Die Revision der Kl. gegen das Urteil des LSG vom 22.03.2013 wird zurückgewiesen.
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 07.03.2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Vormerkung ihrer polnischen rentenrechtlichen Zeiten in der deutschen Rentenversicherung nach Maßgabe des deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommens vom 09.10.1975 (DPSVA 1975).
Die Klägerin ist am 00.00.1955 in Polen geboren. Ihr Ehemann befand sich bereits seit ca. einem halben Jahr in der Bundesrepublik Deutschland, als sie mit dem gemeinsamen Sohn (geb. 1979) am 07.06.1990 in die Bundesrepublik Deutschland einreiste. Die Familie bewohnte sodann gemeinsam eine Wohnung in E. Im Zeitraum ab 12.06.1990 stellte die Ausländerbehörde der Klägerin jeweils befristete Duldungen aus. Vom 04.04.1997 bis 15.04.2005 war die Klägerin im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis. Ab dem 04.04.2005 verfügte sie über eine (unbefristete) Freizügigkeitsbescheinigung. Ab 30.04.2009 erhielt die Klägerin die deutsche Staatsbürgerschaft. Eine Spätaussiedlerbescheinigung oder ein Vertriebenenausweis liegen nicht vor.
Am 20.03.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Klärung ihres Versicherungskontos. Dabei gab sie auch in Polen zurückgelegte Beitragszeiten an.
Mit Bescheid vom 28.03.2011 stellte die Beklagte nach § 149 Abs. 5 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) die in dem beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, also die Zeiten bis 31.12.2004, verbindlich fest. Die in Polen zurückgelegten Zeiten vom 04.10.1974 bis 28.02.1976, vom 10.04.1976 bis 27.11.1978 und vom 07.03.1979 bis 31.05.1990 könnten nicht als Beitrags- bzw. Beschäftigungszeit in der deutschen Rentenversicherung vorgemerkt werden, weil die persönlichen Voraussetzungen des § 1 FRG (Anerkennung als Vertriebener, Spätaussiedler) nicht vorlägen. Die Klägerin habe ihren gewöhnlichen Aufenthalt erst nach dem 31.12.1990 nach Deutschland verlegt. Die Anwendung des DPSVA 1975 sei deshalb ausgeschlossen (Art. 8 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004, Art. 27 Abs. 2-4 des deutsch-polnischen Sozialversicherungsabkommen vom 08.12.1990 – DPSVA 1990). Ergänzend führte die Beklagte aus, dass die in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten nach den Regelungen der VO (EG) Nr. 883/2004 und VO (EG) Nr. 987/2009 berücksichtigt würden.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Sie habe bereits im Jahr 1990 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland begründet. Ihr Sohn habe ab dem 01.08.1990 die Schule in E. besucht. Der Mietvertrag zu der von ihrem Mann bereits angemieteten Wohnung sei wegen ihres Zuzuges mit Datum vom 24.06.1990 zum 01.07.1990 geändert worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Um eine Rentenleistung unter Anwendung des DPSVA 1975 aus der deutschen Rentenversicherung erhalten zu können, müssten Antragsteller u.a. bis 31.12.1990 (in Ausnahmefällen bis 30.06.1991) ihren Wohnort in Deutschland begründet und beibehalten haben (Art. 27 DPSVA 1990). Art. 1 Nr. 2 DPSVA 1975 definiere, was die Begriffe "Wohnort" oder "Wohnen" bedeuten würden. Für die Bundesrepublik Deutschland sei darunter der "Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes" zu verstehen. Nach Art. 1 a des Zustimmungsgesetzes zum DPSVA 1975 erfordere der gewöhnliche Aufenthalt einen "unbefristet rechtmäßigen" Aufenthalt. Diese Formulierung sei zum 01.07.1990 klarstellend im Zustimmungsgesetz aufgenommen worden, um unberechtigten, vom Abkommen nicht gewollten Ansprüchen aus der deutschen Rentenversicherung entgegenzuwirken. Auch das Bundessozialgericht fordere zusätzlich zu dem auf Dauer angelegten tatsächlichen Verweilen die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes. Da ein Ausländer nach § 12 Abs. 1 Ausländergesetz (AuslG) in der bis zum 31.12.1990 geltenden Fassung und nach § 42 Abs. 1 AuslG in der ab 01.01.1991 geltenden Fassung grundsätzlich zur Ausreise verpflichtet sei, sei sein Aufenthalt nur dann zuverlässig dauerhaft und damit ein gewöhnlicher Aufenthalt, wenn er auf einem Aufenthaltstitel nach dem AuslG beruhe, der eine zukunftsoffene Berechtigung zum Aufenthalt vermittele. Art. 1 a des Zustimmungsgesetzes zum DPSVA 1975 bestätige diese Rechtslage. U.a. Duldungen würden keine Berechtigung zum Daueraufenthalt in Deutschland verschaffen. Die Klägerin habe nach Auskunft des Ordnungsamtes E. einen zum gewöhnlichen Aufenthalt berechtigenden Aufenthaltstitel jedoch erst mit der Erteilung der Aufenthaltsbefugnis vom 04.04.1997 erhalten.
