Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 30.07.2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine höhere Regelaltersrente. Streitig ist insbesondere, ob die Beklagte eine Anrechnungszeit wegen Fachhochschulausbildung zutreffend bewertet hat.
Der am 00.00.1942 geborene Kläger bezieht seit dem 01.04.2007 von der Beklagten eine Regelaltersrente, die zunächst auf der Grundlage von 9,7880 Entgeltpunkten (- EP -, Bescheid der Beklagten vom 21.03.2007) geleistet wurde. In einem Streitverfahren vor dem Sozialgericht Köln (S 7 R 148/08) begehrte der Kläger die Berücksichtigung weiterer Beitragszeiten und u.a. eine Anrechnungszeit wegen Fachhochschulausbildung vom 04.03.1974 bis zum 12.01.1976.
Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 22.12.2010 berechnete die Beklagte die Regelaltersrente des Klägers unter Berücksichtigung dieser Anrechnungszeit wegen Fachhochschulausbildung neu. Dabei bewertete sie die Zeit vom 04.03.1974 bis zum 10.12.1975 mit einem begrenzten Gesamtleistungswert von 32,81 vom Hundert. Ausgehend von dem sich bei der Berechnung der Regelaltersrente des Klägers ergebenden Durchschnittswert von 0,0213 aus der Grundbewertung ergaben sich EP von 0,0070 monatlich, insgesamt 0,1540 EP für die Anrechnungszeit wegen Fachhochschulausbildung in einem Umfang von 22 Monaten.
Der Kläger legte am 24.01.2011 Widerspruch ein. Er wandte sich gegen die begrenzte Gesamtleistungsbewertung und beanstandete, dass der Rentenbescheid die Rechtsgrundlage für den Rechenvorgang nicht benenne und bat um Nachbesserung und schriftliche Stellungnahme. Nach einem aufklärenden Schreiben der Beklagten zu § 263 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) hielt der Kläger seinen Widerspruch aufrecht und bat erneut um Nachbesserung und schriftliche Stellungnahme. Daraufhin teile die Beklagte dem Kläger mit, dass der Widerspruch zur Entscheidung an die Widerspruchsstelle abgegeben worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 06.06.2011 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Zeit der Fachhochschulausbildung sei in Anwendung der Tabelle in § 263 Abs 3 S 4 SGB VI zutreffend bewertet worden. Die in der Verwaltungsakte enthaltende Durchschrift des Widerspruchsbescheides, die handschriftlich nicht unterzeichnet ist, endet nach der Rechtsmittelbelehrung wie folgt:
"Hochachtungsvoll
T = Vertreter der Versicherten
M = Vertreter der Arbeitgeber
Dr. L = Vertreter des Direktoriums"
Die nachfolgend abgelegte Verhandlungsniederschrift über die Sitzung des Widerspruchsausschusses vom 19.05.2011 ist von allen Mitgliedern des Widerspruchsausschusses handschriftlich unterzeichnet.
Der Kläger hat am 30.06.2011 Klage erhoben. Er hat – wie bereits zuvor gegenüber der Beklagten – die Weiterleitung des Widerspruchs an die Widerspruchsstelle beanstandet und die Auffassung vertreten, der Widerspruchsbescheid sei nicht rechtmäßig, da die Unterschriften seiner drei Verfasser fehlten. Darüber hinaus ist er der Ansicht, die begrenzte Gesamtleistungsbewertung sei unter Berücksichtigung der EP aus der Tabelle des § 263 SGB VI auf der Grundlage von 0,0273 EP und nicht von 0,0213 EP zu errechnen.
Nachdem das Sozialgericht den Kläger vergeblich um Übersendung einer Kopie des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2011 gebeten hatte, hat es – nach Anhörung der Beteiligten – die Klage durch Gerichtsbescheid vom 30.07.2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Widerspruchsbescheid vom 06.06.2011 sei formell nicht zu beanstanden. Da der Kläger den Bescheid nicht habe vorlegen können, gehe die Nichterweislichkeit des behaupteten Formfehlers zu seinen Lasten. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet. Die Beklagte habe die beitragsfreie Anrechnungszeit wegen Fachhochschulausbildung zu Recht mit 0,0070 EP monatlich in die Rentenberechnung einbezogen. Nach § 263 Abs 3 S 2 SGB VI dürfe der begrenzte Gesamtleistungswert für einen Kalendermonat mit Anrechnungszeiten wegen einer Schul- oder Hochschulausbildung 0,0625 Entgeltpunkte nicht übersteigen. Bei den in der Tabelle vorgegebenen Werten handele es sich um nicht zu überschreitende Höchstwerte. Damit sei eine Kappungsgrenze bzw. ein Maximalwert gemeint. Eine Unterschreitung dieses Höchstwerts schließe die Norm jedoch nicht aus. Eine fehlerhafte Berechnung sei nicht zu erkennen. Indem Satz 3 der Vorschrift anordne, dass abhängig vom Renteneintrittsalter die in der Tabelle enthaltenen Werte anstelle von 75 vom Hundert einerseits und 0,0625 EP andererseits träten, gelte der Charakter eines Maximalwertes auch für die in der Tabelle genannten EP.
Gegen das ihm am 06.08.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29.08.2012 Berufung eingelegt. Auch das Sozialgericht habe zu seinen Schriftsätzen im Widerspruchsverfahren keine Stellung genommen. Mangels Auseinandersetzung mit seinen Schriftsätzen habe sich die Beklagte einer vordergerichtlichen Offenbarung, die von ihr angewandte SGB-Norm rechtsfehlerhaft umgesetzt zu haben, entzogen. Mangels eines substantiell schriftlichen rechtlichen Gehörs seitens des Vordergerichts sei dessen Deutung ebenso fehlgegangen. Er beantrage Berücksichtigung der tatsächlichen Normaussage in freier, souveräner Entscheidung, nach Würdigung seines Schriftguts vollinhaltlich aus der Vorinstanz.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 30.07.2012 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.12.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2011 zu verurteilen, bei der Berechnung der Regelaltersrente weitere Entgeltpunkte unter Ansatz des Wertes von 0,0273 für die Anrechnungszeit wegen Fachhochschulausbildung zu berücksichtigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für rechtmäßig.
