Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14.01.2010 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der Regelaltersrente.
Der 1937 geborene Kläger ist gelernter (Betriebs-)Elektriker und war zunächst in diesem Beruf tätig (u.a. für drei Tage vom 13. bis 15.5.1957 im Steinkohlenbergbau im früheren Bergwerk Diergardt Mewissen/Rheinhausen). Später war er vom 1.12.1961 bis zum 31.3.1965 bei der Patria-Versicherungs-AG als Schadenssachbearbeiter angestellt. In dieser Zeit lernte er Rechtsanwalt N. aus Köln kennen, der ihm einen Stellenwechsel in seine Kanzlei anbot. Anschließend war der Kläger vom 1.5.1965 bis zum 31.10.1968 für Rechtsanwalt N. tätig und bearbeitete in dessen Kanzleiräumen Schadensfälle. Aus einem Zeugnis vom 11.10.1968 ergibt sich, dass der Kläger über das Büro von Rechtsanwalt N. bei der Deutschen Angestellten Krankenkasse in Köln mit einem Bruttogehalt von DM 2.650 versichert war. Weiter heißt es darin, die Meldeunterlagen zur Sozial- und Rentenversicherung seien regelmäßig erstellt worden. Vom 1.1. bis zum 30.6.1968 war der Kläger als selbstständig Tätiger bei der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) Köln freiwillig gegen Krankheit versichert (Auskunft der KKH vom 26.4.2001). Vom 11.11.1968 bis zum 13.5.1969 war der Kläger bei der Internationalen Spedition X. in Düsseldorf beschäftigt. Die von der BfA reproduzierten Versicherungskarten 1 bis 3 der Angestelltenversicherung (Zeitraum vom 1.12.1961 bis 31.12.1970) befinden sich bei den Akten. In der Versicherungskarte Nr 2 ist die Beschäftigung bei der Patria-Versicherung vom 1.1. bis 31.3.1965 vermerkt, an die sich unmittelbar die Beschäftigung bei der Internationalen Spedition X. vom 11.11. bis zum 31.12.1968 anschließt. Diese Versicherungskarte ist am 3.2.1970 durch die Stadt Leichlingen aufgerechnet worden und enthält den Stempelaufdruck "Fehlzeiten geprüft. Keine versicherungspflichtige Beschäftigung bzw. Ausfallzeit". Für die Zeit nach 1970 sind versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse u.a. bei den Rechtsanwälten C. und Partner sowie bei den Rechtsanwälten T. belegt. Von August 1999 bis Dezember 2001 war der Kläger geringfügig und nicht (renten-)versicherungspflichtig beschäftigt.
Nach Einleitung eines ersten Kontenklärungsverfahrens bereits im Dezember 1999 und – bestandskräftiger – Ablehnung eines Antrags auf Rente wegen Erwerbs-/Berufsunfähigkeit (Bescheid der früheren Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) vom 14.7.2000) beantragte der Kläger im Oktober 2001 bei der früheren LVA Rheinprovinz (seit 1.10.2005: DRV Rheinland) Regelaltersrente. Die LVA Rheinprovinz bewilligte Regelaltersrente ab dem 1.3.2002 zunächst als Vorschussrente (Bescheid vom 21.3.2002). In den Verwaltungsverfahren wies der Kläger sowohl telefonisch als auch schriftlich darauf hin, dass die Tätigkeit bei Rechtsanwalt N. als Zeit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung rentenerhöhend zu berücksichtigen sei. Im Zeugnis vom 11.10.1968 könne sich nur ein sogenannter "Druckteufel" eingeschlichen haben, der wegen der lange zurückliegenden Zeit keinem aufgefallen sei. Richtig müsse es darin heißen "mit einem Bruttogehalt von DM 1.650,- versichert". Die LVA Rheinprovinz ging wegen der Angaben auf der Versicherungskarte Nr 2 davon aus, dass die Tätigkeit bei Rechtsanwalt N. keine versicherungspflichtige Beschäftigung war. Unabhängig davon, ob der Kläger monatlich 2.650,- oder nur 1.650,- DM verdient habe, sei die "Beitragsbemessungsgrenze" der Angestelltenversicherung überschritten gewesen, so dass Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes vorlag (Schreiben vom 18.9. 2002). Bei der endgültigen Bewilligung der Regelaltersrente ging die LVA Rheinprovinz dementsprechend weiter davon aus, dass für den Kläger in der Zeit vom 1.4.1965 bis zum 10.11.1968 keine Beiträge aufgrund versicherungspflichtiger Beschäftigung entrichtet wurden (Bescheid vom 1.3.2003). Dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Im Mai 2003 wurde die laufende Rentenzahlung von der Beklagten übernommen.
