Die Beschwerden der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 28.03.2013 (gemeint: 28.02.2013) werden zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die 1977 geborene Antragstellerin zu 1), die bulgarische Staatsangehörige ist und über eine von der Stadt I am 28.01.2013 ausgestellte Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) verfügt, beantragte erstmals am 28.01.2013 über ihren Verfahrensbevollmächtigten für sich und ihre 1994 und 1996 geborenen Kinder, die Antragsteller zu 2) und 3), bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II, ohne das standardisierte Antragsformular oder Anlagen beizufügen. Sie legte lediglich 2 Abrechnungen vom 02.01. und 09.01.2013 über eine von ihr ausgeübte selbständige Tätigkeit als Flaschensortiererin bei der D GmbH sowie den Mietvertrag über die Wohnung und die Abschrift einer von ihrem Vermieter erhobenen Räumungsklage vom 03.01.2013, eingegangen beim zuständigen Amtsgericht am Folgetag, bei. Zugleich setzte die Antragstellerin zu 1) der Antragsgegnerin eine Frist zur Leistungsgewährung bis zum 01.02.2013.
Am 05.02.2013 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Dortmund (SG) einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Eilverfahren begehrt. Die besondere Eilbedürftigkeit ergebe sich aus dem Umstand, dass der Verlust der Wohnung drohe und sie, die Antragsteller, ohne die begehrten Leistungen nach dem SGB II nicht in der Lage seien, ihren Lebensunterhalt zu decken. Zu Ihren Einkommensverhältnissen hat die Antragstellerin zu 1) ergänzend unter Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung vorgetragen, sie habe am 20.11.2012 eine Gewerbeanmeldung zum 15.11.2012 – "Flaschensortieren als Subunternehmerin" – vorgenommen, nachdem sie am 13.11.2012 einen entsprechenden Vertrag mit der D GmbH geschlossen habe. In der Zeit vom 20.11. bis 30.11.2012 habe ihr Einkommen aus dieser Tätigkeit bei 415,- Euro, in der Zeit vom 01.12. bis 31.12.2012 bei 371,21 Euro gelegen.
Mit Schreiben vom 06.02.2013 hat die Antragsgegnerin die Antragstellerin zu 1) unter Hinweis auf die Versagungsmöglichkeit gem. § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) zu einem persönlichen Gespräch am 11.02.2013 eingeladen, damit die notwendigen Antragsformulare ausgefüllt werden. Nachdem die Antragstellerin nicht erschienen war, hat die Antragsgegnerin die Gewährung von Leistungen mit Bescheid vom 11.02.2013 gem. § 66 SGB I wegen fehlender Mitwirkung versagt. Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Antragsgegnerin am 13.02.2013 hat die Antragstellerin zu 1) sodann weitere Angaben zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht: Sie bewohne mit ihren beiden Kindern eine Mietwohnung in der T-straße 00 in I. Die monatliche Gesamtmiete liege bei 420,- Euro. Derzeit habe sie ca. 2580,- Euro Mietschulden. Kindergeld wolle sie beantragen erhalten sie derzeit jedoch noch nicht. Die Erzielung von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit sei nicht mit Ausgaben verbunden gewesen. Wegen betrieblicher Umstrukturierungsmaßnahmen erhalten sie derzeit keine Aufträge. Über Vermögen verfüge sie nicht.
Die ausgefüllten Antragsunterlagen einschließlich der Anlagen hat die Antragstellerin zu 1) am Folgetag eingereicht.
Gegen den Versagensbescheid vom 11.02.2013 hat die Antragstellerin zu 1) am 18.02.2013 Widerspruch eingelegt, den die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 20.02.2013 zurückwiesen hat; die Leistungsversagung wegen fehlender Mitwirkung sei zu Recht erfolgt.
Parallel dazu hat die Antragsgegnerin unter dem Datum vom 26.02.2013 darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin zu 1) am 13.02.2013 vorgesprochen habe und ein Abgabetermin für notwendige Unterlagen, u.a. von Kontoauszügen, für den 27.02.2013 vereinbart worden sei. Anschließend werde eine Prüfung der Leistungsberechtigung vorgenommen und ein Bescheid erteilt.
Mit Schreiben vom 27.02.2013 hat die Antragstellerin zu 1) im gerichtlichen Eilverfahren ergänzend auf die Ankündigung einer Stromunterbrechung ab dem 04.03.2013 hingewiesen und die Gewährung eines Darlehens zur Begleichung der Schulden bei dem Energieversorger ohne konkrete höhenmäßige Bezifferung begehrt. Zugleich hat sie die Übersendung von Kontoauszügen angekündigt.
