende Beschlüsse aufzuheben, lässt sich durch im Sozialgerichtsgesetz vorgesehene prozessuale Mittel nicht durchsetzen. Für eine solche prozessuale Möglichkeit besteht ersichtlich auch kein Bedürfnis. Denn gegen Beschlüsse des Sozialgerichts, mit denen im jeweils betroffenen, einzelnen Verfahren ein besonderer Vertreter bestellt wird, steht jeweils das Rechtsmittel der Beschwerde zur Verfügung; von diesem Rechtsmittel hat der Kläger denn auch in zahlreichen Verfahren Gebrauch gemacht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
4. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht ersichtlich.
Erstellt am: 23.10.2013
Zuletzt verändert am: 23.10.2013