Im Frühjahr 2005 meldete der Kläger sich bei der LVA Rheinprovinz und wies u.a. darauf hin, dass er in der Zeit vom 1.5.1965 bis 31.10.1968 für 42 Monate bei Rechtsanwalt N. in Köln beschäftigt gewesen sei. In seinem damaligen Gehalt seien regelmäßig monatliche Reisespesen/Fahrtkostenauslagen für auswärtige Regulierungsverhandlungen sowie ein regelmäßiger monatlicher Mietzuschuss enthalten gewesen. Sein Einkommen bei Rechtsanwalt N. könne daher nur zwischen 2.200,- und 2.300,- DM gelegen haben (Schreiben vom 27.3.2005). Im November 2007 sprach der Kläger erneut bei der DRV Rheinland vor und teilte mit, er habe durch Zufall den Anstellungsvertrag von Rechtsanwalt N. gefunden und bitte nunmehr um Berücksichtigung der Zeit vom 1.5.1965 bis 31.10.1968 als Beitragszeit in seinem Rentenkonto und entsprechende Neuberechnung der Rente. Aus dem Anstellungsvertrag ergebe sich, dass er im streitigen Zeitraum versicherungspflichtiges Einkommen bezogen habe. Nach Weiterleitung des Vorgangs an die Beklagte legte der Kläger dort eine vom Notar Dr. E. aus Burscheid beurkundete "Eidesstattliche Versicherung" vom 1.8.2008 vor. Darin heißt es u.a., in dem im Zeugnis vom Rechtsanwalt N. bestätigten Bruttogehalt von DM 2.650,- seien sowohl Fahrspesen wie auch Benzinkosten und Kilometergeld für die Benutzung des eigenen PKWs in Höhe von monatlich zwischen DM 300,- und DM 400,- enthalten. Bei Würdigung dieser Umstände habe sein Gehalt noch in der Versicherungspflicht bei ca. DM 2300,- gelegen. Der kurz zuvor aufgefundene Anstellungsvertrag bestätige für mehrere Jahre Berufsleben gestaffelte Gehälter und decke sich mit dem Zeugnis vom 11.10.1968.
Die Beklagte lehnte den "Antrag vom 19.8.2008 auf Neufeststellung der Altersrente unter Anrechnung von Beitragszeiten für die Zeit vom 1.5.1965 bis 31.10.1968" ab. Mit dem in dieser Zeit erzielten Einkommen habe der Kläger "die Beitragsbemessungsgrenze" überschritten, insofern habe Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes bestanden. Von der Möglichkeit, sich freiwillig zu versichern, habe der Kläger keinen Gebrauch gemacht. Dies ergebe sich aus der Versicherungskarte Nr. 2. Der Anstellungsvertrag weise im Übrigen lediglich das Grundgehalt aus; darüber hinaus seien wie in der Versicherungsbranche üblich "mit Sicherheit auch Provisionen geflossen", die zum Überschreiten der jeweiligen "Beitragsbemessungsgrenzen" geführt haben, wie vom Arbeitgeber im Zeugnis letztlich bescheinigt werde (Bescheid vom 1.9.2008; Widerspruchsbescheid vom 18.12.2008, dem Kläger nach eigenen Angaben am 30.12.2008 zugegangen).
