Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 07.05.2014 wird zurückgewiesen. Der Tenor wird klarstellend wie folgt neu gefasst: Der Antragsgegner wird für die Zeit vom 14.04.2014 bis zum 30.06.2014 vorläufig verpflichtet, den Antragstellern die Regelbedarfe ohne Kosten der Unterkunft nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im Beschwerdeverfahren dem Grunde nach. Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt T aus L beigeordnet.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 -1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5,237 = NVwZ 2005, Seite 927¸ Keller in: Meyer-Ladewig u.a., Kommentar zum SGG, 10. Auflage 2012 zu § 86b Rn. 29 a).
Die Entscheidung des Sozialgerichts (SG) vom 07.05.2014, nach der der Antragsgegner verpflichtet worden ist, den Antragstellern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vorläufig für den Zeitraum vom 14.04.2014 bis 30.06.2014 unter Beschränkung der Leistungen auf den Regelbedarf zu gewähren, ist nicht zu beanstanden.
Das Vorbringen des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren rechtfertigt keine andere Beurteilung. Nach summarischer Prüfung sind die allgemeinen Voraussetzungen der Leistungsgewährung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II gegeben. Die Antragsteller haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und sind erwerbsfähig. Sie sind auch bedürftig. Gegenteilige Anhaltspunkte liegen nicht vor und sind von dem Antragsgegner auch nicht in substantiierter Form geltend gemacht worden.
Bei der Frage, ob die Antragsteller als rumänische Staatsangehörige gemäß § 7 Absatz 1 Nr. 2 SGB II von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind, weil sie sich nach derzeitiger Aktenlage allein zum Zwecke der Arbeitsuche in Deutschland aufhalten dürften, oder ob § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II aufgrund der unmittelbaren Anwendbarkeit des Art. 4 VO (EG) 883/2004 hinter diese zurücktritt, handelt es sich um umstrittene Rechtsfragen, die in Rechtsprechung und Literatur bisher nicht einheitlich beantwortet sind (vgl. etwa gegen der Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.05.2012 – L 19 AS 794/12 B ER unter Berufung auf ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages; Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 08.05.2012 – S 91 AS 8804/12 ER; LSG NRW, Beschluss vom 02.10.2012 – L 19 AS 1393/12 B ER; Schreiber in NZS 2012, Seite 647 ff.; für eine Anwendbarkeit des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II: SG Berlin, Beschluss vom 11.06.2012 – S 205 AS 11266/12 ER und Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14.05.2012 – S 124 AS 7164/12 ER; LSG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 21.06.2012 – L 20 AS 1322/12 B ER und vom 02.08.2012 – L 5 AS 1297/12 B ER; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.05.2012 – L 3 AS 1477/11). Die Komplexität der gesetzlichen Regelungen unter Berücksichtigung der Einwirkungen der europarechtlichen Rechtsnormen auf die nationalen Gesetze lässt sich auch dem beim Bundessozialgericht (BSG) unter dem Aktenzeichen B 4 AS 9/13 R geführten Verfahren, in dem Ansprüche von schwedischen Staatsangehörigen streitig sind, entnehmen. Das BSG hat das Verfahren B 4 AS 9/13 R nach Art. 267 Abs. 1 und 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ausgesetzt, um eine Vorabentscheidung des EuGH zu verschiedenen Fragen einzuholen, u.a., ob das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO (EG) 883/2004, mit Ausnahme des Exportausschlusses des Art. 70 Abs. 4 VO (EG) 883/2004, auch für die besonderen beitragsunabhängigen Geldleistungen im Sinne von Art. 70 Abs. 1, 2 VO (EG) 883/2004 gilt (BSG, EuGH-Vorlage vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R).
Aufgrund der Komplexität der Rechtsfragen kann die Rechtslage in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend beurteilt werden, so dass anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden ist (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05). Diese fällt zugunsten der Antragsteller aus. Ohne die beantragten Leistungen drohten bzw. drohen den Antragstellern für den tenorierten Zeitraum existentielle Nachteile, die sie aus eigener Kraft nicht abwenden können, da ihr Lebensunterhalt jedenfalls ab Antragstellung bei dem SG nicht mehr gesichert war. Demgegenüber hat der Antragsgegner allein finanzielle Nachteile durch die vorläufige Auszahlung der Leistungen. Insbesondere ist der Antragsteller zur Sicherstellung des Existenzminimums wegen der auch diesbezüglich bestehenden klärungsbedürftigen Rechtsfragen auch nicht auf die Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII zu verweisen (LSG NRW, Beschluss vom 20.12.2012 – L 7 AS 2138/12 B ER).
Der Umzug zum 07.05.2014 nach Oberhausen steht der Gewährung des Regelbedarfs bis zum 30.06.2014 nicht entgegen (§ 2 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]).
Da das SG den Antragsgegner verpflichtet hat, "den Antragstellern für den Zeitraum vom 14.04.2014 bis zum 30.06.2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen des SGB II zu bewilligen" und erst in den Gründen des Beschlusses klarstellend ausführte, dass die Antragsteller ihr Begehren auf den Regelbedarf beschränkt hatten, war der Tenor klarstellend neu zu fassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Den Antragstellern war für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe nach § 119 Abs. 1 S. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zu gewähren.
Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Erstellt am: 17.07.2014
Zuletzt verändert am: 17.07.2014