Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 04.02.2014 geändert. Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren ohne Kostenbeteiligung bewilligt und Rechtsanwalt L, C, beigeordnet.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Aufrechnung zur Tilgung eines Darlehens zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen.
Zumindest seit März 2009 bezieht der Kläger durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Zum 01.10.2010 zog er in die Genossenschaftswohnung B 00, C. Bedingung für den Abschluss des Mietvertrag war der Erwerb eines Genossenschaftsanteils i.H.v. 1.500,00 EUR. Unter dem 31.08.2010 unterzeichnete der Kläger eine "Rückzahlungsvereinbarung" in der er unwiderruflich erklärte, dass der von dem Beklagten darlehensweise übernommene Genossenschaftsanteil und die auf diesen Genossenschaftsanteil zu zahlende Dividende für die Wohnung B 00, C an den Beklagten auszuzahlen sei, sofern er das Darlehen noch nicht getilgt habe. Am 02.09.2010 bestätigte die Genossenschaft gegenüber dem Beklagten für den Fall des Auszuges des Klägers die Auszahlung der Genossenschaftsanteile sowie der anfallenden Dividende an den Beklagten. Durch Bescheid vom 07.09.2010 übernahm der Beklagte den Genossenschaftsanteil in Form eines rückzahlbaren Darlehens nach § 22 Abs. 3 S. 3 SGB II a.F. In dem Bescheid wird ausgeführt, dass zur Sicherung der Darlehensforderung der Kläger bereits den Rückzahlungsanspruch gegen seinen Vermieter für den Fall seines Auszugs aus der Wohnung an den Beklagten abgetreten habe. Sofern der Kläger vor dem Auszug aus der Wohnung finanziell zur vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens in der Lage sein solle, werde sich der Beklagte unaufgefordert wegen einer möglichen Rückzahlung an ihn wenden.
Seit dem 01.04.2011 behält der Beklagte monatlich 10,00 EUR zur Tilgung einer Forderung i.H.v. insgesamt 587,50 EUR ein. Voraussichtliches Ende dieser Tilgung ist im März 2016.
Durch Bescheid vom 23.10.2013 teilte der Beklagte mit, dass er ab dem 01.11.2013 den Rückzahlungsanspruch aus dem Darlehen i.H.v. 1.500,00 EUR in monatlichen Raten von zurzeit 38,20 EUR gegen den Leistungsanspruch des Klägers aufrechne und den Betrag einbehalten werde.
Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, die Rückzahlung sei noch nicht fällig. In dem Darlehensbescheid vom 07.09.2010 sei verbindlich festgelegt, dass die Rückzahlung nur fällig werde, wenn er aus der Wohnung ausziehe oder finanziell zur vorzeitigen Rückzahlung in der Lage sei. Diese Fälligkeitsvoraussetzungen seien nicht gegeben. Mangels fälligem Rückzahlungsanspruch greife die Aufrechnungsmöglichkeit des § 42a Abs. 2 SGB II nicht. Durch Widerspruchsbescheid vom 23.12.2013 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Vorschrift des § 42a SGB II sei auch auf bis zum 31.03.2011 nicht aufrechenbare Darlehen anwendbar. Die in dem Bescheid vom 07.09.2010 geregelte Rückzahlungsverpflichtung bei Auszug aus der derzeitigen Wohnung stehe einer vorherigen Tilgung durch Aufrechnung nicht entgegen.
Am 09.01.2014 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Detmold erhoben. Er wiederholt im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.
Durch Beschluss vom 04.02.2014 hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Der Aufrechnungsbescheid beruhe auf § 42a Abs. 2 Sätze 1, 2 SGB II. Diese Regelung gelte auch für Rückzahlungsansprüche aus Darlehensbescheiden, die vor Inkrafttreten von § 42a SGB II zum 01.04.2011 bewilligt worden seien. Der insoweit maßgebliche § 77 SGB II enthalte keine Übergangsregelung dergestalt, dass solche Darlehen vom Geltungsbereich des § 42a SGB II ausgenommen sind. Aus dem Regelungskomplex des § 42a Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1 Alternative 2 und Abs. 4 SGB II werde deutlich, dass entweder der Rückzahlungsanspruch während des Leistungsbezugs in Höhe des monatlichen Aufrechnungsbetrags fällig gestellt werden solle oder die mangelnde Fälligkeit in dieser Höhe einer Aufrechnung nicht entgegenstehe. Diese Regelung verdränge mangels Übergangsvorschriften sämtliche Fälligkeitsregelungen in bestehenden Darlehensbescheiden.
Hiergegen hat der Kläger Beschwerde eingelegt.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft und nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2b SGG ausgeschlossen, denn die Berufung bedarf keiner Zulassung nach § 144 Abs. 1 S. 1 SGG. Streitgegenstand des Klageverfahrens ist der Bescheid vom 23.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.12.2013. Durch diesen Bescheid hat der Beklagte die Aufrechnung für die Gesamtaufrechnungssumme von 1.500,00 EUR ohne zeitliche Beschränkung erklärt, so dass sich der angefochtene Bescheid nicht nur auf die laufende Bewilligung, sondern auf die Gesamtaufrechnungssumme von 1.500,00 EUR bezieht (vgl. LSG Thüringen Beschluss vom 02.01.2014 – L 9 AS 1089/13 B; vgl. auch LSG Bayern Beschluss vom 21.06.2013 – L 7 AS 329/13 B).
Die Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Bevollmächtigten zu Unrecht abgelehnt.