Die Klägerin hat am 18.07.2011 Klage erhoben und sich auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Urteil vom 04.11.1998 (B 13 RJ 9/98 R) bezogen. Ein mehr als nur vorübergehendes Verweilen reiche zur Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes aus. Auf einen bestimmten ausländerrechtlichen Titel komme es nicht an. Auch seien im Fall der Klägerin keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen getroffen worden. Diese Umstände hätten zu einer Vertrauensbildung geführt, dass die Klägerin davon habe ausgehen können, nicht nur befristet im Bundesgebiet bleiben zu dürfen.
Die Beklagte hat daran festgehalten, dass eine Duldung keinen gewöhnlichen Aufenthalt begründe. Es handele sich dabei nur um die zeitweise Aussetzung der Abschiebung eines Ausländers. Im Übrigen betreffe das zitierte Urteil des Bundessozialgerichts vom 04.11.1998 nur jene Personen, die aufgrund besonderer ausländerrechtlicher Bestimmungen auch bei Ablehnung eines Asylantrages nicht mit einer Abschiebung zu rechnen brauchten. Hierunter würden Staatsangehörige der ehemaligen Ostblockstaaten nur bei einer Einreise bis spätestens 30.04.1987 fallen. Bei einer Einreise ab dem 01.05.1987 hätten Staatsangehörige der ehemaligen Ostblockstaaten grundsätzlich mit einer Ausweisung rechnen müssen (Beschluss der Innenministerkonferenz vom 02./03.04.1987).
Mit Urteil vom 07.03.2012 hat das Sozialgericht Aachen die Klage abgewiesen. Die Regelungen des DPSVA 1975 seien im Fall der Klägerin nicht anzuwenden. Der Anwendungsbereich des DPSVA 1975 sei nicht eröffnet, da die Klägerin weder am 30.12.1990 noch am 30.06.1991 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland gehabt habe. Das DPSVA 1975 finde für Versicherte Anwendung, die spätestens am 31.12.1990 bzw. 30.06.1991 ihren Wohnort in der Bundesrepublik Deutschland gehabt hätten. Wohnort sei gleichzusetzen mit dem innerstaatlichen deutschen Rechtsbegriff des gewöhnlichen Aufenthaltes, wie er für die die gesetzliche Rentenversicherung als Teil des Sozialgesetzbuches in § 30 Abs. 3 S. 2 Sozialgesetzbuch, Erstes Buch (SGB I) umschrieben sei. Gemäß § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I habe jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhalte, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweile. Ein nicht nur vorübergehendes Verweilen könne bei einem Ausländer nur angenommen werden, wenn seine Aufenthaltsposition so offen sei, dass sie wie bei einem Inländer einen Aufenthalt auf unbestimmte Dauer ermögliche. Sei die Aufenthaltsposition dagegen auf Beendigung des Aufenthalts im Inland angelegt, stehe dies der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthaltes trotz praktisch andauernden Verbleibens und eines entsprechenden Bleibewillens entgegen. Die Klägerin sei bis zum 04.04.1997 nur im Besitz von Duldungen gewesen. Damit sei die Klägerin am maßgeblichen Stichtag 31.12.1990 (bzw. 30.06.1991) grundsätzlich zur Ausreise verpflichtet gewesen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 29.03.2012 zugestellte Urteil am 12.04.2012 Berufung eingelegt. Sie habe aufgrund einer ausländerrechtlichen Übung die Gewissheit haben dürfen, im Inland zu verbleiben und nicht nach Polen abgeschoben zu werden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 07.03.2012 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 28.03.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2011 zu verurteilen, die polnischen rentenrechtlichen Zeiten der Klägerin in der deutschen Rentenversicherung nach Maßgabe des DPSVA 1975 vorzumerken.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig. Insbesondere hätten nur abgelehnte Asylbewerber in der Zeit vom 01.06.1985 bis 30.04.1987 aufgrund der besonderen politischen Hintergründe davon ausgehen können, dass sie auch nach Ablehnung ihres Antrags nicht hätten abgeschoben werden können. Diese Ausnahme durch ausländerbehördliche Praxis aufgrund eines Beschlusses der Innenministerkonferenz habe aber bei einer Einreise nach dem 01.05.1987 selbst bei abgelehnten Asylbewerbern nicht mehr gegriffen.