Mit seiner am 26.1.2009 erhobenen Klage hat der Kläger höhere Rente "unter Berücksichtigung bzw. Anrechnung der Rentenzeiten [ ] vom 1.5.1965 bis zum 31.10.1968" begehrt und in einem Erörterungstermin ergänzend vorgetragen, das relativ hohe Gehalt erkläre sich auch daraus, dass er mit seinem Privat-PKW zum Teil hohe Schadensfälle im gesamten Bundesgebiet reguliert und deshalb Spesen erhalten habe (Erklärung im Erörterungstermin am 10.6.2009). Im Übrigen sei der Anscheinsbeweis dafür erbracht, dass im streitgegenständlichen Zeitraum eine versicherungspflichtige Beschäftigung bestanden habe und auch Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt worden seien.
Der Kläger hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 1.9.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2008 aufzuheben, den Bescheid vom 21.3.2002 und 1.3.2003 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, im Rahmen der Regelaltersrente den Zeitraum Mai 1965 bis Oktober 1968 als Beitragszeit anzuerkennen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihre Entscheidung weiter für zutreffend gehalten.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen: Es sei nicht glaubhaft gemacht, dass der Kläger bei Rechtsanwalt N. eine versicherungspflichtige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausgeübt habe und für diese Beschäftigung entsprechende Beiträge gezahlt worden seien (Urteil vom 14.1.2010, zugestellt am 19.1.2010).
Mit seiner Berufung vom 16.2.2010 hat der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt. Sein damaliges Gehalt habe weit und erheblich unter den in den Beschäftigungspapieren testierten Angaben gelegen. Rechtsanwalt N. habe die unterschiedlichen Spesen und die Reisekosten für die Benutzung des eigenen Fahrzeuges vermutlich aus wirtschaftlichem Interesse hinzugerechnet. Er sei für Rechtsanwalt N. in den Jahren seiner Beschäftigung mehrmals nach München, ins Saargebiet, nach Worms, Frankfurt, Minden, Hamburg und Bremen gefahren. Später hat der Kläger ergänzt, dass er von Januar bis Juni 1968 auf ausdrücklichen Wunsch von Rechtsanwalt N. ein Gewerbe angemeldet habe und über die Rechtsanwaltskanzlei N. für die Mandanten betriebswirtschaftliche Expertisen auf selbstständiger Basis in eigenen Namen und auf eigene Rechnung erstellt hat (Sachverständigen-Büro G. L.). Mit Schreiben vom 11.8.2010 hat der Kläger zusätzlich geltend gemacht, die Beklagte sei verpflichtet, auch die Zeit vom 1.8.1999 bis zum 28.2.2002 rentensteigernd zu berücksichtigen. Dieses Vorbringen hat er in einem Erörterungstermin am 14.4.2011 aufgegriffen und darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung der Beklagten zu diesem Vorbringen bisher noch nicht vorliege.
Die Beklagte hält die angefochtenen Bescheide sowie das vom Kläger angegriffene erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Aus dem Vermerk, dass Fehlzeiten auf der Versicherungskarte Nr. 2 geprüft worden sind, ergebe sich, dass damals nach § 14 der allgemeinen Verwaltungsvorschrift über Versicherungskarten und Aufrechnungsbescheinigungen in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Rentenversicherung der Angestellten vom 27.5.1964 geprüft und verneint worden sei, dass für den streitigen Zeitraum eine versicherungspflichte Beschäftigung vorgelegen hat.
Die weiteren Ermittlungen des Senats (Anfragen bei verschiedenen Krankenkassen und bei der Rechtsanwaltskammer Köln) und die weiteren eigenen Ermittlungen des Klägers sind erfolglos geblieben. Der Senat hat die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss angehört.
Wegen der Darstellung der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die Verwaltungsakten der Beklagten und die Vorprozessakten SG Köln, Az S 2 KN 97/08, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unbegründet.
Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 1.9.2008 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2008, § 95 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) beschwert den Kläger nicht, weil er nicht rechtswidrig ist, § 54 Abs 2 SGG. Die Beklagte hat zu Recht den vom Kläger geltend gemachten Anspruch abgelehnt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf rentensteigernde Berücksichtigung der Zeit vom 1.5.1965 bis zum 31.10.1968 als rentenrechtliche (Pflichtbeitrags-)Zeit.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist sie innerhalb der maßgeblichen Monatsfrist erhoben, § 87 Abs 1 Satz 1 SGG. Es lässt sich nicht feststellen, dass der Widerspruchsbescheid dem Kläger entgegen seiner Einlassung bereits vor dem 30.12.2008 bekannt gegeben worden ist (vgl § 37 Abs 2 Satz 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X)).
Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 1.9.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2008. Darin hat die Beklagte ausdrücklich (nur) abgelehnt, die Rente unter Berücksichtigung einer versicherungspflichtigen Beschäftigungszeit vom 1.5.1965 bis zum 31.10.1968 neu zu berechnen. Nur auf dieses Begehren beziehen sich der erstinstanzliche Klageantrag sowie der angekündigte Berufungsantrag. Es kann dahinstehen, ob es generell der Dispositionsbefugnis der Beteiligten unterliegt, im Rahmen eines einheitlichen Verfügungssatzes zur Höhe des monatlichen Werts auf Rente den Streit auf einzelne Berechnungsfaktoren zu beschränken (vgl dazu Senatsurteil vom 28.2.2012, Aktenzeichen (Az) L 18 KN 25/11). Eine entsprechende Beschränkung ist wegen der Dispositionsmaxime und der damit verbundenen eigenständigen Bestimmung der Beschwer ("ne ultra petita") jedenfalls anzunehmen, wenn der Verfügungssatz des angefochtenen Bescheids und – dem folgend – der Sachantrag im Klageverfahren ausdrücklich auf einzelne Berechnungs- bzw. Begründungselemente beschränkt sind. Die Beschränkung des Klageantrags macht (konkludent) deutlich, dass eine höhere Leistung aufgrund anderer Tatsachen nicht begehrt wird (so bereits Senatsurteile vom 22.5.2012, Az L 18 KN 46/11, vom 21.8.2012, Az L 18 KN 202/11, und vom 19.2.2013, Az L 18 R 889/12). Ein weitergehendes Rechtsschutzbegehren liegt auch unter Berücksichtigung des zweitinstanzlichen Vorbringens nicht vor. Soweit der Kläger während des Berufungsverfahrens zusätzlich die Einbeziehung der Zeit vom 1.8.1999 bis zum 28.2.2002 bei der Bemessung seiner Rente geltend gemacht hat, handelt es sich nicht um ein zweitinstanzlich zu berücksichtigendes Berufungs- oder Klagebegehren, so dass offenbleiben kann, ob der Kläger dieses neue Vorbringen zulässig in zweiter Instanz in das Verfahren einführen konnte. Denn der Kläger hat im Erörterungstermin vom 14.4.2011 ausdrücklich erklärt, eine Entscheidung der Beklagten zu diesem Vorbringen liege bisher noch nicht vor, und damit deutlich gemacht, dass er eine Entscheidung der Beklagten (und nicht eine solche des Gerichts) erwartet, gegen die er dann ggf. mit den vorgesehenen Rechtsbehelfen (Widerspruch, Klage) vorgehen kann. In der Sache hat die Beklagte den Zeitraum unmittelbar vor Rentenbeginn ohnehin bereits als Zeit einer geringfügigen versicherungsfreien Beschäftigung nach § 76b Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) rentensteigernd berücksichtigt (vgl Anlage 20 Seite 1 zum Bescheid vom 1.3.2003).
