NZB erledigt durch Rücknahme
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 29.07.2013 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die 1982 geborene Klägerin Anspruch auf Erstattung der ihr für eine Behandlung im Rahmen der so genannten CMD-Kieferorthopädie bisher entstandenen Kosten bzw. auf Übernahme noch entstehender Kosten hat.
Die bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin beantragte bei der Beklagten Anfang April 2012 unter Vorlage eines funktionellen Heil- und Kostenplanes (des Kau-Schluckorgans/CMD-Kieferorthopädie) vom 26.03.2012/28.03.2012 die Übernahme der Kosten einer Behandlung durch den Facharzt für Kieferorthopädie (ganzheitliche Kieferorthopädie/CMD-Kieferorthopädie/Orthodontie/Spezialist für Kieferorthopädie der Universität A) Dr. S aus N i.H.v. 6.020,99 EUR. Dr. S nimmt nicht an der vertragszahnärztlichen Versorgung teil.
Zur "Krankengeschichte/CMD" ist in dem Heil- und Kostenplan Folgendes ausgeführt:
2005
Beginn mit chronischer "Schlappheit"
2007
Chronische Nasennebenhöhlenentzündung, welche als Kopfschmerzen empfunden werden. Kortison hilfreich, jedoch keine Dauerlösung
2006 – 2009
Erschöpfungszustände, welche mit Konzentrationsschwächen verbunden sind und eine kontinuierliche Tätigkeit bis zu sechs Stunden ermöglichte, Aufsuchen diverser Allgemeinärzte, jedoch keine konkreten Befunde
2008
Neuraltherapie mit Spritzen in den Nacken bei C1 und im Bereich des Austritts des N. trigeminus II mit guter Wirkung für eine Woche, in zahnärztlicher Vorbehandlung einer craniomandibulären Dysfunktion
2011/2012 wegen Nacken-/Schulterschmerzen, chronischen Nasennebenhöhlenentzündungen, Neurodermitis, Schlappheit, Kniebeschwerden
Als Krankheitsbilder werden aufgeführt:
Kieferbereich
Abrasion der Zähne, Bruxismus, Zähneknirschen, akute Parodontitis, Gingivaretraktion, Krankheiten des Parodonts durch Über- und Fehlbelastung (Okklusales Trauma), Pulpadegeneration durch okklusales Trauma, Wurzelresorptionen, Anomalien des Kiefer-Schädelbasis-Verhältnisses, transversale und vertikale Asymmetrie, Anomalien des Zahnbogenverhältnisses, Schwenkung des Bisses, zwanghafte Verschiebung der Mittellinie, Zahnstellungsanomalien, Rotationen, Kippungen mit abnormer Stellung derselben oder der benachbarten Zähne, fehlerhafte Okklusion, nicht näher bezeichnet, Okklusaler Zwangsbiss, traumatische Okklusionsabweichung, funktionelle dentofaziale Anomalien, abnormer Kieferschluss, fehlerhafte Okklusion mit Distalrotationen des UK und zwanghaftem abnormen Schluckakt, "Costensyndrom"/CMD, Craniomandibuläre Dysfunktion, Krankheiten des Zahnhalteapparates: irregulärer Alveolarfortsatz, Retraktion des Alveolarfortsatzes durch okklusales Trauma,
Cranio Vertebraler Bereich/CVD
Habituelle atlanto-axiale Subluxation mit Myelopathie, Spondylolisthesis: Okzipito-Atlanto-Axialbereich, Spondylolisthesis: Zervikalbereich; Spondylolisthesis: Zervikothorakalbereich, Radikulopathie, Wurzelneuritis, vertebragener Kopfschmerz, Rückenschmerz, Subluxation der Wirbelsäule, biomechanische Funktionsstörungen, Zervikalbereich, Zervikothorakal
Interdisziplinär
Kopfschmerzen vom Spannungstyp/Spannungskopfschmerzen, Mitochondriale Zythopathie/erworben durch Kopfgelenke-Instabilitäts-Syndrom, Nitrosativer Stress, Zervikalsyndrom.
Als Behandlungsmittel/Therapie für die Dauer von sechs Quartalen wird benannt: "CMD-Kieferorthopädie/Orthodontie, "Feste Klammer" auf der Basis der Qualitätsleitlinien I, II, III der Biofunktionellen Orthodontie (BFO) und Biofunktionalität nach Vorschriften der funktionellen Anatomie (Näheres: www.cmd-institut.de)."
