Rev. der Bekl. wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 08.07.2009 in der Fassung des Beschlusses vom 20.08.2009 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 19.265,13 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 23.07.2007 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird auf 19.265,13 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die klagende Krankenkasse begehrt die (teilweise) Zurückzahlung von ihr beglichener Kosten einer stationären Krankenhausbehandlung, weil Haupt- und Nebendiagnosen unzutreffend kodiert worden seien. Streitig ist vor allem die Auslegung der Definition der Hauptdiagnose in den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) 2005.
Der am 00.00.1980 geborene und bei der Klägerin versicherte schwerst mehrfachbehinderte Herr F (Versicherter) leidet unter anderem an einer Epilepsieerkrankung; er wird mittels einer Sonde ernährt. Nachdem bei ihm seit dem 13.09.2005 rezidivierend – auch unter antibiotischer Therapie – Fieber aufgetreten war, wurde er aufgrund einer Verordnung des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S (Diagnosen "unkl. therapieresistenter Fieberzustand unkl. Genese, Aspiration bei PEG, zerbr. Anfallsleiden") am 22.09.2005 im Krankenhaus der Beklagten, Abteilung Neuropädiatrie, stationär aufgenommen.
Ausweislich des Entlassungsberichts erhielt der Versicherte zunächst eine Infusionsbehandlung, unter der weitere Fieberschübe auftraten; es wurde eine umfangreiche Diagnostik durchgeführt und am 28.09.2005 die Sonde gewechselt. Nachdem es zu einer Entfieberung gekommen war, traten vermehrt klassizifierbare Krampfanfälle auf und es wurde zunächst sporadisch jedoch auch in größerer Menge Erbrechen beobachtet; später kam es ganz massiv zum Erbrechen. Es erfolgten eine umfangreiche medikamentöse Umstellung der antikonvulsiven Medikation und ein Wechsel auf eine andere Sonde. Am 10.11.2005 wurde der Versicherte in gutem, klinisch infektfreiem Allgemeinzustand entlassen.
Mit Rechnung vom 25.11.2005 (G-DRG (German Diagnosis Related Groups) B76A (Anfälle, mehr als 1 Behandlungstag mit komplexer Diagnostik und Therapie)) forderte die Beklagte für die stationäre Behandlung des Versicherten einen Betrag in Höhe von 29.401,03 EUR. Als abrechnungsrelevante Hauptdiagnose gab sie nach ICD-10-GM (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, angepasst an deutsche Verhältnisse (German Modifikation)) Schlüsselnummer G40.2 (Lokalisationsbezogene (fokale) (partielle) symptomatische Epilepsie und epileptische Syndrome mit komplexen fokalen Anfällen) und die Prozedur 8-972.2 (Komplexbehandlung bei schwer behandelbarer Epilepsie, mindestens 21 Behandlungstage) an.
Die Klägerin überwies unter dem vom 05.12.2005 den geforderten Betrag, veranlasste aber eine Überprüfung unter anderem der Richtigkeit der Kodierung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) In seinem Gutachten vom 22.09.2006 gelangte Dr. T zu der Einschätzung, dass die Hauptdiagnose nicht korrekt kodiert sei. Es hätte die ICD-Schlüsselnummer A49.8 (Sonstige bakterielle Infektionen nicht näher bezeichneter Lokalisation) kodiert werden müssen, da zur Aufnahme nicht die Epilepsie, sondern die Fieberschübe unklarer Genese geführt hätten. Die Epilepsie sei als Nebendiagnose kodierrelevant. Darüber hinaus sei die Kodierung einiger Nebendiagnosen und Prozeduren, insbesondere der Prozedur 8-972.2, medizinisch nicht ausreichend belegt. Bei korrekter Kodierung von medizinisch nachvollziehbaren Diagnosen und Prozeduren bilde sich der Behandlungsfall über die DRG T64Z ab. Gestützt auf diese Einschätzung forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 16.10.2006 unter Beifügung des MDK-Gutachtens zur Rücküberweisung eines nach ihrer Auffassung überzahlten Betrages in Höhe von 20.960,05 Euro auf.
Die Beklagte widersprach den Ausführungen des MDK und legte schriftliche Stellungnahmen des Chefarztes ihrer Neuropädiatrischen Klinik Dr. S1 vor. Die Klägerin veranlasste eine erneute Begutachtung nach Aktenlage durch den MDK, für den Dr. T in seinem Gutachten vom 21.11.2006 zu dem Ergebnis gelangte: Hinsichtlich der Hauptdiagnose ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte. Auch hinsichtlich der streitigen Prozedur bestünden weiterhin erhebliche Zweifel an der Erfüllung der Mindestmerkmale. Da aber durch die vorgelegten Unterlagen nunmehr eine Sepsis hinreichend belegt sei, sei als Hauptdiagnose die ICD-Schlüsselnummer A41.9 (Sepsis, nicht näher bezeichnet) zu kodieren, bei der die genannte Prozedur nicht kodierrelevant und insgesamt der Fall über die DRG T60B abzurechnen sei. Unter Beifügung des Gutachtens forderte die Klägerin nun mit Schreiben vom 05.12.2006 die Rückzahlung von 19.265,13 EUR. Dem widersprach die Beklagte: Nach D 002 d der DKR 2005 werde die Hauptdiagnose definiert werde als "die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist", der MDK stelle dagegen zu Unrecht auf die "Veranlassung der stationären Aufnahme" ab.
