Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren dem Grunde nach zur Hälfte.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt noch die Erstattung außergerichtlicher Kosten, die ihr für die Rechtsverfolgung gegenüber der Beklagten in der Hauptsache entstanden sind.
In der Hauptsache ging es um die Gewährung höherer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsyIbLG) für die Zeit von Februar bis November 2006.
Die am 00.00.1987 geborene Klägerin ist äthiopische Staatsangehörige und reiste am 19.01.2003 allein in die Bundesrepublik ein. Sie erhielt zunächst von dem zuständigen Träger der Jugendhilfe Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII).
Die Beklagte gewährte der Klägerin, die (inzwischen) über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) verfügte, seit dem 10.09.2005 Grundleistungen nach § 3 AsylbLG. Im Dezember 2006 beantragte die Klägerin, die bestandskräftigen Bewilligungsbescheide für den Zeitraum Februar bis November 2006 gemäß § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen und die Differenz zwischen den erbrachten Grundleistungen und den nach ihrer Ansicht rechtswidrig vorenthaltenen Analogleistungen nach § 2 AsylbLG nachzuzahlen. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22.01.2007 ab. Die Klägerin habe die in § 2 Abs. 1 AsylbLG vorgeschriebene Vorbezugszeit von 36 Monaten Grundleistungen nicht erfüllt, weil insoweit nur Zeiten des Bezuges von Leistungen nach § 3 AsylbLG zu berücksichtigen seien. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch mit der Begründung ein, dass die Vorbezugszeit auch durch den Bezug von Leistungen nach dem SGB VIII erfüllt werden könne. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2007 zurück.
Die dagegen gerichtete Klage vor dem Sozialgericht Köln blieb erfolglos (Urteil vom 27.01.2009 – S 21 AY 18/08). Im Berufungsverfahren erklärten sich die Beteiligten damit einverstanden, den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über die dort anhängigen Normenkontrollverfahren auf zwei Vorlagen des erkennenden Senats nach Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) betreffend die Verfassungsmäßigkeit der Bemessung der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zum Ruhen zu bringen. Im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG (Urteil vom 18.07.2012 – 1 BvL 10/10 und 2/11) wurde das Berufungsverfahren wieder aufgenommen. Am 25.09.2012 erklärte die Klägerin "die Berufung" für erledigt.
Gleichzeitig beantragt sie,
der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Das BVerfG habe entschieden, dass die Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Vorschriften außerhalb des Zeitraumes der vom Gericht für Grundleistungen bestimmten Übergangsregelung zu Gunsten der Betroffenen bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen sei.
Die Beklagte ist der Auffassung, sie müsse keine (auch keine anteiligen) außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen. Das BVerfG habe nicht entschieden, dass die Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Regelungen außerhalb des Zeitraums der von ihm getroffenen Übergangsregelungen zu Gunsten der Betroffenen bei der Kostenentscheidung zu berücksichtigen sei. Vielmehr könne eine Verpflichtung zur Erstattung außergerichtlicher Kosten nur bestehen, soweit dies die gesetzlichen Bestimmungen ermöglichten. Der Regelung des § 63 Abs. 1 SGB X sei zu entnehmen, dass notwendige Aufwendungen im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens nur erstattet werden müssten, wenn der Widerspruch erfolgreich gewesen sei (Bezugnahme auf Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 03.06.2009 – L 8 R 203/08). Im vorliegenden Fall habe die Klägerin mit ihrem Begehren jedoch weder im Widerspruchsverfahren noch in dem nachfolgenden Klage- bzw. Berufungsverfahren (ganz oder teilweise) Erfolg gehabt.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Prozessakten, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.
II.
1. Die Entscheidung ergeht gemäß § 155 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 5 i.V.m. Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Berichterstatter.
2. Nach § 156 Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 193 Abs. 1 S. 3 SGG entscheidet das Gericht auf Antrag eines Beteiligten über die Kosten durch Beschluss, wenn der Rechtsstreit anders als durch Urteil beendet wird.
a) Dabei bezieht sich die vorliegende Entscheidung – entsprechend allgemeinen Grundsätzen (vgl. dazu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 193 Rn. 2 f.) – einzig auf die außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren. Denn die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 25.09.2012 das Berufungsverfahren für erledigt erklärt (und nicht etwa die Klage zurückgenommen). Dadurch ist das Urteil des Sozialgerichts vom 27.01.2009 auch in seiner – für die Klägerin ungünstigen – Kostenentscheidung in Rechtskraft erwachsen.
b) Die Entscheidung über die Kosten erfolgt unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Von Bedeutung sind insoweit insbesondere die Erfolgsaussichten des Rechtsschutzbegehrens, die Gründe für die Einleitung des Klageverfahrens und die Umstände, die zu der Erledigung des Verfahrens geführt haben. Dabei kann auch eine Rolle spielen, wer Veranlassung für die Einleitung des Verfahrens gegeben hat (Leitherer a.a.O. Rn. 13).
Der Senat hält es in Anwendung dieser Kriterien für angemessen, der Beklagten die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren aufzuerlegen.
aa) Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass bei bloßer Ansehung des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens – mit seinem für die Klägerin insgesamt negativen Ergebnis – die Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung eine (sei es auch nur anteilige) Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme außergerichtlicher Kosten der Klägerin nicht zu rechtfertigen scheinen. Denn die Klägerin hat das Verfahren für erledigt erklärt, ohne zuvor (auch nur teilweise) mit ihrem Begehren durchgedrungen zu sein.
