Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 19.12.2013 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller auch Kosten der Unterkunft nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen ab dem 06.03.2014 bis zur Rechtskraft des Bescheides vom 19.09.2013, längstens bis zum 31.05.2014 zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt die Hälfte der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren noch um vorläufige Gewährung von Unterkunftskosten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II).
Der am 00.00.1992 geborene Antragsteller ist bulgarischer Staatsangehöriger. Er lebt nach eigenen Angaben seit 2011 in Deutschland. In der Zeit vom 08.02.2013 bis zum 12.03.2013 war er bei der S GmbH & Co KG und in der Zeit vom 05.06.2013 bis zum 11.07.2013 bei der N GmbH versicherungspflichtig beschäftigt. Das letzte Beschäftigungsverhältnis endete aufgrund fristloser Kündigung der Arbeitgeberin. In der Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III hatte diese gegenüber der Bundesagentur für Arbeit angegeben, dass es sich um eine personenbedingte Kündigung gehandelt habe. Der Antragsteller sei unentschuldigt von der Arbeit ferngeblieben.
Bis Juni 2013 lebte der Antragsteller in einer gemeinsamen Wohnung mit seinem Vater. Beide bezogen als Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem SGB II vom Antragsgegner. Im Juni 2013 zog der Vater des Antragstellers aus der gemeinsamen Wohnung aus und lebt seitdem mit seiner Ehefrau und drei weiteren gemeinsamen Kinder in einer 30 m² großen Wohnung in L. Im Zuge dessen zog der Antragsteller in die Wohnung seiner Tante und deren Sohn.
Am 12.08.2013 beantragte der Antragsteller bei dem Antragsgegner (erneut) Leistungen nach dem SGB II und gab dabei an, derzeit nicht bei seinen Eltern wohnen zu können. Er lebe zusammen mit Tante und Cousin in deren Wohnung.
Die Unterkunftskosten für die Mietwohnung betragen ausweislich der vorliegenden Mietbescheinigung vom 29.08.2013 insgesamt 566,83 EUR monatlich. Diese setzen sich aus der Grundmiete i.H.v. 396,83 EUR, Nebenkosten i.H.v. 120,00 EUR und Heizkosten – einschließlich der Kosten für Warmwasser – i.H.v. 50,00 EUR zusammen.
Mit Bescheid vom 19.09.2013 lehnte der Antragsgegner den Antrag des Antragstellers auf Leistungen nach dem SGB II ab. Zur Begründung führte er aus, der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Da sein Beschäftigungsverhältnis zum 11.07.2013 fristlos wegen unentschuldigten Fehlens gekündigt worden sei, habe er keinen Arbeitnehmerstatus mehr. Auch bestehe kein Daueraufenthaltsrecht. Er sei von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Dem widersprach der Antragsteller. Er habe die Arbeitnehmereigenschaft nicht verloren, so dass bereits deshalb der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II nicht greife. Unabhängig davon sei diese Bestimmung auch europarechtswidrig.
Am 07.11.2013 hat der Antragsteller einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Köln (SG) gestellt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass er bis Juli 2013 in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Zwar habe er eine fristlose Kündigung erhalten. Es treffe jedoch nicht zu, dass er unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben sei. Vielmehr sei er vom 10.07.2013 bis zum 12.07.2013 krank gewesen. Sein Cousin, der bei der gleichen Zeitarbeitsfirma beschäftigt gewesen sei, habe seine Arbeitgeberin darüber rechtzeitig informiert. Auch habe er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt. Seine Arbeitgeberin habe die Krankmeldung nach nur einem Monat der Beschäftigung allerdings nicht akzeptiert. Eine Kündigungsschutzklage habe er nicht erhoben, weil er innerhalb der Probezeit gekündigt worden sei. Jedenfalls habe er seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren. Dementsprechend könne er sich zumindest für 6 Monate ab Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses auf ein Aufenthaltsrecht aufgrund fortwirkender Arbeitnehmereigenschaft berufen.
Im Übrigen sei der in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II geregelte Leistungsausschluss sowohl gemeinschaftsrechtswidrig als auch verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen. Derzeit lebe der Antragsteller mit seiner Tante und seinem Cousin in einer gemeinsamen Wohnung. In der Wohnung seiner Eltern könne er derzeit nicht wohnen, da diese mit 30 m² zu klein sei. Unter Vorlage eines Leistungsbescheids seiner Tante und seines Cousins hat er vorgetragen, dass diese ebenfalls Leistungen nach dem SGB II bezögen und aufgrund der Berücksichtigung seines Kopfanteils nicht die vollen Unterkunftskosten erhielten. Diese seien aus dem Regelbedarf der Tante zu bestreiten. Dadurch könne sie ihr eigenes Existenzminimum nicht mehr sichern.
