Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird auf 2.500.000 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die klagende Krankenkasse begehrt höhere Zuweisungen aus dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) im Jahresausgleich 2011. Streitig ist, ob die Zuweisungen wegen eines "logisch-mathematischen" Fehlers bei der Berechnung der risikoadjustierten Zu- und Abschläge rechtswidrig zu niedrig sind, weil nach den "Festlegungen" des Bundesversicherungsamtes (BVA) die Leistungsausgaben für im Berichtsjahr verstorbene Versicherte nicht annualisiert werden.
Seit 1994 findet zum Ausgleich der unterschiedlichen Risikostrukturen zwischen den gesetzlichen Krankenkassen jährlich ein Risikostrukturausgleich (RSA) statt. Er zielt darauf ab, die finanziellen Auswirkungen von Unterschieden in der Verteilung der Versicherten auf nach Alter und Geschlecht getrennte Versichertengruppen und Morbiditätsgruppen zwischen den Krankenkassen auszugleichen.
Die gesetzlichen Regelungen der §§ 266 ff. SGB V sehen seit 01.01.2009 vor, die Versichertengruppen und die Gewichtungsfaktoren nach Klassifikationsmerkmalen zu bilden, die zugleich die Morbidität der Versicherten unmittelbar berücksichtigen (so genannter Morbi-RSA). Die zur Bestimmung der Einzelheiten ergangene Regelung des § 31 Risikostrukturausgleichsverordnung (RSAV) macht dazu im Abs. 1 nähere Vorgaben für das Versichertenklassifikationsmodell (u.a. Begrenzung auf 50-80 Krankheiten) und regelt in Abs. 2 und 3 die Berufung eines Wissenschaftlichen Beirats beim BVA, der Vorschläge für die Anpassung eines Klassifikationsmodells an die GKV und dessen Weiterentwicklung erarbeiten soll. Gemäß Abs. 4 legt das hierzu ermächtigte BVA auf der Grundlage dieser Empfehlung die zu berücksichtigenden Krankheiten, die aufgrund dieser Krankheiten zugrundezulegenden Morbiditätsgruppen, den Algorithmus für die Zuordnung der Versicherten zu den Morbiditätsgruppen, das Regressionsverfahren zur Ermittlung der Gewichtungsfaktoren und das Berechnungsverfahren zu Ermittlung der Risikostrukturzuschläge nach Anhörung der Spitzenverbände der Krankenkassen fest und gibt diese Festlegungen in geeigneter Weise bekannt. Das Festlegungsverfahren ist dokumentiert auf der Homepage des BVA unter "Risikostrukturausgleich" – "Festlegungen".
Die dem RSA dienenden Zuschläge für alle Risikogruppen werden dabei durch ein für den Morbi-RSA in § 34 Abs. 1 Satz 1 RSAV vorgeschriebenes Regressionsverfahren ermittelt. Mittels dieses statistischen Verfahrens wird der quantitative Zusammenhang zwischen einer oder mehreren unabhängigen Variablen und einer abhängigen Variablen ermittelt. Die Ausgaben je Versichertem bilden die abhängige Variable, während die Zuordnung der Versicherten zu den Risikogruppen die unabhängige Variable bildet. Die sich ergebenden Regressionskoeffizienten sind als Anteile an den Ausgaben eines Versicherten zu interpretieren, die der jeweiligen Risikogruppe zugerechnet werden können. Sie werden als Jahreswerte ermittelt; da aber Zuweisungen taggenau (je Versichertentag) zugewiesen werden, werden die ermittelten Regressionskoeffizienten durch 365 geteilt. Da im Regressionsverfahren jeder Versicherte unabhängig von der Dauer der Versicherung gleichwertig berücksichtigt wird, also die Ausgaben für einen Versicherten, der nur einen Tag versichert war, ebenso in die "Durchschnittsbildung" eingehen wie die Ausgaben für einen ganzjährig Versicherten, wird in der internationalen Gesundheitsökonomie empfohlen, zur Vermeidung einer Unterschätzung der Ausgaben die Ausgaben von Versicherten mit unvollständigen Versichertenepisoden vor Durchführung der Regression auf das Gesamtjahr hochzurechnen (zu annualisieren) und im Gegenzug bei der Durchführung des Regressionsverfahrens mit dem Kehrwert des Hochrechnungsfaktors der Annualisierung zu gewichten.
Das BVA hat in den Festlegungen vom 03.07.2008 für das Ausgleichsjahr 2009 dieses Verfahren zwar grundsätzlich angewandt, jedoch nicht im Falle der im Ausgleichsjahr Verstorbenen. Deren Ausgaben werden nicht annualisiert und gehen auch nicht gewichtet in die Regression ein. Vielmehr erhalten diese Ausgaben das Gewicht 1, werden also so behandelt, als seien sie im Gesamtjahr angefallen. Auf diese Weise gehen die Ausgaben der im Ausgleichsjahr Verstorbenen nur zur Hälfte in die Berechnung der Zuschläge für die jeweilige Risikogruppe ein (da solche Versicherte statistisch gesehen im Durchschnitt in der Jahresmitte verstorben sind), so dass die Summe der Zuweisungen nicht mehr der Summe der Ausgaben entspricht (fehlende Erwartungstreue der Schätzung). Zum Ausgleich werden über einen Korrekturfaktor die Zuschläge aller Risikogruppen proportional angehoben.
