Revision durch Urteil des BSG zurückgewiesen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21.04.2010 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass ein erheblicher Arbeitsausfall und die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld (Kug) vorliegen; streitig ist vor allem, ob ihre Erkrankung als Inhaberin einer ärztlichen Einzelpraxis ein unabwendbares Ereignis im Sinne der Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Drittes Buch (SGB III) ist.
Die 1950 geborene Klägerin betreibt als praktische Ärztin eine privatärztliche Naturheilpraxis in E. (Einzelpraxis). Als sie in Jahren 2005 und 2007 arbeitsunfähig erkrankt war, erhielt sie für ihre Mitarbeiter Kug. Ende Mai 2009 zeigte sie erneut eine Arbeitszeitreduzierung auf Null – zunächst für die Zeit vom 27.05. bis 21.06.2009 – wegen einer "akuten Erkrankung der Praxisinhaberin" an.
Mit Bescheid vom 22.06.2009 entschied die Beklagte, dass der Anzeige nicht entsprochen werden könne. Die Erkrankung einer Ärztin erfülle nach aktueller Rechtslage nicht die Voraussetzungen für den Kug-Bezug beim nichtärztlichen Personal. Dies gehöre zum normalen Betriebsrisiko. Die Klägerin widersprach und betonte, dass es sich nicht um eine normale Erkrankung, sondern um eine plötzliche schwerwiegende Krebserkrankung handele, die bereits zweimal operiert worden sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 02.07.2009 als unbegründet zurück: Ein Arbeitsausfall im Sinne des § 170 SGB III müsse um erheblich zu sein, auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruhen. Die Erkrankung der Praxisinhaberin stelle nach allgemeinem Sprachgebrauch wie auch nach Systematik und Zielsetzung der §§ 169, 170 SGB III kein unabwendbares Ereignis dar. Spätere Leistungsanträge und Korrekturanträge der Klägerin lehnte die Beklagte ab.
Mit ihrer am 18.07.2009 zum Sozialgericht Duisburg (SG) gegen den Bescheid vom 22.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2009 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen geltend gemacht: Aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) lasse sich herleiten, dass der Fall der Krankheit grundsätzlich zu den unabwendbaren Ereignissen gehöre. Eine Krebserkrankung stelle kein typisches Risiko dar, mit dem jeder Unternehmer rechnen und für das daher in der Betriebsorganisation Vorsorge getroffen werden müsse. Sie falle eher in die Kategorie höherer Gewalt oder eines schicksalhaften Ereignisses. Bereits in der Vergangenheit sei ihr wegen einer Fußoperation im Jahr 2005 und einer starken Infektion im Jahr 2007 für ihre Mitarbeiter Kug gewährt worden. Hieraus ergebe sich für sie Vertrauensschutz. Die Erkrankung und damit der Arbeitsausfall seien unvermeidbar gewesen sei. Sie habe sich, wie auch in den Jahren 2005 und 2007, um eine Praxisvertretung gekümmert, aber relativ wenig Rückmeldungen gehabt, so ca. fünf Bewerber: Mit dem Spezialgebiet TCM mit Akupunktur und klassischer Homöopathie habe sich dann jedoch kein Praxisvertreter gefunden. In der Zeit ihrer Abwesenheit sei das Telefon durch ihre Mitarbeiter besetzt gewesen. Sie selbst habe nicht als Ansprechpartner für Rückfragen zur Verfügung gestanden. Die Patienten seien, soweit es sich um Infekte oder ähnliches gehandelt habe, an den Hausarzt verwiesen worden. Was die eigentliche Therapien anbelange, insbesondere die Schmerztherapie, hätten die Patienten abgewartet bis sie wieder da gewesen sei. Aus diesem Grunde sei das ganze Jahr 2009 bis zum Ende hin die Arbeit der Mitarbeiter verringert gewesen. Gegen Ende des Jahres habe dann die Arbeitszeit bei rund 80 % gelegen.