Mit der am 23.07.2007 zum Sozialgericht Dortmund (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung hat sie unter Bezugnahme auf ein MDK-Gutachten des Dr. T1 vom 31.07.2007 ausgeführt: Die stationäre Behandlungs- bedürftigkeit sei nicht durch die seit langem bei dem Versicherten bekannten cerebralen Anfälle – auch nicht als hinzugetretenes Ereignis – ausgelöst worden. Diese hätten sich vielmehr lediglich im zeitlichen Zusammenhang mit der Krankenhausbehandlung gezeigt. Auch ein kausaler Zusammenhang zu den zuvor abgelaufenen septischen Fieberschüben sei mehr als fraglich. Zwar sei auch die Epilepsie im Rahmen des stationären Aufenthaltes mitbehandelt worden, habe diesen – auch unter Berücksichtigung der vor dem stationären Aufenthalt begonnenen ambulanten Therapieumstellung – jedoch nicht hauptsächlich veranlasst.
Die Beklagte ist bei ihrer Auffassung verblieben, dass die Kodierrichtlinien davon ausgingen, dass bezüglich der Hauptdiagnose eine rückwirkende Betrachtung des stationären Aufenthaltes dergestalt vorgenommen werden müsse, dass die Befunde am Ende evaluiert und danach die Krankheit festzustellen sei, die hauptsächlich verantwortlich für die Veranlassung des stationären Aufenthaltes gewesen sei. Sie hat sich auf eine Stellungnahme des Dr. S1 vom 13.09.2007, ein Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 13.11.2006 (S 15 KR 293/04) und auf Unterlagen der Bayerischen Krankenhausgesellschaft gestützt.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 08.07.2009 abgewiesen und entschieden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten seien. Zur Begründung hat es i.W. ausgeführt:
Die Beklagte habe den von der Klägerin geforderten Betrag nicht ohne Rechtsgrund von der Klägerin erlangt. Ihr habe gegen die Klägerin ein Vergütungsanspruch in voller Höhe zugestanden. Die von der Beklagten vorgenommene Kodierung mit der Hauptdiagnose G40.2 und Abrechnung mit der DRG-Fallpauschale B76.A sei entgegen der Ansicht der Klägerin nicht fehlerhaft gewesen.
Ausweislich der Ausführungen in DKR D 002 d werde die Hauptdiagnose definiert als "die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist. Der Begriff "nach Analyse" bezeichne die Evaluation der Befunde am Ende des stationären Aufenthaltes um diejenige Krankheit festzustellen, die hauptsächlich verantwortlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes war. Die dabei evaluierten Befunde könnten Informationen enthalten, die aus der medizinischen und pflegerischen Anamnese, einer psychiatrischen Untersuchung, Konsultationen von Spezialisten, einer körperlichen Untersuchung, diagnostischen Tests oder Prozeduren, chirurgischen Eingriffen und pathologischen oder radiologischen Untersuchungen gewonnen wurde. Die nach Analyse festgestellte Hauptdiagnose müsse nicht der Aufnahmediagnose oder Einweisungsdiagnose entsprechen.
Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen, insbesondere der klaren Abgrenzung von Hauptdiagnose einerseits und Einlieferungs- / Einweisungsdiagnose andererseits sowie der rückschauend (nach Analyse) vorzunehmenden Bewertung sei der Abrechnung – wie auch erfolgt – als Hauptdiagnose die Epilepsieerkrankung des Versicherten und nicht Fieberschübe aufgrund einer Sepsis zugrunde zu legen gewesen. Diese sei auf der Verordnung vermerkt gewesen. Die Aufnahme des Versicherten sei dementsprechend auch in der Neuropädiatrischen – und nicht in der Allgemein Pädiatrischen – Kinderklinik der Beklagten erfolgt, die auf die Behandlung von neuropädiatrisch und epileptologisch Kranken, insbesondere auch schwerst mehrfachbehinderten Kindern und Jugendlichen, spezialisiert sei. Sowohl die Fieberschübe als auch die vor dem Aufenthalt bei der Beklagten mehrfach stationär und zuletzt ambulant im Lebenszentrum L behandelte therapieschwierige Epilepsie hätten zur stationären Einweisung des Versicherten durch den behandelnden Arzt geführt. Nach Abklingen der Fieberschübe am 04.10.2005 sei sodann die Behandlung der Epilepsieerkrankung erfolgt. Sie habe bei rückblickender Bewertung die Behandlungsmaßnahmen erfordert und die Dauer des Krankenhausaufenthaltes ganz überwiegend mitbestimmt. Neben der Auslegung der in den DKR enthaltenen Definition der Hauptdiagnose spreche auch der Zweck, der mit der Einführung des DRG-Vergütungs-Systems verfolgt worden sei dafür, die Hauptdiagnose der Behandlung der Epilepsie zuzuordnen. Es solle einerseits durch Pauschalierungen einen praktikablen Differenzierungsgrad ermöglichen, andererseits aber auch komplexe Fälle abbilden können und eine leistungsgerechte Vergütung gewährleisten (Hinweis auf SG Würzburg, Gerichtsbescheid vom 13.11.2006, S 15 KR 293/04). Eine adäquate Abbildung der Krankenhausleistung müsse dazu führen, die Epilepsie zur Bestimmung der Hauptdiagnose heranzuziehen. Nur diese werde der vom Krankenhaus erbrachten hochspezialisierten Leistung gerecht. Der Behandlungsfall sei mithin mit der Hauptdiagnose G40.2 abzubilden und damit der DRG D56.A zuzuordnen gewesen. Die entsprechende Vergütung habe die Beklagte nicht ohne Rechtsgrund erlangt. Ein Erstattungsanspruch der Klägerin bestehe nicht.
