Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 24.10.2013 wird zurückgewiesen. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I. Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung von Krankengeld.
Der 1963 geborene Antragsteller war zuletzt vollschichtig als angelernter Schweißer im Heizungsbau auf wechselnden Baustellen mit mittelschweren Arbeiten häufig in Zwangshaltungen tätig.
Vom 19.03. bis 28.03.2012 musste der Kläger wegen eines Bandscheibenvorfalls C 5/C6 und einer Vorwölbung der Bandscheibe mit Stenose des Spinalkanals L4/5 im N-hospital C1 behandelt werden. Seit dem 19.03.2012 war bei ihm durchgehend ärztlich Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Ab dem 26.03.2013 zahlte die Antragsgegnerin ihm Krankengeld.
Am 09.08.2012 unterzog sich der Antragsteller einer mikrochirurgischen zentralen Diskektomie HWK 5/6 mit Einlage eines dynamischen vertikalen Implantates.
Am 19.10.2012 wurde der Antragsteller wegen rezidivierender Beschwerden bei bekannter Bandscheibenprotrusion mit Spinalkanalstenose L4/5 erneut stationär im N-hospital C1 aufgenommen und zunächst teilweise erfolgreich minimalinvasiv behandelt. Der Antragsteller klagte jedoch laut Entlassungsbericht weiterhin über eine erhebliche Restbeschwerdesymptomatik im Bereich der Lendenwirbelsäule, die in das linke Bein ausstrahlte. Mit Gutachten vom 13.11.2012 stellte der MDK nach Untersuchung des Antragstellers fest, aufgrund der erheblichen Beschwerdesymptomatik wegen der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule sei die Leistungsfähigkeit des Antragstellers deutlich eingeschränkt. Seine Arbeitsunfähigkeit bestehe fort.
Am 11.01.2013 gab der Antragsteller bei einem Gespräch bei der Antragsgegnerin an, die zwischenzeitlich durchgeführten Behandlungen hätten keinerlei Besserung erbracht, es gehe ihm eher schlechter. Er habe große Schwierigkeiten beim Laufen und wisse nicht, wie es weitergehen solle. Mit Gutachten vom 08.05.2013 verneinte der MDK nach körperlicher Untersuchung des Antragstellers am 10.04.2013 trotzdem den Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit. Es bestünden erhebliche Diskrepanzen zwischen dem demonstrierten Fähigkeitsstörungen und den angegebenen ausgeprägten subjektiven Beschwerden und den objektivierbaren Befunden. Der Antragsteller hatte über fortbestehende Beschwerden im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in das linke Bein geklagt und eine maximale Gehstrecke von 800 m angegeben.
Mit Bescheid vom 10.04.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.06.2013 stellte die Antragsgegnerin die Zahlung von Krankengeld zum 12.04.2013 ein, weil der Antragsteller auf der Grundlage des Gutachtens des MDK nicht mehr arbeitsunfähig sei. Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SGG) Klage erhoben.
Mit Antrag vom 06.06.2013 hat der Antragsteller begehrt, ihm rückwirkend im Wege der einstweiligen Anordnung Krankengeld über den 12.03.2012 hinaus zu gewähren. Der Gutachter des MDK sei nicht auf die Behandlungsberichte und Ergebnisse der behandelnden Ärzte Frau Dr. Q und Dr. C eingegangen. Er sei mittellos, weil ihm auch die Bundesagentur für Arbeit jegliche Unterstützung verweigere.
Das Sozialgericht (SG) hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt und ein von der Antragsgegnerin übersandtes, ergänzendes Gutachten des MDK ausgewertet. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 24.10.2013 hat das SG den Antrag sodann abgelehnt. Ein Anordnungsanspruch sei nicht ersichtlich, weil das Ergebnis der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren durchgeführten medizinischen Ermittlungen dagegen spreche, dass der Antragsteller Krankengeld für die Zeit ab dem 06.06.2013 beanspruchen könne. Der den Antragsteller schmerztherapeutisch behandelnde Facharzt für Anästhesiologie T habe in seinem vom Gericht eingeholten Befundbericht vom 01.07.2013 mitgeteilt, er teile die Einschätzung der von der Antragsgegnerin gehörten MDK-Ärzte zum gesundheitlichen Leistungsvermögen des Antragstellers und der Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit. Der seitens des Antragstellers benannte Orthopäde Dr. C habe in seinem Befundbericht vom 15.07.2013 ausgeführt, den Antragsteller zuletzt am 20.03.2013 und damit vor dem Antragszeitraum gesehen zu haben. Auch der befragte Neurochirurg Dr. Q habe in seinem Befundbericht vom 29.07.2013 mitgeteilt, er habe für den Antragsteller trotz der bei ihm seit April 2012 bestehenden Behandlung ab April 2013 keine Arbeitsunfähigkeit mehr attestiert. Zwar halte er die von dem Antragsteller beklagten Beschwerden für nachvollziehbar und glaubhaft, schließe aber eine auch über April 2013 hinaus bestehende dauerhafte Arbeitsunfähigkeit seit diesem Zeitpunkt aus. Die Einschätzung der behandelnden Hausärztin Frau Q, der Antragsteller könne – in erster Linie aufgrund der Nebenwirkungen der von ihm eingenommen Schmerzmittel – nicht mehr als Schweißer einer Baustelle arbeiten, habe der verordnende Anästhesiologie in seinem Befundbericht nicht vorgetragen.