Die Beklagte hat ihre Bescheide für rechtmäßig gehalten. Kug diene nicht dazu, Erkrankungen des Betriebsinhabers abzusichern.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21.04.2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es i.W. ausgeführt: Es bestehe kein Anspruch auf Kug für die Arbeitnehmer der Klägerin, denn es fehle an einem erheblichen Arbeitsausfall i. S. d. § 170 Abs. 1 bis 4 SBGB III. Die Verringerung der Arbeitszeit in der klägerischen Praxis beruhe unstreitig nicht auf wirtschaftlichen Gründen. Nach § 170 Abs. 3 SGB III sei eine andere Voraussetzung für den maßgeblichen Arbeitsausfall ein unabwendbares Ereignis. Auch hier müsse es sich um von außen auf den Betrieb einwirkende, als solche vom Betrieb nicht abzuwendende Umstände handeln. Gemeint sei ein objektiv feststellbares Ereignis, das auch durch die äußerste, nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt für den vom Arbeitsausfall betroffene Betrieb, d.h. einen Arbeitgeber bzw. dessen Repräsentanten, nicht abzuwenden war. Das Ereignis müsse den Betrieb unmittelbar in seiner Möglichkeit treffen, die Arbeit der/des Arbeitnehmers anzunehmen. Hierzu gehörten in erster Linie die Produktionsfähigkeit des Betriebs einschränkende Unglücksfälle. Dies könne nach der Entscheidung des BSG vom 21.02.1991 (B 7 RAr 20/90) auch ein Krankheitsfall bedingt durch einen unverschuldeten Verkehrsunfall sein.
Bei der Krebserkrankung der Klägerin handele es sich nicht um ein unabwendbares Ereignis in dem dargestellten Sinne. Vielmehr falle das Risiko einer Erkrankung des Firmeninhabers unter das von diesem zu tragende Betriebsrisiko. Bereits die Auswertung der von auch von der Klägerin benannten Rechtsprechung des BSG zeige, dass unter den Begriff des unabwendbaren Ereignisses in erster Linie plötzlich eintretende Unglücksfälle, nicht jedoch Erkrankungen fielen, die jeden Menschen gleichermaßen treffen könnten. Daher habe das BSG in dem auch von der Klägerin zitierten Urteil vom 21.02.1991 eine Erkrankung, die auf einem unverschuldeten Verkehrsunfall beruhte, als einen möglichen Fall benannt, für den Kug in Betracht komme. Jedoch sei auch hier ein plötzlich eintretendes Ereignis (unverschuldeter Verkehrsunfall) Auslöser des Arbeitsausfalles. Gesetzliches Ziel des Kug sei u.a. die Vorbeugung gegen dauerhafte Arbeitslosigkeit auf Grund allgemeiner wirtschaftlicher Ursachen inklusive eines allgemeinen wirtschaftlichen Strukturwandels durch Sicherung der Arbeitsplätze und insoweit auch Subventionierung des Arbeitgebers und Übernahme seines Betriebs- und Wirtschaftsrisikos (Hinweis auf Bieback, in: Gagel, SGB III-Kommentar, § 169 Rn. 10). Bereits hieraus werde ersichtlich, dass persönliche Lebensumstände, wie eine Erkrankung des Arbeitgebers, nicht unter diese Zielsetzung fallen. Bestätigt werde dieses Ergebnis durch die Entstehungsgeschichte des Kug. Bereits in den Materialien zu § 116 AVAVG 1956 (BT-Drucks. 2/1274 S. 94) finde sich als Zweckbestimmung, dass das Kug zum Ausgleich kurzfristiger konjunktureller Schwankungen als spezifisches Mittel zur Verhütung von Vollarbeitslosigkeit dienen solle. Diese Zweckbestimmung sei im danach geltenden Arbeitsförderungsgesetz (AFG) 1969 erweitert worden. Danach habe Kug eine Leistung auch zum Ausgleich des langfristigen Strukturwandels (insbesondere in der Stahlindustrie) sein sollen. Das SGB III habe die Regelungen des AFG übernommen, um Kug auch für die Absicherung von Strukturveränderungen einzusetzen. Außerdem habe es für die Beschreibung des Risikos des Arbeitsausfalls auf "wirtschaftliche Gründe" (§ 170 Abs. 1 Nr. 1) und auf die "allgemeine wirtschaftliche Entwicklung" (Abs. 2) abgestellt (Hinweis auf Bieback, in: Gagel a.a.O. § 169 Rn. 12 ff.).
