Auf die Beschwerde der Beigeladenen wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 07.08.2013 geändert. Anstelle der Beigeladenen wird der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin für den Zeitraum 15.07.2013 bis zum Ende des Monats der gerichtlichen Entscheidung vorläufig Leistungen der Eingliederungshilfe im Umfang von bis zu 22 Stunden monatlich bei freier Einteilung zu einem Kostensatz von 30,00 EUR je Stunde zu gewähren. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin in beiden Rechtszügen die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt die Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII).
Die im Jahre 1964 geborene Antragstellerin ist hochgradig hör- und sehbehindert (sog. Taubblindheit). Sie ist als schwerbehindert anerkannt (GdB 100 und Merkzeichen G, BL, H, RF und GL). Die Antragstellerin lebt gemeinsam mit ihrer im Jahre 1992 geborenen Tochter in einer Wohnung. Zur Sicherung ihres Lebensunterhalts bezieht sie Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII. Darüber hinaus erhält sie ein Blindengeld i.H.v. 628,40 EUR und ein Gehörlosengeld i.H.v 77,00 EUR, das nicht auf die Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII angerechnet wird.
Die Antragstellerin beantragte am 16.12.2011 bei der Beigeladenen die Übernahme der Kosten für eine Assistenzperson. Den Antrag begründete sie damit, dass sie allein mit ihrer Tochter lebe und keine weitere familiäre Unterstützung habe. Aufgrund ihrer Behinderung benötige sie jedoch bei sehr vielen Verrichtungen des täglichen Lebens eine speziell ausgebildete Assistenzperson. Ohne eine solche Assistenz könne sie nur sehr eingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Der Umfang der benötigten Unterstützung belaufe sich auf mindestens 15 Stunden in der Woche.
Die Beigeladene gewährte der Antragstellerin mit Bescheid vom 15.03.2012 für den Zeitraum 16.03.2012 bis 31.03.2013 Leistungen für eine Assistenzperon im Umfang von bis zu 13 Stunden monatlich bei freier Einteilung. Der Kostensatz pro Stunde betrage 30,00 EUR.
Die Antragstellerin legte gegen den Bescheid mit Schreiben vom 14.04.2012 Widerspruch ein. Diesen begründete sie damit, dass mehr Stunden bewilligt werden müssten. Taubblinde Menschen könnten im Gegensatz zu "nur" Blinden oder Gehörlosen ohne Assistenz ihre Wohnung nicht verlassen. Um ein Mindestmaß an sozialer Teilhabe zu gewährleisten, müssten daher mehr als drei Stunden pro Woche gewährt werden. Der tatsächliche wöchentliche Bedarf liege bei 19 Stunden pro Woche. Davon könne sie vier Stunden durch das Blinden- und Gehörlosengeld selbst tragen.
Die Beigeladene gewährte der Antragstellerin daraufhin mit Änderungsbescheid vom 22.05.2012 für den Zeitraum 16.03.2012 bis 31.03.2013 Leistungen für bis zu 22 Stunden monatlich bei gleichem Kostensatz. Unter Berücksichtigung der Angaben in dem Widerspruch der Antragstellerin könne ein zusätzlicher Bedarf von zwei Stunden pro Woche berücksichtigt werden.
Die Antragstellerin legte auch gegen den Bescheid vom 22.05.2012 mit Schreiben vom 20.06.2012 Widerspruch ein. Diesen begründete sie damit, dass auch durch die zusätzlich gewährten Stunden ihr Bedarf an Unterstützung nicht gedeckt werde.
Die Beigeladene wies die Widersprüche der Antragstellerin mit Widerspruchsbescheid vom 14.08.2012 zurück. Ein weitergehender Anspruch bestehe nicht, da durch die bewilligte Hilfe von 22 Stunden pro Monat das Ziel der Eingliederungshilfe, in ausreichendem Maße am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, erreicht werde. Der Antragstellerin stehe darüber hinaus noch das Blinden- und Gehörlosengeld zur Verfügung, um ihren Bedarf zu decken.