Die Klage ist unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren Wertes des (Stamm-)Rechts auf Rente unter Berücksichtigung der Zeit vom 1.5.1965 bis zum 31.10.1968 als rentenrechtliche Zeit hat. Es kann unentschieden bleiben, auf welcher Rechtsgrundlage die Entscheidung der Beklagten beruht (originärer Zweitbescheid; § 44 SGB X). Die Entscheidung, den streitigen Zeitraum nicht rentensteigernd zu berücksichtigen, war und ist rechtmäßig. Die Beklagte ist unter keinem Gesichtspunkt verpflichtet, den Anspruch des Klägers auf Regelaltersrente ab dem 1.3.2002 (oder einem späteren Zeitpunkt) unter Berücksichtigung des streitigen Zeitraums als (Pflicht-)Beitragszeit neu zu berechnen, da der Kläger nicht (einmal) glaubhaft gemacht hat, dass er vom 1.5.1965 bis zum 31.10.1968 eine versicherungspflichtige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausgeübt hat und für diese Beschäftigung Beiträge gezahlt worden sind.
In einem sozialgerichtlichen Verfahren kann der Kläger mit einem Leistungsbegehren auf (höhere) Rente in der Regel nur obsiegen, wenn die anspruchsbegründenden Tatsachen mit an Sicherheit grenzender, vernünftige Zweifel ausschließender Wahrscheinlichkeit feststehen (Beweismaßstab der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit), also erwiesen sind. Dieser strenge Maßstab ist vorliegend zugunsten des Klägers im Sinne einer Beweiserleichterung abgemildert, weil § 286 Abs 5 SGB VI (als Sonderregelung zu §§ 199, 203 SGB VI für Zeiten bis 31.12.1972) die Glaubhaftmachung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt und der tatsächlichen Entrichtung von entsprechenden Beiträgen genügen lässt. Glaubhaft gemacht in diesem Sinne ist eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (vgl § 23 Abs 1 S 1 SGB X, der insoweit eine auch für das gerichtliche Verfahren maßgebliche Definition enthält), also mindestens mehr dafür als dagegen spricht (Beweismaßstab der überwiegenden Wahrscheinlichkeit).
Danach kommt eine Anerkennung der Zeit vom 1.5.1965 bis 31.10.1968 als Pflichtbeitragszeit nicht in Betracht, weil nach dem aktenkundigen Sachverhalt schon eine versicherungspflichtige Beschäftigung in diesem Zeitraum nicht überwiegend wahrscheinlich ist. Noch weniger sind eine Beitragsentrichtung oder der Abzug eines Beitragsanteils vom Arbeitsentgelt (§ 286 Abs 6 iVm § 203 Abs 2 SGB VI) glaubhaft gemacht. Dies gälte auch dann, wenn man ausschließlich auf die eigenen Angaben des Klägers abstellte.
Nach 286 Abs 5 SGB VI ist eine Beitragszeit anzuerkennen, wenn Versicherte für Zeiten vor dem 1. Januar 1973 glaubhaft machen, dass sie eine versicherungspflichtige Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausgeübt haben, die [vor dem Ausstellungstag der Versicherungskarte liegt oder] nicht auf der Karte bescheinigt ist, und für diese Beschäftigung entsprechende Beiträge gezahlt worden sind. Die Glaubhaftmachung erstreckt sich auf das Vorliegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung und die tatsächliche Beitragszahlung (vgl Gürtner in Kasseler Kommentar. Sozialversicherungsrecht. Stand 1.10.2012. § 286 Rdnr 20). Die Merkmale der Ausübung einer versicherungspflichtigen Tätigkeit einerseits sowie der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen hierauf andererseits sind dabei untereinander nicht verknüpfte, voneinander unabhängig glaubhaft zu machende und demnach auch getrennt zu prüfende Tatbestandsmerkmale. Insbesondere gibt es keinen Rechtssatz, wonach eine nachgewiesene Beschäftigung die Entrichtung von Beiträgen glaubhaft werden lässt (vgl Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17. Dezember 1986, Az 11a RA 59/85, in S ozR 5745 § 1 Nr 2 und vom 7. September 1989, Az 5 RJ 79/88).