Unabhängig davon sei der Arbeitsausfall nicht unvermeidbar gewesen (§ 170 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 S. 1 SGB III). Die Bemühungen der Klägerin seien nicht ausreichend gewesen, um den Arbeitsausfall im Jahr 2009 zu verhindern. Da die Klägerin weiterhin als praktische Ärztin tätig sei, sei es ihr zumutbar und möglich gewesen, zumindest für diesen Bereich eine Vertretung zu suchen, um so den Arbeitsausfall zumindest zu minimieren. Dies habe die Klägerin jedoch nicht getan und vielmehr ihre Sprechstundenhilfe angewiesen, die Patienten auf die Behandlung durch einen anderen Arzt zu verweisen. Damit habe sie nicht die von der Rechtsprechung geforderten Maßnahmen zur Gegensteuerung des Arbeitsausfalls getroffen. Darüber hinaus hätte die Klägerin zur Überzeugung des Gerichts nach den Erkrankungen in 2005 und 2007 rechtzeitig weitergehende Maßnahmen treffen müssen, um zukünftig einen Arbeitsausfall zu vermeiden oder zumindest zu minimieren. Sie hätte einen bereits mit dieser Thematik vertrauten Kollegen einarbeiten oder durch den Abschluss einer Versicherung Vorsorge treffen müssen. Sie könne nicht einwenden, dass die Beklagte sie auf die Möglichkeit des Abschlusses einer Versicherung nicht hingewiesen habe, denn es sei nicht Aufgabe der Beklagten, Selbständige auf ihre Möglichkeiten der Risikoabsicherung hinzuweisen. Soweit die Klägerin schließlich einen Anspruch auf Kug unter Vertrauensschutzgesichtspunkten wegen der in den Jahren 2005 und 2007 erfolgten Bewilligungen geltend mache, habe die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, dass jeder Arbeitsausfall gesondert zu bewerten sei.
Gegen das am 29.04.2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28.05.2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus: Unter den Begriff des unabwendbaren Ereignisses falle jedes objektiv feststellbare Ereignis, das auch durch die äußerste, nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt durch den Arbeitgeber oder seine Mitarbeiter nicht abzuwenden gewesen sei. Dabei handele es sich immer um von außen kommende, vom Arbeitgeber nicht hinreichend beeinflussbare Ereignisse. Allerdings müsse man sich bewusst sein, dass diese Definition nur eine begrenzte begriffliche Trennschärfe zur Abgrenzung des Risikobereichs und Schutzzwecks des Kug habe und viel Raum für Wertungen lassen. Ein unabwendbares Ereignis könne anerkanntermaßen ein Krankheitsfall sein (Hinweis auf Krodel, in Niesel, SGB III, 4. Aufl. § 170 Rn. 21, 22, 25 und die dortigen Nachweise aus der Rspr. des BSG). Es sei insoweit gleichgültig, ob eine Person, von der die Arbeitsmöglichkeit einer Abteilung abhänge, infolge eines Arbeitsunfalls, eines Unfalls im Privatleben oder einer Erkrankung ausfalle. Ihre Krebserkrankung als solche sei für sie unabwendbar gewesen, anders als es in dem Fall des Sozialgerichts Dortmund (Urteil vom 29.7.2005 – S 22 (35) AL 246/04) bei der Schwangerschaft der Fall gewesen sei. Da sie wie bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall keinen Einfluss auf den Ausbruch der Krebserkrankung gehabt habe, sei das Auftreten der Krankheit demnach "von außen kommend". Dementsprechend habe auch das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt im Urteil vom 02.04.2009 (L 2 AL 45/06) entschieden, dass auch beim Schlaganfall ein unabwendbares Ereignis vorliegen könne. Eine andere Betrachtungsweise würde auch bei Freiberuflern wie Ärzten und Rechtsanwälten dazu führen, dass diesen nur in den seltensten Fällen Kug zustehe. Diese müssten damit ihre Angestellten entlassen und sich nach dem Wegfall des Hinderungsgrundes um neues Personal bemühen. Dies wiederum würde im freiberuflichen Bereich dem Gesetzeszweck der §§ 169 ff. SGB III widersprechen, wonach dem Betrieb die eingearbeitete Belegschaft erhalten bleiben solle.
