Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 31.07.2013 geändert. Dem Kläger wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe ab dem 08.12.2011 ohne Kostenbeteiligung bewilligt und Rechtsanwalt Q, J, beigeordnet.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrages auf Prozesskostenhilfe für ein Verfahren, mit dem er noch die Übernahme von Kosten für Verbandsmaterial und Medikamenten begehrt.
Er bezieht seit 2009 laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Am 16.12.2009, 25.05.2010, 24.11.2010 und 17.05.2011 stellte er jeweils einen Fortzahlungsantrag. Die in den Antragsformularen unter der Überschrift "Angaben für die Gewährung eines Mehrbedarfs" gestellten Fragen beantwortete der Kläger jeweils mit "Nein". Erstmals im Antragsformular vom 24.11.2010 fragte der Beklagte unter der Ziffer 3f, ob ein "laufender besonderer Bedarf aufgrund eines besonderen Lebensumstands (z.B. Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts bei getrenntlebenden Eltern)" bestehe. Der Kläger litt jedenfalls im streitbefangenen Zeitraum unter multiplen Abszessen bei einem prä-septischen Zustand.
Am 14.09.2011 beantragte der Kläger bei dem Beklagten u.a. die Übernahme von Kosten für eine Krankenhausbehandlung in Höhe von 1.953,03 EUR sowie für Medikamente und Verbandsmaterial in Höhe von 1.110,11 EUR. Letztere Kosten sind ausweislich der vorgelegten Quittungen im Zeitraum von Mai 2010 bis August 2011 insbesondere für Verbandsmaterial und Salben entstanden. Der Kläger war bis Juni 2010 nicht krankenversichert und trug die Kosten selber.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 19.09.2011 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Für die Übernahme der Kosten existiere im SGB II keine Rechtsgrundlage.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 26.09.2011 Widerspruch. Der Anspruch ergebe sich aus § 21 Abs. 6 SGB II.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe die begehrten Leistungen in seinen Anträgen vom 24.11.2010 und 17.05.2011 nicht mit geltend gemacht, sondern erstmals mit Schreiben vom 07.09.2011 und damit nach Entstehung der Kosten beantragt. Leistungen nach dem SGB II würden für Zeiten vor Antragstellung nicht gewährt.
Hiergegen hat der Kläger am 08.12.2011 Klage erhoben und gleichzeitig die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Im Laufe des Klageverfahrens hat der Münchener Verein die Kosten der Krankenhausbehandlung übernommen und der Kläger das Verfahren in diesem Punkt am 27.08.2012 für erledigt erklärt.
Mit Beschluss vom 31.07.2013 hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt. Der Kläger habe die Klage hinsichtlich der Kosten der Krankenhausbehandlung für erledigt erklärt. Hinsichtlich der Restkosten habe der Beklagte den Antrag zu Recht abgelehnt. Zwar könnte es sich bei den Kosten grundsätzlich um einen Mehrbedarf handeln. Allerdings sehe § 21 Abs. 6 SGB II keine Erstattung von Kosten für die Zeit vor ihrer Beantragung und damit für die Vergangenheit vor.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 05.08.2013 eingelegten Beschwerde, mit der er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren begehrt. Er habe gegenüber seiner Sachbearbeiterin immer wieder darauf hingewiesen, dass er medizinischer Hilfe bedürfe.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die von dem Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet zumindest hinsichtlich der Übernahme der Kosten der Medikamente und des Verbandsmaterials hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger Prüfung den Standpunkt des Antragstellers auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Dabei dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung nicht überspannt werden (LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 31.05.2013 – L 6 AS 665/12 B).
Nach dem im Verfahren der Prozesskostenhilfe gebotenen Prüfungsumfang der Sach- und Rechtslage ist es nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass dem Kläger ein Anspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II zusteht. Zu Unrecht hat das Sozialgericht einen Anspruch mit der Begründung verneint, der Kläger habe die Übernahme der Kosten nicht vor deren Entstehung beantragt.
In den Anträgen vom 16.12.2009, 25.05.2010, 24.11.2010 und 17.05.2011 ist ein Antrag auf Leistungen nach § 21 Abs. 6 SGB II zu sehen. Der Leistungsantrag ist im SGB II jeweils so auszulegen, dass das Begehren des Antragstellers möglichst weitgehend zum Tragen kommt. Als beantragt sind dementsprechend alle Leistungen anzusehen, die nach Lage des Falls ernsthaft in Betracht kommen. Das sind bei einem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts regelmäßig alle im ersten und zweiten Unterabschnitt des zweiten Abschnitts des dritten Kapitels SGB II genannten Leistungen. Mit dem Antrag wird mithin ein Hilfebedarf geltend gemacht, der alle Leistungen und somit auch die nach § 21 Abs. 6 SGB II umfasst, die der Sicherung des Lebensunterhalts dienen. Diese Leistungen müssen von daher nicht gesondert beantragt werden (vgl. BSG Urteil vom 06.05.2010 – B 14 AS 3/09 R).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger im Leistungsantrag nicht angegeben hat, dass ein besonderer laufender Bedarf vorliegt. Bei der Frage im Antragsformular handelt es sich um eine Frage unter Verwendung eines für rechtsunkundige Laien nicht ohne weiteres zu durchschauenden unbestimmten Rechtsbegriffs. In ihrer Beantwortung ist nicht der Verzicht auf die Beantragung der hier streitigen Kosten zu sehen. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass die Antragsformulare vom 16.12.2009 und 25.05.2010 die Geltendmachung eines Mehrbedarfs i.S.d. § 21 Abs. 6 SGB II nicht vorsehen.
Eine Bestandskraft der Bewilligungsbescheide steht den Erfolgsaussichten des Klageverfahrens nicht entgegen. Aufgrund des Antrags vom 14.09.2011 ist zu prüfen, ob im Zeitpunkt der Geltendmachung des Bedarfs bereits bestandskräftig gewordene Bescheide unter dem Blickwinkel der §§ 44, 48 SGB X zu ändern sind.
Berücksichtigt man, dass der Kläger im streitigen Zeitraum nicht krankenversichert war, erscheint es nach der Entscheidung des BSG vom 12.12.2013 – B 4 AS 6/13 R (die jedoch noch nicht im Volltext vorliegt) jedenfalls möglich, dass dem Kläger Leistungen nach dem SGB II zu gewähren sind.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 21.05.2014
Zuletzt verändert am: 21.05.2014