Auf die Beschwerden des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 21.02.2013 geändert. Die aufschiebende Wirkung der vor dem Sozialgericht Köln anhängigen Klage S 15 AS 74/13 wird angeordnet. Die Aufhebung der Vollziehung des Sanktionsbescheides vom 20.11.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.12.2012 wird angeordnet. Dem Antragsteller wird für das Verfahren S 15 AS 5100/12 ER Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin T aus N beigeordnet. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Instanzen.
Gründe:
Die Beschwerden des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Köln vom 21.02.2013 sind zulässig und begründet.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung nach § 86b Abs. 1 S. 2 SGG anordnen. Der Ablauf des Sanktionszeitraumes steht dem nicht entgegen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.07.2009 – L 29 AS 375/09 B ER; a.A. Groth, NJW 2007, 2294). Das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers, der im einstweiligen Verfahren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage S 15 AS 74/13 gegen den Bescheid vom 20.11.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.12.2012 begehrt, ist nicht deshalb durch Zeitablauf entfallen, weil der Zeitraum – 01.12.2012 bis zum 28.02.2013 -, für den der Antragsteller aufgrund des Sanktionsbescheides wegen wiederholter Pflichtverletzung keinen Regelbedarf erhält, verstrichen ist.
Die Erfolgsaussicht des Antrages beurteilt sich nach dem Ergebnis einer Interessenabwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und dem Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung. Hierbei sind neben einer allgemeinen Abwägung der Folgen bei Gewährung bzw. Nichtgewährung des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfes in der Hauptsache von Bedeutung (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage, § 86b Rn. 12e ff.). § 86b Abs. 1 S. 2 SGG erfasst als unselbstständiger Folgenbeseitigungsanspruch die Rückgängigmachung bereits erfolgter Vollziehungshandlungen. Insoweit ist eine Abwägung des öffentlichen Interesses an dem Fortbestand des Vollzugs und das des Antragstellers an dessen Aufhebung abzuwägen. Zu beachten sind die in § 39 Sozialgesetzbuch getroffenen Regelung ebenso wie die Frage der Rechtmäßigkeit des Rechtsbehelfs. Zudem ist nur ausnahmsweise, worauf das LSG Berlin-Brandenburg (a.a.O., Rn. 15 ff.) zu Recht hinweist, zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes angezeigt, im Wege der Aufhebung der Vollziehung eine Maßnahme zu treffen, die schwer wieder rückgängig gemacht werden kann bzw. die Hauptsache vorwegnimmt.
Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes gebietet es vorliegend, den Antragsteller nicht auf das Hauptsacheverfahren zu verweisen. Zum einen bestehen erhebliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Sanktion. Denn es ist zu klären, ob ungeachtet der Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 2 in Verbindung mit § 2 ("Grundsatz des Forderns") SGB II eine Aufnahme einer Arbeit nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 SGB II unzumutbar ist und deshalb insoweit vorgelagert auch die in der Eingliederungsvereinbarung auferlegten Eigenbemühungen nicht abverlangt werden können. Wenn die Ausübung einer Arbeit mit der Pflege einer Angehörigen nicht vereinbar ist und die Pflege nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann (vgl. hierzu Lauterbach in Gagel SGB II/III, Stand 10/2012, § 10 Rn, 28 f.) wird eine Eingliederungsvereinbarung nicht die Verpflichtung des Leistungsberechtigten zur Vorlage von Eigenbemühungen, Bewerbungen, die in eine Arbeitsaufnahme münden sollen, beinhalten dürfen. Denn dem Leistungsberechtigten dürfen im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II nach Art und Umfang nur Eigenbemühungen abverlangt werden, die auf nach § 10 SGB II zumutbare Tätigkeiten gerichtet sind, die dem Leistungsberechtigten auch sonst abverlangt werden können (Berlit in LPK-SGB II, 4. Auflage 2011, § 10 Rn. 25). Der Antragsteller pflegt seine Lebensgefährtin, bei der Pflegestufe II anerkannt ist, und begründet unter Hinweis auf das Pflegegutachten des MDK, dass wöchentlich eine Pflegezeit von mehr als 21 Stunden festgestellt wurde. Deren Verteilung sei derart, dass er auch keine Teilzeittätigkeit mehr ausüben könne. Zum anderen bedarf es der Berücksichtigung, dass der Antragsgegner in der aktuellen Eingliederungsvereinbarung vom 04.01.2013 dem Antragsteller die Verpflichtung auferlegt, "aktuelle Nachweise seiner Pflegetätigkeit, der Pflegestufe der zu pflegenden Person sowie die Beschreibung eines Tagesablaufes der pflegerischen Tätigkeit mit dem Ziel, zu erläutern, dass der Antragsteller derzeit nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht", auferlegt. Unabhängig davon, ob derartige Inhalte überhaupt Gegenstand einer Eingliederungsvereinbarung sein können, folgert der Senat daraus, dass ein weit überwiegendes Interesse an der Aufhebung der Vollziehung besteht. Der Fortbestand der Absenkung des Regelbedarfs während des Klageverfahrens ist im vorliegenden Fall nicht zumutbar. Denn die Absenkung des Regelbedarfs erfolgte bei gleichem Sachverhalt und gleicher rechtlicher Problematik wiederholt, so dass die Existenzsicherung gefährdet ist.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Ausgangsverfahren ist nach § 73a SGG, § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) begründet, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 15.05.2013
Zuletzt verändert am: 15.05.2013