Die Antragstellerin erhob dagegen am 03.09.2012 eine Klage vor dem Sozialgericht Duisburg (Az. S 52 SO 382/12), die noch anhängig ist. Der Antragsgegner wurde zu diesem Verfahren beigeladen.
Am 31.01.2013 beantragte die Antragstellerin die Weitergewährung der Leistungen für die Assistenzperson über den 31.03.2013 hinaus bei der Beigeladenen. Diese leitete den Antrag mit Schreiben vom 06.02.2013 an den Antragsgegner weiter ("mit der Bitte um Bearbeitung in eigener Zuständigkeit im Rahmen der Hilfe zum selbständigen Wohnen"). Der Antragsgegner erklärte sich mit Schreiben vom 27.02.2013 für nicht zuständig, da lediglich Assistenzleistungen zur Teilhabe außerhalb der Wohnung beantragt worden seien. Das selbständige Wohnen sei nicht gefährdet, da im Haushalt eine volljährige Tochter wohne. Die Beigeladene forderte den Antragsgegner mit Schreiben vom 13.06.2013 auf, über den Antrag zu entscheiden, da dessen Zuständigkeit gegeben sei.
Die Antragstellerin hat am 15.07.2013 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Antragsgegner gestellt. Das Sozialgericht Duisburg hat mit Beschluss vom 07.08.2013 die Beigeladene zum Verfahren beigeladen und gleichzeitig sie verpflichtet, für den Zeitraum 15.07.2013 bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens vorläufig Leistungen für Assistenzstunden im Umfang von 22 Stunden zu einem Kostensatz von 30,00 EUR pro Stunde zu erbringen. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, da sie weiter auf die Leistungen im bisherigen Umfang angewiesen sei und ohne die vorläufige Verpflichtung eine Einstellung der Assistenz durch den Leistungserbringer drohe. Zuständig sei aufgrund von § 4 Abs. 1 des Landesausführungsgesetzes zum Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) – Sozialhilfe – für das Land Nordrhein-Westfalen (AG SGB XII NRW) die Beigeladene, da bei einem Zuständigkeitsstreit zunächst der örtliche Träger der Sozialhilfe vorleisten müsse. Diese Regelung gehe § 14 SGB IX vor.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Beigeladenen, die ihr rechtliches Gehör verletzt sieht und sich darüber hinaus aufgrund von § 14 SGB IX für nicht zuständig hält. Der Antrag sei innerhalb von zwei Wochen an den Antragsgegner weitergeleitet worden, so dass dieser im Außenverhältnis zur Antragstellerin für die beantragte Leistung endgültig zuständig geworden sei.
Die Beigeladene beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 07.08.2013 aufzuheben.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegner hält den Beschluss des Sozialgerichts für zutreffend. Es sei keine Weiterleitung nach § 14 SGB IX erfolgt, und die Vorschrift finde darüber hinaus auf Folgeanträge keine Anwendung. Die Beigeladene habe ihre Zuständigkeit für die Leistung ursprünglich anerkannt und müsse sich jetzt daran festhalten lassen.
Die Antragstellerin hat keinen Antrag gestellt. Für die Antragstellerin sei es unerheblich, welcher der beiden Leistungsträger tatsächlich zuständig und im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu verpflichten sei, die Leistung zu erbringen. Die Beigeladene und der Antragsgegner könnten ihren Zuständigkeitsstreit in einem Erstattungsstreit austragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beigeladenen, die dem Senat vorgelgen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
II.
Auf die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) der Beigeladenen war der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 07.08.2013 insoweit zu ändern, als anstelle der Beigeladenen der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Leistungserbringung zu verpflichten war.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt die Glaubhaftmachung (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)) eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf die begehrten Leistungen (Anordnungsanspruch) sowie einer Eilrechtsschutz rechtfertigenden Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) voraus. Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander. Es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt.
Aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) können sich besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen. Dies gilt insbesondere, wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen. Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht (vgl. zu alledem BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05).