Zunächst bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass zeitnah irgendjemand (auch nicht der Kläger) davon ausgegangen ist, die streitige Tätigkeit sei im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses erfolgt. Das überrascht vor dem Hintergrund, dass sich der Kläger selbst beruflich (offenbar mit Geschick und Erfolg) mit (sozial-)versicherungsrechtlichen Sachverhalten befasst hat (wegen der Überschneidung von Privat- und Sozialversicherungsrecht sei beispielhaft auf den früheren § 1542 RVO verwiesen, das sog. "Quotenvorrecht" der Sozialversicherungsträger). Diese Sachkunde legt zumindest nahe, dass ihm sein eigenes Sozialversicherungsverhältnis betreffende sozialversicherungsrechtliche Fragestellungen bekannt waren und ihm Unregelmäßigkeiten oder Ungereimtheiten aufgefallen wären. Die Versicherungskarte Nr 2 spricht ebenfalls gegen eine versicherungspflichtige Beschäftigung im streitigen Zeitraum. Aus ihr ergibt sich, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, dass zwischen den Tätigkeiten bei der Patria-Versicherungs-AG und der Internationalen Möbelspedition X … eine weitere versicherungspflichtige Beschäftigung nicht gemeldet wurde und die bei der Aufrechnung vorgenommene Prüfung die Richtigkeit dieses Sachverhalts bestätigt hat. Kurzum, es fehlte bereits damals an Tatsachen, die den Schluss auf eine versicherungspflichte Beschäftigung in der streitigen Zeit zuließen. Solche Tatsachen ergeben sich auch nicht aus dem Anstellungsvertrag vom 23.3.1965 oder dem Zeugnis vom 11.10.1968. Bei Auswertung dieser Unterlagen spricht nicht mehr dafür als dagegen, dass der Kläger bei Rechtsanwalt N. eine der Versicherungspflicht unterliegende (und nicht eine versicherungsfreie) Beschäftigung ausgeübt hat. Soweit sich Anstellungsvertrag und Zeugnis widersprechen, hat im Zweifel das Zeugnis die stärkere Aussagekraft. Denn es wurde im Nachhinein verfasst, während der Anstellungsvertrag vor Aufnahme der Tätigkeit abgeschlossen wurde. Damit ist zumindest denkbar, dass die Höhe der Vergütung wegen der besonderen Befähigung des Klägers (auf die bereits die Abwerbebemühungen von Rechtsanwalt N. schließen lassen) zeitnah angepasst worden ist.
Auch die im streitigen Zeitraum geltende Rechtslage spricht eher dafür, dass Rechtsanwalt N. und der Kläger das Beschäftigungsverhältnis als versicherungsfrei ausgestaltet haben. Bis zum 31.12.1967 bestand in der Angestelltenversicherung Versicherungsfreiheit für Beschäftigte, die mit ihrem regelmäßigen Jahresarbeitsverdienst die Jahresarbeitsverdienstgrenze (bis 30.6.1965: DM 15.000; vom 1.7.1965 bis zum 31.12.1967: DM 21.600; vgl § 5 Abs 1 AVG idF von Art 1 § 2 Nr 4 iVm Art 5 § 10 Abs 1 e Rentenversicherungs-Änderungsgesetz – RVÄndG vom 9.6.1965, BGBl I, S 467ff) überschritt, §§ 4 Abs 1 Nr 1, 5 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG). Diese Vorschriften wurden mit Wirkung zum 1.1.1968 durch Art 1 § 2 Nr 1, Art 22 des Gesetzes zur Verwirklichung der mehrjährigen Finanzplanung des Bundes, II. Teil – Finanzänderungsgesetz – FinÄndG 1967 vom 21.12.1967 