Der Kreis E. hat auf Nachfrage des Senats mit Schreiben vom 27.11.2012 mitgeteilt, dass die Klägerin frühestens ab Erteilung der ersten Aufenthaltsbefugnis am 04.04.1997 nach den §§ 32, 30 AuslG in der bis zum 31.12.1990 geltenden Fassung i.V.m. dem Beschluss der Innenministerkonferenz vom 29.03.1996 – sog. Härtefallerlass – bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen, insbesondere der Sicherstellung des Lebensunterhaltes ohne Sozialhilfe in den anschließenden sechs Monaten, die Gewissheit hätte haben können, nicht mehr nach Polen abgeschoben zu werden. Die Klägerin sei zuvor lediglich geduldet gewesen und mit einem unzutreffenden Visum (nicht zur Durchführung des Vertriebenenverfahrens) außerhalb des für das Bundesvertriebenengesetz (BVFG) vorgesehenen Aufnahme- und Verteilungsverfahrens, ohne fundierte Unterlagen zur Abstammung und ohne Deutschkenntnisse eingereist. Ein Abschiebhindernis im Sinne des § 53 AuslG in der bis zum 31.12.1990 geltenden Fassung habe nicht bestanden. Allerdings sollte befristet für die Durchführung des Verwaltungsverfahrens zur Feststellung der Vertriebeneneigenschaft bzw. der deutschen Volkszugehörigkeit die Anwesenheit im Bundesgebiet ermöglicht werden. Dies sei durch Runderlass des Innenministeriums Nordrhein-Westfalen vom 25.10.1991 geregelt gewesen. Den Vertriebenenbewerbern seien für die Dauer dieses Verfahrens Duldungen zu erteilen gewesen. Für die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens und eines Klageverfahrens sei einem Antragsteller jedoch bereits zuzumuten gewesen, dies vom Heimatland Polen aus zu betreiben. Trotzdem habe die Ausländerbehörde ohne rechtliche Verpflichtung im Fall der Klägerin noch für die Durchführung des Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen entschieden, aufenthaltsbeendende Maßnahmen bis zur Entscheidung des Senats zurückzustellen. Dabei habe es sich aber keinesfalls um eine vertrauensbildende Maßnahme gehandelt, von der die Klägerin die Möglichkeit für einen Daueraufenthalt habe ableiten können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und die Ausländerakten des Kreises Düren Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 28.03.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2011 und das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 07.03.2012 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin hat auch nach Auffassung des Senats keinen Anspruch auf Vormerkung der polnischen rentenrechtlichen Zeiten in der deutschen Rentenversicherung nach dem DPSVA 1975. Ein solcher Anspruch gemäß Art. 4 Abs. 2 DPSVA 1975 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 des Zustimmungsgesetzes zum DPSVA 1975 besteht nur dann, wenn dieses Abkommen auf die Klägerin Anwendung findet. Die Voraussetzungen hierfür sind in Art. 27 Abs. 2 bis 4 DPSVA 1990 geregelt.