Nach § 73 a Abs. 1. S. 1 SGG i.V.m. §§ 114, 115 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung – Aufhebung des Bescheides vom 23.10.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.12.2013 – bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen schon insoweit, als offen ist, ob die im Bescheid genannte Aufrechnungssumme von 1.500,00 EUR korrekt ist. Zwar hat der Beklagte das Darlehen in dieser Höhe bewilligt. Zur Sicherung der Darlehensforderung hat der Kläger dem Beklagten jedoch auch die aus den Genossenschaftsanteilen anfallenden Dividenden abgetreten. Diese sind mit der Darlehenssumme zu verrechnen. Insoweit ist aufzuklären, ob und ggfl. in welcher Höhe dem Beklagten vor dem Erlass des Bescheides vom 23.10.2013 Dividenden zugeflossen sind. Nach dem Internetauftritt der Genossenschaft Freie Scholle (http//www.freie-scholle.de) ist eine Dividendenzahlung nicht auszuschließen.
Die für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung erforderliche Aufrechnungslage liegt nicht vor. Eine solche setzt u. a. die Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs voraus. Zutreffend hat der Kläger dargelegt, dass der Beklagte in dem Darlehensbescheid 07.09.2010 die Voraussetzungen für die Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs geregelt hat (vgl. zur Zulässigkeit der Regelung der Darlehensmodalitäten durch Verwaltungsakt Urteil des Senats vom 08.10.2012 – L 19 AS 1569/11). Diese Voraussetzungen – Auszug aus der Wohnung oder Änderung der finanziellen Verhältnisse- sind nicht eingetreten. Die in dem Bescheid vom 07.09.2010 enthaltenen Bestimmungen zur Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs sind nicht durch die ab dem 01.04.2011 geltende Vorschrift des § 42a SGB II abgeändert oder unwirksam i.S.v. § 39 Abs. 2 SGB X geworden. Die Vorschrift des § 42a Abs. 2 SGB II, die u.a. die sofortige Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs aus einem Darlehen nach § 22 Abs. 6 SGB II (vormals § 22 Abs. 3 S. 3 SGB II) vorsieht und die Rückzahlung eines solchen Darlehens durch Aufrechnung regelt, stellt eine echte Rechtsänderung dar (BSG Urteil vom 22.03.2012 – B 4 AS 26/10 R, Rn. 16). Durch eine nach Erlass eines Verwaltungsakts eingetretene Rechtsänderung erledigt sich ein Verwaltungsakt nicht auf andere Weise i.S.v. § 39 Abs. 2 SGB X. Vielmehr stellt eine Rechtsänderung allenfalls eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse i.S.d. § 48 SGB X dar. Eine (teilweise) Aufhebung des Darlehensbescheides vom 07.09.2010 betreffend die Bestimmungen der Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs ist bislang weder ausdrücklich noch konkludent erfolgt. Der angefochtene Bescheid kann nicht in einen Aufhebungsbescheid bezüglich der Fälligkeitsbestimmungen umgedeutet werden. Damit stehen die Fälligkeitsbestimmungen in dem Darlehensbescheid einer Aufrechnungslage entgegen.
Daher kann offen bleiben, ob § 42a Abs. 2 SGB II auf sog. Altdarlehen, d.h. vor dem 01.04.2011 gewährte Darlehen anwendbar ist. Auch unter diesem Gesichtspunkt sind dem Klageverfahren Erfolgsaussichten indes nicht von vornherein abzusprechen. Bei der Prüfung dieser Frage wird neben dem Fehlen von Übergangsvorschriften und den Grundsätzen des intertemporalen Rechts (vgl. hierzu BSG Urteil vom 04.09.2013 – B 10 EG 11/12 R m.w.N.) zu berücksichtigen sein, dass den gegen die Regelung des § 42a Abs. 2 SGB II erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 18.11.2013 – L 10 AS 1793/13 B; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 07.02.2013 – L 7 AS 448/13 B m.w.N.) entgegengehalten wird, dass in atypischen Fällen eine Mietkaution als Zuschuss zu gewähren ist (LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 03.02.2014 – L 2 AS 2280/13 B; Greiser in Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 42a Rn. 27) bzw. ein Erlass der Rückzahlungsverpflichtung nach § 44 SGB II in Betracht kommt (Greiser, a.a.O., § 42a Rn. 27). Bei der Prüfung, ob ein atypischer Fall vorliegt, werden im Hinblick auf die seit dem 01.04.2011 geltenden gesetzlichen Rückzahlungsbedingungen seit diesem Zeitpunkt andere Gesichtspunkte eine Rolle spielen, als zuvor.
Ebenfalls nicht im Rahmen des Antrags auf Prozesskostenhilfe abschließend zu prüfen ist auch, ob eine verfassungskonforme Auslegung des § 42a SGB II im Hinblick auf die zeitliche Dauer einer Aufrechnung zur Tilgung von Darlehen geboten ist (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 18.11.2013 – L 10 AS 1793/13 B). Vorliegend soll der Tilgungsvorgang mehr als drei Jahre dauern, länger als der § 43 Abs. 4 S. 2 SGB II vorgesehen Aufrechnungszeitraum. Gleiches gilt für die Frage, ob die Aufrechnung eines Darlehens nach § 22 Abs. 6 SGB II in Höhe von 10% des maßgebenden Regelbedarfs neben weiteren Aufrechnungen – vorliegend 10,00 EUR monatlich – zulässig ist (vgl. hierzu Greiser, a.a.O., § 42a SGB II Rn 30).
Der Kläger ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außerstande, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 115 ZPO), so dass ihm ratenfrei Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren zu bewilligen ist.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Erstellt am: 10.04.2014
Zuletzt verändert am: 10.04.2014