Das SG hat die Anträge mit Beschluss vom 28.02.2013 (irrtümlich als 28.03.2013 bezeichnet) abgelehnt. Es fehle dem auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gerichteten Antrag am Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses. Die Antragsgegnerin habe mit Schriftsatz von 26.02.2013 deutlich gemacht, dass sie eine Bescheidung der Antragsteller in der Sache vornehmen werde, sobald die für die Prüfung des Anspruchs notwendigen Unterlagen vorlägen. Diese Unterlagen seien auch nach Auffassung des Gerichts erforderlich. Die Antragsgegnerin habe auch weder im Verwaltungsverfahren noch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erkennen lassen, dass sie sich einer Leistungsgewährung aus grundsätzlichen Erwägungen, z.B. aufgrund eines angenommenen Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II, verschließen werde. Es liege somit einzig und allein in der Hand der anwaltlich vertretenen Antragsteller, eine Leistungsgewährung durch die Antragsgegnerin herbeizuführen, indem die für die Bewilligung notwendigen Unterlagen vorgelegt werden. Der Antrag auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Übernahme von Energiekostenrückständen sei bereits deshalb unzulässig, weil diesbezüglich nach dem Aktenstand noch keine Vorbefassung der Antragsgegnerin vorliege. Prozesskostenhilfe sei mangels hinreichender Aussicht des Antrags auf Erfolg nicht zu bewilligen.
Gegen den ihnen am 01.03.2013 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 04.03.2013 Beschwerde eingelegt und auch für das Beschwerdeverfahren PKH beantragt. Zur Begründung tragen sie vor, der Versagensbescheid der Antragsgegnerin sei ermessensfehlerhaft. Die Einladung vom 06.02.2013 zum Termin am 11.02.2013 habe sie nicht rechtzeitig erreicht. Den umgehend verfassten Versagensbescheid hätten sie, die Antragsteller, nur so deuten können, dass keine Leistungen gewährt werden sollten. Hierfür spreche auch, dass die Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragsteller trotz der am 13.02.2013 erfolgten Vorsprache mit weiterer Terminsvereinbarung für den 27.02.2013 am 20.02.2013 zurückgewiesen habe. Darüber hinaus seien der Antragsgegnerin die finanziellen Verhältnisse der Antragsteller, insbesondere der erzielte Verdienst und die Höhe des Mietzinses sowie der Nebenkosten, bekannt gewesen. Die allein noch erforderlichen Kontoauszüge seien im Gerichtsverfahren – dort eingegangen am 04.03.2013 – zur Akte gereicht worden. Im Räumungsverfahren sei mittlerweile ein Versäumnisurteil ergangen, gegen das aber Einspruch eingelegt werden solle. Der Vermieter dürfte bei Zahlung der Mietrückstände und Übernahme künftiger Zahlungen durch die Antragsgegnerin bereit sein, das Mietverhältnis fortzuführen. In den Monaten März und April habe die Antragstellerin zu 1) keinerlei Einkünfte erzielt. Ihre Tätigkeit als Flaschensortiererin sei nicht angefordert worden. Weitere Kontoauszüge würden nachgereicht. Über den bei der Familienkasse gestellten Antrag auf Gewährung von Kindergeld sei noch nicht entschieden worden, da noch Unterlagen fehlten.
Die Antragsteller haben schriftlich beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 28.03.2013 (gemeint offensichtlich der 28.02.2013) zu ändern und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihnen Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, sowie Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin hat schriftsätzlich beantragt,
die Beschwerden zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Die Antragsteller hätten am 13.02.2013 lediglich einen erneuten Antrag gestellt und nicht die erforderlichen Unterlagen abgegeben. Zum Zeitpunkt der Eilantragstellung bei Gericht sei eine Überprüfung der Leistungsberechtigung noch nicht möglich gewesen. Die Unterlagen lägen auch weiterhin nicht vor. Einen vereinbarten Termin am 04.03.2013 habe die Antragstellerin zu 1) wiederum nicht wahrgenommen. Die Antragsteller unterlägen im Übrigen dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II.