Zu Unrecht sei das Sozialrecht auch davon ausgegangen, dass der Arbeitsausfall vermeidbar gewesen sei. Die Maßnahmen, die von einem Betrieb zur Vermeidung von Kurzarbeit verlangt werden könnten, müssten wirtschaftlich vernünftig und finanziell vertretbar sein. Vor diesem Hintergrund habe sie entgegen der Ansicht des SG ihre Obliegenheiten erfüllt. Sie habe jeweils eine Anzeige in der WAZ und im Ärzteblatt geschaltet. Daneben habe sie sich bei der Kammer erkundigt und die PVS-Ärztebörse verfolgt. Zum Zeitpunkt des Krankheitsfalls im Jahr 2009 habe kein verfügbarer Arzt eine mit ihr kongruente Spezialisierung aufgewiesen. Es sei ihr nicht möglich und nicht zumutbar gewesen, gegen eine Festvergütung, die üblicherweise 8000,- EUR betrage, eine Vertretung zu beschäftigen, die nur einen Teil ihrer Patienten behandeln könne und ihr nicht ansatzweise die Praxisgewinne aus der Zeit vor ihrem Ausfall ermöglicht hätte. Mit der Forderung, dass sie einen abrufbereiten Vertreter einarbeiten solle, damit dieser sie im Falle einer neuen Erkrankung vertreten könne, würden die Anforderungen, die an die Erfüllung der Obliegenheiten zu stellen seien, überschritten. Zu Unrecht habe das SG ferner den Abschluss einer Versicherung zu Absicherung des Erkrankungsrisikos gefordert.
Die Klägerin hat ihre Bemühungen um eine Praxisvertretung sowie die Einnahmesituation der Jahre 2008/2009 dargelegt und die Verträge über die Vereinbarung von Kurzarbeit mit ihren Mitarbeiterinnen vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21.04.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2009 zu verurteilen, festzustellen, dass ein erheblicher Arbeitsausfall vorliegt und die betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Das Gericht hat eine Stellungnahme der Ärztekammer Nordrhein vom 03.11.2010 eingeholt.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben sich die Beteiligten darüber geeinigt, dass Gegenstand dieses Verfahrens allein der Bescheid vom 22.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2009 sein solle. Die Beklagte hat sich für den Fall, dass das Gericht die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld bejaht, bereit erklärt, die Anträge für die einzelnen Abrechnungsmonate inhaltlich neu zu bescheiden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig.
Unter Berücksichtigung der in der mündlichen Verhandlung getroffenen Verfahrensregelung konnte die Klägerin ihr Begehren auf die Anfechtung des Bescheides der Beklagten vom 22.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.07.2009 und die im Antrag genannte Feststellung beschränken.
Die Berufung ist aber unbegründet, denn die Beklagte hat mit dem ursprünglich und nunmehr wieder ausschließlich streitgegenständlichen Bescheid auf die Anzeige der Klägerin nach § 173 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. (§ 99 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der Fassung ab 01.04.2012 (SGB III n.F)), zu Recht eine negative Anerkennungsentscheidung (§ 173 Abs. 3 SGB III a.F. ( § 99 Abs. 3 SGB III n.F.)) getroffen. Denn ein erheblicher Arbeitsausfall Im Sinne der §§ 169 Abs. 1 liegt nicht vor.
Ein Arbeitsausfall ist gemäß § 170 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a.F. (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 SGB III n.F.) erheblich im Sinne der §§ 173 Abs. 3, 169 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. (§§ 99 Abs. 3, 95 Satz 1 Nr. 1 SGB III n.F.), wenn
1. er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht,
2. er vorübergehend ist,
3. er nicht vermeidbar ist und
4. im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) mindestens ein Drittel der den Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10% ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen ist.
Zur Gewährung von Kug kann der Arbeitsausfall damit grds. nur führen, wenn er auf wirtschaftlichen Ursachen oder diesen gleichgestellten unabwendbaren Ereignissen beruht. Beides ist bei dem von der Klägerin angezeigten Arbeitsausfall aber nicht der Fall.