Zur Begründung hatte das BVA in den Erläuterungen zum Entwurf, der zur Anhörung gestellt worden war, ausgeführt, hinsichtlich der Ausgaben von Versicherten mit unvollständigen Versichertenepisoden seien verschiedene Varianten im Hinblick auf die Prognosegüte des Modells verglichen worden. Dabei sei man zu dem Ergebnis gelangt, die Ausgaben der unterjährig Versicherten mit Ausnahme der Verstorbenen auf das Jahr hochzurechnen und die Versicherten in der Regression durch ein Gewicht, das dem Kehrwert des Annualisierungsfaktors entspreche, zu gewichten. Die Ausgaben Verstorbener würden nicht annualisiert, da es ansonsten zu einer Überschätzung der Ausgaben käme. In der Anhörung hatte keine der sich äußernden Kassen und keiner ihrer Verbände diesem Vorgehen widersprochen.
In den Folgejahren hielt das BVA an dem Berechnungsverfahren fest, obwohl ein Teil der Kassen die Annualisierung auch der Ausgaben der Verstorbenen gefordert und sich auch der Wissenschaftliche Beirat für eine entsprechende Änderung des Verfahrens ausgesprochen hatte. Das BVA wies zuletzt im Zusammenhang mit den Festlegungen für 2012 darauf hin, im Hinblick auf die in Auftrag gegebene Evaluation des Jahresausgleichs 2009 solle diese Frage im größeren Kontext der Weiterentwicklung des RSA diskutiert werden.
In dem Evaluationsbericht zum Jahresausgleich 2009 vom 22.06.2011 wird festgestellt, dass es infolge der fehlenden Annualisierung zu einer systematischen Überdeckung jüngerer Altersgruppen und Unterdeckung älter Altersgruppen komme; ebenso zu Überdeckungen bei Krankheiten mit geringer Mortalität und Unterdeckungen bei Krankheiten mit höherer Mortalität. Eine Annualisierung auch der Ausgaben Verstorbener beseitige diese Über- und Unterdeckungen und führe auch auf Kassenebene zu zielgenaueren Zuweisungen.
Mit Bescheiden vom 16.11.2012 entschied das BVA gegenüber der Klägerin, der durch die zum 01.03.2012 erfolgten Vereinigung der AOK – Die Gesundheitskasse in Rheinland-Pfalz und der AOK – Die Gesundheitskasse im Saarland entstandenen Rechtsnachfolgerin der genannten bisherigen Krankenkassen über
– die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds (RSA) im Jahresausgleich 2011 und
– den Ausgleichsbetrag für Zuweisungen 2011 (=Teil 1)
– den Korrekturbetrag für Zuweisungen 2010 (= Teil 2)
– den Korrekturbetrag für Zuweisungen 2009 hinsichtlich der Konvergenzbeträge (= Teil 3) und
– den Gesamt-Ausgleichsanspruch / die Gesamt-Ausgleichsverpflichtung 2011 (=Teil 4).
In Teil 1 der Bescheide wurden jeweils gemäß § 266 Abs. 6 Satz 3 SGB V, § 41 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 und 2 RSAV die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds im Ausgleichsjahr 2011 für standardisierte Leistungsausgaben einschließlich Krankengeld auf 2.629.633.685,73 EUR (Rheinland-Pfalz) bzw. 679.235.170,47 EUR (Saarland) festgesetzt. Der Korrekturbetrag für Zuweisungen 2010 (Teil 2) wurde als Ausgleichsverpflichtung in Höhe von 161.738,29 EUR (Rheinland-Pfalz) bzw. 23.517,48 EUR (Saarland) festgestellt, der Korrekturbetrag für Zuweisungen 2009 hinsichtlich der Konvergenzbeträge auf 336.316,53 EUR (Rheinland-Pfalz) bzw. 3.173,73 EUR (Saarland). Insgesamt ergaben sich Gesamtausgleichsverpflichtungen in Höhe vom 9.303.424,78 EUR (Rheinland-Pfalz) bzw. 7.420.264,32 EUR (Saarland).
Dabei ist das Regressionsverfahren zur Ermittlung der Gewichtungsfaktoren nach den "Festlegungen nach § 31 Abs. 4 RSAV für das Ausgleichsjahr 2011" des BVA vom 30.09.2010 durchgeführt worden. Die Ausgaben Verstorbener sind dementsprechend nicht annualisiert worden.
Am 29.11.2012 hat die Klägerin Klage erhoben. Die Festlegungen der Beklagten zum Regressionsverfahren und die darauf beruhenden Bescheide seien rechtswidrig. Sie wiesen einen logisch-mathematischen Fehler auf. Weil nach den Festlegungen des BVA Versicherte stets so behandelt würden, als wären sie 365 Tage in der GKV versichert gewesen, würden für verstorbene Versicherte im Zähler die tatsächlich entstandenen Ausgaben berücksichtigt, diese jedoch im Nenner auf den Zeitraum von 365 Tagen verteilt. Das habe zur Folge, dass für die verstorbenen Versicherten die tatsächlich entstandenen Kosten nur zur Hälfte berücksichtigt würden, während bei allen anderen Versicherten die tatsächlich entstandenen Kosten auf das Vergleichsjahr hochgerechnet würden. Wegen der Korrelation des Merkmals Alter mit dem Versterben führe dieser Fehler dazu, dass die Zuschläge für ältere Versichertengruppen zu niedrig ausfielen und bei den Zuweisungen für alte und kranke Versicherte Unterdeckungen aufträten und hinsichtlich der Versorgung junger Versicherter Überdeckungen. Eine Kasse mit vielen jungen Versicherten profitiere von diesem Fehler, dagegen werde eine Kasse mit vielen alten Versicherten benachteiligt. Der sich für sie ergebende Nachteil betrage jährlich rund 28 Millionen Euro.