Nach Art. 27 Abs. 3 Satz 1 DPSVA 1990 erwerben Ansprüche und Anwartschaften in der Rentenversicherung nach dem DPSVA 1975 für die bis zur Einreise zurückgelegten Versicherungszeiten Personen, die vor dem 01.01.1991 nach Deutschland eingereist sind, bis zu diesem Zeitpunkt die Verlegung des Wohnorts nach Deutschland beantragt haben und sich seither ununterbrochen hier aufgehalten haben, sofern sie im Zeitpunkt des Versicherungsfalles, spätestens vom 30.6.1991 an, in Deutschland wohnen. "Wohnort" bedeutet in Bezug auf die Bundesrepublik Deutschland den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts, wobei es sich um einen unbefristeten rechtmäßigen Aufenthalt handeln muss (Art. 1 Nr. 10 DPSVA 1990). Zur Bestimmung des Wohnortes ist die Definition des "gewöhnlichen Aufenthaltes" in § 30 Abs. 3 S. 1 SGB I heranzuziehen (vgl. BSG Urt. v. 30.9.1993 – 4 RA 49/92, SozR 3-6710 Art. 1 Nr. 1). Trotz dieser Begriffsbestimmung im Abkommen folgt der Senat der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach wegen des ausdrücklichen Bezuges in den Abkommen auf die Bundesrepublik (vgl. Art. 1 Nr. 10, Nr. 12 DPSVA) davon auszugehen ist, dass auf den Rechtsbegriff des gewöhnlichen Aufenthaltes zu verweisen ist, wie er in § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I umschrieben ist (vgl. BSG Urt. v. 25.03.1998 – B 5 RJ 22/96 R, juris 20 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung auf der anderen Senate des BSG). Danach hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort nicht nur vorübergehend verweilt. Der 5. Senat führt hierzu weiter aus:
"Ob jemand nicht nur vorübergehend im Bundesgebiet verweilt, ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu beantworten. Dabei kommt es auf die Tatsachen an, die bei Beginn des streitigen Zeitraums und während seiner Dauer jeweils objektiv vorlagen. Zutreffend ist das LSG deshalb davon ausgegangen, dass eine spekulative Abwägung zukünftiger Geschehnisse nicht stattfinden kann, um zu beurteilen, ob der Aufenthalt ein "gewöhnlicher" ist. Zu den Umständen, aus denen sich ergibt, dass jemand nicht nur vorübergehend im Bundesgebiet verweilt, gehört bei Ausländern auch, wie sich ihr Aufenthaltsstatus ausländerrechtlich darstellt. Wie der Senat im Urteil vom 18. Februar 1998 (B 5 RJ 12/97 R) entschieden hat, setzt ein vorübergehendes Verweilen i. S. der Gesetzesvorschrift voraus, dass die Aufenthaltsposition des Ausländers so offen ist, dass sie wie bei einem Inländer einen Aufenthalt auf unbestimmte Dauer ermöglicht. Ist die Aufenthaltsposition dagegen auf Beendigung des Aufenthalts im Inland angelegt, steht dies der Annahme eines gewöhnlichen Aufenthalts trotz faktisch andauernden Verbleiben und einem entsprechenden Bleibewillen entgegen. In dem zitierten Urteil hat der Senat ferner entschieden, dass ein Aufenthalt im Falle einer befristeten oder zweckgebundenen Aufenthaltsberechtigung nicht erst dann auf Beendigung angelegt ist, wenn zusätzlich besondere ausländerrechtliche Maßnahmen dazu getroffen sind, sondern dass es für die Bestimmung der Aufenthaltsposition auf den Inhalt der von der Ausländerbehörde ausgestellten Bescheinigungen ankommt, wie er sich nach der behördlichen Praxis und der gegebenen Rechtslage darstellt" (vgl. BSG Urt. v. 25.03.1998 – B 5 RJ 22/96 R, juris Rn. 22).
Der Senat sieht in Anwendung dieser Rechtsprechung den gewöhnlichen Aufenthalt der Klägerin erst zu einem späteren Zeitpunkt als 1990/1991 als gegeben an, nämlich mit der erstmaligen Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis am 04.04.1997. Vorher war die Klägerin lediglich im Besitz von Duldungen (sog. Kettenduldungen, befristet jeweils bis 11.07.1990, 10.08.1990, 09.10.1990, 07.12.1990, 04.03.1991, 07.09.1991 usw.).
Nach Mitteilung des Kreises E. waren der Klägerin für die Durchführung des Verwaltungsverfahrens zur Feststellung der Vertriebeneneigenschaft bzw. der deutschen Volkszugehörigkeit Duldungen zu erteilen. Allerdings ist die Klägerin nach den Angaben des Kreises E. mit einem unzutreffenden Visum (nicht zur Durchführung des Vertriebenenverfahrens) außerhalb des für das BVFG vorgesehenen Aufnahme- und Verteilungsverfahren, ohne fundierte Unterlagen zur Abstammung und ohne Deutschkenntnisse eingereist. Außerdem ist einem Vermerk vom 07.03.1991 in der Ausländerakte zu entnehmen, dass das Verfahren noch nicht abgeschlossen sei; da die Eheleute nicht im Besitz von Registrierscheinen seien, könne über die Abstammung nur aufgrund bestimmter Urkunden entschieden werden, die angefordert seien, aber noch fehlen würden. Vor diesem Hintergrund kann auch die (im Ergebnis relativ lange) Dauer des Vertriebenenverfahrens (Ablehnungsbescheid vom 01.03.1995) der Klägerin nicht zum Vorteil gereichen, weil sie die Dauer auch selber mitverursacht hat.