Wirtschaftliche Ursachen eines Arbeitsausfalls, die zum Bezug von Kug berechtigen, sind in – Abgrenzung zu betriebsspezifischen, in den Risikobereich des Betriebes fallenden Gründen – nur solche, die im Zusammenhang mit dem allgemeinen Wirtschaftsprozeß stehen (vgl. BSG, Urteil v. 29.04.1998 – B 7 AL 102/97 R – BSGE 82,124). Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, schließt der Begriff der wirtschaftlichen Ursachen alle Arbeitsausfälle ein, die sich auf die Gesamtheit der laufenden Produktions- und Konjunkturvorgänge, aus den Veränderungen des Wirtschaftskreislaufs und damit aus der Teilnahme des Betriebs am Wirtschaftsleben ergeben. Anknüpfungspunkt für die Bestimmung einer wirtschaftlichen Ursache ist nach dem Wortlaut der Vorschrift die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung. Dies sind insbesondere konjunkturelle und strukturelle Störungen der Gesamtwirtschaftslage, wie z.B. Arbeitsmangel wegen Konjunkturschwankungen (Rezession, sinkende Absatzmöglichkeiten), ferner Rohstoff- mangel, Kapitalmangel, fehlende Transportmöglichkeiten wegen Störung der öffentlichen Verkehrsmittel. Auch etwa die Ablösung der Planwirtschaft durch die soziale Marktwirtschaft war dazu zu rechnen (vgl. BSG, Urteil v. 29.04.1998 – B 7 AL 102/97 R – BSGE 82,124). Das Kug soll dagegen keine Versicherung gegen das allgemeine Betriebsrisiko darstellen (vgl. etwa Krodel a.a.O. § 170 Rz. 17). Damit sind Unglücksfälle, Unfälle und andere unabwendbare Ereignisse keine wirtschaftlichen Ursachen in diesem Sinne (vgl. BSG, Urteil v. 15.12.2005 – 7a AL 10/05 R – BSGE 96,14). Der auf die Erkrankung der Klägerin zurückgeführte Arbeitsausfall in der Praxis beruht danach nicht auf wirtschaftlichen Gründen.
Die Ursachen für den Arbeitsausfall des betroffenen Betriebes müssen ausnahmsweise (vgl. Krodel a.a.O. § 170 Rz. 21) nicht im wirtschaftlichen Bereich liegen, wenn der Ausfall auf einem unabwendbaren Ereignis beruht (s. o. § 170 Abs. Nr. 1 2. Alt SGB III a.F.). Das Gesetz nennt in § 170 Abs. 3 SGB III a.F. Regelbeispiele hierfür: Ein unabwendbares Ereignis liegt danach insbesondere vor, wenn ein Arbeitsausfall auf ungewöhnlichen Witterungsbedingungen beruht sowie auch dann, wenn ein Arbeitsausfall durch behördliche oder behördlich anerkannte Maßnahmen verursacht ist, die vom Arbeitgeber nicht zu vertreten sind. Auch beim unabwendbaren Ereignis muss es sich nach allgemeiner Meinung um von außen auf den Betrieb einwirkende, als solche vom Betrieb nicht abzuwendende Umstände handeln (vgl. BSG, Urteil v. 29.04.1998 – B 7 AL 102/97 R – BSGE 82,124). Gemeint ist in § 170 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a.F., wie das SG richtig ausgeführt hat, ein objektiv feststellbares Ereignis, das auch durch die äußerste, nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt für den vom Arbeitsausfall betroffene Betrieb, d.h. einen Arbeitgeber bzw. dessen Repräsentanten, nicht abzuwenden war. Das Ereignis muss den Betrieb unmittelbar in seiner Möglichkeit treffen, die Arbeit der Arbeitnehmer anzunehmen. Hierzu gehörten in erster Linie die Produktionsfähigkeit des Betriebs einschränkende Unglücksfälle. Als Beispiel sind hier etwa ein Brand oder eine Explosion im Betrieb zu nennen (vgl. BSG, Urteil v. 21.02.1991 – 7 RAr 20/90). Nach der Entscheidung des BSG vom 21.02.1991 (B 7 RAr 20/90) kann auch ein Krankheitsfall bedingt durch einen auch durch äußerste nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt nicht zu vermeidenden Verkehrsunfall sein.