Damit verstießen die Festlegungen des BVA, die als Maßnahme des Verwaltungsvollzugs in Form der Verwaltungsvorschrift grundsätzlich der uneingeschränkten gerichtlichen Prüfung unterlägen, gegen die höherrangigen gesetzlichen Vorgaben aus § 266 Abs. 1 Satz 2 SGB V und § 31 Abs. 1 RSAV. Sie verfehlten die gesetzliche Zielsetzung des RSA, die unterschiedlichen Risiken aufgrund von Alter, Geschlecht und Morbidität zwischen den Krankenkassen auszugleichen und erzeugten umgekehrt entgegen § 31 Abs. 1 RSAV Anreize zur Risikoselektion.
Hinreichende normative Ansatzpunkte für die Einräumung eines gerichtlich nur eingeschränkt kontrollierbaren Beurteilungsspielraums seien dem SGB V nicht zu entnehmen. Selbst wenn man die Festlegungen – aus ihrer Sicht zu Unrecht – als so genannte normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften qualifizierten wollte, ändere dies nichts an ihrer Rechtswidrigkeit, weil Rechenfehler und die Verwendung nicht anerkannter Berechnungsmethoden stets zur Rechtswidrigkeit des behördlichen Handelns führten. Der logisch-mathematische Fehler sei einem Beurteilungsspielraum entzogen. Die subjektive Kenntnis der Behörde von dem Fehler sei unerheblich. Maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung sei der der letzten mündlichen Verhandlung.
Auch wenn man einen Beurteilungsspielraum annähme, wären die angefochtenen Jahresausgleichsbescheide schon zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig gewesen. Denn zu dem Zeitpunkt der Bescheiderteilung habe bereits der Evaluationsbericht des Wissenschaftlichen Beirats für das Ausgleichsjahr 2009 vorgelegen, nach dem festgestanden habe, dass die Festlegungen nicht dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechen und das Unterlassen der Annualisierung zu einer Unterdeckung der Ausgaben ab einem Lebensjahr von 60 Jahren bei männlichen und 70 Jahren bei weiblichen Versicherten und damit zu einer gesetzeswidrigen Begünstigung der Risikoselektion anhand des Merkmals Alter führen.
Sogar bei der Veröffentlichung der Festlegungen vom 30.09.2010 sei die Fehlerhaftigkeit der unterbliebenen Annualisierung schon bekannt gewesen. Erfahrungen mit dem System Morbi-RSA und seiner Evaluation sowie eines Konsenses der Anhörungspartner habe es nicht bedurft. Der Wissenschaftliche Beirat habe bereits in seinem Beschluss vom 16.09.2009 den Fehler aufgezeigt und einen Lösungsvorschlag unterbreitet.
Die erforderlichen Korrekturen könnten auch nicht deshalb zurückgestellt werden, weil die Bundesregierung möglicherweise weitere Änderungen beabsichtige und diese gegebenenfalls später zusammen mit der Frage der Annualisierung regeln wolle (so genannte Paketlösung), denn es liege nicht im Ermessen des BVA, wann die Korrektur des Fehlers gemäß § 31 Abs. 4 RSAV vorzunehmen sei; ein Überlegungszeitraum stehe dem BVA nicht zu.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 16.11.2012 über den Jahresausgleich 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds an sie für das Jahr 2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gericht neu zu ermitteln.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält den Jahresausgleich 2011 für rechtmäßig. Die den hier streitgegenständlichen Zuweisungen für das Ausgleichsjahr 2011 zu Grunde liegenden Festlegungen verstießen nicht gegen § 266 SGB V.
Das BVA habe zur Klärung der Frage, wie die Ausgaben von Versicherten, die nicht an allen Tagen des Berichtsjahres versichert waren, in der Regression behandelt werden sollen, in einer Analyse verschiedene Varianten im Hinblick auf die Prognosegüte des Modells verglichen. Es seien vier Varianten jeweils alternativ mit Monatswerten und mit Tageswerten durchgerechnet worden, nämlich a) mit Annualisierung, b) ohne Annualisierung mit Ganzjahreszuweisungen, c) mit Annualisierung und Kappung des Ausgaben bei 250.000,- Euro und schließlich d) entsprechend den späteren Festlegungen. Das statistische Bestimmheitsmaß R² habe den besten Wert für die Ganzjahreszuweisung erbracht, von dieser Berechnungsweise habe man aus rechtlichen Gründen Abstand genommen. Von den verbliebenen Varianten sei die in den Festlegungen gewählte mit den damals zur Verfügung stehenden Daten aus dem Jahr 2005 geringfügig besser gewesen. Die ersten Festlegungen für das Ausgleichsjahr 2009, nach denen deshalb die Ausgaben Verstorbener nicht zu annualisieren sind, da es ansonsten zu einer Überschätzung der von ihnen verursachten Ausgaben käme, seien auch von allen Anhörungspartnern mitgetragen worden. In der Diskussion sei insbesondere auch in dieser Thematik eine intensive fachliche Auseinandersetzung über die in Betracht kommenden Umsetzungsmöglichkeiten vorausgegangen; von keinem Anhörungspartner sei die vom BVA vorgeschlagene Verfahrensweise infrage gestellt worden sei. Mit der Beschränkung der Hochrechnung auf die Leistungsausgaben von nicht verstorbenen Versicherten habe auch der damalige Wissenschaftliche Beirat in seinem Gutachten zur Krankheitsauswahl vom Dezember 2007 im Übrigen ein identisches Annualisierungsverfahren empfohlen.