Darüber hinaus sei auch kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die begehrte rückwirkende Krankengeldzahlung für Zeiträume vor der Antragstellung sei nicht ansatzweise ersichtlich. Auch im Übrigen komme der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht in Betracht, da der Antragsteller bereits seit dem 01.06.2013 Arbeitslosengeld II erhalte, weshalb sowohl sein Unterhalt als auch der Krankenversicherungsschutz sichergestellt sei.
Gegen den am 31.10.2013 zugestellten Beschluss hat die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers am 25.11.2013 Beschwerde eingelegt und Prozesskostenhilfe beantragt. Am 13.01.2013 hat sie die Beschwerde begründet: Die medizinischen Voraussetzungen einer Arbeitsunfähigkeit und sogar einer erheblichen Minderung der Erwerbsfähigkeit seien gegeben. Dr. Q habe unter dem 29.07.2013 die Arbeitsunfähigkeit des Antragstellers gerade für den streitgegenständlichen Zeitpunkt festgestellt. Der MDK habe diese Ergebnisse falsch wiedergegeben. Auch der Befundbericht der Hausärztin Frau Dr. Q vom 02.08.2013 bestätige eine Arbeitsunfähigkeit seit dem 19.03.2012. Der Antragsteller sei zudem im August 2013 erneut stationär ins N-hospital C1 aufgenommen und an der Halswirbelsäule operiert worden. Der Entlassungsbericht führe aus, dass sich die Beschwerden nach der Operation rasch zurückgebildet hätten und bestätige damit umgekehrt, dass diese Beschwerden seit Jahresanfang 2013 bestanden hätten. Die Fachklinik Bad C habe zudem mit Schreiben vom 02.09.2013 über eine stationäre Rehabilitation vom 13.08.2013 bis 03.09.2013 eine Arbeitsunfähigkeit postoperativ für einen Zeitraum von ca. 12 Wochen bestätigt. Das Sozialgericht gehe in seinem Beschluss auf diese Berichte mit keinem Wort ein. Ein Anordnungsgrund bestehe ebenfalls, weil der Antragsteller bereits seit April 2013 kein Einkommen mehr gehabt habe, weshalb ihm auch PKH gewährt worden sei.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 25.10.2012 aufzuheben und ihm gemäß seinem erstinstanzlichen Antrag rückwirkend ab dem 13.04.2013 Krankengeld zu zahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie beruft sich auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses.
II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) können einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erfolgen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind insoweit glaubhaft zu machen, vgl. § 86b Abs. 2 S. 4 SGG i. V m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System: Je größer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso geringer sind die Anforderungen an den Anforderungsgrund und umgekehrt.
Der Antragsteller hat demnach bereits einen Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankengeld, wenn – abgesehen von den Fällen stationärer Behandlung – Krankheit sie arbeitsunfähig macht. Der Maßstab für die AU ergibt sich aus dem Umfang des Versicherungsschutzes im jeweils konkret bestehenden Versicherungsverhältnis (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Juni 2008 – L 16 B 23/08 KR ER -, juris Rn. 32 mwN), für den Antragsteller also hinsichtlich der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Schweißer im Heizungsbau.