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Der Anordnungsanspruch beruht auf § 53 Abs. 1 SGB XII. Nach dieser Vorschrift erhalten Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Nach Abs. 3 der Vorschrift ist es besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen. Die Antragstellerin erfüllt diese grundsätzlichen Voraussetzungen für den Bezug der Eingliederungshilfe, denn es liegt eine wesentliche Behinderung vor. Die Antragstellerin ist hochgradig hör- und sehbehindert und als schwerbehinderter Mensch anerkannt (GdB 100 und Merkzeichen G, BL, H, RF und GL). Damit liegt zugleich eine wesentliche Behinderung vor, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist.
Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe gehören gem. § 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Die Antragstellerin ist aufgrund ihrer Behinderung auf solche Leistungen angewiesen, da sie ohne die Übernahme der Kosten für eine Assistenzperson nicht am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann. Das ist bei der Behinderung der Antragstellerin evident und ebenfalls zwischen den Beteiligten nicht streitig. Der Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Assistenzperon besteht jedenfalls im Umfang der bisher bewilligten 22 Stunden pro Monat. Dies ergibt sich aus dem Widerspruchsschreiben der Antragstellerin vom 14.04.2013, in welchem sie ihren wöchentlichen Bedarf dargelegt hat. Selbst wenn man jedenfalls einstweilen davon ausgeht, dass ein Teil des Bedarfes durch das Blinden- und Gehörlosengeld sowie durch familiäre und ehrenamtliche Unterstützung gedeckt werden kann, bleiben zumindest noch die fünf Stunden pro Woche ungedeckt, welche die Beigeladene anerkannt hat. Ob ein weitergehender Bedarf besteht, wird das Sozialgericht im Hauptsacheverfahren prüfen müssen, ggf. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Die Antragstellerin erfüllt auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für den Bezug der Eingliederungshilfe. Nach § 19 Abs. 3 SGB XII wird Eingliederungshilfe für behinderte Menschen geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist. Die Antragstellerin ist hilfebedürftig im Sinne dieser Vorschrift. Sie verfügt noch nicht einmal über Einkommen und Vermögen, um ihren Lebensunterhalt sicherzustellen, und bezieht deshalb Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII.
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ihr kann das Abwarten auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht zugemutet werden, denn es droht eine Einstellung der Assistenz. Der Leistungserbringer der Antragstellerin ist nicht bereit, ohne eine Kostenzusage weiter in Vorleistung zu treten.
Zuständig für die Leistungserbringung ist nach § 14 SGB IX der Antragsgegner.
§ 14 SGB IX sieht im Grundsatz lediglich zwei Zuständigkeiten vor, die des erstangegangenen oder diejenige des im Wege der Weiterleitung zweitangegangenen Rehabilitationsträgers. Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der Rehabilitationsträger gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags bei ihm fest, ob er nach den für ihn geltenden Leistungsgesetzen zuständig ist. Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX unverzüglich dem seiner Auffassung nach zuständigen Rehabilitationsträger zu. Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 SGB IX den Rehabilitationsbedarf unverzüglich fest. Im Falle der Nichtweiterleitung des Antrags ist danach der erstangegangene Rehabilitationsträger zuständig. Wird der Antrag demgegenüber weitergeleitet, gelten gemäß § 14 Abs. 2 Satz 3 SGB IX die Sätze 1 und 2 für den Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, entsprechend. In diesem Fall hat dieser den Rehabilitationsbedarf festzustellen und ist gegenüber dem behinderten Menschen zuständig. Ein Weiterleitungsrecht besteht für ihn nicht, selbst wenn er nach den Leistungsgesetzen "eigentlich" nicht zuständig ist. Der zweitangegangene Rehabilitationsträger ist im Verhältnis zum behinderten Menschen endgültig zuständig. Lediglich unter den Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Satz 5 SGB IX kann sich hiervon eine Ausnahme ergeben. Kann der Rehabilitationsträger, an den der Antrag weitergeleitet worden ist, für die beantragte Leistung nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 SGB IX sein, klärt er unverzüglich mit dem nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger, durch wen und in welcher Weise über den Antrag innerhalb der Fristen nach den Sätzen 2 und 4 entschieden wird. In dieser Fallkonstellation ist mithin nach Absprache der vorgenannten Träger sowohl eine Bescheidung durch den zweitangegangenen als auch einen dritten Träger möglich (s. auch BT-Drucks 15/1783 S. 13 zu Nr. 2 Buchst. a, wonach eine nochmalige Weiterleitung auch dann grundsätzlich ausgeschlossen sein soll, wenn der zweitangegangene Träger nicht Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 SGB IX ist).