Während Ereignisse wie Brand, Explosion oder Verkehrsunfall, wie von Rechtsprechung und Literatur gefordert (vgl. BSGE 82, 124; Mutschler, in NK-SGB III, 5. Aufl., § 170 Rz. 28; Krodel a.a.O. § 170 Rz.16), von außen auf den Betrieb einwirken, und, wenn sie unabwendbar sind, einen erheblichen Arbeitsunfall bedingen können, stellt die Erkrankung des Arbeitgebers bzw. Betriebsinhabers ein rein innerbetriebliches Ereignis dar. Hier wirkt nichts von außen auf den Betrieb ein, sondern die Störung nimmt ihren Ausgang in dem Kern des Betriebes, dem Betriebsinhaber bzw. Praxisinhaber. An Gesundheit, Leistungsfähigkeit, Motivation und Kreativität des Inhabers hängt das Gelingen des Unternehmens, der wirtschaftliche Erfolg des Betriebes; sie liegen in der Person der Inhabers und machen wesentlich das innerbetriebliche Risiko namentlich von Freiberuflern aus. Ein innerbetriebliches Risiko wird aber nicht durch das Kug abgesichert. Mit dem SG ist der Senat daher der Überzeugung, dass die Krebserkrankung der Klägerin kein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 170 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a.F. darstellt (vgl. auch Mutschler, a.a.O. § 170 Rz. 27, vgl. auch SG Dortmund, Urteil v. 29.07.2005 – S 22/35 AL 246/04 – zur Schwangerschaft der Arbeitgeberin; vgl. die Geschäftsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit, Punkt 2.2 (Seite 40) zu § 170 SGB III). Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass ein von außen einwirkendes Ereignis im geforderten Sinne nicht etwa in etwaigen im Laufe des Lebens zur Krebserkrankung beigetragen habenden äußeren Einflüssen auf den Körper erblickt werden könnte, denn es würde insoweit an der unmittelbaren Auswirkung dieser Einflüsse auf den Arbeitsausfall fehlen.
Soweit das LSG Sachsen-Anhalt in seinem Urteil vom 02.04.2009 – L 2 AL 45/06 (info also 2010, 162) demgegenüber die plötzliche Erkrankung (Schlaganfall) eines in einer Einzelpraxis tätigen niedergelassenen Arztes als unabwendbares Ereignis angesehen hat, legt es nicht dar, weshalb es sich um ein unabwendbares Ereignis im Sinne eines von außen auf den Betrieb einwirkendes Ereignis gehandelt habe. Das LSG Sachsen-Anhalt beruft sich lediglich auf die Entscheidung des BSG vom 21.02.1991 (7 RAr 20/90), denkt aber nicht, dass der dort zugrunde liegende (unverschuldete) Verkehrsunfall sich jedoch als "von außen einwirkendes" Ereignis verstehen lässt. Auch die Bezugnahme der Klägerin auf die Kommentierung von Krodel (a.a.O. § 170 Rz. 21) trägt nur die Anerkennung des unverschuldeten Verkehrsunfalls der Betriebsinhabers. Gegen die Auffassung der Klägerin spricht zudem, dass das BSG darauf abstellt, ob der Verkehrsunfall unverschuldet war, denn nur dann kann ein unabwendbares Ereignis in Betracht kommen. Würde man eine Erkrankung des Betriebsinhabers einem unverschuldeten Verkehrsunfall gleichstellen wollen, müsste dem entsprechend die Unvermeidbarkeit der Erkrankung festgestellt werden. Das scheint auch die Klägerin erkannt zu haben, wenn sie betont, dass sie keinen Einfluss auf die Entstehung ihrer Krebserkrankung gehabt habe. Die von der Klägerin geforderte Gleichstellung von (unverschuldetem) Verkehrsunfall und Erkrankung aus innerer Ursache würde damit Fragen nach der Verursachung der Erkrankung aufwerfen, die kaum in das Verfahren nach §§ 169 SGB III a.F. gehören und auch durch ärztliche Sachverständige schwerlich oder gar nicht zu beantworten wären. Mag es auch Erkrankungen geben, deren Verursachung durch vermeidbares Verhalten wie Alkohol- oder Drogenkonsum nahe liegt, würde die Frage etwa, ob der Schlaganfall des Betriebsinhabers im vom LSG Sachsen-Anhalt (a.a.O.) entschiedenen Fall z.B. durch Ernährungsgewohnheiten/Verhalten des Betriebsinhabers "verschuldet" worden ist, ebenso im Raum stehen wie die, ob der Hallux Valgus der Klägerin, der 2005 Ursache des Arbeitsausfalls war, zumutbar durch Tragen anderen Schuhwerks hätte vermeiden werden können. Die Unvermeidbarkeit wäre namentlich bei der Krebserkrankung selbst mit einem Zusammenhangsgutachten schwerlich von der Bundesagentur für Arbeit zu klären. Alle etwaigen vom Betroffenen "verschuldeten" Ursachen der Erkrankungen lägen zudem in deren Sphäre und u.U. weit zurück und wären regelmäßig der Beklagten unbekannt. Daran wird zur Überzeugung des Senats deutlich, dass eine Erkrankung, namentlich eine solche wie die Krebserkrankung der Klägerin, auch deshalb nicht einen unverschuldeten Verkehrsunfall gleich gestellt werden kann, weil regelmäßig nicht feststellbar wäre, ob die Erkrankung unvermeidbar oder selbst verschuldet war.