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 20.04.2012 ab. Dr. S sei kein zugelassener Kieferorthopäde. Deshalb könne er nicht direkt mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen und habe einen privaten Behandlungsplan erstellt. Aufgrund gesetzlicher Bestimmungen sei eine Kostenübernahme bei diesem Behandler nur im Ausnahmefall möglich, wenn vor Beginn der Behandlung ein Antrag eingereicht werde und diesem durch die Kasse zugestimmt werde. Die Zustimmung sei im vorliegenden Fall nicht möglich, da es ausreichend vertragsärztlich zugelassene Kieferorthopäden gebe. Sofern ein als Vertragszahnarzt zugelassener Kieferorthopäde zu dem Ergebnis komme, dass die Voraussetzungen für eine vertragliche kieferorthopädische Erwachsenenbehandlung vorliegen, sei eine Beratung durch die Beklagte möglich.
Zur Begründung ihres Widerspruchs vom 19.05.2012 übersandte die Klägerin ein Schreiben des Dr. S vom 22.06.2012. Der Beklagten sei hinreichend bekannt, dass der eingereichte Heil- und Kostenplan nicht mit der Kieferorthopädie identisch sei, welche die Beklagte anbieten könne. Dennoch versuche die Beklagte immer wieder, den Patienten durch formale Argumentationen in die Irre zu führen. Längst sei dem Vorstand der Beklagten aus einschlägiger Literatur bekannt, dass die kieferorthopädischen Vertragsregelungen nicht mehr den Grundregeln des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) entspreche. Der Widerspruch gegen die Ablehnung der Kostenerstattung medizinisch definierter Erkrankungen nach ICD-10-Codierung der Weltgesundheitsorganisation werde aufrechterhalten, da die kieferorthopädischen Indikationsgruppen der Beklagten keine Krankheitsbilder medizinischer Art definieren könnten.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 27.02.2013 zurück. Bei der gewünschten Behandlung handele sich um eine unkonventionelle Methode, für die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine positive Empfehlung nicht ausgesprochen habe. Bei der CMD-Kieferorthopädie handele es sich nicht um eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung. Eine Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen komme auch durch einen Vertragskieferorthopäden nicht in Betracht. Ein Systemmangel liege nicht vor. Dr. S sei nicht zur vertragszahnärztlichen Behandlung zugelassen und könne deshalb Patienten nicht zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung behandeln. Eine Zustimmung zu einer Behandlung bei Dr. S habe die Beklagte nicht erteilt. Zur kieferorthopädischen Behandlung stünden ausreichend Vertragszahnärzte zur Verfügung.
Mit ihrer am 26.03.2013 beim Sozialgericht Münster erhobenen Klage hat die Klägerin an ihrem Begehren festgehalten. Zur Begründung hat sie eine weitere Stellungnahme des Dr. S vom 15.04.2013 übersandt. Dr. S hat ausgeführt, die Auslegung der rechtlichen Grundlagen des SGB V sei nicht neutral. Die Leistungen der Beklagten entsprächen nicht den Vorgaben des § 2 SGB V. Das Bundesministerium für Gesundheit habe in einer umfassenden Studie ("HTA-Studie 2008") das kieferorthopädische Leistungsangebot der gesetzlichen Krankenversicherungen so zerrissen, wie es in der Geschichte der Medizin einmalig sei. Die kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG) hätten keine ausreichende wissenschaftliche Basis. In der Welt der hierauf basierenden Kieferorthopädie gebe es keine Krankheitsbilder, keine Kodierungen, keine medizinisch relevanten Aufklärungen und keine Risikoaufklärung. Die KIG verstießen gegen Art. 2 und Art. 3 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes. Die Auswirkungen der Kieferorthopädie gingen weit über den dentofazialen Bereich hinaus. Okklusale Dysfunktionen wirkten nachhaltig über Hebelwirkung auf die Kopfgelenke mit deren Inhalt, dem oberen Rückenmark, durch Verkantungen ein, woraus sich komplexe Folgeerkrankungen der Wirbelsäule als auch neuronale Erkrankungen zwingend ergeben könnten. Daraus ergebe sich eine interdisziplinäre medizinische Bedeutung der Kieferorthopädie, welche keineswegs mit 18 Jahren abgeschlossen sei. Die aktuelle Kieferorthopädie der gesetzlichen Krankenversicherung müsse völlig neu definiert werden.