aufgehoben (BGBl I, S 1259ff). Nach den bis zum 31.12.1967 geltenden Vorschriften genügte also für das zu Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes führende Überschreiten der Jahresarbeitsverdienstgrenze (nicht: Beitragsbemessungsgrenze, die für die Versicherungspflicht ohne Belang ist, sondern nur die Beitragspflichtigkeit von Entgelten begrenzt) ein monatliches Entgelt von zuletzt DM 1.800,- Somit bestand für den Kläger bereits Versicherungsfreiheit unter Berücksichtigung des in seiner Eidesstattlichen Versicherung vom 1.8.2008 genannten monatlichen Entgelts von DM 2.300,-. Damit korrespondiert, dass der Kläger zum 1.1.1968 (nämlich mit der ausnahmslosen Einbeziehung aller Angestellten in die gesetzliche Rentenversicherung aufgrund der o.g. Rechtsänderung, vgl dazu im Einzelnen BVerfGE 29, 221ff) zur Aufrechterhaltung des beitragsfreien Zustands ein selbständiges Gewerbe anmeldete und von der Deutschen Angestellten Krankenkasse zur KKH wechselte. Auf dieser Basis ist für den Senat ohne weiteres nachvollziehbar, dass für den streitigen Zeitraum versicherte Arbeitsentgelte nicht gemeldet wurden und deshalb die Versicherungskarte Nr 2 bei der Aufrechnung durch die Stadt Leichlingen für inhaltlich zutreffend befunden wurde. Die Angaben im Zeugnis vom 11.10.1968, dass der Kläger über das Büro von Rechtsanwalt N. bei der DAK in Köln versichert war und die Meldeunterlagen zur Sozial- und Rentenversicherung regelmäßig erstellt wurden, lassen bestenfalls den Schluss zu, dass der Kläger als versicherungsfreier Angestellter über Rechtsanwalt N.bei der DAK freiwillig gegen Krankheit versichert war. Soweit bestätigt wird, dass Meldeunterlagen zur Rentenversicherung regelmäßig erstellt wurden, besagt diese allgemein gehaltene Formulierung gerade nicht, dass beitragspflichtige versicherte Entgelte gemeldet oder gar Beiträge abgeführt wurden.
Selbst wenn man die unterschiedlichen vom Kläger angeführten Erklärungshypothesen in Rechnung stellte und zu dem Ergebnis käme, zumindest eine nicht für Versicherungsfreiheit sprechende Variante sei glaubhaft gemacht (zB die ursprüngliche, später nicht aufgegriffene Variante, er habe monatlich DM 1.650,- verdient, oder gar nur das im Anstellungsvertrag vom 23.3.1965 genannte jeweilige "Grundgehalt"), ergäbe sich daraus (für einen Teil des streitigen Zeitraums) lediglich die Annahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung. Damit ist aber noch nicht glaubhaft gemacht, dass Rechtsanwalt N. Beiträge gezahlt bzw vom Gehalt des Klägers abgezogen hat. Der Kläger mutmaßt im Gegenteil selbst, dass Rechtsanwalt N. die Vergütung durch Einbeziehung von Spesen und Mietzahlungen "schöngerechnet" hat, damit nach außen der Anschein entstand, die Jahresarbeitsverdienstgrenze werde überschritten und Beiträge seien nicht abzuführen. Damit liefert der Kläger mittelbar eine Begründung dafür, dass Beiträge (uU rechtswidrig) gerade nicht entrichtet wurden. Dieses Versäumnis ist irreparabel; insbesondere hat die Beklagte dafür unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einzustehen.