Der Antragsgegner hat dem entgegengehalten, dass die Bescheinigung der Arbeitgeberin, wonach der Antragsteller der Arbeit unentschuldigt ferngeblieben sei, weiterhin zu Grunde gelegt werde, so dass der Antragsteller sein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer verloren habe. Auch sei der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II europarechtskonform. Für Leistungen für Unterkunft und Heizung sei bereits ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
Mit Beschluss vom 19.12.2013 hat das SG den Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller monatlich für die Zeit ab 07.11.2013 bis zur Bestandskraft des Bescheides vom 19.09.2013, längstens jedoch bis zum 31.05.2014, vorläufig den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß § 20 SGB II in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Im Übrigen hat es den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Antragsteller habe die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung bezüglich der Gewährung des Regelbedarfs für die Zeit ab 07.11.2013 glaubhaft gemacht. Ob dem Leistungsanspruch des Antragstellers der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II entgegenstehe, könne das Gericht im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht abschließend aufklären. Ob dem Kläger ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer zustehe, sei zwar nicht ausgeschlossen, könne jedoch auch dahinstehen, da Zweifel an der Vereinbarkeit des Leistungsausschlusses mit europäischem Primär- und Sekundärrecht bestünden. Der Antragsteller könne sich auf die Diskriminierungsverbote aus Art. 18 AEUV und Art. 45 Abs. 2 AEUV berufen. Ob sich der Leistungsausschluss entsprechend den Vorstellungen des Gesetzgebers möglicherweise europarechtskonform auf Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG stützen lasse, sei umstritten. Darüber hinaus sei ungeklärt ob Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vom 29.04.2004 (VO 883/2004/EG) dem Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II entgegenstehe. Wegen der Komplexität der aufgeworfenen Fragen und der Sach- und Rechtslage hinsichtlich der Vereinbarkeit des Leistungsausschlusses mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht sei dem Gericht eine abschließende Klärung des Anspruchs des Antragstellers auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II im einstweiligen Rechtsschutzverfahren derzeit nicht möglich. Im Rahmen der daraufhin zu treffenden Folgenabwägung sei die Bedeutung der beantragten Leistung für den Antragsteller gegen das Interesse des Antragsgegners abzuwägen. Bei ungeklärten Erfolgsaussichten in der Hauptsache gehe die Interessenabwägung vorliegend unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu Gunsten des Antragstellers aus, da es sich für ihn um existenzsichernden Leistungen handele und das auch ausländischen Staatsangehörigen zustehende Grundrecht auf eine menschenwürdige Existenz aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG betroffen sei.
Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung bezogen auf die Gewährung von Kosten für Unterkunft und Heizung sei ein Anordnungsgrund allerdings nicht glaubhaft gemacht. Im Rahmen der Geltendmachung von Unterkunftskosten liege eine besondere Eilbedürftigkeit der Angelegenheit und damit ein Anordnungsgrund erst dann vor, wenn Wohnungslosigkeit konkret drohe. Dies sei grundsätzlich erst dann der Fall, wenn der Vermieter Räumungsklage erhoben habe. Diese Voraussetzung sei hier nicht erfüllt. Der Antragsteller lebe in der Wohnung seiner Tante. Seine Unterkunft sei daher gesichert. Dass Mietrückstände bestünden, sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Eine fristlose Kündigung sei nicht ausgesprochen worden, eine Räumungsklage nicht anhängig. Dass die Tante des Antragstellers seine Unterkunftskosten finanziere und dadurch ihr eigener Lebensunterhalt nicht hinreichend gesichert sei, könne keine Berücksichtigung finden.