Auf einen Hinweis des Sozialgerichts, dass beabsichtigt sei, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, hat die Klägerin ausgeführt, insbesondere aus den Schreiben des Dr. S ergäben sich anspruchsbegründende gesundheitliche Beeinträchtigungen, denen Verwaltung und Sozialgericht von Amts wegen nachzugehen hätten. Es sei umfangreich dargelegt worden, dass das Leistungsangebot der Beklagten nicht den gesetzlichen Vorschriften entspreche und diesen in wesentlichen Grundlagen so stark widerspreche, dass in der Kieferorthopädie das Leistungsangebot der Beklagten in vielfältiger Weise in Diagnostik und Therapie eine Grundlage zur Fehlbehandlung im juristischen Sinne darstelle.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 29.07.2013 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Behandlung durch Dr. S stehe bereits entgegen, dass die Klägerin bei Antragstellung das 18. Lebensjahr deutlich überschritten habe. Nach dem eingereichten Behandlungsplan lägen auch keine schweren Kieferanomalien vor, die ein Ausmaß hätten, dass kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erforderlich seien. Die Aufzählung in § 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V i.V.m. B 4. der Kieferorthopädie-Richtlinien sei abschließend. Eine erweiternde Auslegung entspreche nicht der Zielsetzung des Gesetzgebers. Der umfassend geregelte Leistungsausschlusses § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V gelte grundsätzlich unabhängig von den Gründen, die im konkreten Fall zu einer Behandlungsnotwendigkeit erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres geführt hätten. Die so genannte CMD-Kieferorthopädie, die bei der Klägerin zur Anwendung gelangen solle, stelle eine kieferorthopädische Behandlung dar und unterliege damit den genannten gesetzlichen Vorgaben.
Gegen den der Klägerin am 31.07.2013 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich deren Berufung vom 29.08.2013. Zur Begründung verweist die Klägerin auf eine Stellungnahme des Dr. S vom 24.08.2013. Das Sozialgericht habe keinen medizinischen Sachverstand zu Rate gezogen. Es sei nur eine formaljuristische Bewertung vorgenommen worden. Weder der medizinische Sachverhalt noch der rechtliche Sachverhalt seien geklärt. Das Sozialgericht hätte bereits aus dem eingereichten Heil- und Kostenplan entnehmen können, dass kein Heil- und Kostenplan nach kieferorthopädischem Muster vorliege. Die Therapie der im Heil- und Kostenplan dargestellten Krankheiten sei nicht auf ein bestimmtes Alter fixiert oder begrenzt. Zur Therapie medizinisch definierter Krankheitsbilder, insbesondere von Schmerzen, gälten keine vorgängigen Genehmigungsanfragen bei der Krankenkasse. Die Hilfe müsse unverzüglich erfolgen, andernfalls liege der Tatbestand unterlassener Hilfeleistung vor. Die bisherige Therapie der festgestellten Erkrankungen in den verschiedensten Disziplinen sei erfolglos geblieben. Bereits die Anamnese der Patientin zeige ein komplexes Krankheitsbild. Der bei der Erstvorstellung vorgefundene Zustand falle bereits in den durch das Neunte Buch des Sozialgesetzbuches – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) definierten Bereich der Behinderung.
Es sei festzustellen, dass die Beklagte keine Leistung zur Heilung der diagnostizierten Krankheiten anbieten könne, das kieferorthopädische Leistungsangebot der Beklagten nach aktuellem Stand der Erkenntnisse der Wissenschaft sowie nach der Rechtslage und der aktuellen Gesetzgebung sowie dem Patientenrechtegesetz 2013 Körperverletzung aus den verschiedensten Sichtweisen darstelle, neben der Frage der Kostenerstattung das kieferorthopädische Pflicht-Leistungsangebot der Beklagten und Haftungsfragen der Beklagten zur Diskussion stünden. § 28 SGB V und die KIG stellten einen Verstoß gegen § 27 SGB V dar. Mit dem Ausschluss der Diagnostik von Dysfunktionen seien keine Krankheiten zu erkennen, die folgerichtig mangels Diagnose auch nicht gelindert oder geheilt werden könnten. Die gesetzlichen Krankenkassen seien seit Jahren nachhaltig auf Grundlagenfehler in dem kieferorthopädische Leistungsangebot hingewiesen worden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 05.07.1995 (1 RK 6/95) bestehe ein Anspruch, weil zur Behandlung der fortschreitenden Krankheitsbilder der Klägerin anerkannte Behandlungsmethoden nicht zur Verfügung stünden. Es liege ein Systemversagen vor. Die funktionellen Bezüge der Okklusion zu den Atlasgelenken bzw. zur Halswirbelsäule seien klinisch wie wissenschaftlich nicht zu leugnen.