Die Zuständigkeit nach § 14 Abs 1 und 2 SGB IX gegenüber dem behinderten Menschen ist eine ausschließliche Zuständigkeit. § 14 SGB IX zielt darauf ab, zwischen den betroffenen behinderten Menschen und Rehabilitationsträgern die Zuständigkeit schnell und dauerhaft zu klären. Die Vorschrift trägt dem Bedürfnis Rechnung, im Interesse behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen durch rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken (BT-Drucks. 14/5074 S. 102 f zu § 14). Diesem Gesetzeszweck liefe es zuwider, für das Außenverhältnis zum Leistungsberechtigten neben der Zuständigkeit eines Trägers nach § 14 SGB IX eine Zuständigkeit des nach den Leistungsgesetzen "eigentlich" verpflichteten Trägers für möglich zu halten (vgl. BSG, Urteil vom 20.10.2009 – B 5 R 5/07 R).
Der materiell-rechtlich – eigentlich – zuständige Rehabilitationsträger verliert im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine originäre Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, denn § 14 SGB IX führt dazu, dass die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen übergeht. Eine so begründete Zuständigkeit erstreckt sich im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind (vgl. BSG, Urteil vom 18.05.2011 – B 3 KR 10/10 R).
§ 14 SGB IX ist im vorliegenden Verfahren anwendbar, denn die Antragstellerin begehrt die Weitergewährung von Teilhabeleistungen. Dazu gehören gem. § 4 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX die Leistungen zur Teilhabe an der Gesellschaft, die die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren geltend macht.
Der Antrag ist nach § 14 Abs. 1 SGB IX an den Antragsgegner weitergeleitet worden. Dafür ist es nicht erforderlich, dass der Ausdruck "Weiterleitung" benutzt oder auf § 14 SGB IX Bezug genommen wird. Ausreichend ist vielmehr, dass der erstangegange Rehabilitationsträger seine eigene Zuständigkeit verneint und den Antrag an denjenigen Rehabilitationsträger schickt, der seiner Meinung nach zuständig ist. Diese Voraussetzungen erfüllt das Schreiben der Beigeladenen vom 06.02.2013, denn darin bittet sie den Antragsgegner um Bearbeitung in eigener Zuständigkeit. Die Frist von zwei Wochen hat die Beigeladene eingehalten, denn der Antrag der Antragstellerin ging bei ihr am 31.01.2013 ein.
§ 14 SGB IX verdrängt in seinem Anwendungsbereich die Vorschrift des § 4 Abs. 1 AG SGB XII NRW. § 14 SGB IX zielt darauf ab, zwischen den betroffenen behinderten Menschen und Rehabilitationsträgern die Zuständigkeit schnell und dauerhaft zu klären (vgl. BSG, a.a.O.). Diesen Zweck kann die Vorschrift nur dann erfüllen, wenn man sie als Spezialnorm zu den sonstigen Zuständigkeitsbestimmungen ansieht. Aus diesem Grund geht die Vorschrift den allgemeinen Regelungen der vorläufigen Zuständigkeit der Leistungserbringung nach dem SGB I und den speziellen Leistungsgesetzen vor (vgl. Eicher/Stölting, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 16, Rn. 117). Dies ist im Hinblick auf § 43 SGB I und § 98 SGB XII allgemein anerkannt (vgl. Luik, in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl. 2010, § 14, Rn.19 und 45; Majerski-Pahlen, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 12. Auflage 2010, § 14, Rn. 13). Im Verhältnis zu § 4 Abs. 1 AG SGB XII NRW kann nichts anderes gelten.
