Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 29.01.2013 geändert. Dem Kläger wird ab Antragstellung ratenfreie Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt O, N, bewilligt. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung von PKH. Im Hauptsacheverfahren begehrt er höheres Arbeitslosengeld II unter Berücksichtigung eines höheren Regelbedarfs für die Zeit vom 01.03.2012 bis 31.03.2012.
Der Beklagte bewilligte dem am 00.00.1988 geborenen Kläger für die Zeit vom 01.03.2012 bis 31.03.2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. In diesem Zeitraum berücksichtigte er bei Festsetzung der Leistungshöhe für den alleinstehenden Kläger einen Regelbedarf i.H.v. 374.- EUR monatlich zuzüglich 8,60 EUR für die Warmwasseraufbereitung. Neben dem Regelbedarf bewilligte der Beklagte Kosten der Unterkunft und Heizung (Bescheid vom 04.05.2012).
Den nicht näher begründeten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 29.05.2012 zurück.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 05.06.2012 erhobene Klage, für die der Kläger PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt O beantragt hat. Er meint – u.a. unter Bezugnahme auf den Beschluss des SG Berlin vom 25.4.2012 (S 55 AS 9238/12) – der Regelbedarf für alleinstehende Leistungsberechtigte sei verfassungswidrig zu niedrig festgesetzt.
Mit Beschluss vom 29.01.2013 hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt O abgelehnt.
Gegen diese am 02.02.2013 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 08.02.2013 eingelegte Beschwerde.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat die Bewilligung von PKH zu Unrecht abgelehnt. Der Kläger hat einen Anspruch auf PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts.
PKH ist gem. §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 114 ZPO zu bewilligen, wenn – wie hier – die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen vorliegen und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist (BVerfG vom 14.6.2006 – 2 BvR 626/06 u.a.; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 73a RdNr. 7b; ständige Rechtsprechung des Senats, vergl. nur Beschluss vom 26.10.2012 – L 6 AS 1837/11 B). Bei Vorliegen einer dem Rechtsschutzbegehren entgegenstehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ist PKH-Bewilligung nicht ausgeschlossen, wenn schlüssig dargelegt werden kann, dass diese Rechtsprechung nicht zutreffend oder im speziellen Fall nicht anwendbar sei (Breitkreuz, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 73a RdNr. 11). Macht der Kläger nicht geltend, dass der Beklagte eine entscheidungserhebliche gesetzliche Regelung falsch angewendet habe, sondern dass das Gesetz verfassungswidrig sei, sind Erfolgsaussichten gegeben, wenn die Möglichkeit, dass das Gericht das Gesetz für verfassungswidrig hält und das Verfahren gem. Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG aussetzt, nicht fernliegend ist (in diesem Sinne auch LSG Bayern, Beschlüsse vom 22.8.2012 – L 11 AS 549/12, L 11 AS 550/12, L 11 AS 551/12).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist die Bewilligung von PKH geboten. Die Klage hatte zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des PKH-Antrags noch hinreichende Erfolgsaussicht:
Der Bewilligung von PKH steht für den vorliegenden Fall die Rechtsprechung des BSG zur Verfassungsmäßigkeit der Regelbedarfe für alleinstehende Leistungsberechtigte gem. §§ 19 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 1 und Abs. 2 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und SGB XII (Urteile vom 12.7.2012 B 14 AS 153/11 R; B 14 AS 189/11 R) noch nicht entgegen:
Allerdings ist, jedenfalls nachdem das BVerfG die im Verfahren B 14 AS 153/11 R erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat (BVerfG, Beschluss vom 20.11.2012 – 1 BvR 2203/12 u.a.), die entscheidungserhebliche Rechtsfrage höchstrichterlich geklärt (ebenso LSG Niedersachsen, Beschluss vom 18.10.2012 – L 11 AS 1165/11 B). Hieran ändert der Vorlagebeschluss des SG Berlin vom 25.4.2012 (S 55 AS 29249/12, ZFSH/SGB 2012, 345) nichts (ebenso LSG Bayern, Beschlüsse vom 22.8.2012 – L 11 AS 549/12; L 11 AS 550/12; L 11 AS 551/12). Das BSG hat sich mit diesem Vorlagebeschluss ausdrücklich auseinandergesetzt (BSG, Urteil vom 12.7.2012 – B 14 AS 153/11 R, Juris RdNr. 58) und auch angesichts der Überlegungen des SG Berlin keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Höhe des Regelbedarfs im Sinne einer im Rahmen des Art. 100 GG vorausgesetzten Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit (vgl. grundlegend hierzu LSG NRW, Beschluss vom 07.03.2013 – L 6 AS 1569/12 B).
Ungeachtet dessen war der Beschwerde stattzugeben. Der PKH-Antrag war spätestens mit Vorlage der Verwaltungsakte des Beklagten am 12.07.2012 entscheidungsreif. An diesem Tag wurde das Urteil des BSG in der Streitsache B 14 AS 153/11 R verkündet. Erst nach Kenntnis der schriftlichen Urteilsgründe steht fest, dass eine dem Rechtsschutzbegehren entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung existiert, gegen die nicht schlüssig dargelegt worden ist, dass diese Rechtsprechung nicht zutreffend oder im speziellen Fall nicht anwendbar sei (zur Bewilligung von PKH bei Einwendungen gegen die Höhe der Regelleistung vor Veröffentlichung der schriftlichen Begründung der Urteile des BSG vom 12.7.2012 vergl. auch Beschlüsse des Senats vom 26.10.2012 – L 6 AS 1837/11 B und vom 28.9.2012 – L 6 AS 1895/11 B).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO.
Die Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Erstellt am: 16.05.2013
Zuletzt verändert am: 16.05.2013