Die Kostenentscheidung des Gerichtsbescheides hat das SG mit auf § 138 SGG gestützten Beschluss vom 20.08.2009 dahin berichtigt, dass die Klägerin die Kosten des Verfahrens trage.
Am 02.09.2009 hat die Klägerin gegen den ihr am 06.08.2009 zugestellten Gerichtsbescheid Berufung und gegen den Berichtigungsbeschluss Beschwerde eingelegt
Zur Begründung führt sie aus: Anders als nach früherer Rechtslage sei nach den maßgeblichen Vereinbarungen der Vertragsparteien nach § 17b Krankenhaus- finanzierungsgesetz (KHG) die Hauptdiagnose nicht danach zu bestimmen, was im nachhinein betrachtet bei der Behandlung den meisten Aufwand verursacht hat, sondern was hauptsächlich für die Veranlassung des Krankenhausaufenthaltes verantwortlich war. Der Versicherte sei mit deutlichen Zeichen einer Entzündung aufgenommen worden, deren Ursache die infizierte PEG-Einstichstelle gewesen sei. Nach der chirurgischen Spreizung des alten Einstichkanals sei es zur zur Entfieberung gekommen, jetzt seien nach der Krankenakte "vermehrt klassifizierbare Krampfanfälle aufgetreten". Also habe das Symptom "Fieber" die Aufnahme und den stationären Aufenthalt veranlasst. Nach Analyse sei dann festgestellt worden, dass das Fieber (Symptom) durch eine Sepsis hervorgerufen worden und diese als Hauptdiagnose zu kodieren sei. Zum Aufnahmezeitpunkt habe die Epilepsie überhaupt nicht als konkurrierende Hauptdiagnose zur Debatte gestanden. Die Epilepsie sei in diesem Fall als Nebendiagnose gewürdigt. Also habe auch rückblickend die Epilepsie die Aufnahme nicht hauptsächlich veranlasst. Weil hier nicht zwei Diagnosen als Hauptdiagnose in Betracht hätten kommen können könne es auch kein Bestimmungsrecht des Arztes geben.
Die Beklagte könne sich schließlich auch nicht auf den Wegfall der Bereicherung durch den zwischenzeitlich durchgeführten Erlösausgleich berufen. Die Erlösausgleiche erfolgten nicht rückwirkend bezogen auf konkrete Fälle und konkrete Krankenkassen. Das Krankenhausbudget werde für einen zukünftigen Zeitraum vereinbart. Die "Verrechnung" der Erlösausgleiche erfolge mit der Abrechnung der zukünftig zu erbringenden Leistungen. Sollte eine Krankenkasse im bevorstehen Zeitraum keinen Behandlungsfall in diesem Krankenhaus haben, bleibe diese Krankenkasse bei Erlösausgleichen unberücksichtigt. Eine vergangenheitsbezogene Betrachtung inklusive einer Veränderung bzw. Anpassung der Abrechnung komme somit nicht infrage.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 08.07.2009 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 20.08.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag von 19.265,13 Euro nebst 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 23.07.2007 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid. Die Klägerin stelle unzutreffend allein auf den Aufnahmegrund ab. Bei der Definition der Hauptdiagnose sei jedoch bewusst nicht die Formulierung "Veranlassung der stationären Aufnahme" gewählt worden. Die nach Analyse festgestellte Hauptdiagnose müsse daher nicht der Aufnahmediagnose oder Einweisungsdiagnose entsprechen. Veranlassung heiße nicht "Aufnahmeanlass", sondern beziehe sich auf die gesamte stationäre Behandlung. Es sei dazu eine ex post-Analyse vorzunehmen. Im Zeitraum vom 22.09. bis 10.11.2005 habe das cerebrale Anfallsleiden des Versicherten im Mittelpunkt gestanden, das bei Aufnahme bereits bestanden habe und vom behandelnden Arzt als Einweisungsgrund genannt worden sei. Wegen der Mehrfachbehinderung mit Epilepsie sei der Versicherte auch gezielt in einer auf die Behandlung von Epilepsie spezialisierten Abteilung aufzunehmen gewesen und habe es sich um eine äußerst schwierige Komplexbehandlung gehandelt. Ohne die Epilepsie wäre er in eine wohnortnahe Klinik mit einer Inneren oder Chirurgischen Klinik eingewiesen worden.
Ohnehin sei die Genese des Fiebers auch im Rahmen der stationären Behandlung nicht sicher klärbar gewesen. Bei dem Fieber habe es sich um ein Symptom gehandelt. Ein Symptom könne nur zur Hauptdiagnose werden, wenn es ausschließlich behandelt werde. Für die Zuweisung einer Hauptdiagnose gelte grundsätzlich, dass eine Diagnose vor einem Symptom zu kodieren sei. Eine vermutete "bakterielle Infektion" wäre nur als Verdachtsdiagnose kodierbar gewesen, die Diagnose G40.2 sei dagegen völlig unstreitig. Die Behandlung der Epilepsie habe auch eindeutig den höheren Ressourcenverbrauch zur Folge gehabt. Für den Fall, dass mehrere Diagnosen als Hauptdiagnose in Betracht kommen, wiesen die Kodierrichtlinien dem Arzt die Entscheidungskompetenz für die Auswahl der Hauptdiagnose zu.
