Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 24.02.2014 wird zurückgewiesen. Der Tenor wird klarstellend wie folgt ergänzt: Dem Antragsgegner wird gestattet, das vorläufig gewährte Darlehen an den Vermieter zu zahlen. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt X aus E Prozesskostenhilfe gewährt. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz über die darlehensweise Übernahme von Mietschulden im Rahmen des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch (SGB II). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des Antragsgegners und auf die Ausführungen im Beschluss des Sozialgerichts (SG) Gelsenkirchen vom 24.02.2014 verwiesen.
II.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, aber unbegründet.
Das SG hat den Antragsgegner zu Recht verpflichtet, der Antragstellerin im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig ein Darlehen in Höhe von 8533,29 Euro zu bewilligen.
Nach § 86b Abs. 2 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zu treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufigen Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 S. 2 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO). Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsachverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05).
1. Hinsichtlich des Begehrens der Antragstellerin, ihr eine darlehensweise Übernahme von Mietschulden zu gewähren, liegen sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund vor.
Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass der Antragstellerin vorläufig ein Anspruch auf darlehensweise Übernahme der Mietschulden, abzüglich der im Teilanerkenntnis aus dem Erörterungstermin vom 17.02.2014 enthaltenen Miete für Februar, zusteht.
a.) Nach § 22 Abs. 8 SGB II können, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden, auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen nach Satz 2 übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Abs 2 Nr 1 SGB II ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.
aa.) Ein Anspruch auf Übernahme von Schulden im Sinne des § 22 Abs 8 SGB II ist im Regelfall vom Antrag auf laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß §§ 19 ff SGB II nicht erfasst, sondern vom Hilfebedürftigen gesondert geltend zu machen. Der von § 22 Abs 8 SGB II zu deckende Bedarf kommt unabhängig vom Bedarf auf laufende Leistungen nicht schon dann als Leistung in Betracht, wenn Schulden in Bezug auf die Unterkunft tatsächlich entstehen. Insoweit unterscheidet er sich von einmaligen Sonderbedarfen nach § 24 Abs 3 SGB II, die nicht gesondert beantragt werden müssen. Erst wenn sich der Hilfebedürftige nicht mehr in der Lage sieht, trotz des Bezuges von Leistungen nach §§ 19, 22 Abs 1 SGB II und seiner Verpflichtung, vorrangig eigene Mittel zur Schuldentilgung einzusetzen, seine Unterkunft zu sichern, kommt eine Übernahme der Schulden in Betracht. Der Antragsteller muss deshalb die weitergehende Notwendigkeit von zusätzlichen Geldleistungen zur Sicherung der Unterkunft in seinem Vorbringen gegenüber dem Träger der Grundsicherung zum Ausdruck bringen. Erst ein solches Vorbringen kann als Antrag ausgelegt werden und den entsprechenden Anspruch auf Übernahme von Schulden auslösen (vgl.BSG, Urteil vom 17.06.2010, B 14 AS 58/09 R).
Die Antragstellerin hat einen gesonderten Antrag auf darlehensweise Übernahme ihrer rückständigen Mietkosten am 06.09.2013 gestellt.
bb.) Weitere Tatbestandsvoraussetzung ist, dass bereits Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden. Leistungen werden derzeit nur aufgrund eines Teilanerkenntnisses des Antragsgegners im Erörterungstermin vom 17.02.2014 vorläufig für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.05.2014 erbracht.
Allerdings ist ein Anspruch dem Grunde nach ausreichend (Luik in Eicher/Spellbrink SGB II § 22 Rd. 233).
Die Antragstellerin erfüllt die Voraussetzungen für den Erhalt von Leistungen zur Grundsicherung, denn die grundsätzliche Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin kann jedenfalls im Rahmen der im einstweiligen Anordnungsverfahren nur summarischen Prüfungsmöglichkeit nicht verneint werden. Der Senat geht davon aus, dass insbesondere im Hinblick auf die vom Vermieter erhobene Räumungsklage, die Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin nach der hier gebotenen summarischen Prüfung glaubhaft gemacht ist. Gerade vor dem Hintergrund des existenzsichernden Charakters der Leistungen nach dem SGB II und nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei nicht möglicher abschließender Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen Folgenabwägung ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung gerechtfertigt (vgl. hierzu auch die Entscheidung des erkennenden Senats vom 19.08.2013, L 7 AS 1448/13 B ER). Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Beschlusses des SG Bezug genommen.
cc.) Bei den Mietschulden der Antragstellerin handelt es sich hauptsächlich auch um Schulden im Sinne des § 22 Abs. 8 SGB II. Aus der Forderungsaufstellung des Vermieters der Antragstellerin ergibt sich, dass bis zur Antragstellung auf SGB II Leistungen bereits Mietschulden in Höhe von 5135,- Euro und Nebenkostennachforderungen in Höhe von 335,63 Euro entstanden sind.