Gegen den seiner Bevollmächtigten am 20.12.2013 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 17.01.2014 Beschwerde eingelegt. In der vorliegenden Sachverhaltskon-stellation werde durch die Versagung der anteiligen Kosten der Unterkunft in den Anspruch auf Gewährung des Existenzminimums der Tante und deren mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Sohnes eingegriffen. Diese müssten zur Vermeidung von Mietrückständen den Anteil der Unterkunftskosten des Antragstellers aus ihren Regelleistungen decken oder eine Kündigung wegen Mietrückständen riskieren. In dieser Situation sei es gerechtfertigt, anteilige Kosten der Unterkunft auch in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren zuzusprechen. Andernfalls würde die Frage der Durchsetzung eines Leistungsanspruchs im Hauptsacheverfahren für die gesamte Dauer auf dem Rücken der nichtbeteiligten Tante und des Sohnes ausgetragen.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 19.12.2013 zu ändern und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller auch anteilige Kosten der Unterkunft vorläufig bis zum 31.05.2014 zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält dem Vorbringen des Antragstellers entgegen, dass eine konkrete Gefährdung der Unterkunft weder im Falle des Klägers, noch im Falle der Tante und ihres Sohnes glaubhaft gemacht worden sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Über die vom SG ausgesprochene Verpflichtung zur Zahlung der Regelleistungen hinaus hat der Antragsteller auch einen Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung der Kosten für Unterkunft und Heizung.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt somit voraus, dass ein materieller Anspruch besteht, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (sog. Anordnungsanspruch) und dass der Erlass einer gerichtlichen Entscheidung besonders eilbedürftig ist (sog. Anordnungsgrund). Eilbedürftigkeit besteht, wenn dem Betroffenen ohne die Eilentscheidung eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl BVerfG Beschl v 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 Rn 23 – Breith 2005, 803; Beschl v 16.05.1995 – 1 BvR 1087/91 Rn 28 – BVerfGE 93, 1). Der gemäß Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) von den Gerichten zu gewährende effektive Rechtsschutz bedeutet auch Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit. Daraus folgt, dass gerichtlicher Rechtsschutz namentlich in Eilverfahren so weit wie möglich der Schaffung solcher vollendeter Tatsachen zuvorzukommen hat, die dann, wenn sich eine Maßnahme bei (endgültiger) richterlicher Prüfung als rechtswidrig erweist, nicht mehr rückgängig gemacht werden können (BVerfG Beschl v 16.05.1995 – 1 BvR 1087/91 Rn 28 – BVerfGE 93, 1).
Der geltend gemachte (Anordnungs-)Anspruch und die Eilbedürftigkeit sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO)). Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. BSG Beschl v 08.08.2001 – B 9 V 23/01 B – SozR 3-3900 § 15 Nr. 4).
Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG Beschl v 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 Rn 23 – Breith 2005, 803). Liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor, ist ein schützenswertes Recht zu verneinen und der Eilantrag abzulehnen. Hat die Hauptsache hingegen offensichtlich Aussicht auf Erfolg, ist dem Eilantrag stattzugeben, wenn die Angelegenheit eine gewisse Eilbedürftigkeit aufweist. Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend einstellt (BVerfG a.a.O. Rn 26; vgl. auch Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. § 86b Rn 29, 29a).
Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Antragsteller (auch) hinsichtlich der im Beschwerdeverfahren geltend gemachten Unterkunftskosten sowohl einen Anordnungsanspruch, als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Der Antragsteller erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II, denn er hat das 16. Lebensjahr bereits vollendet, ist erwerbsfähig, hilfebedürftig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (zum gewöhnlichen Aufenthalt freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger vgl BSG Urteil vom 30.01.2013 – B 4 AS 54/12 R).
Der Antragsteller ist auch nicht gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Dieser Leistungsausschluss entfaltet keine Wirkung, weil er mit europäischem Sekundärrecht nicht vereinbar ist. Hierzu wird auf das Senatsurteil vom 28.11.2013 – L 6 AS 130/13 – verwiesen.
Der Leistungsanspruch des Klägers umfasst auch seine Bedarfe für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Der Anspruch ergibt sich dem Grunde und der Höhe nach aus dem bei der Berücksichtigung von Unterkunftskosten anzuwendenden Kopfteilprinzip (vgl BSG vom 23.11.2006 – B 11b AS 1/06 R – BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 28 f; BSG vom 18.6.2008 – B 14/11b AS 61/06 R – SozR 4-4200 § 22 Nr 12; BSG vom 27.1.2009 – B 14/7b AS 8/07 R – SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19; BSG vom 29.11.2012 – B 14 AS 36/12 R – SozR 4-4200 § 22 Nr 63), das der Antragsgegner bei der Bewilligung der Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Tante und den Cousin des Antragstellers bereits zur Anwendung gebracht hat, indem er beiden jeweils nur noch 1/3 der Unterkunftskosten gewährt hat.
Die Anerkennung des Bedarfs für Unterkunft und Heizung scheitert vorliegend auch nicht an § 22 Abs. 5 S. 1 SGB II, obwohl der Antragsgegner die Anerkennung dieser Bedarfe vor dem Umzug des Antragstellers in die Wohnung seiner Tante nicht zugesichert hat. Denn im Juni 2013 bestand für den Antragsteller keine Obliegenheit, eine solche Zusicherung einzuholen, da er zu diesem Zeitpunkt in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis stand, das ihm Einkommen in existenzsichernder Höhe einbrachte, er folglich nicht im Leistungsbezug nach dem SGB II stand.