Auch aus dem Umstand, dass der Klägerin ausnahmsweise auch für das nachfolgende Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Duldungen erteilt wurden, kann die Klägerin gleichfalls noch nicht ableiten, dass ihre Aufenthaltsposition so offen war, dass sie wie einem Inländer einen Aufenthalt auf unbestimmte Dauer ermöglichte. Vielmehr war die Aufenthaltsposition weiterhin auf Beendigung des Aufenthaltes im Inland angelegt. Dementsprechend erging dann auch unter dem 28.07.1995 eine Ordnungsverfügung, mit der die Klägerin dann nach dem Ablehnungsbescheid vom 01.03.1995 im Vertriebenenverfahren zur Ausreise aufgefordert wurde, d.h. der Kreis E. hat tatsächlich auch eine Ausreiseverfügung mit Abschiebeandrohung erlassen und ist nicht etwa untätig geblieben. Dem im nachfolgenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen diese Ordnungsverfügung ergangenen rechtskräftigen Beschluss des Verwaltungsgerichts Aachen vom 06.10.1995 ist zu entnehmen, dass die Klägerin "aufgrund fehlender Aufenthaltsgenehmigungen zu jeder Zeit ausreisepflichtig" gewesen sei. Die dagegen beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen erhobene Beschwerde nahm die Klägerin wegen Erteilung einer Härtefallbefugnis zurück.
Nach den Feststellungen der Ausländerbehörde war die Klägerin somit bis zum 04.04.1997 ausreisepflichtig. Auch vor dem Hintergrund des konkreten zeitlichen Ablaufs hält der Senat die Ansicht der Klägerin, dass von vorneherein festgestanden habe, dass eine Abschiebung nicht in Betracht komme bzw. die Klägerin vor einer Abschiebung sicher sei, weil von einem Abschiebehindernis auf unabsehbare Zeit auszugehen sei, für unzutreffend. Zum maßgeblichen Zeitpunkt 30.12.1990 bzw. 30.06.1991 befand sich die Klägerin erst ca. ein halbes bzw. ganzes Jahr in der Bundesrepublik Deutschland. Von einer "verfestigten" Rechtsposition bzw. Kettenduldungen von mehreren Jahren war jedenfalls zu diesem Zeitpunkt noch nicht auszugehen. Nach den Angaben des Kreises Düren bestand ausdrücklich auch kein Abschiebehindernis im Sinne des § 53 AuslG in der bis zum 31.12.1990 geltenden Fassung.
Soweit man in Anlehnung an die Rechtsprechung des 13.Senats (vgl. das vom Klägerbevollmächtigten zitierte Urteil v. 04.11.1998 – B 13 RJ 9/98 R, juris) zugunsten der Klägerin zusätzlich prüft, inwieweit eine besondere ausländerrechtliche Praxis, Aufenthalte auf unbestimmte Zeit im Bundesgebiet zuzulassen, es rechtfertigen könnte, von einem gewöhnlichen Aufenthalt auszugehen, liegen die dazu erforderlichen Voraussetzungen nicht vor. Zutreffend hat die Beklagte hierzu angeführt, dass die Klägerin, die erst am 07.06.1990 in das Bundesgebiet gezogen ist, nicht auf die sogenannte Ostblockregelung vertrauen konnte, denn diese Regelung war inzwischen aufgehoben worden (vgl. hierzu den Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und – Senatoren der Länder in ihrer Sitzung am 2./3. April 1987 – zitiert im MBl. für das Land Nordrhein-Westfalen – Nr. 63 vom 16. Oktober 1987), so dass daraus keine für die Klägerin günstigere Beurteilung folgt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen Urt. v. 26.05.2011 – L 1 R 263/09, juris Rn. 28)
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 S.1, 193 SGG.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Zu der Frage, ob ein "Wohnort" in Deutschland bis zum 31.12.1990 auch dann besteht, wenn der Aufenthalt des vor dem Stichtag in das Bundesgebiet gezogenen Versicherten lediglich auf befristeten Duldungen beruht und erst danach die Ausreisepflicht endete und eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde, ist bereits das Verfahren B 13 R 80/11 R vor dem Bundessozialgericht anhängig. Vor diesem Hintergrund sieht der Senat auch im vorliegenden Fall die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache als gegeben an.
Erstellt am: 05.02.2014
Zuletzt verändert am: 05.02.2014