In den Folgejahren sei die grundlegende Einschätzung des BVA vor dem Hintergrund der weiter sehr kontroversen Stellungnahmen und einer weiterhin fehlenden Positionierung des GKV-Spitzenverbandes unverändert geblieben. Der Wissenschaftliche Beirat habe zwar in dem Ende 2011 veröffentlichten Evaluationsbericht zum Jahresausgleich 2009 neben zahlreichen weiteren Fragestellungen auch die bis dahin praktizierte Berücksichtigung unvollständiger Versichertenepisoden umfassend untersucht und dargelegt, dass es bei alten Versicherten und jungen Versicherten mit schweren Krankheiten zu Unterdeckungen komme. Auch habe das BVA dem GKV-Spitzenverband im Rahmen des Festlegungsverfahrens für das Ausgleichsjahr 2013 am 27.07.2012 einen Entwurf zur Anhörung vorgelegt, der hinsichtlich der Berücksichtigung unvollständiger Versichertenepisoden erstmals den Vorschlag einer Änderung des Berechnungsverfahrens enthalten habe. Die Bundesregierung sehe zum jetzigen Zeitpunkt aber keine Notwendigkeit für wesentliche Änderungen am RSA. Die Veränderung der Behandlung unvollständiger Versichertenepisoden sei vielmehr in einem größeren, übergreifenden Kontext zusammen mit anderen Fragestellungen vorzunehmen.
Vor dem Hintergrund der sich dem BVA zum Zeitpunkt der Festlegung im Sommer 2010 darstellende Faktenlage seien die getroffenen Regelungen zum Umgang mit unvollständigen Versichertenepisoden nicht zu beanstanden. Es habe insbesondere entgegen der Darstellung der Klägerin keineswegs Einigkeit über das Vorliegen des methodischen Fehlers bzw. Notwendigkeit und Art der Behebung bestanden. Eine zeitlich spätere Änderung der Festlegungen während des laufenden Ausgleichsjahres wäre im Übrigen mangels Rechtsgrundlage auch nicht möglich gewesen. Sachlich und rechtlich geboten sei sie ohnehin nicht gewesen (Hinweis auf die Urteile des erkennenden Senats vom 22.11.2012 (u.a. zu den Festlegungen 2009 und 2010) – L 16 KR 88/09 KL, L 16 KR 249/09 KL). Darüber hinaus hätte ein anderer wissenschaftlicher Erkenntnisstand zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Festlegungen auch nicht automatisch einen Anspruch der Klägerin auf eine bestimmte Festlegung im Sinne des § 31 Abs. 4 RSAV bewirkt. Der dem BVA zustehende Konkretisierungs- bzw. Entscheidungsspielraum umfasse auch die Entscheidung darüber, zu welchem Zeitpunkt eine Änderung erfolge.
Der Senat hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 04.07.2012 Prof. Dr. K. X., Universität E, als Sachverständigen gehört. Der Sachverständige hat u.a. ausgeführt: Der Evaluationsbericht habe ergeben, dass zwar gegenüber dem Alt-RSA Fortschritte gemacht worden seien. Die Berechnungen des Beirats mit einer Annualisierung hätten aber gezeigt, dass sich dadurch noch Verbesserungen ergäben. Es habe sicher schon vor dem Evaluationsbericht Indizien für die Unrichtigkeit der Berechnung des BVA gegeben, durch die systematische Aufbereitung der Daten und deren Untersuchung im Evaluationsbericht sei aber eine noch sicherere Datenbasis für die Beurteilung geschaffen worden. Im Evaluationsbericht seien erstmals Echtdaten aus dem Jahre 2009 mit dem Modell verglichen worden. Es handele sich im Gegensatz zu früheren Berechnungen um die erstmalige Überprüfung anhand der realen Daten; hinsichtlich der Evidenz biete der Evaluationsbericht eine Kategorie mehr. Er kenne die vom BVA genannte Berechnung nicht, wolle aber nicht ausschließen, dass dessen Berechnung damals für die Kennziffer R² ein schlechteres Ergebnis erbracht habe. Insoweit gebe es bei statistischen Berechnungsmethoden häufig Zielkonflikte, bei denen es nicht um "schwarz" oder "weiß" gehe, vielmehr müsse man sich dann entscheiden, welchen Wert man für bedeutender halte. Hinsichtlich der Annualisierung gelte das nicht mehr für den Zeitpunkt nach Vorlage des Evaluationsberichts. Nach dem Evaluationsbericht hätten sich alle statistischen Kennziffern bei einer Annualisierung verbessert, so dass er es jetzt für eindeutig halte, dass entsprechend zu verfahren sei.
Bezüglich der Ausführungen des Sachverständigen im Einzelnen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.07.2013 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist zulässig.
Sie bedurfte gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGG keines Vorverfahrens und ist bei dem nach § 29 Abs. 3 Nr. 1 SGG funktionell zuständigem Gericht erhoben worden. Die Klägerin durfte ihre mit dem Aufhebungsantrag verbundene und letztlich auf höhere Zuweisungen für Leistungsausgaben zielende Verpflichtungsklage (vgl. BSG SozR 4-2500 § 266 Nr. 2 Rn. 16 (unter Verweis auf § 54 Abs. 4 SGG)) auf die Verpflichtung zur Neubescheidung beschränken. Mit dem angefochtenen Verwaltungsakt hat das BVA zwar eine gebundene Entscheidung getroffen, denn die Höhe der Zuweisungen steht nicht im Ermessen der Beklagten, der Klägerin ist jedoch eine Konkretisierung der von ihr beanspruchten Zuweisungshöhe gegenwärtig nicht möglich, weil die Auswirkungen der von ihr angenommenen Unwirksamkeit der Festlegungen des BVA von ihr nicht zu beziffern sind (vgl. Senat, Urteile v. 22.12.2012 – L 16 KR 88/09 KL und L 16 KR 647/10 KL und v. 06.06.2013 L 16 KR 24/09 KL).