Entgegen der Auffassung des SG und des Beklagten hat der Antragsteller hier auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Da es sich bei den Bedarfen für Unterkunft und Heizung ebenso wie bei den Regelbedarf um Leistungen zur Deckung des soziokulturellen Existenzminimums handelt, besteht auch in diesem Bereich im Falle einer Bedarfsunterdeckung grundsätzlich die Gefahr einer Grundrechtsverletzung, der durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung entgegenzuwirken ist. Die besondere Struktur von Wohnungsmietvertragsverhältnissen kann es jedoch rechtfertigen, hinsichtlich dieser Bedarfe besondere Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes zu stellen. Ob an der bislang in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung festgehalten werden kann, dass bezüglich der Bedarfe für Unterkunft und Heizung ein Anordnungsgrund erst dann anzunehmen ist, wenn konkret Wohnungslosigkeit droht, die sich in Kündigung und Räumungsklage manifestiert hat, aber noch durch Zahlung der rückständigen Miete abgewendet werden kann (s u a Beschluss vom 21.02.2011 – L 6 AS 2151/10 B ER), kann offen bleiben. Die besonderen Umstände des Einzelfalles rechtfertigen die Annahme auch eines Anordnungsgrundes. Denn der Antragsteller läuft jederzeit Gefahr, seine Wohnung zu verlieren. Die dargestellte Rechtsprechung geht von einem gestuften Verfahren aus, nach dem sich die Gefahr, die Wohnung wegen Zahlungsrückständen zu verlieren, konkretisiert hat und ggfs abgewendet werden kann. Nur dann, wenn zumindest ein Mitglied der antragstellenden Bedarfsgemeinschaft Vertragspartner eines Wohnraummietvertrages ist, sind vom Vermieter der Wohnung die dargestellten zivilrechtlichen und zivilgerichtlichen Schritte einzuhalten, bevor es zur Wohnungslosigkeit kommt bzw. die drohende Wohnungslosigkeit durch Zahlung der rückständigen Miete und damit das Eintreten schwerwiegender Nachteile zu verhindern ist. Ein solches mehrstufiges System, das ein Einschreiten mithilfe eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens noch zu einem späteren Zeitpunkt zulässt, besteht hier nicht. Der Antragsteller ist weder Vertragspartner eines Mietvertrages, noch ist er Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft, der außer ihm noch ein Mietvertragspartner angehört. Die Möglichkeit, in der Mietwohnung seiner Tante zu wohnen, beruht auf einer reinen Gefälligkeit. Mit dieser Gefälligkeit, die zur Kürzung ihrer eigenen Ansprüche geführt hat, ist sie mit ihrem Sohn in ihrer Lebenssituation nachhaltig beeinträchtigt, da ein Drittel der Kosten der Unterkunft und Heizung nicht mehr übernommen werden. Zwischen dem Antragsteller und seiner Tante besteht keine so enge familiäre Bindung, dass diese eine sittliche Verpflichtung träfe, ihren Neffen bei sich wohnen zu lassen. Aber auch trotz dieser familiären Bindungen wäre es wohl nachzuvollziehen und nicht verwerflich, dass ihn seine Tante bei anhaltender, durch ihn verursachter Unterschreitung des Existenzminimums ohne weitere Drohung oder Ankündigung der Wohnung verwiese. Dieser allein schon durch die dauerhafte Unterschreitung des Existenzminimums spürbare Belastung macht den Wohnungsverlust nicht nur zu einer weit entfernten Möglichkeit, sondern zu einer konkreten Gefährdung. In dieser Konstellation steht der Antragsteller ständig unter dem Damoklesschwert, seine Wohnung zu verlieren, wenn die durch ihn mittelbar verursachte Schmälerung der Leistung von den anderen Leistungsempfängern als so schwerwiegend angesehen wird, dass Toleranz-/Leidensgrenzen überschritten werden. Dieser Gefährdung hat der Antragsteller nichts entgegenzusetzen. Ein Einschreiten im Wege einer einstweiligen Anordnung könnte nicht mehr zur Verhinderung der Wohnungslosigkeit führen. Diese latente, im Ergebnis aber unmittelbare Bedrohung der Wohnsituation rechtfertigt die vorläufige Zuerkennung auch der Kosten der Unterkunft und Heizung.
Allerdings war eine solche Verpflichtung erst ab dem Tag der mündlichen Verhandlung, also ab dem 06.03.201, auszusprechen, weil sich die konkrete Gefahr bis zu diesem Zeitpunkt nicht realisiert hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, § 177 SGG.
Erstellt am: 24.04.2014
Zuletzt verändert am: 24.04.2014