Zu den vom Senat angesprochene Anlagen zur Vereinbarung zu der DKR Version 2002 für das G-DRG-System gemäß 17b KHG sei anzumerken, dass es rechtlich allein auf den Wortlaut der zum dem Zeitpunkt der Behandlung geltenden Richtlinien ankomme, nicht aber auf frühere Kodierrichtlinien und/oder vertragliche Vereinbarungen, die im Rahmen der Einführung von der DRG-Fallpauschalen und zu deren "Erprobung" getroffen worden seien und aufgrund ihres zeitlich begrenzten Regelungsbereichs keine Anwendung mehr fänden. Richtig sei, dass die Vertragspartner damals übereingekommen seien, die australische Definition der Hauptdiagnosen zu übernehmen. Die dortige Definition decke sich weitgehend mit der Formulierung der DKR 2002. Zusätzlich heiße es dort, dass die Umstände der Aufnahme eines stationären Patienten die Auswahl der Hauptdiagnose bestimmten. Im Zusammenhang mit der Anlage 2 zur Anlage 2 zur Vereinbarung zu den DKR Version 2002 würden die Fallgestaltungen deutlich, die aufgrund der Übernahme der australischen Definition der Hauptdiagnose zu Änderungen bei der Bewertung der Hauptleistung des Krankenhauses im Vergleich zum Fallpauschalen- und Sonderentgeltsystem gemäß Bundespflegesatzverordnung führen. Es gehe um Fälle, in denen während eines stationären Aufenthalts eine weitere Krankheit diagnostiziert wird, die in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Erkrankung steht, die die Aufnahme verursacht hat (=Zufallsbefunde). Schon damals seien sich die Vertragsparteien darüber einig gewesen, solchen Auswirkungen der geänderten Definition der Hauptdiagnose künftig Rechnung zu tragen. Insoweit sei aus Sicht der Beklagten unter anderem von Bedeutung, dass in den Folgeregelungen der DKR keine Bezugnahme auf die Anlage 1 zu Anlage 2 zur Vereinbarung zu den DKR erfolgt sei. Seit 2003 existiere keine Vereinbarung, die die Definition der Hauptdiagnose vorgebe. Auf die frühere Formulierungsvereinbarung für die Testphase der G-DRG könne also nicht abgestellt werden. Nach der für 2005 allein maßgeblichen Fassung der DKR 002 ergebe sich allein aus der Formulierung "Veranlassung", dass die Hauptdiagnose in mittelbaren oder unmittelbaren Zusammenhang mit der Aufnahme stehen müsse. Unstreitig seien damit Diagnosen als Hauptdiagnose ausgeschlossen, die erstmals während der stationären Behandlung auftreten, weil diese den Krankenhausaufenthalt nicht veranlasst haben könnten. Hier habe jedoch die behandlungsbedürftige schwerste Mehrfachbehinderung mit focaler symptomatischer Epilepsie des Versicherten zweifellos in unmittelbaren Zusammenhang mit der streitgegenständlichen stationären Aufnahme in den neuropädiatrische Kinderklinik geführt. Daher gebe es keinen Bedenken, die Hauptdiagnose auf Grundlage DKR 002 in diesem Fall mit der ICD-10 G40.2 zu bestimmen. Der stationäre Aufenthalt des Versicherten sei von der "Grunderkrankung" maßgeblich bestimmt, auch wenn die stationäre Aufnahme durch die unklaren Fieberschübe mit ausgelöst worden sei. Sie sehe ihre Auslegung auch durch das Urteil des SG Stralsund vom 10.08.2012 – S 3 KR 35/09- bestätigt.
Ferner meint sie, dass in Höhe von 14.308,00 EUR ein Wegfall der Bereicherung eingetreten sei.
In der Vergütungsvereinbarung vom 5.12.2005 für 2005 sei für das Krankenhaus der Beklagten retrospektiv eine krankenhausindividuelle Vereinbarung der DRG B76A mit 38 Fällen bzw. 840 Tagen und einem Tagessatz von 308,00 EUR vereinbart worden. Zu diesen 38 Fällen habe auch der hier streitige Fall gehört. Folge dessen sei gewesen, dass sich durch die retrospektive Vereinbarung der Vergütungsvereinbarung vom 5.12.2005 für den Budgetzeitraum 2005 zwangsläufig Überzahlungen aus der bis dahin auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben mit 600,00 EUR pro Pflegetag erfolgten Abrechnung der DRG B76A ergeben hätten. Diese Überzahlung seien aufgrund der weiteren Vereinbarung der Parteien der Vergütungsvereinbarung 2005 und 2006, die für alle Krankenkassen, d.h. auch die Klägerin, verbindlich sei, im Rahmen des gesetzlich vorgesehenen Erlösausgleichs an die Krankenkassen zurückgeführt worden. Die Überzahlungen des Tagessatzes für die bis zu der Vereinbarung auf Grundlage der gesetzlichen Vorgaben mit 600,00 EUR täglich abgerechneten Fälle mit täglich 292 EUR seien in den Erlösausgleich für 2005 eingeflossen. Im Streitfall errechne sich daher ein Betrag von 14.308,00 EUR (49 Tage x 292,00 EUR), der auf Grundlage von § 15 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntG) a.F. Bestandteil des Erlösausgleichs geworden sei. U.a. aus der Differenz der für die B76A abgerechneten Entgelte und den Entgelten, die zu berechnen gewesen wären, wenn der Tagessatzsatz prospektiv verhandelt und ab dem 1.1.2005 abgerechnet worden wäre, habe sich ein Rückführungsanspruch zu Gunsten der Krankenkassen i.H.v. 418.445,00 EUR ergeben. Dieser Betrag sei in den Gesamterlösausgleich für 2005 i.H.v. 2.257.974,00 EUR eingeflossen. Hierauf sei von den Vertragsparteien zunächst ein Abschlag i.H.v. 2.000.000 