II. Die Klage ist aber nicht begründet. Die Bescheide vom 16.11.2012 sind nicht rechtswidrig. Die Klägerin kann keine höheren Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für das Ausgleichsjahr 2011 verlangen.
Die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für das Ausgleichsjahr 2011 und die entsprechende Ausgleichsverpflichtung der Beklagten sind in den angefochtenen Jahresausgleichsbescheiden insgesamt rechtmäßig festgesetzt worden. Zu Recht hat das BVA insbesondere in dem mit Bescheiden vom 16.11.2012 festgestellten Jahresausgleich 2011 die für dieses Ausgleichsjahr veröffentlichten Festlegungen vom 30.09.2010 berücksichtigt und die Ausgaben Verstorbener im Ausgleichsjahr 2011 nicht annualisiert.
Diese Festlegungen für das Ausgleichsjahr 2011 sind nicht rechtswidrig (dazu 1.). Sie sind nicht nur als Grundlage für die vorläufigen Entscheidungen über die Zuweisungen für dieses Ausgleichsjahr (Grundlagen-, Zuweisungs- und Korrekturbescheide) heranzuziehen gewesen, sondern auch für den abschließenden Jahresausgleichsbescheid vom 16.11.2012 maßgebend geblieben (dazu 2.).
1. Die Festlegungen vom 30.09.2010 sind auf ausreichender Rechtsgrundlage ergangen. Dass § 31 Abs. 4 Satz 1 RSAV dem BVA die konkrete Ausgestaltung des Klassifikationsmodells einschließlich des Regressionsverfahrens zur Ermittlung der Gewichtungsfaktoren und des Berechnungsverfahrens zur Ermittlung der Risikozuschläge überträgt, begegnet keinen rechtlichen Bedenken (vgl. ausführlich dazu Senat, Urteil vom 06.06.2013 – L 16 KR 24/09 KL).
Bei den Festlegungen handelt es sich um außenverbindliche Rechtssätze, die in ihrer Funktion einer zwischengeschalteten Regelungsebene (vgl. Gerhard, NJW 1989, 2233, 2236) zwischen Gesetz bzw. Verordnung und Verwaltungsakt weitgehend den im Umweltrecht anerkannten normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften entsprechen (vgl. im Einzelnen Senat, Urteil vom 06.06.2013 – L 16 KR 24/09 KL, juris Rn. 72 ff). Der Verordnungsgeber hat dem BVA daher beim Erlass dieser Festlegungen in einem begrenzten Umfang eine Befugnis zur letztverbindlichen Entscheidung (vgl. Schmidt-Aßmann in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 19 Abs. 4 Rn. 180 m.w.N.) eingeräumt. Sie ergibt sich aus dem gesetzgeberischen Auftrag an die Verwaltung, für den RSA im Ausland vorhandene Modelle unter Beachtung des Stands der Gesundheitsökonomie auf deutsche Verhältnisse zu übertragen, zu diesem Zweck Regeln für einen funktionsfähigen RSA aufzustellen und diese jährlich im Sinne eines auf ständige Überprüfung und Verbesserung angelegten lernenden Systems neu zu justieren (vgl. Senat, Urteil vom 06.06.2013 – L 16 KR 24/09 KL, juris Rn.74; vgl. BT-Drs. 16/3100, S. 205 sowie BT-Drs. 14/6432, S. 15). Der Gesetzgeber hat damit auf gesundheitsökonomische Vorgaben des außerrechtlichen Bereichs Bezug genommen, über die anfangs für das deutsche Gesundheitssystem noch kein abgesicherter Konsens und keine ausreichenden Erfahrungen bestanden. Dadurch hat er das Modell des RSA als unvollständig sowie ergänzungsbedürftig angelegt und es so einer Ausgestaltung und Implementierung durch die vollziehende Gewalt geöffnet, die allerdings nur innerhalb der Bandbreite des wissenschaftlichen Meinungsspektrums erfolgen darf (vgl. Erbguth, DVBl 1989, 473, 477 m.w.N.). Denn der Gesetzgeber hat sich bei der Regelung des RSA auf das Beispiel gesundheitsökonomischer Modelle aus dem Ausland bezogen und die Berücksichtigung wissenschaftlichen Sachverstands insbesondere durch den wissenschaftlichen Beirat beim BVA institutionalisiert (vgl. Senat, Urteil vom 06.06.2013 – L 16 KR 24/09 KL, juris Rn.74; s. auch BVerfGE 113, 167, 264).