Dr. S hat seiner Stellungnahme ein Schreiben vom 31.07.2013 an den Präsidenten/Vorstand der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe beigefügt, mit dem eine offizielle Anmeldung einer neuen interdisziplinären Fachdisziplin im Funktionsbereich des Kauorgans nach Empfehlung des Wissenschaftsrates, WR, 2005 erfolgte. Die neue Fachdisziplin laute: CMD-Kieferorthopädie, CMD-KFO, KieferOrthopädie im Rahmen der sog. Craniomandibulären Dysfunktion, CMD, Dento-Craniale und Dento-Cervikale Orthopädie und Neurologie, DCC-ON. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf dieses Schreiben Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 29.07.2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2013 zu verurteilen, alle bisher entstandenen und künftig entstehenden der Behandlung durch Dr. S entsprechend dem Behandlungsplan vom 28.03.2012 zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Sozialgericht habe den Sachverhalt zutreffend gewürdigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der Prozessakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung sein wird und diesem Votum zugrundeliegt.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte (§§ 143 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin vom 29.08.2013 gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 29.07.2013 ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die von der Klägerin in zulässiger Weise erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4, § 56 SGG) zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist durch den angefochtenen (Ablehnungs-) Bescheid vom 20.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2013 nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Sie hat weder einen Anspruch auf Freistellung von den ihr durch die Behandlung bei Dr. S bereits entstandenen Kosten noch auf Gewährung zukünftiger Behandlung als Sachleistung bzw. Übernahme der durch weitere Behandlung noch entstehenden Kosten.
Der Senat verweist zur Begründung auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in der angefochtenen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Berufungsbegründung, die wie im Wesentlichen das gesamte Vorbringen der Klägerin im Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahren, aus Schriftsätzen des behandelnden Arztes Dr. S besteht, rechtfertigt eine abweichende rechtliche Beurteilung nicht.
Ob einem Anspruch der Klägerin auf Kostenerstattung bereits die Nichteinhaltung des so genannten Beschaffungsweges entgegensteht, wofür allerdings deren – im weiteren Verlauf relativierte – Angabe in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat spricht, sie habe die Behandlung bei Dr. S bereits im März 2012 und damit begonnen, ohne der Beklagten die Möglichkeit zu geben, einen vermeintlichen (Sachleistungs-) Anspruch zu prüfen, kann dahinstehen.
Denn ein Behandlungsanspruch besteht gemäß §§ 27, 28 SGB V nicht. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V die (ambulante) zahnärztliche Behandlung. Gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 SGB V beinhaltet die (ambulante) zahnärztliche Behandlung die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden. Nicht zur zahnärztlichen Behandlung gehört die kieferorthopädische Behandlung von Versicherten, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben (§ 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V). Dies gilt nicht für Versicherte mit schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß haben, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordert (§ 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V).
Nach § 29 Abs. 4 Satz 1 SGB V hat der G-BA in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V befundbezogen die objektiv überprüfbaren Indikationsgruppen, bei denen die in § 29 Abs. 1 SGB V genannten Voraussetzungen vorliegen, zu bestimmen. Das sind Indikationsgruppen, bei denen eine Kiefer- oder Zahnfehlstellung vorliegt, die das Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht. Dabei hat der G-BA auch einzuhaltende Standards zur kieferorthopädischen Befunderhebung und Diagnostik vorzugeben (§ 29 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Diesen gesetzlichen Auftrag zum Erlass normkonkretisierender und damit anspruchsbegründender Richtlinien hat der Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen (seit 01.01.2004: G-BA) mit den am 01.01.2004 in Kraft getretenen "Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für die kieferorthopädische Behandlung" in der Fassung vom 04.06.2003 und vom 24.09.2003 (BAnz Nr. 226, S. 24966 (KFO-Richtlinien)) erfüllt. Schwere Kieferanomalien im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V liegen nach Maßgabe der Anlage 3 zu diesen Richtlinien vor bei angeborenen Missbildungen des Gesichts und der Kiefer, skelettalen Dysgnathien und verletzungsbedingten Kieferfehlstellungen, sofern eine Einstufung mindestens in die Behandlungsbedarfsgrade A5, D4, M4, O5, B4 oder K4 der Indikationsgruppen festgestellt wird. In diesen Fällen ist ein aufeinander abgestimmtes kieferchirurgisches und kieferorthopädisches Behandlungskonzept zu erstellen (vgl. B4 der KFO-Richtlinien).