EUR im Budget des Jahres 2006 für das Krankenhaus der Beklagten berücksichtigt worden. Damit sei aber die tageweise Überzahlung bei der Abrechnung der über die DRG B76A im Jahre 2005 abgerechneten Behandlungsfälle im Krankenhaus der Beklagten in Höhe von 292,00 EUR pro Tag bereits in 2006 rückabgewickelt worden. An diese Vereinbarung der Vertragsparteien sei auch die Klägerin nach § 4 Abs. 11 KHEntG 2005 gebunden. Sie könne den bereits auf Grundlage der Vergütungsvereinbarung zurück abgewickelten Betrag von 292,00 EUR pro Pflegetag daher nicht nochmals von der Beklagten zurückfordern. Jedenfalls sei aufgrund der Rückabwicklung eine Bereicherung der Beklagten weggefallen. Öffentlich-rechtliche Wertungszusammenhänge stünden hier einer Anwendbarkeit des § 818 Abs. 3 BGB eindeutig nicht entgegen. Die Beklagte habe sich an die Vergütungsvereinbarung vom 05.12.2005 gehalten und halten müssen. Die Rückforderung durch die Klägerin sei erstmals nach der von ihr eingeholten Stellungnahme des MDK vom 22.09.2006 mit dem Schreiben vom 05.12.2006 erfolgt. Alle adäquat kausal auf dem Bereicherungsvorgang beruhenden Vermögenseinbußen des Bereicherungsschuldners seien als Entreicherung vom Herausgabeanspruch abzuziehen, wenn sie auf sein Vertrauen in die Beständigkeit des Erwerbs zurückzuführen seien. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte, der Verwaltungsakte der Beklagen und der Krankenakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
Zu Unrecht hat das SG mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid die Klage abgewiesen.
Die Klage ist als echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig (st. Rspr. vgl. etwa BSG, Urteil v. 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R , BSGE 109, 236 m.w.N.). Sie ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung von 19.265,13 Euro, der ab dem 23.07.2007 mit 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen ist.
Rechtsgrundlage des Anspruchs der Klägerin ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, der bei der hier gegebenen öffentlich-rechtlich Rechtsbeziehung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger (vgl. BSG SozR 4-5565 § 14 Nr. 10) an die Stelle des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs nach § 812 BGB tritt (vgl. BSGE 109, 236 m.w.N.).
Der im öffentlichen Recht seit langem anerkannte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt voraus, dass im Rahmen eines öffentlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht oder sonstige rechtsgrundlose Vermögensverschiebungen vorgenommen worden sind (vgl. BSGE 109, 236 m.w.N.) Seine Anspruchs- voraussetzungen und Rechtsfolgen entsprechen zwar, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind, denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs, ein Rückgriff auf die zivilrechtlichen Normen schiedet aber aus, soweit der vom öffentlichen Recht selbstständig entwickelte Erstattungsanspruch reicht (vgl. BSGE 38, 46, 47). Dies gilt namentlich für die Nichtanwendbarkeit der bereicherungsrechtlichen Vorschriften, denen öffentlich-rechtliche Wertungszusammenhänge entgegenstehen (vgl. BSGE 38, 46; BSGE 109,236; BVerwGE 71, 85; BVerwGE 112, 351).
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen solchen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch in Höhe der geforderten 19.265,13 Euro, weil sie in dieser Höhe der Beklagten Krankenhausvergütung ohne Rechtsgrund gezahlt hat. Die Beklagte hätte die zugunsten des Versicherten erbrachten Leistungen nicht in Höhe von 29.401,03 Euro, sondern lediglich in Höhe von 10.136,17 Euro abrechnen dürfen. Der Vergütungsanspruch der Beklagten für die Krankenhausbehandlung des Versicherten ergibt sich nämlich nicht aus der von der Beklagten angesetzten höher vergüteten DRG B76A, die letztlich nach der ansonsten zwischen den Beteiligten unstreitigen Berechnung zu einem Vergütungsanspruch in Höhe von 29.401,03 Euro geführt hätte, sondern aus der niedriger vergüteten DRG T60B, die lediglich zu einem Anspruch in Höhe von nur 10.136,17 Euro führt. Das wiederum beruht letztlich darauf, dass hier die Hauptdiagnose nach der ICD 10 mit ICD-Schlüsselnummer A41.9 (Sepsis, nicht näher bezeichnet) zu kodieren ist, während die G40.2 (Lokalisationsbezogene (fokale) (partielle) symptomatische Epilepsie und epileptische Syndrome mit komplexen fokalen Anfällen) lediglich als Nebendiagnose zu kodieren ist und deshalb die Prozedur 8-972.2 (Komplexbehandlung bei schwer behandelbarer Epilepsie. mindestens 21 Behandlungstage ) nicht abrechnungsrelevant ist.
Maßgeblich für den zunächst erforderlichen Schritt der Verschlüsselung der Diagnosen und der durchgeführten Behandlungen sind hier die ICD-10-GM in der Version 2005 und die Operationen- und Prozedurenschlüssel nach § 301 SGB V (OPS-301). Zur sachgerechten Verschlüsselung oder Kodierung haben die Vertragspartner auf Bundesebene die DKR beschlossen, deren Version für das Jahr 2005 hier wegen des Behandlungsbeginns im Jahr 2005 anzuwenden ist.