Hiervon ausgehend sind die Festlegungen für 2011 auch nicht hinsichtlich des gewählten Regressionsverfahrens rechtswidrig.
a) Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich bei der Entscheidung gegen eine Annualisierung nicht (nur) um einen "logisch-mathematischen" Fehler. Vielmehr geht es bei der Wahl des Regressionsverfahrens zur Ermittlung der Gewichtungsfaktoren um die (möglichst) zutreffende Abbildung der mit den ausgewählten Krankheiten verbundenen Behandlungskosten. Der Sachverständige Prof. Dr. X. hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass statistische Bewertungsmethoden durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich der statistischen Kennziffern führen könnten, m.a.W. geprüft werden muss, mit welchem methodischen Vorgehen das beste Ergebnis erreicht werden kann. Wie das BVA in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, waren im Zuge der Vorbereitung der Festlegungen für 2009 acht Modellvarianten mit den Daten aus dem Jahr 2005 durchgerechnet worden. Neben den Varianten mit und ohne Annualisierung der Ausgaben Verstorbener waren die weiteren eine ohne Annualisierung, aber mit Ganzjahreszuweisung ohne Berücksichtigung des Todeszeitpunkts (also nicht nur für die Versichertentage) und eine mit Annualisierung, aber Kappung der berücksichtigten Ausgaben bei 250.000 Euro. Alle Varianten wurden mit zwei Alternativen, nämlich Tages- und Monatswerten durchgerechnet. Das Modell mit dem besten Wert für das statistische Bestimmtheitsmaß R² (keine Annualisierung, aber Ganzjahreszuweisung) wurde aus rechtlichen Gründen verworfen, von den verbliebenen Modellen war für die Variante ohne Annualisierung der Wert R² geringfügig am besten. Vor diesem Hintergrund hat sich das BVA für diese Berechnungsmethode entschieden und bei der Anhörung darauf hingewiesen, von einer Annualisierung der Ausgaben Verstorbener werde abgesehen, ohne dass einer der Anhörungspartner oder der Krankenkassen diesem Vorgehen widersprochen hätte. Prof. Dr. X. hat – ohne die Berechnungen des BVA zu kennen – konzediert, dass seinerzeit der Wert R² für das gewählte Modell besser gewesen sein könne und es bei statistischen Berechnungsmethoden häufig nach den statistischen Kennziffern Zielkonflikte gebe, die aufgelöst werden müssten. Auch wenn insoweit in der internationalen Gesundheitsökonomie die Annualisierung bei unvollständigen Versichertenepisoden ohne Differenzierung zwischen Verstorbenen und Überlebenden empfohlen werden mag, kann die auf fachlichen Überlegungen beruhende Entscheidung des BVA gegen eine Annualisierung nicht als fehlerhaft qualifiziert werden, zumal dem BVA nach § 31 Abs. 1 Satz 1 RSAV die Anpassung des Klassifikationsmodells an die Gegebenheiten der GKV aufgegeben wird.
b) Das BVA war auch bei den nachfolgenden Festlegungen nicht gehalten, das Regressionsverfahren zu ändern.
Zwar hatte der AOK-Bundesverband im Rahmen des Verfahrens für die Festlegungen für 2010 darauf hingewiesen, die unterbliebene Annualisierung führe zu einer Unterschätzung der Ausgaben für jene Altersgruppen, die überdurchschnittlich viele Verstorbene aufwiesen, wohingegen die Ausgaben derjenigen Altersgruppen, die unterdurchschnittlich viele Sterbefälle aufwiesen, systematisch überschätzt würden. Er hatte daher vorgeschlagen, insoweit analog zur Berechnung bei allen anderen Versicherten mit unvollständigen Versichertenepisoden zu verfahren. In dem zur Anhörung gestellten Entwurf hatte das BVA auch eingeräumt, die Vorhersagegenauigkeit (d.h. das Verhältnis von Zuweisungen zu tatsächlichen Ausgaben) betrage für die Gruppe der Verstorbenen 29 %, für die der Überlebenden 103 %; das gegenwärtige Verfahren führe auch zu systematischen Unterdeckungen bei bestimmten letalen Krankheiten. Der Vorschlag des AOK-Bundesverbandes führe dazu, dass sich die Vorhersagegenauigkeit für die Gruppe der Verstorbenen auf 33% erhöhe, nachteilig wirke sich bei diesem Vorschlag allerdings aus, dass die Überdeckungen für Überlebende von 103% auf 106% anstiegen. Aus diesem Grund werde eine weitere Variante verfolgt. Nach dieser bleibe es bei der Annualisierung der Ausgaben und der Berechnung der Regression entsprechend der Festlegung vom 03.07.2008. Allerdings erfolge auf der Ebene der Zuweisungen keine Umrechnung auf Versichertentage, d.h. bei der Höhe der Zuweisung erfolge keine Differenzierung nach dem Todeszeitpunkt. Diese Variante erreiche empirisch eine Vorhersagegenauigkeit im Hinblick auf Verstorbene von 62% und auf Überlebende von 103%, gleichzeitig werde wie beim Vorschlag des AOK-Bundesverbandes auf der Ebene aller Versicherten die Summentreue der Schätzung gewährleistet. Der Wissenschaftliche Beirat habe sich auf seiner Sitzung am 06.07.2009 mit der Problematik befasst. Er habe den Vorschlag des AOK-Bundesverbandes nicht empfohlen, da dieser zu einer erhöhten Zuweisung für alle übrigen Versicherten führe. Er empfehle vielmehr, bei der bestehenden Regelung hinsichtlich Annualisierung und Verwendung der entsprechenden Regressionsgewichtung zu bleiben, dafür aber die Zuweisung an Verstorbene unabhängig vom Todeszeitpunkt in voller Höhe zu leisten.