Nach diesen Maßgaben ist ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Behandlungskosten, die ihr durch die Therapie der CMD entstanden sind bzw. entstehen, ausgeschlossen. Sie hatte zu Beginn der Behandlung bereits das 18. Lebensjahr vollendet. Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderlich machten, liegen ausweislich der durch Dr. S mitgeteilten Befunde nicht vor. Dies wird von der Klägerin auch nicht behauptet.
Wie bereits der 5. Senat (Urteil vom 10.10.2013 – L 5 KR 159/13) sowie der 1. Senat (Urteil vom 20.12.2012 – L 1 KR 276/11) des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen entschieden haben, zählt die CMD (craniomandibuläre Dysfunktion) nicht zu den in den Richtlinien des G-BA aufgeführten Kieferanomalien, die den gesetzgeberischen Vorgaben entsprechen (vgl. BT-Drucksache 12/3608 S. 79). Die Aufzählung in § 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V i.V.m. B 4. der KFO-Richtlinien ist abschließend. (vgl. BSG, Urteil vom 09.12.1997 – 1 RK 11/97 sowie Beschlüsse vom 20.06.2005 – B 1 KR 20/04 B und vom 19.07.2004 – B 1 KR 2/04 BH). Der umfassend geregelte Leistungsausschluss des § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V gilt grundsätzlich unabhängig von den Gründen, die im konkreten Fall zu einer Behandlungsnotwendigkeit erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres geführt haben. Aus diesem Grund bestehen Ansprüche des Versicherten weder bei Folgeerkrankungen noch im Hinblick auf Art oder Ursache der zu behandelnden Kieferanomalie (vgl. zu alledem auch LSG NRW, Urteil vom 20.12.2012, a.a.O., unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG).
Dabei stellt die von Dr. S durchgeführte Behandlung der Klägerin zweifelsfrei eine kieferorthopädische Behandlung im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V erfasst dar. Davon geht nicht zuletzt auch der von Dr. S auf der Grundlage der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) erstellte Heil- und Kostenplan aus. Die Argumentation der Klägerin (bzw. von Dr. S) verkennt, dass nicht maßgeblich ist, welche Erkrankung Auslöser für die kieferorthopädische Behandlung ist. § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V schließt – unabhängig von Art oder Ursache der zu behandelnden Kieferanomalie (BSG, Beschluss vom 20.06.2005 – B 1 KR 20/04 B) – jegliche kieferorthopädische Behandlung im Erwachsenenalter außerhalb der aufgeführten Ausnahmeregelungen aus (vgl. BSG, Urteil vom 09.12.1997 – 1 RK 11/97). Der umfassende Leistungsausschluss ist nach der Rechtsprechung des BSG auch verfassungsgemäß (vgl. BSG a.a.O.).
Ginge man davon aus, dass es sich bei der CMD-Kieferorthopädie nicht um eine kieferorthopädische Behandlung handelte, sondern um eigenständiges (zahnärztliches) Therapieverfahren, das im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für ärztliche bzw. zahnärztliche Leistungen nicht behandelt ist, wäre sie ggf. als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode – Dr. S beantragt ausweislich des im Berufungsverfahrens vorgelegten Schreibens an die Zahnärztekammer Westfalen-Lippe vom 31.07.2003 hinsichtlich der hier streitgegenständlichen Behandlung die Anerkennung einer neuen Fachdisziplin – qualifizieren, für die der G-BA jedoch noch keine Empfehlung abgegeben hat. Ein Sachleistungsanspruch scheiterte damit an § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V (so auch LSG NRW, Urteil vom 10.10.2013, a.a.O.).
Scheidet der geltend gemachte Anspruch nach alledem aus rechtlichen Gründen aus, bedarf es – anders als die Klägerin meint – keiner weiteren medizinischen Abklärung des Sachverhalts. Ebenso bedarf es keiner weiteren Überlegungen dazu, inwieweit Dr. S, der ohnehin kein zur vertragsärztlichen Versorgung in der GKV zugelassener Leistungserbringer ist (vgl. zu diesem Aspekt auch SG Aachen, Urteil vom 08.10.2013 – S 13 KR 32/13), als Zahnmediziner berechtigt und befähigt ist, etwa orthopädische und neurologische Befunde zu erheben und ggf. behandeln. Gemäß § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde (ZHG) ist Ausübung der Zahnheilkunde die berufsmäßige auf zahnärztlich wissenschaftliche Erkenntnisse gegründete Feststellung und Behandlung allein von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten. Als Krankheit ist dabei jede von der Norm abweichende Erscheinung im Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer anzusehen, einschließlich der Anomalien der Zahnstellung und des Fehlens von Zähnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Erstellt am: 08.07.2014
Zuletzt verändert am: 08.07.2014