Ohnehin ist geklärt, dass Zeiten des Leistungsbezugs nach dem SGB VIII – entgegen der Ansicht der Klägerin – die Vorbezugszeit des § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht auffüllen können (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2008 – B 8/9b AY 1/07 R Rn. 19 ff.).
Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen kam ein (Teil-) Erfolg der Klage (durch nachträgliche Gewährung von Leistungen nach § 3 AsylbLG nicht in dem gesetzlich bestimmten, sondern in höherem, weil verfassungsgemäßen Umfang) nicht in Betracht. Denn das BVerfG hat die Geltung seiner diesbezüglich getroffenen Übergangsregelung auf die Zeit ab dem 01.01.2011 begrenzt; zudem hat es die Anwendung von § 44 SGB X insoweit ausgeschlossen (vgl. BVerfG a.a.O. Ziff. 3.a und e des Tenors).
bb) Einer (angemessenen) Beteiligung der Beklagten an den außergerichtlichen Kosten der Klägerin steht dies gleichwohl nicht entgegen.
Denn – anders als bei § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X (vgl. dazu z.B. Beschluss des erkennenden Senats vom 31.03.2014 – L 20 AY 70/13 B) – sind im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG nicht nur der bloße Erfolg des Rechtsmittels, sondern auch die weiteren Umstände, die zur Erhebung der Klage bzw. zu deren Erledigung geführt haben, zu berücksichtigen (s.o. eingangs zu b; vgl. auch Leitherer a.a.O. Rn. 12b m.w.N.; auch das – von der Beklagten zu Stützung ihrer Ansicht herangezogene – Urteil des 8. Senats des erkennenden Gerichts vom 03.06.2009 – L 8 R 203/08 weist in Rn. 29 ausdrücklich darauf hin).
Vor diesem Hintergrund erscheint sowohl möglich als auch geboten, die Verfassungswidrigkeit der Bemessung der Grundleistungen in § 3 AsylbLG bei der vom Senat vorzunehmenden Zuweisung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin an die Beteiligten mit zu beachten. Das BVerfG hat insoweit in seiner Entscheidung zur Verfassungswidrigkeit dieser Grundleistungen eigens darauf hingewiesen, dass die Verfassungswidrigkeit bei Kostenentscheidungen zugunsten der klagenden Hilfebedürftigen angemessen zu berücksichtigen ist, soweit dies die gesetzlichen Bestimmungen ermöglichen (a.a.O. Rn. 113; vgl. zur Berücksichtigung der Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift im Rahmen der Kostenentscheidung nach § 193 SGG auch Leitherer a.a.O. Rn. 12a und 13b).
cc) Der Senat hält bei einer Gesamtabwägung insoweit eine hälftige Beteiligung der Beklagten an den notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für angemessen.
Denn auch angesichts der Verfassungswidrigkeit der Leistungsbemessung in § 3 AsylbLG kann der materiell-rechtliche, für die Klägerin negative Ausgang des Verfahrens nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben. Immerhin war die Beklagte aufgrund ihrer Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) bis zur Entscheidung des BVerfG verpflichtet, Grundleistungen an die Klägerin allein nach Maßgabe der (wenn auch später vom BVerfG als verfassungswidrig erkannten) gesetzlichen Bestimmungen zu erbringen. Sie hat deshalb nicht etwa durch eigene fehlerhafte Sachbehandlung Veranlassung zur Klageerhebung gegeben.
Eine höhere Beteiligung der Beklagten an den außergerichtlichen Kosten der Klägerin erscheint auch nicht aus verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen gerechtfertigt, dass Personen wie die Klägerin, deren Aufenthalt trotz Ausreisepflicht nach § 25 Abs. 5 AufenthG erlaubt ist und die deshalb eine gewisse gefestigte Aufenthaltsperspektive besitzen, nach § 2 Abs. 1 AsylbLG bis zum Ablauf der Vorbezugszeit allein die geringeren Grundleistungen beziehen könnten. Diese Situation entsprach derjenigen der (minderjährigen) Klägerin im bundesverfassungsgerichtlichen Verfahren 1 BvL 2/11: Diese verfügte ebenfalls über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG. Das BVerfG hat insoweit ersichtlich keinen Anlass zu einer verfassungsrechtlichen Bewertung gesehen, welche einen Verzicht auf die Erfüllung der Vorbezugszeit für einen Anspruch auf Analogleistungen nach § 2 AsylbLG ermöglich hätte. Verfassungsrechtlich entscheidend ist deshalb allein, ob die leistungsrechtlichen Vorschriften des AsylbLG das verfassungsrechtlich geschützte Existenzminimum gewährleisten; dies muss nicht durch Analogleistungen geschehen, sondern kann auch durch Grundleistungen erfolgen, sofern sie denn ausreichend bemessen sind. Eine solche ausreichende Bemessung hat das Bundesverfassungsgericht durch die von ihm getroffene Übergangsregelung sichergestellt; dass die zeitliche Rückwirkung dieser Regelung Zeiten vor 2011 nicht erfasst, kann eine Besserstellung von nach § 25 Abs. 5 AufenthG Aufenthaltsberechtigten im Rahmen von § 2 AsylbLG, welche nur contra legem erfolgen könnte, nicht begründen (erst recht nicht im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X).
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 11.06.2014
Zuletzt verändert am: 11.06.2014