Der beabsichtigten Änderung des Berechnungsverfahrens wurde schon grundsätzlich von einer Reihe von Kassen widersprochen. Der GKV-Spitzenverband wies in seiner Stellungnahme u.a. darauf hin, die beabsichtigte Änderung implementiere eine Sonderregelung für Verstorbene, die nicht durch § 268 Abs. 1 SGB V gedeckt sei. Das BVA beschloss daraufhin, die Bedenken ausführlicher zu prüfen und eine entsprechende Anpassung zurückzustellen. Diese Entscheidung wurde mit dem Wissenschaftlichen Beirat am 16.09.2009 diskutiert. Dieser nahm zur Kenntnis, dass das beabsichtigte Verfahren eine Sonderbehandlung der Versicherten bedinge, für die man offenbar der Auffassung sein könne, dass es hierfür keine rechtliche Grundlage gäbe. Aus empirischer Sicht bestünden jedoch Bedenken, denn die Unterdeckungen bei Jahrgängen und Erkrankungen mit einem hohen Anteil Verstorbener und die Überdeckungen bei Jahrgängen und Erkrankungen mit einem niedrigen Anteil Verstorbener seien evident. Er korrigiere daher seine Empfehlung vom 06.07.2009 und schlage das etablierte Standardverfahren vor, wie die unterjährigen Versicherungszeiten im RSA berücksichtigt würden. Dieses Verfahren solle auch bei den Verstorbenen Anwendung finden. Das BVA hielt aufgrund der deutlichen Bedenken insbesondere des GKV-Spitzenverbandes daran fest, zunächst eine intensive Prüfung der vorgetragenen Argumente vorzunehmen und die Änderung zurückzustellen.
Der Umstand, dass sich der Wissenschaftliche Beirat zunächst gegen die vom AOK-Bundesverband geforderte Annualisierung auch der Ausgaben für Verstorbene ausgesprochen hatte, weil es dadurch zu überhöhten Zuweisungen für die übrigen Versicherten komme, zeigt schon, dass nach dem damaligen Erkenntnisstand keineswegs die Annualisierung als allein "richtige" Berechnungsmethode geboten war (und es schon gar nicht um die "mathematisch-richtige" Berechnung geht, sondern die methodisch zutreffende Ermittlung der Gewichtungsfaktoren). Dass das BVA dann entgegen der Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats vom 16.09.2009 von der Annualisierung abgesehen hat, um die vorgetragenen Argumente intensiv zu prüfen, ist vor dem Hintergrund, dass die geänderte Empfehlung sich offenbar nicht auf neue Erkenntnisse stützte (dem Sachverständigen Prof. Dr. X. war jedenfalls nicht erinnerlich, dass sich der Wissenschaftliche Beirat von neuen Berechnungen hat leiten lassen), nicht zu beanstanden.
Gleiches gilt für die Festlegungen für 2011. Auch insoweit gab es unverändert kontroverse Stellungnahmen, ohne dass zum Zeitpunkt des Erlasses neue Erkenntnisse vorlagen, die eindeutig gegen die bisherige Berechnungsmethode sprachen.
c) Erst mit dem Evaluationsbericht des Wissenschaftlichen Beirats zum Jahresausgleich 2009 vom 22.06.2011, in dem u.a. die Auswirkungen eines Verzichts auf die unterlassene Annualisierung untersucht worden ist, ist eine neue Beurteilungsbasis geschaffen worden. Der Wissenschaftliche Beirat hat darauf hingewiesen, dass das Vorgehen des BVA dazu führe, dass in Risikogruppen mit einem hohen Anteil Verstorbener ein größerer Anteil der Ausgaben fehle, als durch die proportionale Anhebung kompensiert werde. Umgekehrt würden in Risikogruppen mit einem unterdurchschnittlichen Anteil Verstorbener die wenigen fehlenden Ausgaben durch die proportionale Anhebung überkompensiert werden. Die Folge seien Überdeckungen in jungen Altersgruppen und Unterdeckungen in höheren Altersgruppen, Überdeckungen bei Krankheiten mit geringer Mortalität und Unterdeckungen bei Krankheiten mit hoher Mortalität, aber auch übermäßige Überdeckungen bei Kassenwechslern, Überlebenden oder Kostenerstattern. Bei einer Annualisierung auch der Ausgaben Verstorbener verbesserten sich die Gütemaße zur Messung der Zielgenauigkeit der Zuweisungen auf der Individualebene; auch auf der Ebene von Gruppen von Versicherten ergäben sich durchweg Verbesserungen der Zielgenauigkeit. Der Evaluationsbericht des Wissenschaftlichen Beirats hat nach der überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen eine sichere empirische Grundlage für die Beurteilung der Berechnungsmethode des BVA als fehlerhaft geliefert, indem er die verfälschenden Auswirkungen der fehlenden Annualisierung erstmals anhand realer Daten aus dem deutschen Gesundheitssystem nachgewiesen hat (vgl. im Einzelnen die Senatsurteile vom 04.07.2013 – L 16 KR 800/12 KL und L 16 KR 774/12 KL). Eine solche Beurteilungsgrundlage lag jedoch im September 2010, als das BVA die Festlegungen für 2011 erlassen hat, noch nicht vor. Der Sachverständige hat ausdrücklich eingeräumt, dass es zwar schon vor dem Bericht Indizien für die Unrichtigkeit des Berechnungsverfahrens gegeben habe, der Bericht jedoch hinsichtlich der Qualität der Erkenntnisgrundlagen eine Kategorie "mehr" biete.