Ob der durch die Erkrankung bedingte Arbeitsausfall im Sinne des § 170 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a.F. prospektiv ein vorübergehender war, was voraussetzt, dass mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhersehbar war, dass binnen absehbarer Zeit zur Vollarbeit zurückgekehrt wird (vgl. dazu etwa bei Krodel, a.a.O. § 170 Rz. 4), erscheint angesichts der Art der Erkrankung und der tatsächlichen Dauer der Arbeitsreduzierung zweifelhaft, kann vom Senat aber dahin gestellt bleiben.
Der Senat weist jedoch ergänzend darauf hin, dass die Bemühungen der Klägerin um eine Vertretung kaum als ausreichend angesehen werden könnten, um die Feststellung eines unvermeidbaren Arbeitsausfalls ( § 170 Abs.1 Nr. 3 SGB III a.F.) zu rechtfertigen.
Jeweils eine einzige Anzeige in der WAZ und in der Ärztezeitung und das bloße Beobachten der PVS-Ärztebörse zeugen nicht von starkem Bemühen um eine Vertretung. Es liegt bei dem Zuschnitt der Praxis der Klägerin zwar nicht fern, dass eine alle Facetten der Tätigkeit der Klägerin abdeckende Vertretung nur schwer zu erlangen sein würde, was auch die vom LSG eingeholte Auskunft bestätigt. Das hätte indes auch zum Anlass für umso intensivere Bemühungen und ggf. zu Kompromissen beim Anforderungsprofil genommen werden können. Das SG merkt zu Recht an, dass die Klägerin ihre Erkrankungszeit bei Abstrichen beim Tätigkeitsspektrum durch Fortführung als mehr allgemeinmedizinische Praxis hätte überbrücken können. Dann hätten ihre Patienten mit allgemeinmedizinischen Anliegen nicht an andere Praxen verwiesen werden müssen. Dass dies mit Patienten ihrer Schmerztherapie nicht so geschehen ist, weil diese die Rückkehr der Klägerin abgewartet hätten, wie die Klägerin vorgetragen hat, ist ohnehin schwer verständlich, solange man an den üblichen Behandlungsbedarf von Schmerzpatienten denkt. Die Aktenlage zum Kug-Antrag der Klägerin im Jahr 2007 spricht i.Ü. ebenfalls gegen ein ernsthaftes Bemühen um eine Vertretung zur Vermeidung von Arbeitsausfall im Jahr 2007. Nach den von ihr vorgelegten Unterlagen hatte die Klägerin im Jahr 2007 eine Ärztliche Vertretung lediglich mit zwei Anzeigen im "Wochenblatt" gesucht, von denen sich z.B. die vom 11.04.2007 neben Stellenangeboten für (u.a.) Pizzabäcker, Pizzataxifahrer und Aushilfen auf 400 Euro-Basis findet. Dass dies kein geeignetes Medium zur Suche nach einer qualifizierten Praxisvertretung ist, liegt auf der Hand.
Einen Anspruch auf Kug kann die Klägerin schließlich nicht auf Vertrauensgesichtspunkte stützen. Das Anzeigeverfahren nach § 173 Abs. 1 SGB III a.F. verschafft den Betriebs- inhabern kurzfristig Klarheit darüber, ob die Bundesagentur im konkreten Fall einen Kug-Anspruch dem Grunde nach anerkennt, so dass die Klägerin schon deshalb nach der ablehnenden Entscheidung über die Anzeige nicht damit gehört werden kann, sie habe nach den erfolgreichen Anträgen der vorangegangenen Jahre auf die Zahlung Kug für ihre Mitarbeiter vertrauen dürfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Sache grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 160 SGG).
Erstellt am: 14.01.2015
Zuletzt verändert am: 14.01.2015