Der Anwendung des § 14 SGB IX im vorliegenden Verfahren steht weiterhin nicht entgegen, dass es sich bei dem Antrag vom 31.01.2013 um einen Folgeantrag handelt. Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden, jedenfalls soweit es sich um ambulante Hilfen handelt, üblicherweise nur für einen befristeten Zeitraum bewilligt, um anschließend überprüfen zu können, ob die Voraussetzungen für die gewährte Hilfe weiter vorliegen und in welchem Umfang diese ggf. verlängert werden muss. Mit einer solchen befristeten Bewilligung erkennt der Leistungsträger seine Zuständigkeit nicht auf Dauer an, sondern nur für den jeweiligen Bewilligungszeitraum. Daher ist ein nach Ablauf dieses Zeitraums gestellter Folgeantrag wie ein Erstantrag zu behandeln. Andernfalls wäre ein nach § 14 SGB IX zuständig gewordener Rehabilitationsträger dauerhaft zur Leistung verpflichtet, auch wenn er nach dem materiellen Recht nicht zuständig ist und dies mittlerweile auch von allen Beteiligten anerkannt wird. Ein solches Ergebnis wäre vom Zweck des § 14 SGB IX nicht gedeckt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn es sich um eine Maßnahme handelt, für die das Gesetz einen bestimmten Leistungszeitraum vorsieht, so z.B. in § 40 Abs. 3 SGB IX für Leistungen im Berufsbildungsbereich einer WfbM. In einer solchen Konstellation kann ein während des Leistungszeitraums gestellter Antrag die Zuständigkeit nicht ändern (vgl. LSG Hessen, Urteil vom 26.9.2006 – L 2 R 307/05; Luik, in jurisPK-SGB IX, 1. Aufl. 2010, § 14, Rn. 55). Hinsichtlich der Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 55 SGB IX sieht das Gesetz jedoch keinen Leistungszeitraum vor.
Die Beigeladene ist auch nicht deshalb gehindert, sich auf § 14 SGB IX zu berufen, weil die Vorschrift lediglich dem Schutz des Leistungsempfängers dient. Nimmt ein Leistungsempfänger zunächst selbst den nach § 14 SGB IX verpflichteten Träger in Anspruch, muss vielmehr auch ein zu Unrecht verpflichteter weiterer Leistungsträger das Recht haben, im Instanzenzug die Wirkung des § 14 SGB IX zur Geltung zu bringen, auch wenn dem Leistungsempfänger selber daran nicht mehr gelegen ist, weil er einstweilen – wenn auch rechtswidrig – die Leistungen von einem anderen als dem nach § 14 SGB IX zuständigen Träger zugesprochen erhalten hat.
Da der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg geändert und der Antragsgegner vorläufig verpflichtet worden ist, bedarf es im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung mehr, ob das rechtliche Gehör der Beigeladenen durch die gleichzeitige Beiladung und Verpflichtung verletzt wurde. Der Senat hat jedoch Zweifel, ob es zulässig ist, einen anderen Leistungsträger mit einem Beschluss zu einem Verfahren beizuladen und ihn gleichzeitig im Wege der einstweiligen Anordnung zu einer Leistung zu verpflichten. Daran dürfte auch die Beteiligung der Beigeladenen am Hauptsacheverfahren nichts ändern, denn es handelt sich dabei um ein anderes Verfahren, das zudem auch noch einen anderen Bewilligungszeitraum betrifft. Vor diesem Hintergrund hätte der Beigeladenen wohl zunächst rechtliches Gehör gewährt werden müssen.
Der Senat beschränkt die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners auf das Ende des Monats der gerichtlichen Entscheidung. Er geht jedoch davon aus, dass der Antragsgegner bei unveränderter Sach- und Rechtslage vorläufig weitere Leistungen erbringen wird. Anderenfalls stünde es der Antragstellerin frei, erneut um die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachzusuchen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Dieser Beschluss ist gem. § 177 SGG unanfechtbar.
Erstellt am: 30.10.2013
Zuletzt verändert am: 30.10.2013