Die Definition der Hauptdiagnose in der DKR 2005 erfolgt unter D002d der Allgemeinen Kodierrichtlinie. Sie wird dort definiert als "die Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist." Diese Definition ist maßgeblich, weil hier keine Spezielle Kodierregel eingreift (vgl. BSG, Urteil v. 08.11.2011 a.a.O.)
Der Begriff "nach Analyse" bezeichnet die Evaluation der Befunde am Ende des stationären Aufenthaltes, um diejenige Krankheit festzustellen, die hauptsächlich verantwortlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthalts war. Die dabei evaluierten Befunde können Informationen enthalten, die aus der medizinischen und pflegerische Anamnese, einer psychiatrischen Untersuchung, Konsultationen von Spezialisten, einer körperlichen Untersuchung, diagnostischen Tests oder Prozeduren, chirurgischen Eingriffen und pathologischen oder radiologischen Untersuchungen gewonnen wurden. Für die Abrechnung relevante Befunde, die nach der Entlassung eingehen, sind für die Kodierung heranzuziehen. Die nach Analyse festgestellte Hauptdiagnose muss nicht der Aufnahmediagnose oder Einweisungsdiagnose entsprechen.
Aus die Formulierung "nach Analyse" in den DKR 2005 ergibt sich damit ohne weiteres, dass die Hauptdiagnose immer erst am Ende der Behandlung festgelegt werden kann, dass also unerheblich ist, ob bereits der einweisende Arzt (Einweisungsdiagnose) oder der aufnehmende Arzt (Aufnahmediagnose) die zutreffende Diagnose gestellt haben. Vielmehr soll diese Frage, wie der in die DKR 2005 neu aufgenommene Zusatz, dass für die Abrechnung relevante Befunde, die nach der Entlassung eingehen, für die Kodierung heranzuziehen seien, weiter verdeutlicht, ggf. unter Berücksichtigung nach Abschluss der Behandlung eingehender Befunde wie z.B. aus Labor oder Histologie beantwortet werden.
Die "Analyse" zur Festlegung der Hauptdiagnose zielt jedoch nicht auf die Frage, welche Krankheit retrospektiv den Hauptkostenaufwand bedingt hat (zum Ausnahmefall, dass zwei oder mehr Diagnosen gleichermaßen der Definition der Hauptdiagnose entsprechen s. Schlottmann/Klein, Kommentierung Deutsche Kodierrichtlinien Version 2005 S. 9). Sie richtet sich vielmehr darauf, welche Krankheit hauptsächlich für die "Veranlassung des Krankenhausaufenthalts" verantwortlich ist. In den DKR 2005 wurde zwar bewusst nicht die Formulierung "Veranlassung der Aufnahme" aufgenommen (zu den Gründen s. bei Schlottman/Klein a.a.O. S. 5), bereits das Wort "Veranlassung" gibt sprachlich jedoch schon die Blickrichtung auf den Behandlungsbeginn vor. Maßgeblich müssen die Umstände bei Aufnahme des Patienten sei, auch wenn diese "nach Analyse", also retrospektiv zu beurteilen sind. Dieses Abstellen auf die Umstände der Aufnahme ist eine Konsequenz aus der Übernahme des australischen DRG-Systems und wurde bereits von den Vertragsparteien bei der Formulierung der DKR 2002 zum Ausdruck gebracht, wo im Übrigen auch die Möglichkeit von Problematiken wie der hier im Vordergrund Stehenden erkannt wurde.
In der Anlage 2 zur Vereinbarung zu den Deutschen Kodierrichtlinien Version 2002 für das G-DRG-System gemäß § 17 b KHG heißt es nämlich:
"Die Vertragspartner vereinbaren folgendes Vorgehen:
1. Die australische Definition der Hauptdiagnose wird übernommen (s. Anlage 1).
2. Die Definition der Hauptdiagnose ist als Bestandteil der Allgemeinen Kodierrichtlinien für die Diagnosen nicht von diesen zu trennen.
3. Die Definition der Hauptdiagnose steht in engstem Zusammenhang mit der Verabschiedung der Allgemeinen Kodierrichtlinien durch die Vertragspartner.
4.- 6 …
7. Sofern Erkenntnisse darüber gewonnen werden, dass relevante inadäquate Erlöse bezogen auf die erbrachten Leistungen in den Kliniken durch diese Fallkonstellationen auftreten, verpflichten sich die Vertragspartner angemessene Regelungen im Sinne einer leistungsgerechten Vergütung zu vereinbaren. Diese Regelungen können sowohl eine Änderung/Ergänzung der Kodierrichtlinien, eine Anpassung der DRG-Fallgruppendefini- tion, als auch eine gesonderte Vergütungsregelung bedeuten. Die Regelungen sind vor der Einführung und Abrechnung mit DRGs zu verabschieden.
Begründung:
Bei den Verhandlungen über die Definition der Hauptdiagnose sind die Vertragspartner folgenden Erkenntnissen gekommen.
Die Auswahl der Hauptdiagnose wird in Australien durch die Umstände der Aufnahme bestimmt, sofern keine anders lautende allgemeine oder spezielle Kodierrichtlinie anzuwen- den ist. Demnach steht die Definition im Gegensatz zu der derzeitigen deutschen Regelung, bei der diejenige Diagnose ausgewählt wird, die den größten Aufwand im Krankenhaus verursacht hat. Die beiden unterschiedlichen Definitionen werden voraussichtlich in der Mehrzahl der Fälle zu der Auswahl identischer Hauptdiagnosen führen.