Danach ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens bei der in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage lediglich als offen zu betrachten. Zwar vermag den Senat die Einschätzung des MDK prima facie nicht restlos zu überzeugen, der Antragsteller sei im April 2013 nicht weiter arbeitsunfähig und damit wieder zu mittelschweren, oft in Zwangshaltungen zu verrichtenden Arbeiten als Schweißer im Heizungsbau in der Lage gewesen trotz des nachgewiesenen und inzwischen erneut operativ versorgten, erheblichen orthopädischen Krankheitsbildes sowie der Einnahme von Schmerzmitteln. Warum insbesondere der MDK in seinem Gutachten vom 08.05.2013 nunmehr die vom Antragsteller bei der Untersuchung im April 2013 fortdauernd beklagten Schmerzen in der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in das linke Bein nicht mehr für ausreichend objektivierbar hält, ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar. Denn dieselbe Symptombeschreibung des Antragstellers hat noch im November 2012 bei unveränderten Vorbefunden einem anderen Gutachter des MDK genügt, um eine fortdauernde Arbeitsunfähigkeit und sogar eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit des Antragstellers anzunehmen (Gutachten v. 13.11.2012, Bl. 127 ff. VA). Andererseits genügen die vom Antragsteller beigebrachten ärztlichen Bescheinigungen und Stellungnahmen nicht, um die im Verfahren abgegebenen gutachterlichen Stellungnahmen des MDK zu entkräften und ohne weitere sachverständige Prüfung eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit und damit einen Krankengeldanspruch für den geltend gemachten Zeitraum zu bejahen. Auch die vom Sozialgericht eingeholten ärztlichen Stellungnahmen, auf dessen Darstellung insoweit verwiesen wird, ergeben kein eindeutiges Bild und lassen die verlässliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit im fraglichen Zeitraum derzeit nicht zu. Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Beschwerde erneut ins Feld geführten, ausführlichen Befundbericht des Dr. Q vom 29.07.2012. Denn diesem Bericht zufolge hat seit April 2013 wahrscheinlich gerade keine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit bestanden. Ebenso wenig vermag der Senat aus dem Behandlungsbericht des N-hospitals C1 vom 06.08.2013 über eine erneute Rückenoperation des Antragstellers am 30.07.2013 (mikrochirurgische Dekompression der Segmente LWK 4/5 und LWK 5/S1 und Ausräumung eines gedeckten lumbosakralen Vorfalls links) verlässlich rückwirkend auf eine Arbeitsunfähigkeit seit April 2013 schließen, wie es die Beschwerde tun möchte. Ob der Antragsteller im streitbefangenen Zeitraum ab dem 13.04.2013 weiter dauerhaft arbeitsunfähig war, lässt sich daher insgesamt ohne weitere medizinische Ermittlungen derzeit nicht abschließend beurteilen. Dies sieht offenbar auch die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers so, indem sie als Beweis ein Sachverständigengutachten fordert. Dessen Erstellung muss indes dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Lediglich für den kurzen Zeitraum von der Aufnahme zur erneuten Rückenoperation im N-hospital C am 29.07.2013 mit anschließender stationärer Rehabilitationsbehandlung in der Fachklinik Bad C vom 13.08.2013 bis über den 18.08.2013 hinaus, an dem die Höchstbezugsdauer des Krankengeldes nach der vom Antragsteller nicht infrage gestellten Berechnung der Antragsgegnerin endete, wäre – sofern der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt noch mit Anspruch auf Krankengeld versichert war – ein Krankengeldanspruch nach § 44 Abs. 1 Halbs. 2 SGB V gegeben.
Auch insoweit kann indes seine Beschwerde keinen Erfolg haben. Denn wie das Sozialgericht zutreffend angenommen hat, fehlt es insgesamt an einem Anordnungsgrund. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht hat, welche unzumutbaren, nicht wieder zu beseitigenden wesentlichen Nachteile ihm durch ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache entstehen würden. Dies gilt zunächst besonders für sein Ziel, ihm auch für die Zeit vor seinem Eilantrag Krankengeld zu gewähren. Denn für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum ist eine Eilbedürftigkeit regelmäßig zu verneinen. Der vorläufige Rechtsschutz richtet sich rechtsgestaltend in die Zukunft und dient grundsätzlich nicht dazu, Rechtsbeeinträchtigungen in der Vergangenheit auszugleichen (vgl. SG Kassel, Beschluss vom 12.08.2011 – S 12 KR 23/11 ER -, juris Rn. 39 mwN). Die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls, bei dem in der Vergangenheit begründete Nachteile aktuell fortwirken und deshalb im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes noch vor der Hauptsacheentscheidung beseitigt werden müssten, hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht.
Auch für die Zeit ab Stellung seines Eilantrags am 06.06.2013 fehlt ein Anordnungsgrund. Der Antragsteller bezieht nach den unwidersprochenen Angaben der Antragsgegnerin seit dem 01.06.2012 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II, die seinen Lebensunterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz sichern. Daher ist nicht ersichtlich, welche wesentlichen Nachteile mit der vorläufigen Gewährung weiteren Krankengelds durch den Erlass einer einseitigen Anordnung sofort abgewendet werden müssten.
Da die Beschwerde des Antragstellers aus den genannten Gründen keinen Erfolg haben konnte, ist auch sein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nach § 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO abzulehnen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten, § 73a i.V.m § 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 03.02.2014
Zuletzt verändert am: 03.02.2014