Ob Schulden im Sinne des § 22 Abs 8 Satz 1 SGB II oder tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs 1 SGB II vorliegen, ist – unabhängig von deren zivilrechtlicher Einordnung – ausgehend von dem Zweck der Leistungen nach dem SGB II zu beurteilen, einen tatsächlich eingetretenen und bisher noch nicht von dem SGB II Träger gedeckten Bedarf aufzufangen. Bezieht sich die Nachforderung an Heiz- und Betriebskosten auf einen während der Hilfebedürftigkeit des SGB II-Leistungsberechtigten eingetretenen und bisher noch nicht gedeckten Bedarf, handelt es sich jedenfalls um vom SGB II Träger zu übernehmende tatsächliche Aufwendungen nach § 22 Abs 1 SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2010, B 4 AS 62/09 R). Bei der Prüfung des aktuellen Bedarfs für Unterkunft und Heizung, der von § 22 Abs. 1 SGB II abgedeckt wird, sind Verbindlichkeiten, die nicht im laufenden Leistungsbezug fällig werden, sondern bereits zuvor bestanden haben, grundsätzlich unbeachtlich. Von § 22 Abs. 8 SGB II wird hingegen nur die Übernahme von Schulden erfasst, soweit dadurch die Unterkunft gesichert wird oder auf eine vergleichbare Notlage reagiert wird (Luik in Eicher/Spellbrink SGB II § 22 Rd. 235).
(1) Vorliegend sind die Mietrückstände überwiegend vor der Antragstellung am 20.12.2012 auf SGB II Leistungen entstanden und zum Teil nach der Antragstellung, da der Antragsgegner aufgrund des Antrags nicht umgehend Leistungen erbracht hat, sondern erst im Rahmen eines vor dem SG durchgeführten Erörterungstermines ein Teilanerkenntnis auf vorläufige Bewilligung von SGB II Leistungen für den Zeitraum vom 01.02.2014 bis zum 31.05.2014 abgegeben hat bzw. eine vorläufige Zahlungsverpflichtung des Antragsgegners für einen Zeitraum von Juni bis September 2013 sich aus einem weiteren Beschluss des erkennenden Senats (Beschluss vom 19.08.2013, L 7 AS 1448/13 B ER) ergibt. Dennoch ist es hier gerechtfertigt, auch die (laufenden) Mietschulden, die nach Antragstellung auf SGB II Leistungen und vor Antragstellung auf Erlass der einstweiligen Anordnung, entstanden sind, als reguläre Unterkunftskosten im einstweiligen Verfahren zu berücksichtigen, da diese von der Räumungsklage erfasst sind, und die Übernahme dieser Kosten zur Sicherung der Wohnung bzw. zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit erforderlich ist (BSG, Urteil vom 17.06.2010 aaO; LSG NRW, Beschluss vom 16.08.2012, L 7 AS 1368/12 B ER). Die Gefahr der Wohnungslosigkeit ist auf die konkrete Wohnung bezogen. Diese besteht ab dem Zeitpunkt, ab dem der Leistungsberechtigte auf die Bereitschaft des Vermieters zur Fortsetzung des Mietverhältnisses angewiesen ist, insbesondere wenn die angehäuften Mietschulden den Vermieter zu einer Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen. Vorliegend hat der Vermieter der Antragstellerin bereits einen Räumungstitel erwirkt, so dass die Gefahr der Wohnungslosigkeit unmittelbar bevorsteht. Der Vermieter der Antragstellerin hat auf Nachfrage des Senatsvorsitzenden vom 25.03.2014 lediglich bis zum 30.04.2014 auf die Vollstreckung aus dem rechtskräftigen Räumungstitel verzichtet.