In einer derzeit in ihrem Umfang noch nicht bezifferbaren Anzahl von Fällen kann die australische Definition zu einer ökonomisch relevanten Benachteiligung der Krankenhäuser führen, sofern keine ausreichenden finanziellen Kompensationsmöglichkeiten existieren. Dem Anspruch, dass das Geld der Leistung folgt, wird das DRG-System in diesen Ausnahmefällen möglicherweise nicht gerecht."
Ferner heißt es in der Anlage 1 zur Anlage 2 zur Vereinbarung zu den deutschen Kodierrichtlinien Version 2002 für das G-DRG-System gemäß § 17 b KHG.a.: "Die Umstände der Aufnahme eines stationären Patienten bestimmen die Auswahl der Hauptdiagnose."
Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass die hier maßgeblichen DKR 2005 keine Anlage wie die oben zitierte des Jahres 2002 aufweist, ist dies nicht relevant. Die Wahl des australischen Systems mit dem Abstellen auf die Umstände der Aufnahme war nur bei der Einführung des DRG-Systems zu treffen und wirkt für die DKR 2005 selbstverständlich fort.
Danach erfüllt zur Überzeugung des Senats nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, namentlich dem Inhalt der die streitige Behandlung des Versicherten betreffenden Krankenakte, hier allein die mit der ICD-Schlüsselnummer A41.9 zu kodierende "Sepsis, nicht näher bezeichnet" die Voraussetzungen der Definition der Hauptdiagnose D002d, während die G40.2 (Lokalisationsbezogene (fokale) (partielle) symptomatische Epilepsie und epileptische Syndrome mit komplexen fokalen Anfällen) lediglich als Nebendiagnose zu kodieren ist.
Der Sepsis ist mit hoher Wahrscheinlichkeit das unklare Fieber, an dem der Versicherte gelitten hatte, retrospektiv zuzuordnen und diese Krankheit stellt "nach Analyse" diejenige dar, die hauptsächlich für die "Veranlassung des Krankenhausaufenthalts" im oben erläuterten Sinne verantwortlich gewesen ist.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um einen Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 auch Krankenhausbehandlung. Anspruch auf vollstationäre Krankenhausbehandlung haben nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V Versicherte, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- oder nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Erforderlich war hier aber eine stationäre Krankenbehandlung des Versicherten allein wegen der damals mit der Einweisungsdiagnose als "unklares Fieber" beschriebenen Erkrankung erforderlich, auch wenn die Einweisungsdiagnose, die nach dem Vorgesagten ohnehin nicht maßgeblich sein kann, auch die Epilepsie nennt. Eine Epilepsie, von der die Beklagte als "Grunderkrankung" spricht, lag bei dem mehrfach- und schwerstbehinderten Versicherten zwar vor. Die Verwendung des Begriffs der Grunderkrankung ist im Rahmen der Kodierung jedoch wenig hilfreich und weist hier zudem in die falsche Richtung. Denn das Fieber war nicht Ausdruck der Epilepsie, sondern bestand auf dem Boden der Sepsis. Die seit Jahren bestehende Epilepsie, die bei wechselhaftem Verlauf in der Vergangenheit zu wiederholten Krankenhausaufenthalten geführt hatte, war zu dem Zeitpunkt der Aufnahme des Versicherten ambulant medikamentös behandelbar und entsprechend behandelt worden. Die Epilepsie hatte zu diesem Zeitpunkt eben keine vollstationäre Behandlung im Sinne des § 39 SGB V erforderlich gemacht, auch wenn die Wahl einer spezialisierten Einrichtung vor dem Hintergrund der Epilepsie und wegen dieser möglicher Komplikationen erfolgt ist. Das septische Fieber dagegen, während der stationären Behandlung wurden bis zu 40,5 Grad Celsius gemessen, war mit den Mittel der ambulanten Krankenhandlung (antibiotische Therapie) ersichtlich nicht mehr beherrschbar, zumal seine Ursache noch unklar gewesen ist. Sie hat initial Veranlassung zur Krankenhausbehandlung gegeben. Nur die Sepsis, der rückblickend das stationär behandlungsbedürftige Fieber zuzuordnen ist, konnte daher als Hauptdiagnose kodiert werden. Dass es sich hierbei um eine von den DKR ausgeschlossene Kodierung von Symptomen oder um eine Verdachtsdiagnose handeln solle, wie die Beklagte einwendet, sieht der Senat nicht. Auch stellt sich, wie die Klägerin richtig ausführt, die Frage nicht, wie bei zwei oder mehreren Hauptdiagnosen die zutreffende DRG zu bestimmen ist, weil die Epilepsie nicht als (weitere) Hauptdiagnose zu kodieren ist.
Zu Unrecht beruft sich die Beklagte demgegenüber auf die Entscheidung des Sozialgerichts Stralsund (Urteil v. 10.08.2012 – S 3 KR 35/09). Dort ging es vor allem um die Frage, ob erst im Laufe der Behandlung erhobene Befunde mit einzubeziehen waren. Auch das SG Stralsund (a.a.O. Rz. 31 (juris)) führt i.Ü. aus, und das stützt die Auffassung der Beklagten gerade nicht, dass auch die erst im Verlauf erhobenen Befunde auf Grund der "ex post" zu erfolgenden Evaluation "aufnahmeveranlassend" (Unterstreichung durch den Senat) im Sinne der D002d DKR sein können.
Die Epilepsie, die zweifellos erheblichen zusätzlichen und nach der Entfieberung und dem Auftreten von massivem Erbrechen überwiegenden Behandlungsbedarf bedingt haben mag, war, wie durch den MDK geschehen, mithin nur als Nebendiagnose zu kodieren.