2. Das BVA hat zu Recht dem Jahresausgleich 2011 die Festlegungen vom 30.09.2010 zu Grunde gelegt. Die Rechtmäßigkeit der Festlegungen nach § 31 Abs. 4 Satz 1 RSAV ist nach dem Erkenntnisstand zum Zeitpunkt ihres Erlasses zu beurteilen (Senat, Urteile vom 22.11.2012 – L 16 KR 88/09 KL und L 16 KR 249/09 KL). Später gewonnene oder verfügbare Erkenntnisse – wie hier die Ergebnisse des Evaluationsberichts – machen die Festlegungen nicht rechtswidrig oder nötigen zu einer rückwirkenden Änderung, sondern können nur Anlass für eine Änderung bzw. Anpassung des Klassifikationsmodells für die künftigen Ausgleichsjahre sein. Die Festlegungen haben zwar dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt Rechnung zu tragen, aber erst, sobald dieser ordnungsgemäß das von Gesetz und Verordnung vorgesehene dialogische Verfahren zur Wissenserzeugung durchlaufen hat (s. zu dieser zeitlichen Zäsur Urteile des Senats vom 04.07.2013 – L 16 KR 646/12 KL und L 16 KR 641/12 KL zum Ausgleichsjahr 2012).
a) Das BVA hat nach § 31 Abs. 4 Satz 1 RSAV die das Versichertenklassifikationsmodell bestimmenden Faktoren, darunter das Regressionsverfahren zur Ermittlung der Gewichtungsfaktoren bis zum 30.9. eines Jahres "für das folgende Ausgleichsjahr" festzulegen.
Schon der Wortlaut zeigt, dass das Klassifikationsmodell für das gesamte folgende Jahr gelten soll. Hierfür spricht auch der Zweck der Vorschrift. Da die Festlegungen die Risikoadjustierung der Grundpauschalen steuern, bestimmen sie wesentlich die Verteilung der Zuweisungen auf die Krankenkassen. Auch wenn die auf der Grundlage der Festlegungen ermittelten Werte nach § 266 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 und 2 SGB V, die zunächst die monatliche Zuweisungen bestimmen, nur vorläufig sind (§ 266 Abs. 6 Satz 1 SGB V) und die erhaltenen Zuweisungen nach Durchführung des Jahresausgleichs als Abschlagszahlungen gelten (§ 266 Abs. 6 Satz 4 SGB V), so dass die Kassen damit rechnen müssen, dass sich Änderungen hinsichtlich der endgültigen Höhe der Zuweisungen ergeben, ist eine wesentliche Änderung der rechtlichen Grundlage der Zuweisungen ausgeschlossen. Für ihre Finanzplanung müssen sich die Krankenkassen darauf verlassen können, dass nach erfolgter Festlegung die Faktoren nicht nachträglich geändert werden und es dadurch zu einer wesentlichen Umverteilung der schon geflossenen bzw. einkalkulierten Mittel kommt. Somit können nicht aufgrund nachträglich gewonnener Erkenntnisse wesentliche Faktoren des Versichertenklassifikationsmodells für ein Ausgleichsjahr geändert werden. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch § 31 Abs. 4 Satz 6 RSAV, der durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) vom 15.12.2008 (BGBl I, 2426) eingefügt worden ist (Art. 6 Nr. 0 lit. c). Danach können die Festlegungen unterjährig angepasst werden, wenn die allgemein gültige Kodierung der Diagnosen oder der Arzneimittelklassifikation aktualisiert wird. Anlass für eine Anpassung kann also nur eine Änderung der genannten Parameter für die Zuordnung zu einer der Morbiditätsgruppen sein. Im Gegenschluss ergibt sich daraus, dass wegen sonstiger neuer Gesichtspunkte die Festlegungen nicht geändert werden dürfen. Entsprechend wird in der Gesetzesbegründung hervorgehoben, ohne diese Regelung hätte das BVA entsprechende Änderungen erst im Rahmen der für das folgende Ausgleichsjahr zu treffenden Festlegungen vornehmen können (BT-Drucks. 16/10609, 68). Die Anpassung der Festlegungen an geänderte Erkenntnisse nur für zukünftige Ausgleichsjahre entspricht letztlich der Konzeption des RSA als lernendes System.
b) Aus der Vorschrift des § 266 Abs. 6 Satz 6 SGB V ergibt sich erst recht nicht die Möglichkeit einer Änderung des Berechnungsverfahren im Jahresausgleich 2011. Nach dieser Vorschrift hat das BVA sachliche oder rechnerische Fehler in den Berechnungsgrundlagen, die nach Abschluss des Jahresausgleichs festgestellt werden, bei der nächsten Ermittlung der Höhe der Zuweisungen nach den dafür geltenden Vorschriften zu berücksichtigen. Sie betrifft also nur die nachträgliche Korrektur von Fehlern nach Abschluss des Jahresausgleichs und ist daher schon deshalb nicht einschlägig, weil die Klägerin ja Änderungen der Festlegungen im Jahresausgleich fordert. Zudem wären Korrekturen nach dieser Norm auch erst im folgenden Jahresausgleich (hier also im Ausgleichsjahr 2012) vorzunehmen. Sachliche oder rechnerische Fehler in den Berechnungsgrundlagen im Sinne des § 266 Abs. 6 Satz 6 SGB V sind im Übrigen auch nur Fehler, die die Datenbasis und deren rechnerische Auswertung betreffen, nicht etwaige später deutlich werdende Defizite des Morbi-RSA, die durch die rechtlichen Vorgaben – wie hier durch den von der Klägerin geltend gemachten Methodenfehler in den Festlegungen – begründet sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 52 Abs. 1 i.V.m. Abs.4 Gerichtskostengesetz.
Der Senat hat dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Erstellt am: 23.12.2013
Zuletzt verändert am: 23.12.2013