Auf Anfrage des Senats hat der Kläger den Widerspruchsbescheid vom 06.06.2011 übersandt. In diesem sind wie auch in der – in der Verwaltungsakte enthaltenen – Durchschrift ohne handschriftliche Unterschrift die Namen der Mitglieder des Widerspruchsausschusses sowie die Funktion der jeweiligen Mitglieder wiedergegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten (Az: 000) verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 22.12.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2011 ist nicht rechtswidrig und beschwert den Kläger nicht iSd § 54 Abs 2 S 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Weder ist der Widerspruchsbescheid vom 06.06.2011 formell rechtswidrig noch hat der Kläger Anspruch auf Berücksichtigung weiterer EP für die beitragslose Anrechnungszeit wegen Fachhochschulausbildung.
Der Widerspruchsbescheid vom 06.06.2011 ist nicht schon allein deswegen aufzuheben, weil er nicht handschriftlich unterschrieben wurde. Die Namensbezeichnung der Mitglieder des Widerspruchsausschusses am Ende des Widerspruchsbescheides entspricht den Anforderungen des u.a. die Form eines Verwaltungsaktes regelnden § 33 Abs 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).
Der Widerspruchsbescheid – zweifelsfrei ein Verwaltungsakt – ist nach § 85 Abs 3 SGG schriftlich zu erlassen. Für schriftliche Verwaltungsakte gilt § 33 SGB X. Nach § 33 Abs 3 S 1 SGB X muss ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten.
Diese Anforderungen sind vorliegend, insbesondere in Bezug auf das Erfordernis der Unterschrift bzw. Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten, erfüllt. Der Widerspruchsbescheid vom 06.06.2011 gibt die Namen der für die Entscheidung über den Widerspruch zuständigen Mitglieder des Widerspruchsausschusses wieder.
Der Senat kann offen lassen, ob über die Anforderungen des § 33 Abs 3 SGB X hinaus die Schriftform zumindest die Unterschrift eines – hierzu bevollmächtigten – Mitglieds der Widerspruchsstelle verlangt (so das BSG in seiner Entscheidung vom 14.12.1978, Az: 1 RJ 54/78), denn, auch wenn der Senat eine handschriftliche Unterschrift für erforderlich hielte, wäre der Widerspruchsbescheid nicht nichtig. Selbst eine fehlende Unterschrift oder Namenswiedergabe führt nicht zur Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes (Mutschler in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 33 SGB X Rdn 25, mwN), da es sich nicht um einen offenkundig besonders schwerwiegenden Fehler handelt.
Der Senat hat somit auch im Fall einer – unterstellten – formellen Fehlerhaftigkeit die materielle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide zu prüfen, denn ein Verwaltungsakt, der nicht nichtig ist, darf nicht allein deshalb aufgehoben werden, weil er unter Verletzung von Verfahrens- und Formvorschriften zu Stande gekommen ist (BSG, Urteil vom 25.08.1971, Az: 2 RU 235/68).
Der Bescheid der Beklagten vom 22.12.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.06.2011 ist nicht materiell rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewertung der beitragslosen Anrechnungszeit wegen Fachhochschulausbildung auf der Grundlage von 0,0273 im Rahmen der begrenzten Gesamtleistungsbewertung. Die diesbezügliche Berechnung der Beklagten in dem Bescheid vom 22.10.2010 ist nicht zu beanstanden.
Nach § 263 Abs 3 S 1, 2 SGB VI in der hier ab 01.01.2005 geltenden Fassung wird der sich aus der Gesamtleistungsbewertung ergebende Wert für jeden Kalendermonat mit Anrechnungszeiten wegen einer Schul- oder Hochschulausbildung auf 75 vom Hundert begrenzt. Der so begrenzte Gesamtleistungswert darf für einen Kalendermonat 0,0625 Entgeltpunkte nicht überschreiten. Da die Rente des Klägers im April 2007 beginnt, treten nach S 4 der Vorschrift bei der begrenzten Gesamtleistungsbewertung für die Zeiten der Schul- oder Hochschulausbildung an Stelle der Werte 75 vom Hundert und 0,0652 die Werte 32,81 und 0,0273. Dies bedeutet vorliegend, dass der sich aus der Gesamtleistungsbewertung ergebende Wert für jeden Kalendermonat mit Anrechnungszeiten wegen einer Schul- oder Hochschulausbildung auf 32,81 vom Hundert begrenzt wird. Der so begrenzte Gesamtleistungswert darf für einen Kalendermonat 0,0273 EP nicht überschreiten.
Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist der Wert "0,0273" EP ein Höchstwert, ein "Grenzwert", der nicht überschritten werden darf. Es handelt sich nicht um einen festen Wert, mit dem Anrechnungszeiten wegen Schul- oder Hochschulausbildung zu bewerten sind. Aus dem alleinigen Verbot, den Wert von 0,0273 EP für einen Kalendermonat zu überschreiten, folgt im Umkehrschluss, dass ein sich bei der Begrenzung des zuvor errechneten Gesamtleistungswerts auf 32,81 vom Hundert ergebender niedrigerer Wert als 0,0273 EP zu berücksichtigen ist.
Weitere Unrichtigkeiten in dem Bescheid vom 22.12.2012 hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Erstellt am: 09.01.2014
Zuletzt verändert am: 09.01.2014