Unter Berücksichtigung dieser entscheidenden Vorgaben stellt sich die der Rückforderung der Klägerin zugrundeliegende Kodierung als zutreffend dar, die zu einem Entgelt von lediglich 10.136.17 Euro führt. Wenn dieses Entgelt den Aufwand und die Leistung des Krankenhauses unzureichend abbilden sollte, wäre dies ein, wie oben dargelegt, von den Vertragsparteien schon bei Einführung des am australischen System orientierten DRG-Systems als möglich gesehener und hingenommener Effekt, dessen Beseitigung mit Wirkung für die Zukunft nach gesetzlicher wie vertraglicher Lage im jährlich weiter zu entwickelnden lernenden System (§ 17b Abs. 2 Satz 1 KHG) in erster Linie den Vertragsparteien überlassen worden ist (vgl. auch BSG, Urteil v. 25.11.2010 – B 3 KR 4/10 R).
Nach alledem besteht bei einer zunächst entsprechend § 15 des Landesvertrages erfolgten Zahlung durch die Klägerin in Höhe von 29.401,03 Euro ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch in Höhe der von der Klägerin geforderten 19.265,13 Euro.
Dieser Anspruch ist weder durch den für das Jahr 2005 durchgeführten Erlösausgleich (teilweise) weggefallen, noch kann ihm die Beklagte entgegen halten, dass sie in Folge des Erlösausgleichs entreichert sei.
Ein Erlösausgleich (hier nach dem KHEntG a.F.) stellt keine Überprüfung oder Rückabwicklung einer konkreten und individuellen Vergütung einer stationären Behandlung dar. Er findet insbesondere nicht zwischen Krankenhaus und einzelner Krankenkasse statt und die Krankenkasse erlangt nicht die Stellung einer Gläubigerin des Erlösausgleichs. Eine zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger streitige Erstattungsforderung wird durch einen Erlösausgleich nicht erfüllt, sie geht auch nicht sonst unter.
Auf einen Wegfall der Bereicherung kann sich die Beklagte nicht berufen. Auch wenn die Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen des öffentlich-rechtlichen Erstattungs- anspruchs, soweit sie nicht spezialgesetzlich geregelt sind, denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs entsprechen, scheidet ein Rückgriff auf die zivilrechtlichen Normen aus, soweit der vom öffentlichen Recht selbstständig entwickelte Erstattungsanspruch reicht (vgl. BSG, Urteil v. 08.11.2011 a.a.O. m.w.N.). Dies gilt namentlich für die Nichtanwendbarkeit der bereicherungsrechtlichen Vorschriften, denen öffentlich-rechtlicher Wertungszusammenhänge entgegenstehen. So verneint das BVerwG in ständiger Rspr. wegen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung die Möglichkeit der Berufung auf § 818 Abs. 3 BGB. (vgl. z.B. BVerwG Urteil v. 12.03.1985 – 7 C 48/82, BVerwGE 71,75; BVerwG, Urteil v. 18.01.2001- 3 C 7/00, BVerwGE 112,351; vgl. auch BSG, Urteil v.06.10.1977 – 7 Rar 55/76, BSGE 45, 38,46 ff. zur Nichtanwendung des § 818 Abs. 3 BGB bei der Rückforderung von BAB). A
Auch hier kommt eine Anwendung des § 818 Abs. 3 BGB nicht in Betracht. Die Behandlungsvergütung ist zwar im Erlösausgleich – unter Berücksichtigung des vom Senat bestätigten Erstattungsanspruch zu Unrecht – so berücksichtigt worden, als wäre sie der Beklagten im Jahr 2005 endgültig zugeflossen. Es liegt aber auf der Hand, dass dieses Problem den Erlösausgleich betrifft und zwischen dessen Vertragsparteien liegt und von diesen zu lösen ist (vgl. dazu Seifert, Die Bilanzierung von Ausgleichsforderungen bzw.- verbindlichkeiten, KH 2006,735, 739; vgl. auch BVerwG, Urteil v. 18.03.2009 – 3 C 14.08 – zum Mehrausgleich, wenn die Krankenkasse ihre Zahlungspflicht bei Rechnungsbeiträgen bestreitet). Die Berücksichtigung auch des von der Beklagten der Klägerin zu erstattenden Betrages im Rahmen des (Mehr-)Erlösausgleichs und der Budgetierung für 2006 kann daher nicht im Verhältnis zur Krankenkasse durch eine Minderung des Erstattungsanspruchs der Krankenkasse im Wege der Erhebung der Einrede des Wegfalls der Bereicherung durch das Krankenhaus oder dessen Träger kompensiert werden. Die Beklagte würde es auch nicht gegen sich gelten lassen, wenn die Krankenkasse einer nach Jahren im Gerichtsverfahren erstrittenen berechtigten Vergütungsforderung entgegen halten wollte, das Krankenhaus habe durch einen Mindererlösausgleich bereits einen teilweisen Ausgleich erhalten.
Der Erstattungsanspruch ist in entsprechender Anwendung der Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 3 des Sicherstellungsvertrages mit 2 Prozentpunkten über dem Basiszinsatz zu verzinsen (vgl. BSG, Urteil v. 08.09.2009- B 1 KR 8/09 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 197a SGG, 154 Abs. 1 VwGO. Mit der Entscheidung in der Hauptsache war auch die durch Beschluss vom 06.08.2009 berichtigte Kostenentscheidung des Sozialgerichts zu ändern.
Der Senat hat nach § 160 SGG die Revision zugelassen, weil er der Sache grundsätzliche Bedeutung beimisst.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.
Erstellt am: 16.06.2015
Zuletzt verändert am: 16.06.2015