Tatsächlich kann der Senat aber die Angaben des Klägers zu Hilfstatsachen – auch die an Eides Statt erklärten – nicht als wahr zugrundelegen und deshalb aus ihnen nicht auf die Glaubhaftigkeit von entscheidungserheblichen Tatsachen schließen. Grundsätzlich darf das Tatsachengericht zur Abrundung seiner Überzeugung die Angaben eines Beteiligten berücksichtigen, obwohl es sich bei seiner Anhörung nicht um eine förmliche Beweiserhebung (iS einer im SGG nicht vorgesehenen Beteiligtenvernehmung, vgl § 118 Ab 1 S 1 SGG, der nicht auf §§ 445ff ZPO verweist) handelt. Dies beruht auf dem allgemein im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden (BSG SozR 3-3100 § 5 Nr 2 und SozR 1500 § 128 Nr 39) Grundsatz, dass die Angaben des Antragstellers zugrunde gelegt werden können, soweit sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind (vgl § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung als spezialgesetzliche Ausprägung). Dies gilt umso mehr in Fällen der Glaubhaftmachung, in denen die Versicherung an Eides Statt zugelassen ist (vgl § 294 Zivilprozessordnung, zu dem hier nicht entschieden werden muss, ob er über § 202 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend gilt). Voraussetzung ist aber, dass die Angaben widerspruchsfrei, nachvollziehbar und über den gesamten zu beurteilenden Zeitraum auch einheitlich und in sich stimmig sind. Das ist bei den Angaben des Klägers nicht der Fall. Die Angaben in der Eidesstattlichen Erklärung vom 1.8.2008 beruhen offenbar auf der Kenntnis des Anstellungsvertrags vom 23.3.1965 und stellen eine Interpretation des Vertrags durch den Kläger dar. Der Kläger bekundet darin – im Umkehrschluss – Tatsachen, die ihm vor Auffinden dieses Vertrags offenbar aus eigenem Erinnern nicht (mehr) bekannt waren. Überdies bietet der Kläger im gesamten Verlaufe des Verfahrens unterschiedliche Varianten zur Erklärung der Angaben im Zeugnis von Rechtsanwalt N. an. Während er zunächst einen "Druck(fehler)teufel" für die Angaben des (aus seiner Sicht zu hohen) Entgelts verantwortlich machte (DM 1.650,- statt DM 2.650,-), behauptete er später in unterschiedlichen Varianten, in den (zu hohen) Betrag seien Reisekosten, Spesen und Mietzinszahlungen eingeflossen. Er habe maximal DM 2.300,- verdient. Dabei übersieht der Kläger allerdings, dass auch dieser Betrag erheblich über der bis 31.12.1967 maßgeblichen – auf den Kalendermonat umgerechneten – Jahresarbeitsverdienstgrenze liegt (bis 30.6.1965: DM 1.250,-, danach bis 31.12.1967: DM 1.800,-). Letztlich ist aber entscheidend, dass sich auch aus den Schilderungen des Klägers nicht die tatsächliche Entrichtung von Beiträgen für den streitigen Zeitraum entnehmen lässt.
Entgegen der Auffassung des Klägers liegen auch keine Anknüpfungstatsachen für einen Anscheinsbeweis (prima facie – Beweis) als weitere Beweiserleichterung zugunsten des Klägers vor. Die Beweiswirkung sämtlicher vermeintlicher regelhafter Kausalverläufe wird bereits dadurch erschüttert, dass – wie der Kläger selbst in Rechnung stellt – Rechtsanwalt N. absichtlich oder versehentlich von einem über der Jahresarbeitsverdienstgrenze liegenden Entgelt ausgegangen sein könnte und deshalb keine Beiträge abgeführt hat.
Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif, weil konkretere Tatsachen wegen des weit zurückliegenden Zeitraums nicht mehr feststellbar sind. Die vergeblichen Bemühungen des Senats, aber auch des Kläger selbst belegen dies eindrücklich. Ohne Belang ist, ob – wie der Kläger behauptet – bei einem Einbruch im Jahre 1997 Unterlagen abhanden gekommen sind. Der Kläger, der im Verfahren noch Unterlagen aus 1953-1955 vorgelegen konnte, ist überdies eine genaue Erklärung schuldig geblieben, um welche Unterlagen es sich genau handelt und aus welchen Gründen gerade diese Unterlagen für den Dieb von Bedeutung gewesen sein könnten.
Der Senat hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich, § 153 Abs 4 SGG. Die Beteiligten sind zu der beabsichtigten Verfahrensweise gehört worden, § 153 Abs 4 Satz 2 SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von §§ 183 Satz 1, 193 Abs 1 Satz 1 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, weil die Voraussetzungen nach §§ 153 Abs 4 S 3, 158 S 3, 160 Abs 2 SGG nicht vorliegen. Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung, weil sich die Entscheidung im Wesentlichen auf einer Würdigung von Tatsachen beruht und deshalb die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind.
Erstellt am: 01.07.2013
Zuletzt verändert am: 01.07.2013