Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 06.01.2014 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin auch im Beschwerdeverfahren. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin N, F, beigeordnet.
Gründe:
I.
Die am 00.00.1976 geborene Antragstellerin ist bulgarische Staatsangehörige. Sie lebt seit 2009 in der Bundesrepublik und war nach ihren Angaben in mehreren Berufen selbständig tätig, zuletzt mit einem von April bis Juni 2013 angemeldeten Gewerbe "Betrieb eines Internet-Cafes". Nach eigenen Angaben hat sie in Bulgarien fünf Jahre die Schule besucht und keine Ausbildung absolviert. Sie versteht ein wenig, spricht jedoch kein Deutsch.
Den am 19.09.2013 gestellten Antrag auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 21.11.2013 mit der Begründung ab, das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin bestehe allein zum Zwecke der Arbeitsuche, sodass sie nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sei. Über den am 18.12.2013 gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch ist nach Aktenlage bislang nicht entschieden worden.
Mit Antrag vom 23.12.2013 hat die Antragstellerin die einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (ohne Kosten der Unterkunft) begehrt. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II verstoße gegen das Recht der Europäischen Union und greife nach dem Urteil des Senats vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13 schon deshalb nicht, weil die Antragstellerin nach längerer vergeblicher Suche aktuell keine realistische Chance auf Erlangung eines Arbeitsplatzes und daher auch kein Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche mehr habe.
Mit Beschluss vom 06.01.2014 hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin verpflichtet, der Antragstellerin ab dem 23.12.2013 vorläufig bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, längstens bis zum 22.06.2014, Leistungen in Form des Regelbedarfs zu bewilligen. Dies hat die Antragsgegnerin mit vorläufigem Bescheid vom 20.01.2014 ausgeführt.
Am 22.01.2014 hat die Antragsgegnerin Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt. Die Antragstellerin unterfalle dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II, ohne dass es darauf ankomme, ob die materiellen Voraussetzungen für das Freizügigkeitsrecht noch vorlägen. Der gegenteiligen Auffassung des Senats werde nicht gefolgt. Diese führe zu einem mit dem Sinn des Leistungsausschlusses nicht zu vereinbarenden Ergebnis. Verstöße gegen Bestimmungen des Unionrechts im Sinne der Antragsbegründung lägen nicht vor.
Zu Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht der Antragstellerin im Wege der Folgenabwägung Regelleistungen nach § 20 SGB II vorläufig zuerkannt.
Der Anordnungsgrund ergibt sich aus dem glaubhaft gemachten Fehlen von Eigenmitteln.
Ob auch ein Anordnungsanspruch im Sinne eines im Hauptsacheverfahren voraussichtlich durchsetzbaren Anspruchs auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II glaubhaft gemacht ist, muss offen bleiben. Zwar erfüllt die Antragstellerin die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 – 4 SGB II, da sie das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat. Umstritten und fraglich ist jedoch, ob bei ihr der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II eingreift, weil sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt.
Eine abschließende Klärung der seit Jahren und in mehrerlei Hinsicht umstrittenen Frage, ob der Leistungsausschluss für Ausländer, die sich ausschließlich zur Arbeitsuche im Inland aufhalten, rechtmäßig und anzuwenden ist, ist im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht geboten.
Angesichts vielfältiger Rechtsprechung mit einem kaum noch überschaubaren Meinungsspektrum, mehrerer noch anhängiger Revisionsverfahren (B 4 AS 64/13 R zum Urteil des Senats vom 10.10.2013 L 19 AS 129/13; B 14 AS 16/13 R zum Urteil des SG Berlin vom 14.12.2012 S 82 AS 17717/11; B 14 AS 51/13 R zum Urteil des Bayerischen LSG L 16 AS 847/12) und zweier Vorlagen an den EuGH nach Art. 267 Abs. 1, 3 AEUV (SG Leipzig Vorlagebeschluss vom 03.06.2013 – S 17 AS 2198/12 = EUGH C-333/13 (Dano); BSG Vorlagebeschluss vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R) kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung ergehen.
Zu Recht hat das Sozialgericht daher im Wege der Folgenabwägung entschieden, dass der Antragstellerin einstweilig Regelleistungen nach dem SGB II zuzuerkennen sind.
Zwar ist auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich aufgrund einer abschließenden Prüfung der Sach- und Rechtslage zu entscheiden. Ist dies jedoch – wie hier – nicht möglich, ist nach allgemeiner Auffassung, einhelliger Rechtsprechung aller für das Leistungsrecht des SGB II zuständigen Senate des LSG Nordrhein-Westfalen und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. z.B. BVerfG Beschlüsse vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 und 06.02.2013 – 1 BvR 2366/12) im Wege der Folgenabwägung zu entscheiden, in die insbesondere die grundrechtlich relevanten Belange der Antragsteller einzustellen sind. Dies gilt unabhängig von der seitens der Antragsgegnerin als kritisch angesehenen Frage, ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II aufgrund der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 10.10.2013 – L 19 AS 129/13) schon deshalb nicht eingreift, weil die Antragstellerin vor dem Hintergrund ihres schulischen und beruflichen Werdegangs, der fehlenden Berufsausbildung, fehlender Sprachkenntnisse sowie längerfristig erfolgloser Arbeitsuche ihr Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche (mittlerweile) verloren hat. Ob diese Feststellung bei der Antragstellerin möglich ist, lässt der Senat offen, denn auch bei insoweit nicht ausgeschlossenem Eingreifen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II ist die vom Sozialgericht getroffene Folgenabwägung nicht zu beanstanden.
Im Rahmen der Folgenabwägung überwiegt das Interesse der Antragstellerin am einstweiligen Bezug existenzsichernder Regelleistungen das fiskalische Interesse der Antragsgegnerin, nicht dem Risiko der Geltendmachung einer möglicherweise nicht erfolgversprechenden Rückforderung ausgesetzt zu sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Der nach ihren glaubhaft gemachten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen bedürftigen Antragstellerin ist nach §§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG 114 ff. ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen.
Erstellt am: 10.03.2014
Zuletzt verändert am: 10.03.2014