Der Senat hat die Antragsteller mit Verfügung vom 17.05.2013 aufgefordert, weitere ergänzende Angaben zu machen, so Erläuterungen zu den derzeitigen Tätigkeiten der Kinder (z.B. Schule, Ausbildung etc.), Angaben, ob bzw. wann mit weiteren Aufträgen für die Antragstellerin zu 1) gerechnet werden könne, eine Erklärung dazu, ob die Familienkasse inzwischen entschieden habe, Angaben über den Vater der Antragsteller zu 2) und 3) und etwaige Unterhaltszahlungen, Angaben über den Fortgang der angekündigten Stromsperre sowie vollständige Angaben über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Antragsteller zu 2) und 3), eine Erklärung dazu, ob die Antragsteller in Bulgarien über Vermögen verfügen, Auskunft über die Tätigkeiten der Antragstellerin zu 1) in Bulgarien, den Grund für die Umsiedlung und die Verweilabsicht in der Bundesrepublik sowie über das Vorliegen von Deutschkenntnissen. Der Senat hat darauf hingewiesen, dass die Angaben glaubhaft zu machen seien und die Vorlage entsprechender Nachweise gefordert.
Trotz Erinnerungen vom 27.05., 11.06. und 08.07.2013 mit Fristsetzung zum 16.07.2013 ist die Senatsanfrage unbeantwortet geblieben. Der Bevollmächtigte der Antragsteller hat am 08.07.2013 die Niederlegung des Mandats angezeigt.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts im Übrigen, insbesondere des Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichts- und der die Antragsteller betreffenden Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen; dieser ist Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller für die Durchführung des Eilverfahrens liegt anders als noch im sozialgerichtlichen Verfahren vor, weil die Antragsgegnerin sich nunmehr (auch) auf den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II beruft.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (vgl. zur Zulässigkeit der Regelungsanordnung bei Versagungsleistung nach § 66 SGB I LSG NRW Beschluss vom 28.02.2013 – L 2 AS 2430/12 B ER juris Rn. 24; LSG Hessen Beschluss vom 22.06.2011 – L 7 AS 700/10 B ER juris Rn. 17, LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 04.07.2012 – L 13 AS 124/12 B ER juris Rn. 8). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt somit voraus, dass ein materieller Anspruch besteht, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (Anordnungsanspruch), und dass der Erlass einer gerichtlichen Entscheidung besonders eilbedürftig ist (Anordnungsgrund). Eilbedürftigkeit besteht, wenn dem Betroffenen ohne die Eilentscheidung eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 – Rn 23; Beschluss vom 16.05.1995 – 1 BvR 1087/91 – Rn 28). Der gemäß Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) von den Gerichten zu gewährende effektive Rechtsschutz bedeutet auch Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit. Daraus folgt, dass gerichtlicher Rechtsschutz namentlich in Eilverfahren so weit wie möglich der Schaffung solcher vollendeter Tatsachen zuvorzukommen hat, die dann, wenn sich eine Maßnahme bei (endgültiger) richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist, nicht mehr rückgängig gemacht werden können (BVerfG Beschluss vom 16.05.1995 – 1 BvR 1087/91 – Rn 28).
Der geltend gemachte (Anordnungs-)Anspruch und die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung – ZPO). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. BSG Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 V 23/01 B – Rn 5).
Hieran fehlt es vorliegend. Die Antragsteller haben weder das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs noch eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht. Ohne Erklärungen zu etwaigem Vermögen oder (Unterhalts-)Einkommen kann nicht beurteilt werden, ob die Antragsteller die Leistungsvoraussetzung des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 9 SGB II erfüllen und Hilfebedarf nach dem SGB II besteht. Trotz der mehrfachen Erinnerungen durch den Senat sind die für diese Prüfung notwendigen Erklärungen nicht abgegeben und Unterlagen nicht übersandt worden. Besteht ggf. kein Hilfebedarf, ist die Entscheidung über den Antrag auch nicht eilbedürftig. Auch die Frage der Übernahme von Stromschulden sowie eines eventuellen Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II im Lichte des Europarechts kann für die Antragsteller rumänischer Staatsangehörigkeit ohne die hierfür notwendigen, bei den Antragstellern angeforderten Informationen nicht beantwortet werden.
Die Beschwerde bezüglich der Ablehnung von PKH für das erstinstanzliche Eilverfahren ist ebenfalls unbegründet. Der Eilantrag hatte (auch) im Zeitraum des Verfahrens vor dem SG keine Aussicht auf Erfolg. Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (§ 142 Abs. 2 S. 3 SGG). Zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses des SG war davon auszugehen, dass die Antragsteller ihr Begehren einfacher und schneller bei der Antragsgegnerin hätten verfolgen können. Grundsätzliche Zweifel an einer Leistungsberechtigung der Antragsteller hat die Antragsgegnerin erst nach Erhalt des erstinstanzlichen Beschlusses geäußert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG bzw. bezüglich der PKH-Entscheidung auf § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.
Die Antragsteller haben keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht, da die Rechtsverfolgung aus den o.g. Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg iSv § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) bietet.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Erstellt am: 14.08.2013
Zuletzt verändert am: 14.08.2013