(2) Zwar kann dem Verlust der Wohnung dadurch begegnet werden, dass eine neue Wohnung bezogen wird (BSG aaO), allerdings muss eine kostenangemessene Wohnung konkret anmietbar sein und der Antragsgegner hätte die Antragstellerin auch auf ihre Obliegenheit, sich um eine neue kostenangemessene Wohnung zu bemühen, hinweisen müssen (LSG NRW, Beschluss vom 17.09.2013, L 19 AS 1501/13 B). Nach summarischer Prüfung stand der Antragstellerin keine Ersatzwohnung zur Verfügung und der Antragsgegner hat die Antragstellerin auf die Obliegenheit, sich um eine Ersatzwohnung zu bemühen, nicht hingewiesen.
dd.) Die Kosten der zu sichernden Unterkunft und die Heizkosten müssen grundsätzlich innerhalb der Angemessenheitsgrenzen des § 22 Abs. 1 SGB II liegen, denn eine langfristige Sicherung einer kostenunangemessenen Unterkunft ist im Regelfall nicht gerechtfertigt (BSG aaO). Ob dies vorliegend der Fall ist, kann im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht abschließend geklärt werden. Selbst wenn sich allerdings das vom Antragsgegner erstellte Konzept zur Ermittlung der angemessenen Bedarfe der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II als nicht schlüssig erweisen sollte, überschreitet jedenfalls – wie das SG zutreffend ausgeführt hat – die Grundmiete und die Nebenkosten, nicht die Obergrenze zur Übernahme der Unterkunftskosten nach § 12 Wohngeldgesetz (WoGG).
Im Falle eines Erkenntnisausfalls zur Ermittlung der angemessenen Referenzmiete sind nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 12.12.2013, B 4 AS 87/12 R) grundsätzlich die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen. Diese werden wiederum durch die Tabellenwerte zu § 12 WoGG im Sinne einer Angemessenheitsobergrenze gedeckelt. Darüber hinaus ist auch im Rahmen von § 12 WoGG ein "Sicherheitszuschlag" in Höhe von 10 Prozent einzubeziehen. Die Höhe des Zuschlages ist nach den Ausführungen des BSG ebenso wie die Heranziehung der abstrakten Werte aus § 12 WoGG nach abstrakten Kriterien zu bestimmen. Die Höhe des Zuschlages soll möglichst sicherstellen, dass der Leistungsempfänger mit dem ihm dann im Ergebnis zustehenden Betrag für die Kosten der Unterkunft in die Lage versetzt wird, im örtlichen Vergleichsraum möglichst sicher eine Unterkunft zu finden, die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entspricht. Es soll durch die Höhe des Zuschlages eine angemessene Abgrenzung einerseits zu nur einfachstem Standard wie andererseits zu einem bereits gehobenen Standard erfolgen (BSG, Urteil vom 12.12.2013, B 4 AS 87/12 R).
Die Antragstellerin hat laut Mietvertrag eine Miete von insgesamt 395,- Euro zu entrichten. Darin sind 100,- Euro an Betriebs- und Heizkosten enthalten. Die Heizkosten machen einen Anteil von 50,- Euro aus, so dass sich die Grundmiete einschließlich der Betriebskosten auf 345,- Euro beläuft. Der nach § 12 WoGG maßgebliche Wert beträgt 330,- Euro zuzüglich der oben aufgeführten 10 Prozent.
ee.) Zu Recht hat das SG festgestellt, dass vorliegend aufgrund der gegebenen Tatbestandsvoraussetzungen des § 22 Abs. 8 SGB II ein Fall des gebundenen Ermessens zu bejahen ist. Der Vortrag des Antragsgegners, dass die Schulden der Antragstellerin bereits vor Antragstellung entstanden seien, führt zu keiner anderen Entscheidung. Gerade diese Schulden werden von § 22 Abs. 8 SGB II erfasst, sofern zumindest ein Anspruch dem Grunde nach auf einen KdU-Bedarf besteht (vgl. hierzu die Ausführungen unter bb)). Sofern hier auch Schulden erfasst werden, die nach Antragstellung entstanden sind, und eine durchgängige Hilfebedürftigkeit zu bejahen ist, handelt es sich um einen laufenden KdU-Bedarf, der zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit hier auch zu übernehmen ist (vgl. hierzu die Ausführungen unter (1)).
2. Im Hinblick auf die drohende Zwangsräumung am 28.02.2014 lag auch ein Anordnungsgrund vor. Denn in diesem Fall drohte eine Wohnungs- und Obdachlosigkeit (LSG NRW, Beschluss vom 25.05.2012, L 7 AS 742/12 B ER). Aus diesem Grund erfolgte ebenfalls die Ergänzung des Tenors. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass das Darlehen nur zur Vermeidung einer drohenden Wohnungs- und Obdachlosigkeit verwendet wird.
III.
Die Antragstellerin ist nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen außerstande, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 73a SGG i.V.m. § 119 Abs. 1 ZPO), so dass ihr ratenfrei Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 08.05.2014
Zuletzt verändert am: 08.05.2014